Direkt zum Seiteninhalt springen

Das Militär in Tschetschenien: Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung

Arbeitspapier 2003/ Nr.02, 15.02.2003, 10 Seiten
2. Die zweite Phase der Kriegführung: Vormarsch nach Süden

Die zweite Phase der militärischen Operationen begann Mitte Oktober mit der Ankündigung von Verteidigungsminister Sergejew, daß die russischen Truppen nicht am Terek haltmachen würden. Die dem Vereinigten Oberkommando der Bundestruppen in Mosdok (Nordossetien) unterstellten Kräfte wurden auf über 90 000 Mann aufgestockt, wodurch die Einsatzkräfte für ihre Operationen über mehr als doppelt so viele Truppen wie im ersten Krieg 1994-96 verfügten. Die Einsatzkräfte rekrutierten sich aus regulären Streitkräften, Truppen des Innenministeriums (MWD), des Inlandsgeheimdienstes (FSB) und Grenztruppen sowie Spezialeinheiten (Speznas) des FSB, der militärischen Aufklärung (GRU), des Innenministeriums gegen organisierte Kriminalität (RUBOP) und zur Befreiung von Geiseln (SOBR) sowie der Polizei (OMON).

Die Angriffe der Luftwaffe wurden massiv fortgesetzt: Bis Ende des Jahres wurden russischen Angaben zufolge insgesamt 5 800 Einsätze geflogen. Dabei wurden auch Splitterbomben und Aerosol- oder Vakuumbomben der Typen ODAB-500 und ODAB-1500 eingesetzt. Letztere enthalten ein hochexplosives Gasgemisch, das über dem Zielgebiet verbreitet und dann gezündet wird. Sie lösen einen ungeheuren Druck und enorme Hitze aus und entziehen der Atmosphäre Sauerstoff. Aufgrund dieser Wirkungen sind diese Bomben in der Lage, Truppen nicht nur im offenen Gelände zu vernichten, sondern auch in Bunkern.

Die Bodenoperationen wurden nach dem von General Gennadij Troschew, dem stellvertretenden Kommandeur der föderalen Truppen und Befehlshaber der Ostgruppe der Streitkräfte in Tschetschenien, verkündeten Prinzip geführt: »Wenn wir aus einem Haus beschossen werden, wird das Haus zerstört. Wenn wir aus einem Ort beschossen werden, wird der Ort zerstört.« Unter massivem Einsatz von Panzern, Geschützen, Panzerhaubitzen und neuer Mehrfachraketenwerfer vom Typ Smersch, Uragan und Grad rückten die Truppen nach Süden vor. Sie wurden dabei von der Luftwaffe und schwer gepanzerten Kampfhubschraubern vom Typ Mi-24 und bewaffneten Mi-8-Transporthubschraubern sowie einigen wenigen Helikoptern vom neuen Typ Ka-50 (Cërnaja Akula) unterstützt. Die Mi-8 wurden zumeist mit russischen Kommandoeinheiten besetzt, die schnell gelandet wurden und von den Kampfhubschraubern Feuerunterstützung erhielten. An anderen Stellen wurden an vorderster Front Fallschirmjäger eingesetzt - nach Angaben ihres Kommandeurs war jeder Dritte von ihnen direkt an den Kämpfen beteiligt.

Trotz ihrer überwältigenden Übermacht und dem massivem Einsatz von Waffen kamen die Bundestruppen nur langsam voran, in den ersten sechs Wochen des Krieges durchschnittlich nicht mehr als 30 km, in manchen Abschnitten sogar noch weniger.