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Alternativen zu russischem Gas: Energiewende im östlichen Mittelmeerraum?

Kurz gesagt, 17.02.2022 Forschungsgebiete

Ein Stopp russischer Gaslieferungen würde die EU vor Probleme stellen. Gas aus dem östlichen Mittelmeer ist aber keine Alternative. Eine Fokussierung der Region auf erneuerbare Energien könnte der EU helfen, meint Moritz Rau.

Im Ukrainekonflikt tritt die europäische Abhängigkeit von russischem Erdgas akut zu Tage. Besonders Deutschland sieht sich dem Vorwurf der Erpressbarkeit ausgesetzt. Schließlich werden hierzulande mehr als die Hälfte des Erdgasbedarfs von Russland gedeckt. Längst werden in der EU alternative Lieferquellen diskutiert. An dieser Stelle sollte auch über eine intensivierte Energiezusammenarbeit mit den Anrainern des östlichen Mittelmeers nachgedacht werden – ohne dabei den Fehler zu begehen, auf den Diskussionsstand des Jahres 2014 zurückzukehren. Damals hatte Russland gerade die Krim annektiert. Die Europäische Kommission pries die Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer als alternative Versorgungsquellen an. Verwirklicht werden konnte diese Perspektive jedoch nicht: Als zu teuer und aufwendig stellte sich der Bau adäquater Transport-Infrastrukturen wie die EastMed Pipeline heraus, zu politisch brisant der bis heute ungelöste Zypernkonflikt sowie der griechisch-türkische Streit um Seegrenzen und maritime Wirtschaftszonen. Hinzu kommt, dass verschärfte Klimaziele die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren verändert haben. Doch während das Thema Erdgas im östlichen Mittelmeer an Relevanz verloren hat, nimmt der regionale Ausbau erneuerbarer Energien und zugehöriger Infrastrukturprojekte langsam Fahrt auf.

Die Suche nach Alternativen zu russischen Erdgaslieferungen

Mit Ausnahme Ägyptens, das Flüssiggas nach Europa liefern kann, spielt die östliche Mittelmeerregion bei der Suche nach Alternativen zu russischen Erdgaslieferungen derzeit keine Rolle. Den anderen Anrainern wie Israel und Zypern fehlt die Infrastruktur, um Gasvorkommen vom Meeresboden zu heben und in die EU zu transportieren. Auch der Bau einer Pipeline, die beispielsweise von den zyprischen Erdgasfeldern zu einem ägyptischen LNG-Terminal verliefe, würde noch Jahre dauern. Hinzu kommen klimapolitische Bedenken und offene Fragen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit, die eine Förderung der Ressourcen auch auf lange Sicht unattraktiv erscheinen lassen.

Folgerichtig konzentrierte sich die Europäische Kommission in den vergangenen Tagen darauf, neben Ägypten in erster Linie mit Aserbaidschan, Katar, Norwegen und den USA Gespräche zu erweiterten Erdgasgeschäften zu führen. Dabei kann die EU auf ein breit gefächertes LNG-Terminalnetz setzen. Über dieses können größere Volumen an Flüssiggas in EU-Länder wie beispielsweise die Niederlande, Italien oder Griechenland eingeführt und über das transeuropäische Gasnetz verteilt werden. Die Problematik dabei ist jedoch, dass Flüssiggasimporte wegen der Preisexplosion auf internationalen Gasmärkten zurzeit ein kostspieliges Unterfangen darstellen. Außerdem würden die zusätzlichen Liefermengen nur schwerlich ausreichen, um den Ausfall von russischem Pipelinegas zu kompensieren. Die Suche nach Ausweichstrategien macht also darüber hinausgehende Überlegungen erforderlich.

Die Energiewende im östlichen Mittelmeer als Investition in die Energiesicherheit der EU

Mittel- bis langfristig stellt der Ausbau der erneuerbaren Energien innerhalb der EU und in partnerschaftlich verbundenen Drittstaaten das entscheidende Instrument dar, um die Abhängigkeit von russischem Erdgas zu verringern. Dadurch gewinnt die primär an den europäischen Klimazielen orientierte Energiewende in Europa auch aus geostrategischer Sicht an Bedeutung. Aktuelle Dynamiken im östlichen Mittelmeerraum bieten hier einen Anknüpfungspunkt. In puncto erneuerbarer Energien bauen Griechenland, Israel und Ägypten ihre Produktionskapazitäten zurzeit massiv aus. Auch in der Türkei und Zypern werden absehbar höhere Investitionen erwartet. Mithilfe von Unterwasserstromkabeln, die quer durch das östliche Mittelmeer verlaufen sollen, könnte der Stromhandel zwischen Europa und Israel mit dem EuroAsia Interconnector beziehungsweise Europa und Ägypten mit dem EuroAfrica Interconnector intensiviert werden – und somit auch die energiewirtschaftliche Kooperation mit zwei einflussreichen Akteuren der MENA-Region. Konzepte für die regionale Wasserstoffproduktion sowie den Wasserstoff-Transport aus dem arabischen Raum stecken zwar noch in den Kinderschuhen, könnten sich aber anschließen.

Mitte Januar sandte das US-Außenministerium ein richtungsweisendes Signal in die Region, indem es der für den Erdgastransfer vorgesehenen EastMed Pipeline die amerikanische Unterstützung aufkündigte. Die Zukunft der Region, heißt es in der Stellungnahme der US-Botschaft in Athen, liege vielmehr in Projekten, die den Ausbau erneuerbarer Energien begünstigten sowie die grenzübergreifende Zusammenarbeit im Stromsektor förderten. Als beispielhaft werden der EuroAsia und der EuroAfrica Interconnector hervorgehoben. Analog gab die Europäische Kommission eine Woche später bekannt, im Rahmen des Infrastrukturförderprogramms Connecting Europe Facility 657 Millionen Euro bereit zu stellen, um das Stromnetz Zyperns mittels eines Unterseestromkabels über Kreta ans europäische Festland anzubinden und somit einen Teilabschnitt des EuroAsia Interconnector mitzufinanzieren.

Angesichts dieser energiepolitischen Entwicklungen zeichnet sich eine Konstellation ab, in der die östliche Mittelmeerregion zwar nicht kurzfristig, dafür aber mittel- bis langfristig als Lieferant von Ökostrom und möglicherweise auch als Produktionsstätte und Transitraum für grünen Wasserstoff helfen kann, die problematische europäische Abhängigkeit von russischen Energierohstoffen zu überwinden.