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Das Militär in Tschetschenien: Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung

Arbeitspapier 2003/ Nr.02, 15.02.2003, 10 Seiten
1. Die erste Phase der Kriegführung: Nord-Tschetschenien

Mitte September 1999 begann die erste Phase der »Anti-Terror-Operation« in Tschetschenien, die Putin wie folgt charakterisierte: »Wir werden mit Hilfe moderner Kräfte und Mittel die Terroristen aus der Distanz vernichten. Wir werden ihre Infrastruktur zerstören. Das wird Zeit und Geduld erfordern.« Vermutlich spielte bei diesem Gedanken trotz aller offensichtlichen Unterschiede der politischen und militärischen Gegebenheiten der Erfolg der amerikanischen Luftangriffe im Golfkrieg und gegen Jugoslawien eine wichtige Rolle. Der Luftkrieg sollte die eigenen Verluste begrenzen. Allein im September flog die russische Luftwaffe 1 500 Einsätze in Tschetschenien (und Dagestan). Sie griff mit Su-24- und Su-25-Bombenflugzeugen neben vermuteten Stellungen von »Terroristen« auch Ölinstallationen, Brücken und Kommunikationseinrichtungen an. Nach eigener Darstellung setzte sie Flugzeuge mit neuesten Navigationssystemen und Munition geringerer Zerstörungskraft ein, um die Auswirkungen der Luftangriffe auf die Bevölkerung so weit wie möglich zu begrenzen. Zum Einsatz seien infolgedessen auch Kampfflugzeuge vom Typ Su-27K gekommen, die mit steuerbaren Flugbomben und Lenkraketen und einem integrierten Trägheits-, Satelliten- und radiotechnischen Navigationssystem ausgerüstet sind, das erlaube, Ziele mit Punktgenauigkeit anzufliegen. Derartige Behauptungen waren schon zu diesem Zeitpunkt unglaubwürdig, denn die Modernisierung der Luftwaffe war kaum vorangekommen, die Anzahl neuer Waffen im Arsenal der Luftwaffe ist nach wie vor begrenzt. Infolgedessen wurden auch zielungenaue Bomben und Raketen verwandt - und auch Bomben mit großer Zerstörungskraft.

Was die Bodenoperationen in dieser Phase betrifft, so wurde der flache Nordteil Tschetscheniens besetzt; umfangreiche Schutzgräben und Schutzwälle wurden an den Grenzen zur Region Stawropol sowie zu den Republiken Dagestan, Nordossetien und Inguschetien errichtet, in den bergigen Gebieten die Verbindungswege vermint. Noch im Oktober war allerdings unklar, ob im Nordteil Tschetscheniens bis zum Terek eine Sicherheitszone errichtet und die rebellische Republik praktisch zweigeteilt werden sollte: in einen russisch kontrollierten Nordteil und einen tschetschenischen Teil im Süden, oder ob der militärische Vorstoß weiter vorangetrieben werden sollte.