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EU-Skeptiker in Brüssel

Zwar sind EU-skeptische Parteien bereits seit den ersten direkten Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 1979 Bestandteil des politischen Systems der EU. Ihren politischen Durchbruch erlebten sie jedoch erst 2014, als sich ihr Sitzanteil im Parlament sprunghaft auf 20 Prozent erhöhte; in mehreren EU-Staaten wie Großbritannien, Frankreich oder Dänemark wurden sie damals gar stärkste Kraft. Die EU-skeptischen Abgeordneten verteilen sich bisher allerdings auf drei Fraktionen bzw. treten als unabhängige Abgeordnete auf, so dass sie trotz ihrer deutlichen Zuwächse bei der letzten EP-Wahl bisher nur begrenzt Einfluss auf die europäische Gesetzgebung nehmen konnten. Druck auf die Politik üben sie vielmehr auf der nationalen Ebene in nennenswerten Oppositionsfraktionen oder sogar mittels Regierungsbeteiligungen aus. Damit verändern Parteien, die die EU als Ganzes oder zumindest Teile der europäischen Werte ablehnen, die politischen Systeme von Mitgliedstaaten und deren Haltung zur EU.

Bei den EP-Wahlen 2019 blieben EU-skeptische Parteien hinter ihren Erwartungen zurück. Zwar konnten sie in mehreren großen EU-Staaten stärkste Kraft werden, wie etwa in Großbritannien (Brexit Party), Italien (Lega), Frankreich (Rassemblement Nationale) und – mit der allerdings deutlich moderateren PiS-Partei – in Polen. EU-weit konnten sie ihre Stimm- und Sitzanteile im EP aber nur begrenzt steigern, die große EU-skeptische Welle blieb aus.

Auch die Gründung einer gemeinsamen, übergreifenden EU-skeptischen Fraktion ist vorerst gescheitert. Schon nach den Wahlen 2014 war es den Vertretern der jeweiligen nationalen EU-skeptischen Parteien im EU-Parlament nicht gelungen, ihre inhaltlichen und persönlichen Differenzen zu überwinden. Vor der Wahl 2019 mehrten sich die Forderungen nach einer übergreifenden Kooperation zwischen den EU-Skeptikern. Politisch einflussreiche Kräfte wie der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini nutzten die sich neu ergebenden machtpolitischen Optionen geschickt als Anreiz zur Überbrückung der bisherigen Meinungsverschiedenheiten ins Spiel zu bringen. Bisher zeichnet sich aber weiterhin eine Spaltung ab: Eine gestärkte, anti-EU Fraktion (»Identität & Demokratie«) mit Beteiligung unter anderem der italienischen Lega, der französischen Nationalen Sammelbewegung (früher Front National), der FPÖ und der AfD auf der einen Seite und die Fortführung der moderat EU-kritischen Fraktion der »Europäischen Konservativen und Reformer« (EKR) unter der Führung der polnischen PiS-Partei auf der anderen Seite. Noch fraktionslos sind unter anderem die Brexit Party von Nigel Farage (die das EP je nach Fortgang des Brexit Prozesses im November wieder verlassen muss) und die Fünf-Sterne-Bewegung aus Italien. Weitere Bewegungen im EU-skeptischen Spektrum sind daher nicht ausgeschlossen.

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