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Die Staatsdumawahl am 07.12.03 - Rechtsruck im russischen Parlament?

Vortrag am 17.12.2003 vor der West-Ost-Gesellschaft in Freiburg im Br. Überarbeitetes Vortragsmanuskript vom 13.01.2004

Arbeitspapier 0, 15.12.2003

Politikerwartungen

Die Staatsduma wird nach Ansicht des Rektors der Hochschule für Ökonomie, Jewgenij Jassin, zu einem Parlament ohne Wirtschaftsreformen werden. Sogar die Rücknahme von manchen Reformen ist nicht auszuschließen. Bisher setzte die Regierung mit Unterstützung des Präsidenten ein Paket liberaler Reformen durch, das in Wirklichkeit von den liberalen Parteien ausgearbeitet worden war. Dabei nutzte Putin den Sachverstand von Jabloko und URK. Gleichzeitig distanzierte er sich öffentlich von ihnen.

Glasjew erklärte, daß die Ära der liberalen Reformen vorbei sei und daß antiliberale Reformen bevorstünden. Unter anderem seien die ungerechten Ergebnisse der Privatisierung zu korrigieren. Gemeint ist die zweite Privatisierung Mitte der 90er Jahre, als die Regierung die ihr von den Oligarchen gewährten Kredite nicht zurückzahlen konnte. Als Sicherheit hatte sie den Oligarchen wichtige Rohstoffunternehmen angeboten, die nun in deren Besitz übergingen. Rogosin will die Oligarchen bekämpfen, nicht mit politischen, sondern mit wirtschaftlichen Mitteln. In der neuen Staatsduma will er in erster Linie die Frage nach der Rohstoffrente stellen. Ferner will er die Ausfuhr von Devisen stärker kontrollieren und den stabilen Einkommensteuersatz revidieren: Je reicher jemand ist, desto mehr Steuern soll er zahlen. Es ist nicht auszuschließen, daß angesichts der antioligarchischen Stimmung in der Staatsduma Mehrheiten für derartige Gesetze zu finden sein werden.

Wahrscheinlich hat Jassin recht, wenn er für Rußland eine langwierigen Periode der Stagnation prophezeit, während der auch die Schrauben im politischen Bereich angezogen werden, um einen "richtigen Machtwechsel im Jahr 2008 zu gewährleisten". Die Wirtschaft werde wie immer zum Opfer dieses politischen Szenarios werden.

In der Außenpolitik möchte Rogosin ein "günstiges Klima in Rußlands Nachbarstaaten gegenüber unserem Land" schaffen. Zudem tritt er dafür ein, einen Staatsdumaausschuß für die Erweiterung der Zusammenarbeit zwischen der Russischen Föderation und der Europäischen Union zu schaffen. Da laut Verfassung der Präsident die grundlegenden Richtungen der Innen- und Außenpolitik bestimmt (Art. 80, Abs. 3) sowie die Außenpolitik leitet (Art: 86, lit. a), dürfte es nach der Staatsdumawahl allerdings zu keiner Veränderung in der Außenpolitik kommen, die vom Parlament ausgehen würde und gegen den Willen des Präsidenten gerichtet wäre.