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Hintergrund und Ziele
Hintergrund und Ziele des Konvents für die Zukunft der EU
In Laeken und im Vorlauf für diesen Europäischen Rat ging es um die Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Verträge im Jahr 2004, die Ende 2000 vom Europäischen Rat in Nizza beschlossen wurde und für die dieser Rat bereits vier Aufgaben gestellt hatte:
- den Status der Grundrechtecharta in Bezug auf einen reformierten Vertrag zu klären,
- eine genauere Ordnung bzw. Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Mitgliedstaaten und Union sicherzustellen,
- die Rolle der nationalen Parlamente in der europäischen Willensbildung zu bestimmen, und schließlich
- eine Vereinfachung der Verträge zu erreichen.
In der seither geführten europapolitischen und akademischen Debatte war klargeworden, daß wichtige Akteure in Deutschland aber auch in anderen Mitgliedstaaten von der kommenden Regierungskonferenz mehr erwarteten als eine Erfüllung der vier gestellten Aufgaben, nämlich einen deutlichen Schritt hin zur Konstitutionalisierung der Europäischen Verträge. Bei Licht betrachtet ließen schon die Nizzaer „Leftovers“ das deutlich als Notwendigkeit erkennen, haben sie doch alle mehr oder weniger starken konstitutionellen Charakter.
Laeken hat diese Tendenz bestätigt und für 2004 in der Sache deutliche Schritte hin zu einer Konstitutionalisierung der europäischen Verträge gefordert. Allerdings ist die Vorsicht des Europäischen Rates nicht zu übersehen: In den Schlußfolgerungen der Präsidentschaft kommt das Wort Constitution bzw. Verfassung nicht vor. Man findet es erst in der „Erklärung von Laeken“, und zwar gegen Ende in einem Absatz mit der Zwischenüberschrift „Der Weg zu einer Verfassung für die europäischen Bürger“. Es folgt die Forderung nach einer Vereinfachung und Reorganisation der Verträge und einer Integration der Grundrechtecharta. „Schließlich“ wie die Erklärung sagt, „stellt sich die Frage, ob diese Vereinfachung und Neuordnung im Laufe der Zeit nicht dazu führen könnte, daß in der Union ein Verfassungstext angenommen wird. Welches wären die Kernbestandteile einer solchen Verfassung?“ Das war es: „Weg zu ...“, „Frage ob ...“, „im Laufe der Zeit...“, die Wortwahl läßt bereits die Abwehrhaltung und die Verzögerungswünsche wichtiger ER-Mitglieder erkennen. Und doch, als Ziel steht die Verfassung erstmals in einem ER-Dokument, und die Regierungskonferenz 2004 ausdrücklich als Schritt in dieser Richtung. Wie weit dieser Schritt wird, das ist noch ganz unsicher. Es liegt zuallererst an den Akteuren und dem Verfahren, ob der Wagemut im Großen und Prinzipiellen durch die entsprechenden Regelungen und Arbeitsmethoden in der Durchführung und durch eine strategisch-taktisch richtig handelnde Konventsführung unterstützt wird.
Vertraglich berechtigter Akteur zur Änderung der Verträge ist die Regierungskonferenz 2004. Sie hat die Zuständigkeit für die Aushandlung von Vertragsänderungen. Erstmals aber seit Schaffung der E(W)G in den Fünfziger Jahren sollen die Regierungen nicht selbst, allenfalls von der Kommission unterstützt, Gegenstand und Optionen der Verhandlungen festlegen. Vielmehr soll ein Konvent aus nationalen und europäischen Parlamentariern, Vertretern der Staats- und Regierungschefs und der Kommission ihnen hierfür eine Vorlage entwerfen, die als ein Ausgangsdokument für ihre Beschlußfassung dienen soll. In einem Schritt historischer Dimension gaben die vertraglichen „Herren der Verträge“ damit ein großes Stück Gestaltungsmacht aus den Händen.