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Um jeden Preis: Wie das Raketenabwehrsystem »Golden Dome« die USA vor Angriffen schützen soll

SWP-Podcast 2025/P 23, 18.09.2025 Forschungsgebiete

US-Präsident Trump will einen Schutzschild gegen Raketen- und Luftangriffe für die USA. Der »Golden Dome« soll 175 Milliarden Dollar kosten. Wie dieser Schutzschirm funktionieren soll, wie realistisch das Projekt ist und welche Konsequenzen es für Europa gibt, erklären Liviu Horovitz und Juliana Süß.

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Hinweis: Dieses Transkript wurde mithilfe von KI generiert. Es handelt sich somit nicht um einen redaktionell erstellten und lektorierten Text.

Moderator: Donald Trump hat einen Plan. Ende Mai verkündete der US-Präsident den Beginn des Golden Dome-Projekts, ein Raketenshield zu Wasser, Land und im All, das die USA vor Angriffen feindlicher Mächte schützen soll. Einsatzbereit soll dieser Goldene Dom schon in gut drei Jahren sein und der Preis dafür laut Trump stand jetzt 175 Milliarden Dollar. Eine ganze Menge Geld, wo man schon mal fragen kann, wie realistisch ist das Ganze eigentlich und bietet es wirklich vollkommene Sicherheit vor feindlichen Raketen, wo auch immer sie herkommen mögen? Und ist das ein Preis, den man in dieser Zeit tatsächlich zahlen sollte? Und wieso brauchen die USA diesen Schirm eigentlich überhaupt? Das wollen wir uns erklären lassen von Juliana Süß und Liviu Horovitz aus dem SWP-Forschungsprojekt Strategic Threat Analysis and Nuclear Disorder, kurz STAND. Hallo, herzlich willkommen Ihnen beiden.

Juliana Süß: Hallo.

Liviu Horovitz: Guten Morgen.

Moderator: Und ich bin Dominik Schottner. Hallo auch von meiner Seite. Frau Süß, was genau soll denn dieser Golden Dome eigentlich können?

Juliana Süß: Also Golden Dome ist als Prinzip ein integriertes Luft- und Raketenabwehrsystem. Und die Ambition ist hier nicht geringer, als das gesamte US-Territorium zu 100 Prozent vor Luftangriffen und vor Raketen zu schützen. Das bedeutet auch von allen Seiten, also von Russland, China, Nordkorea und dem Iran. Zuvor war der Fokus vor allem bei der amerikanischen Raketenabwehr auf nordkoreanische Raketen und zu einem gewissen Grad auch iranische Raketen. Man muss dazu sagen, vieles ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar, aber das grundlegende Konzept für die Raketenabwehr steht bereits fest. Und zwar sind das weltraumbasierte Abfangraketen.

Moderator: Ja, und welche Probleme es da geben könnte, warum das Ganze so teuer ist oder werden kann, das hängt unter anderem eben genau mit diesem weltraumbasierten Raketen zusammen, Herr Horovitz. So eine Idee für alle, die vielleicht schon ein bisschen länger auf dieser Erde sind, so eine Idee gab es Anfang der 80er schon mal vom damaligen Präsidenten Ronald Reagan initiiert. Wenn man die beiden Ideen jetzt vergleicht, worin liegen Gemeinsamkeiten, worin liegen Unterschiede?

Liviu Horovitz: Also, ich bin schon lange auf Erden, aber lebte noch nicht zu Ronald Reagans Zeiten, aber aus der Geschichte, aus der Historiografie wissen wir, der wollte auch Interkontinentalraketen, in diesem Fall der Sowjets, in den ersten Minuten nach dem Start abschießen können. Und damals wirkte diese Idee noch abwegiger als heute. Satelliten ins All bringen war deutlich schwieriger, deutlich teurer und die dafür notwendigen Technologien existierten schlicht und einfach nicht. Ob es Kommunikationstechnologien, ob es die Software braucht, die das halt berechnet, was man wie abschießen sollte, das gab es damals nicht. Es war Science Fiction und man hat es auch als Star Wars verspottet.

Moderator: Er war ja auch Schauspieler.

Liviu Horovitz: Ja, genau. Das war ja auch die Idee. Heute denken wir oder denken viele über Reagan als große historische Figur, aber damals war es ein Schauspieler, der sich gerne als Cowboy inszenierte und viele dachten, das ist ja ein bisschen einfach gestrickt und versteckt und versteht nicht so doll, wie das so mit der nuklearen Abschreckung ist, weil er mochte die nukleare Abschreckung nicht. Und er hatte diese Vorstellung, er wollte Amerika unverwundbar machen. Ja, dass sein geliebtes Land in einem Krieg, das eigentlich aus seiner Sicht Europa betraf, ja Sache der Europäer, in so einem Krieg wäre sein Land von unzähligen Atomraketen zerstört worden. Und er wollte was dagegen machen und darum dieses Projekt. Aber er war auch begeistert von Technologie und er hoffte, dass man mit technologischen Innovationen diesen strategischen Vorsprung gegenüber der Sowjetunion erreichen könnte und damit sich dann durchsetzen kann.

Moderator: Ja, aber da gibt es ja dann durchaus schon einen Parallel, dass man sagt, man möchte das Homeland, sagen die Amerikaner in dem Zusammenhang ja immer, beschützen. Und das aber das, was da in Europa passiert, das sollen die Europäer mal schön unter sich regeln irgendwie. Gibt es denn dann überhaupt so eine Notwendigkeit, dass man sagen kann, ja die Amerikaner mit ihrem Homeland, also inklusive Hawaii, ja auch eine Schwierigkeit, paar tausend Kilometer nochmal entfernt und auch Alaska, sind tatsächlich so in Gefahr? Frage an Sie beide.

Juliana Süß: Also da muss man auch ganz klar sagen, die Bedrohungslage hat sich natürlich verändert. Politisch wie aber eben auch technologisch. Also vor allem im Bereich der Raketentechnologie hat sich da einiges verändert. Vor allem gibt es jetzt vermehrt Präzisionswaffen, die waren vorher noch nicht so verbreitet. Aber eben auch China und Russland haben Waffensysteme entwickelt, die zum Teil viel manövrierfähiger sind als zuvor, deren Routen somit viel schwieriger sind vorherzusagen, anders als bei reinen ballistischen Raketen. Das heißt aber eben auch, dass die existierenden Verteidigungssysteme umgehen könnten. Zum Beispiel Hyperschall-Gleitfahrzeuge werden da oft sozusagen als Beispiel genannt.

Liviu Horovitz: Ja. Und es ist halt die Frage, welche Szenarien man in Betracht zieht. Ja, wofür braucht man das? Ja, auf der anderen Seite haben die Russen und die Chinesen Tausende von Nuklearwaffen, Hunderte von Interkontinentalraketen. Und auch wenn man denkt, so ein Super-GAU ist unwahrscheinlich, aus amerikanischer Sicht oder aus der Sicht des Präsidenten wäre es schon schön, so etwas zu haben, so konzeptionell. Ob das dann gut für internationale Politik ist, ist nochmal eine andere Frage. Aber es ist natürlich, wenn man sein Land abschotten möchte. Allerdings, und das muss man auch verstehen, unterschiedliche Leute haben unterschiedliche Ideen. Man muss nicht unbedingt diese Super-GAU-Szenarien in Betracht ziehen. Es gibt auch realistischere Szenarien, kleinere Szenarien. Zum Beispiel kann man sich vorstellen, dass Russland die NATO angreift mit konventionellen Waffen. Und dann ist der US-Präsident etwas zögerlich, was die Verteidigung der Verbündete angeht. Und dann könnte Moskau drohen, mit einer oder zwei Nuklearwaffen US-Militärbasen anzugreifen, also in den USA - genauso viel, dass Washington sich zweimal überlegt, will es oder will es nicht sich einmischen in Europa. Und wenn es aber glaubwürdige Abwehrmöglichkeiten hätte gegen diesen ein, zwei Raketen, dann wäre so eine Drohung der Russen weniger wirksam. Und Russland musste entweder einen viel größeren Angriff in Kauf nehmen oder ganz davon absehen. Und aus unserer Sicht, aus der Sicht der Verbündeten, wir würden natürlich hoffen, dass Moskau dann abgeschreckt ist und schon gar nicht diesen ersten, diesen konventionellen Krieg gegen die NATO starte.

Moderator: Frau Süß, da sollen ganz viele Satelliten dann ins All geschossen werden, um von dort wie dann feindliche Raketen abzuwehren? Und warum könnte das möglicherweise zu einem Problem werden?

Juliana Süß: Also da gibt es mehrere sozusagen Komponenten, die wir hier auseinandernehmen müssen. Also die Motivation dahinter ist es ja, Raketen in ihrer Boost-Phase abzufangen. Und was wir damit meinen ist, sozusagen wenn die Rakete gestartet wird, sozusagen auf dem Weg, je nachdem was für ein Raketentyp es ist, ob sie jetzt in der Atmosphäre, im Weltraum oder noch knapp darunter sozusagen, dann sich auf dem Weg befindet und dann bevor sie sozusagen wieder durch die Atmosphäre eintritt, um dann eben ihr Ziel zu treffen, unterscheiden wir generell drei verschiedene Phasen. Und die allererste ist eben diese Boost-Phase. Das heißt aber eben auch, da werden noch keine Gefechtsköpfe abgesetzt, da werden auch noch keine Täuschkörper abgesetzt. Das heißt, es ist generell oder zumindest theoretisch einfacher, sozusagen die Rakete genau zu diesem Zeitpunkt zu treffen.

Moderator: Weil man sie auch optisch sehen kann, weil sie brennt sozusagen an ihrem Ende?

Juliana Süß: Genau, also das sind ja auch bereits die, ja das ist bereits auch die Sensorik, die wir im Weltraum haben. Generell für Raketenabwehr ist sozusagen das eben, ja sozusagen gesehen wird, wenn eine Rakete gestartet wird, einfach durch die extreme Hitze, die da abgesetzt wird. Momentan befinden sich diese Sensoren aber im geostationären Orbit, also sehr, sehr weit weg, 36.000 Kilometer weit weg. Jetzt bei Golden Dome geht es tatsächlich darum, diese Abfangraketen und diese Satelliten eben in der erdnahen Umlaufbahn zu stationieren. Also das fängt bei 100 Kilometer an bis hin zu 2000 Kilometer, also viel, viel näher dran. Genau, und da geht es dann darum, diese Sensorik, aber eben auch die Abfangraketen würden sich im Weltraum befinden. Natürlich sind Satelliten auch nicht stationär, also die bewegen sich natürlich und müssen eben auch in genügend Masse vorhanden sein. Denn man muss bedenken, wenn jetzt so ein Raketenstart abläuft, dann ist vielleicht einer der ersten Sensoren, die das sozusagen tracken kann, die Rakete verfolgen kann. Dann ist es aber nicht auch der Satellit, der dann wahrscheinlich auch diese Rakete dann eben abfängt. Das wäre dann der nächste. Deswegen reden wir da von Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden Satelliten, die da gebraucht werden würden.

Moderator: Wie so ein Netz sozusagen einmal um den Globus herum gespannt werden, damit die die Informationen immer weitergeben können. Und der erste Satellit, der es möglicherweise erkannt hat, ist nicht derjenige, der am Ende dann die Rakete, die feindliche Rakete, die die USA bedroht, dann auch ausschaltet.

Liviu Horovitz: Genau so.

Moderator: Und kann man irgendwie das greifbar machen? Also man braucht so und so viele Satelliten oder Kommunikationseinheiten, sagen wir jetzt mal, um eine einzige Rakete rauszunehmen. Gibt es irgendeine irgendwie greifbare Zahl? Sagen wir 10 auf 1 oder 100 auf 1 oder irgendwas? Nein?

Liviu Horovitz: Man braucht eine ganze Konstellation. Also wenn eins das Ziel ist, dann braucht man vielleicht 500, 600, also Hunderte. Mit den Hunderten kann man aber auch eine Handvoll abfangen. Zwischen eins und eine Handvoll, dann hat man diese Konstellation. Und wenn man dann, wenn diese Zahlen dann nach oben geht, dann muss man das multiplizieren.

Moderator: Ja. Und jeder dieser Kommunikationseinheiten, die auch dann eine Abfangrakete, nenne ich es jetzt einfach mal ganz simplifiziert, in sich trägt, kostet ja etliche, etliche Millionen Dollar. Das heißt, wir bewegen uns da dann im Milliarden- oder vielleicht sogar Billionen-Bereich. Das ist das eine Problem. Kommen wir auch gleich noch zu. Was ist das andere Problem noch sonst im All?

Juliana Süß: Ja, es gibt natürlich viele…

Moderator: Das sind ja auch kommerzielle Satelliten da oben zum Beispiel.

Juliana Süß: Das kommt natürlich auch noch dazu. Also generell der erdnahe Orbit ist inzwischen der meistbesiedelte. Also die Erdumlaufbahn, wo sich inzwischen, ich glaube, sogar mehr als 90 Prozent aller Satelliten befinden. Also es ist ein sehr dicht besiedeltes Orbit eben auch. Das heißt, da kommen natürlich auch nochmal Fragen dazu zur Nachhaltigkeit oder generell, wie sicher ist das? Was ist das Risiko? Natürlich gibt es auch immer wieder kleinere, ungewollte Kollisionen im Weltraum, die eben auch Satelliten beschädigen. Dann ist natürlich eben auch die Frage, wie verhält sich das, wenn da dann aber eine sozusagen de facto Waffe eben auch mit dabei ist und wie kann das dann sozusagen vermieden werden? Dazu kommt dann aber auch noch, und zwar ganz logistisch und praktisch, wie wird einfach diese schiere Datenmasse auch verarbeitet? Sie hatten ja bereits angesprochen, sozusagen die Kommunikationssatelliten, die dazukommen, sozusagen das muss ja auch alles kommuniziert werden unter den Satelliten und auch wieder eben zurück zu den Datenzentren in den USA. Da kommt auch nochmal eine ganze Menge an Anforderungen, was KI und generell Daten und ja, einfach diese reine Masse an Daten, die da verarbeitet werden muss, auf uns zu.

Moderator: Ja, und jetzt hatten Sie gerade das Thema Nachhaltigkeit angesprochen. Wie müssen wir das verstehen, dass so ein Satellit, eine Kommunikationseinheit, trägt eine Rakete und wenn sie die abschießt, ist sie quasi leer und ist nicht mehr zu gebrauchen? Und was passiert dann mit diesem Satelliten? Oder gibt es sozusagen so ein, ja, wie so ein Magazin einer Waffe, dass mehrere Raketen drin sind, was quasi nachhaltig ist in großen Anführungszeichen?

Juliana Süß: Also das genaue Konzept steht ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Was, oder zumindest was ich momentan rauslese, ist, dass diese Kommunikationssatelliten sozusagen nochmal separat wären, auch zu den Abfangraketen. Also es ist sozusagen das Netz von Satelliten, von denen wir sprechen, das sind Kommunikationssatelliten sowie auch Abfangraketen. Aber natürlich, wenn dann sozusagen eine Rakete verwendet wird, dann müsste sie eben auch ersetzt werden. Und das ist auch eben generell eins der Probleme dieser Riesenkonstellation, über die wir nachdenken, dieser Riesenmasse an Satelliten, die müssen natürlich auch wieder aufgefrischt werden. Also vor allem Satelliten im erdnahen Orbit, die sind nicht so lange, wie man sich das vielleicht vorstellt im Orbit. Also da sprechen wir manchmal von fünf bis sechs Jahren, vielleicht auch weniger, je nachdem, wie hoch sie stationiert sind. Aber die müssten natürlich eben dann auch Jahr um Jahr eben auch wieder aufgefrischt werden. Da kommen auch nochmal eine ganze Menge an eben auch Kosten und eben auch Logistikprozessen dazu.

Moderator: Zynisch gesprochen, klingt nach einem super Geschäftsmodell für Donald Trumps Tech Bro Buddies, Herr Horovitz.

Liviu Horovitz: Ja, also ich glaube, unterschiedliche Leute haben unterschiedliche Interessen.

Moderator: Das haben Sie sehr diplomatisch formuliert.

Liviu Horovitz: Na gut, es gibt natürlich Leute, die Geld verdienen wollen. Kann man denen auch nicht übel nehmen. Die Rüstungsindustrie produziert das, was der Präsident bestellt und bekommt dafür Geld. Und dann gibt es natürlich auch noch die zahlreichen Tech-Unternehmen, die mehr oder minder Freunde von Donald Trump, die wollen bei Golden Dome, manche wollen bei Golden Dome mitmachen. Und wahrscheinlich müssen sie auch mitmachen, denn ohne sie haben diese Pläne kaum eine Chance auf Erfolg, munkelt man heute in den USA.

Moderator: Darf ich ganz kurz dazwischen gehen? Kann es auch andersrum sein, dass möglicherweise die, Stichwort Elon Musk und sein ganzes Starlink-Netzwerk, das ist einfach, weil es einfacher geworden ist, leichter geworden ist, dass man überhaupt erst auf die Idee kommt, sowas zu machen?

Liviu Horovitz: Das ist sicher so. Das ist sicher so. Aber ich glaube, diese Leute können woanders noch mehr Geld verdienen als mit dem Golden Dome. //Moderator: Mit Regierungsaufträgen.// Genau, also es gibt woanders mehr Geld. Aber natürlich wollen sie, also viele wollen mitmachen, weil sie sich damit Freundschaft mit dem goldenen Präsidenten erhoffen. Aber es gibt auch Leute, die schlicht und einfach grundsätzlich bessere Raketenabwehrsysteme wünschen. Und ob sie dann glauben, dass die Golden-Dome-Vision realistisch ist oder nicht, das ist auch nicht so wichtig. Sie nutzen die Gelegenheit, um Projekte voranzutreiben, die sie sowieso wollten. Und jetzt haben sie einfach nur alles unter dem Etikett des Goldenen halt runtergestellt. Und dann gibt es noch die, die durch Technologie mit China konkurrieren wollen und hoffen, dass die US-Unternehmen immer noch kreativer und agiler sind. Und deshalb wollen sie diesen Wettbewerb mit China in diese Bahnen lenken. Ob sie recht haben oder nicht, das schauen wir mal. Aber es geht nicht nur ums Geld, es geht um verschiedene Akteure, die ganz unterschiedliche Interessen haben.

Moderator: Ja, was sagen Sie zum Zeitplan? Donald Trump hat in der ihm sehr eigenen Art natürlich sehr ambitioniert gesagt, innerhalb meiner Amtszeit wird das was. Also innerhalb der nächsten drei, vier Jahre. Ist das realistisch bei der Fülle an Herausforderungen?

Juliana Süß: Also wie schon gesagt, es gibt eine ganze Menge an Herausforderungen. Wir wissen momentan auch noch relativ wenig. Das Pentagon, also das amerikanische Verteidigungsministerium, will zuerst die Datensysteme bauen. Deswegen geht es erst auch um die Satellitennetzwerke und auch die Kommunikationssysteme aufzubauen. Und laut optimistischen Schätzungen könnte das tatsächlich in den nächsten Jahren fertig sein. Eben auch vielleicht sogar bevor Donald Trump das Weiße Haus verlässt. Es ist aber wahrscheinlicher, dass das Proof of Concept sozusagen 2029 erscheint. Und wie gesagt, wie vorhin schon erwähnt, es ist natürlich auch ein fortlaufendes Projekt. Also Golden Dome ist nicht irgendwann 2035 fertig und da muss da nichts mehr dran gebaut werden oder investiert werden, sondern diese Satelliten, auch wenn die Raketen sozusagen nicht abgefeuert werden, müssen ja eben auch ersetzt werden. Deswegen, das muss man auch immer noch dazu sagen.

Moderator: Man braucht einen Wartungsvertrag.

Liviu Horovitz: Mit Sicherheit. Und die 175 Milliarden reichen vorne und hinten nicht aus.

Moderator: Sondern wohin geht es eher?

Liviu Horovitz: Also es ist ja natürlich die Frage immer, was man will und das, was man... Man weiß nicht genau, was dieser Präsident zwischen den großen markigen Worten und was dann dabei rauskommt oder was dann das Pentagon tatsächlich implementieren wird. Das werden wir im Herbst und im Winter ein bisschen besser wissen und dann in den nächsten Jahren, wenn sich das entwickelt. Aber wenn man nur einigermaßen nahe kommen kann, dann redet man schnell von das Dreifache, das Vierfache. Nur man muss auch verstehen, das amerikanische Militärbudget ist 800 Milliarden pro Jahr und natürlich sind 175 ein Großteil davon, aber die Amerikaner können Hunderte von Milliarden für solche Sachen ausgeben, ob das Sinn macht oder nicht.

Moderator: Es sind natürlich 175 Milliarden plus X, die an anderer Stelle dann fehlen möglicherweise. Worüber ich mich noch gewundert habe ist, dass wenn man jetzt gerade in die Ukraine schaut, man vor allem sieht, dass mit ganz klitzekleinen Waffen Fortschritte gemacht werden. Ich spreche die Drohnen an zum Teil, die mit relativ primitiven Mitteln relativ großen Schaden zum Teil anrichten können. Würden denn Drohnen auch von dem Golden Dome erfasst? Weil bis jetzt haben wir ja nur über den großen Bang gesprochen.

Liviu Horovitz: Also die Idee des Präsidenten, so wie er es verkauft, ist, dass man halt alles abfängt aus allen Richtungen und so weiter. Also da sind auch Systeme, die Drohnen abfangen sollen, Systeme, die Flugzeuge anvisieren sollen, Systeme, die Marschflugkörper anvisieren. Das sollte alles in diesem goldenen Dome da halt einbezogen werden. Und natürlich investiert das US-Militär in den verschiedensten Bereichen. Wir haben uns eher, oder die großen Fragen, die aufgetaucht sind, die sind eben in Richtung ballistische Raketenabwehr, weil das technologisch das Schwierigste ist, was es überhaupt zu machen ist. Die anderen Sachen sind machbarer und sind natürlich auch im Sinne der USA, die halt ein Ozean links und ein Ozean rechts hat, etwas schwieriger oder etwas wichtiger im Sinne eines globalen Abwehrsystems.

Moderator: Ja, aber ein Ozean über dem man, wir erinnern uns an diese Aktion der Ukrainer, die einen Transporter, auf dem angeblich ein Fertighaus gelagert war, nach Russland hineingebracht haben und dann schwärmten Drohnen aus und haben Teile der Nuklearflotte der Russen zerstört. Das ist ja analog mit Schiffen durchaus auch vorstellbar.

Liviu Horovitz: Kann man sich alles vorstellen und es gibt auch natürlich Projekte in den USA, die verschiedene Systeme anvisieren. //Moderator: Aber das ist zu klein für den Golden Dome.// Es ist ja natürlich, was der Präsident unter seinem Golden Dome versteckt, das weiß nur er und was das Pentagon dann. Es ist ja auch schwierig, es gibt Papiere, die versuchen auseinander zu klamüsern, was neue Investitionen sind, die mit Golden Dome einhergehen und was schon Pläne des Pentagons oder Entwicklungspläne oder Forschungspläne schon davor existierten und da nur etwas mehr Geld gegeben wird. Und das ist unglaublich schwierig zu wissen, was ist was.

Moderator: Jetzt versuchen wir mal für einen Moment die Perspektive zu wechseln und versetzen uns mal ins Oval Office und an diesen Schreibtisch. Was spricht politisch für dieses Projekt? Innen- wie außenpolitisch, Frau Süß?

Juliana Süß: Also Golden Dome ist für Donald Trump eben auch ein Wahlversprechen, was er jetzt unbedingt liefern möchte. Er hat es bereits in seiner ersten Regierungsperiode angesprochen. Er hat immer wieder gesagt, dass Raketenabwehr für die USA wichtig sind für die amerikanische Überlegenheit. Und das versucht er jetzt natürlich als Konzept zu liefern. Es ist also ein symbolisches Projekt mit sehr hochgesteckten technologischen Zielen, was sozusagen auch eben seine Ideologie widerspiegeln soll. Und wie vorhin auch schon angesprochen, mit dem ähnlichen Projekt unter Ronald Reagan, das ist eben diese Idee, dass Technologie alles lösen kann oder auch sehr komplexe Probleme einfach lösen kann. Das macht es am Ende des Tages eher ein strategisches Wunschdenken, als jetzt tatsächlich irgendwas Handfestes. Ähnliches haben wir in der Trump-Regierung auch schon gesehen, beim Bau der Mauer zum Beispiel. //Moderator: Nach Mexiko?// Genau, ein ähnliches Projekt, was sozusagen die Ideologie widerspiegelt und was eben Trump etwas gibt, wovon er ein Foto machen kann und sagen kann, das haben wir bereits erreicht.

Moderator: Also eigentlich eher ein Symbol, gerade in der Außenpolitik. Also vielleicht auch smart?

Liviu Horovitz: Für Donald Trump und die Leute im Weißen Haus ist es halt, wie ein Trump Tower in Manhattan und sie machen Fotos, als würden sie halt den Vogue advertisen wollen. Für die Leute im Pentagon ist es halt mehr Geld, um eigene Sachen nach vorne zu tragen. Und für viele andere sind das Risiken, die vor ihnen stehen. Also es hängt sehr stark davon ab, aus welcher Perspektive man das sieht und wer man ist.

Moderator: Wenn man jetzt aus NATO-Perspektive zum Beispiel mal drauf schaut, was hat das für Implikationen?

Liviu Horovitz: Das ist eine sehr gute und eine sehr schwierige Frage, weil wir eben nicht wissen, was dabei rauskommt. Was will er damit und was wird er da machen? Ich versuche mal halt die guten und die schlechten Seiten ein bisschen darzustellen. Also auf der guten Seite grundsätzlich haben die Europäer ein Interesse an einer verlässlichen amerikanischen Abschreckung. Und wenn die USA glaubhaft vermitteln können, dass sie in der Lage sind, russische Raketen abzufangen, die auf ihr eigenes Territorium zielen, besonders wenige russische Raketen, dann stärkt das in einer Krise auch Europas Sicherheit. Ein weiterer Punkt wäre, wenn Russland durch Golden Dome gezwungen wird, mehr Ressourcen in Raketenabwehr zu investieren, statt in offensive Systeme, mit denen man etwa zum Beispiel die NATO bedrohen könnte, dann ist das aus europäischer Sicht durchaus positiv. Und grundsätzlich ist es auch im Interesse Europas, wenn die USA im technologischen Wettbewerb mit China die Nase vorn haben. Angenommen, wir bleiben gute Freunde, wie wir in der Vergangenheit waren, was bei diesem Präsidenten nicht so ganz selbstverständlich ist. Aber es gibt auch natürlich auch mögliche negativen Folgen für Europa und für die Welt an sich, je nachdem, was am Ende tatsächlich daraus wird. Wenn die USA enorme Summen in Raketenabwehr stärken, dann fehlen, wie wir schon diskutiert haben, dann fehlt das Geld womöglich woanders. Zum Beispiel bei den Investitionen, die notwendig wären, um die erweiterte Abschreckung in Europa glaubwürdig abzusichern. Die erzählen uns zu diesem Zeitpunkt, wie viel sie in Europa alles sparen müssen, um mit China zu konkurrieren. Und zur gleichen Zeit wollen sie ganz viel Geld für Raketenabwehr ausgeben. Ob das gute News oder schlechte, das kann man sich ja vorstellen.

Moderator: Also Sie plädieren an der Stelle eher für nukleare Abschreckung, die günstiger zu haben ist?

Liviu Horovitz: Also nukleare Abschreckung ist ein System, das schon lange aufrechterhalten, aufrecht ist. Und es gibt Leute, die das für eine schlechte Idee, für eine gute Idee, also das wird weiterhin bleiben, die nukleare Abschreckung. Es ist wirklich nur, inwiefern man diese nukleare Abschreckung komplementieren kann oder nicht. Aber es gibt auch noch andere negative, eventuell Konsequenzen. Also es ist nicht nur das, sondern es hat auch noch anderes. Also wir haben ein Interesse ja grundsätzlich an strategische Stabilität. Und wenn die Russen ernsthaft befürchten in einer Krise, dass ihr nukleares Potenzial neutralisiert werden könnte, dann hat das sehr unterschiedliche Folgen. Einerseits ist das vielleicht eine gute Idee, weil sie dann vielleicht etwas nicht tun in einer Krise, also sie sind abgeschreckt. Aber es könnte sein, dass das auch zu einer Eskalation führt, was für uns, besonders für uns, halt nicht so lustig sein könnte. Und wie Juliana schon angemerkt hat, wenn tausende bewaffnete Systeme sich im All befinden, dann ist das grundsätzlich keine gute Idee. Und zwar für niemanden, weil wir alle aufs Weltall sehr stark angewiesen sind.

Moderator: Ist einfach über unseren Köpfen. Über alle unseren Köpfen. Und haben wir auch in einer anderen Folge des SWP-Podcasts schon mal etwas eingehender beleuchtet, was da die Schwierigkeiten sind.

Juliana Süß: Genau, und das ist die generelle Gefahr der Aufrüstung im All. Falls dieses Projekt tatsächlich so zustande kommt, wie es momentan versprochen wird. Denn diese Abfallraketen, von denen wir sprechen, sind eben auch de facto Antisatellitenwaffen, die eingesetzt werden könnten, um eben andere Satelliten zu zerstören. Das könnte natürlich auch das Risikodenken auf den Seiten Russlands und Chinas verändern. Sozusagen den Kalkulus, dass eben mehr investiert werden muss, auch in die eigenen Antisatellitenwaffen. Die haben nämlich beide Seiten eben auch bereits getestet. Das muss man auch daran denken. Zudem könnte es aber eben auch Russland und China den Vorwand geben, weitere Entwicklungen in diesem Bereich zu wagen. Und die Frage ist eben, ist das wünschenswert für die USA? Denn die USA ist viel mehr auf den Weltraum angewiesen, im Zivilen wie auch im militärischen Bereich, als Russland zum Beispiel. Deswegen könnte das eben auch einen Effekt haben, den die USA gar nicht haben will.

Moderator: Wenn wir das jetzt alles gehört haben, und wir haben es ja wirklich nur angetippt, auch weil so vieles noch nicht besonders klar ist. Und würden Sie sagen, das ist ein irgendwie sinnvolles Projekt? Oder ist es eines von diesen Symbolprojekten von Donald Trump, frei nach dem Motto, the sky is eben not the limit?

Juliana Süß: Also wie bereits gesagt, im Moment ist noch vieles sehr, sehr unklar, was sich tatsächlich hinter diesem Golden Dome verbirgt, wie viele Systeme da eben auch aufeinandertreffen und integriert werden. Aber ich sage mal, es gibt gute Gründe, warum das damals im Kalten Krieg nicht weiterverfolgt wurde. Dass wir sozusagen sagen müssen, vor allem eben auch diese Abfangraketen, die im Weltraum stationiert sind, da sind sehr, sehr viele Risiken und sehr viele Gefahren eben auch dabei, die eben auch mit einkalkuliert werden müssen. Und momentan, muss man sagen, bei den Statements, die momentan aus dem Weißen Haus kommen, liest sich nicht wirklich heraus, dass diese Gefahren und Risiken eben auch genügend abgewogen werden.

Moderator: Unterschreiben Sie?

Liviu Horovitz: Würde ich so unterschreiben. Also für Trump und seine Entourage ist das wahrscheinlich eine gute Idee. Sie können, sie lieben das Golden und irgendwas, irgendwas sky is not the limit zu erzählen, ob sie dann was daraus machen oder nicht, ist halt schon mal dahingestellt. Für die Leute, die im Pentagon den strategischen Wettbewerb wünschen oder halt sich für Raketenabwehr interessieren, ist das ein Goldsegen sozusagen, ein Geschenk. Und für die Menschen, die sich um Eskalationen Sorgen machen, ist das sehr problematisch.

Moderator: Sagt Liviu Horovitz. Mit ihm und Juliana Süß habe ich darüber gesprochen, was der Golden Dome-Raketenschild eigentlich ist, den Donald Trump für die USA plant. Vielen herzlichen Dank Ihnen beiden.

Juliana Süß: Vielen Dank.

Liviu Horovitz: Vielen Dank Ihnen.

Moderator: Und herzlichen Dank auch an Maya Dähne, die die Redaktion für diesen Podcast hatte. Wenn Sie sich weiter für dieses Thema interessieren, schauen Sie gerne mal in die Shownotes direkt unter diesem Podcast oder abonnieren Sie unseren SWP-Newsletter. Folgen Sie gerne uns auch auf den Social-Media-Kanälen bei LinkedIn und Bluesky. Und ganz besonders freuen wir uns über Feedback zu diesem Podcast. Sie können ihn gerne abonnieren, Sie können ihn bewerten und natürlich an andere Interessierte weiterempfehlen. Ich bin Dominik Schottner. Bis zum nächsten Mal. Bleiben Sie neugierig.

Dr. Liviu Horovitz ist Wissenschaftler der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Seine Forschungsschwerpunkte sind Atomwaffenpolitik und transatlantische Sicherheitspolitik. Juliana Süß ist Wissenschaftlerin der SWP-Forschungsgruppe Sicherheitspolitik. Sie ist Expertin für Weltraumpolitik. Beide Wissenschaftler:innen sind Mitglieder im Forschungsprojekt „Strategic Threat Analysis and Nuclear (Dis-)Order“ (STAND).