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Das Militär in Tschetschenien: Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung

Arbeitspapier 2003/ Nr.02, 15.02.2003, 10 Seiten
8. Der Fall Budanow: Straffreiheit für Kriegsverbrechen?

Typisch für diesen Zyklus sind die Umstände und der Ausgang des Prozesses gegen Oberst Jurij Budanow, des bisher einzigen Verfahrens gegen einen hohen Offizier wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Der Oberst wurde zwar des Mordes an einer jungen Tschetschenin im März 2000 beschuldigt, jedoch war die Vergewaltigung kein Anklagepunkt. Zwei Jahre und acht Monate nach der Tat entschied das Militärgericht in Rostow unter Berufung auf Gutachten des (für die »Behandlung« von Dissidenten in der Sowjetära berüchtigten) Serbskij-Instituts für Psychiatrie in Moskau, Budanow sei im strafrechtlichen Sinn nicht schuldig. Er sei psychisch krank und zur Tatzeit unzurechnungsfähig gewesen. Das Urteil gibt Anlaß zu ernsten Fragen: Wenn Budanow tatsächlich psychisch krank war, warum wurde er dann nicht schon früher seines Postens als Kommandeur des in Tschetschenien eingesetzten 160. Garderegiments enthoben? Wenn er nicht krank ist, wäre dann nicht offensichtlich, daß seine Offizierskollegen im Militärgericht unter dem Vorsitz eines anderen Obristen ihn und die Armee reinwaschen wollten? Denn eine Verurteilung hätte bedeutet, wie Armeeangehörige der »Gruppe zur Unterstützung von Jurij Budanow« mehrfach äußerten, daß die große Mehrheit der in Tschetschenien eingesetzten russischen Offiziere ebenfalls bestraft werden müßte.