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Konstituante oder Vor-Regierungskonferenz?
Konstituante oder Vor-Regierungskonferenz?
Zwei Ideen könnten die Entwicklung auf den Begriff bringen, die sich im Konventsprozeß verwirklicht: Erstens, daß der Konvent als eine wie auch immer rudimentäre Konstituante begriffen werden kann, mit dem US-amerikanischen Verfassungskonvent von Philadelphia als großes Vorbild. Diese würde den Regierungen in 2003/4 mit einem Verfassungskonzept gegenübertreten, auf das jene in konstruktiver Weise reagieren müssen. Zweitens könnte sich der Konvent als eine Art erweiterter Vor-Regierungskonferenz begreifen, in der die Regierungen zusammen mit einem breiten Kreis von Volksvertretern und in Fühlungnahme mit der sogenannten Zivilgesellschaft die wichtigen Fragen der nächsten Vertragsrevision vorklären, in dem sie für ihre jeweiligen Ideen Unterstützung suchen und sich für ihre eigenen abschließenden Verhandlungen Anregungen holen. Die erste Idee wird - um nur je ein Land zu nennen - mehr offiziellen deutschen, die zweite mehr britischen Vorstellungen entsprechen. Jede der beiden Ideen führt zu anderen strategischen Maßnahmen und natürlich auch zu anderen Bewertungen der tatsächlichen Entwicklung.
Beide Ideen beeinflussen schon jetzt den Konventsprozeß. Welche das Gesamtergebnis letztlich stärker prägen kann, das ist daher eine der wichtigen Fragen um die es im Folgenden gehen soll. Von vielen in einem konstitutionellen Sinne engagierten Akteuren, so auch vom Konventspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, wurde im Februar 2002 die erste Idee als das strategische Leitbild des Konvents herausgestellt. Entschieden ist in diesem Sinne aber noch gar nichts; das wird die weitere Analyse zeigen. Sie wird unter zwei Gesichtspunkten durchgeführt: das Verfahren und der Inhalt.