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Auf Partnersuche: neue Allianzen im Rohstoffsektor

360 Grad, 22.06.2023 Forschungsgebiete

Rohstoffpartnerschaften sind ein bedeutsames Element einer nachhaltigen Rohstoffaußenpolitik. Die Autorinnen und Autoren blicken auf einige Staaten, mit denen die Bundesregierung Rohstoffkooperationen eingehen könnte, und machen Vorschläge, wie diese Zusammenarbeit aussehen kann.

Die Koordination hat Melanie Müller übernommen.

Einleitung: Reform deutscher Rohstoffkooperationen

Die Bundesregierung und die Europäische Union (EU) haben sich vorgenommen, strategische Partnerschaften im Rohstoffsektor aufzubauen und bestehende Beziehungen zu vertiefen, um Lieferketten zu diversifizieren. Hierdurch soll die hohe Abhängigkeit von Importen aus China reduziert werden, das eine zentrale Stellung in Rohstofflieferketten einnimmt.

Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen können sich viele Abbauländer ihre Partner mittlerweile aussuchen. Deshalb müssen Deutschland und die EU attraktive Angebote machen. Denn die Abhängigkeit von Rohstoffexporten hat sich für viele Staaten als Entwicklungshemmnis herausgestellt – zumal die Zahl der Arbeitsplätze im Bergbau wegen der Technisierung stetig sinkt. Die Förderung lokaler Wertschöpfung ist ein Anreiz für Partnerländer, weil sie zu wirtschaftlicher Entwicklung beitragen kann.

Gleichzeitig möchten Deutschland und die EU hohe Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards in neuen Rohstoffkooperationen etablieren. Das wirft die Frage auf, inwiefern sich deutsche und europäische Ziele mit denen potentieller Partnerländer vereinbaren lassen. Daher sollte die Bundesregierung eine strategische Rohstoffaußenpolitik betreiben, in diesem Rahmen ihre Rohstoffpartnerschaften reformieren und verschiedene Kooperationsmodelle offerieren. Auf diese Weise kann sie ihre Zielsetzungen – die Gewährleistung einer resilienten und nachhaltigen Rohstoffversorgung und den strategischen Aufbau partnerschaftlicher Kooperationen – ausbalancieren und akzentuieren. Sie sollte zwischen drei Formen der Zusammenarbeit unterscheiden:

  • Rohstoffpartnerschaften, die als Gütesiegel vergeben werden und sich nur an ausgewählte Partner richten, mit denen hohe Nachhaltigkeits- und Menschenrechtsstandards realistisch umgesetzt werden können.
  • Formen punktueller Kooperation im Rohstoffsektor mit Ländern, die rohstoffwirtschaftlich relevant, aber für innovative Partnerschaften ungeeignet sind.
  • Maßnahmen zur Stärkung regionaler Kooperationsansätze, um auch schwierige Partner einzubinden und das Risiko des sich verschärfenden Wettbewerbs zwischen rohstoffreichen Staaten, bis hin zum Ressourcennationalismus, zu verringern.

Die folgenden Beiträge enthalten Vorschläge zur Ausgestaltung deutscher Rohstoffkooperationen. Beleuchtet werden zunächst rohstoffreiche Länder, die kürzlich Initiativen für mehr lokale Wertschöpfung auf den Weg gebracht haben, nämlich Sambia und die Demokratische Republik Kongo. Indonesien und die drei Länder im „Lithium-Dreieck“ wiederum folgen überwiegend nationalen Interessen und zeigen sich weniger kooperationsbereit. Deswegen muss Deutschland ihnen besonders zielgerichtete Angebote unterbreiten. Kanada und Südafrika hingegen sind aufgrund hoher Standards besser für umfassende Rohstoffpartnerschaften geeignet. Bei Indien böte sich eher eine punktuelle Zusammenarbeit über den Energiebereich an. Saudi-Arabien als „Newcomer“ und China als dominanter Akteur im Rohstoffsektor schließlich sind zwei autoritäre Staaten, mit denen Deutschland Möglichkeiten punktueller Kooperation ausloten sollte.

Lokale Wertschöpfung steigern: Sambia als Partner in der SADC-Region

Sambias Lage auf dem Copperbelt („Kupfergürtel“) prägt die Volkswirtschaft des Landes: Diese ist wenig diversifiziert. Metallische Rohstoffe – hauptsächlich Kupfer – machen fast 80 Prozent der Exporte und rund 30 Prozent der Staatseinnahmen aus. Multinationale Konzerne dominieren den Bergbau, der Großteil des Kupfers wird unverarbeitet exportiert, überwiegend von Schweizer Händlern. Die lokale Weiterverarbeitung und andere Wertschöpfungsverbindungen, etwa die Einbeziehung lokaler Zulieferer, sind schwach ausgeprägt. Zudem befindet sich Sambia in einer tiefen Schuldenkrise. Grund sind eine hohe externe Verschuldung, unter anderem gegenüber chinesischen Gläubigern für den Ausbau der Infrastruktur, sowie volatile Rohstoffpreise und mangelndes staatliches Finanzmanagement.

Die 2021 gewählte Regierung Hichilema will der prekären Wirtschaftslage mit der Förderung des Bergbausektors begegnen und vom erwarteten „Rohstoff-Superzyklus“ profitieren. Kupferproduktion und ‑weiterverarbeitung sollen gesteigert, Kobalt, Nickel- und Magnesiumvorkommen stärker genutzt werden. Dabei steht das Land unter Druck: Neue Explorations- und Bergbauvorhaben sind zeit- und kostenintensiv. Präsident Hichilema gilt jedoch als investorenfreundlich und beweist diplomatisches Geschick. Sambias Beziehungen zum „Westen“ wurden wiederbelebt und in Einklang gebracht mit seinen Interessen gegenüber China und afrikanischen Partnern.

Angesichts des hohen Wertschöpfungspotentials, das sich in gemeinsamen Industrieprojekten entfalten könnte, bildet die Stärkung der regionalen Integration eine Priorität Hichilemas. Als Teil der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) und Knotenpunkt wichtiger regionaler Transportrouten ist Sambia hierfür in einer günstigen Ausgangslage. Ziel einer 2022 mit der Demokratischen Republik Kongo geschlossenen Absichtserklärung ist, gemeinsame Lieferketten für Batterien und E‑Fahrzeuge aufzubauen. Dennoch bleibt es wegen der vorhandenen rohstoffnationalistischen Tendenzen eine Herausforderung, den politischen Willen für die regionale Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten.

Sambias Rohstoffreichtum hat bislang nicht zur versprochenen sozioökonomischen Verbesserung geführt. Viele befürchten, dass diese weiterhin ausbleibt, auch weil der Bergbau unzureichend in nationale Entwicklungspläne eingebunden und von Korruption geprägt ist. Überdies ist die Regierung gefordert, für eine (klima-)resiliente Versorgung der Bevölkerung mit Wasser und Energie zu sorgen – und zusätzliche Kapazitäten für die Bergbauindustrie sicherzustellen.

Für eine nachhaltige Bergbauindustrie und die Umsetzung regionaler Wertschöpfungsstrategien braucht es entsprechende Kapazitäten in der nationalen Verwaltung, die die Bundesregierung über eine regionale Rohstoffkooperation im Rahmen der SADC unterstützen könnte. Außerdem könnte Deutschland der sambischen Regierung Unterstützung beim Ausbau des Geologischen Dienstes anbieten, bei der effizienten und transparenten Gestaltung des Katastersystems sowie bei der Planung einer nachhaltigen (grenzüberschreitenden) Infrastruktur, unter Einbeziehung des Bergbausektors.

Die Demokratische Republik Kongo: auf der Suche nach Win-Win-Partnerschaften

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) verfügt über eines der weltweit größten Kupfervorkommen sowie über Kobalt-, Koltan- und Tantal-Lagerstätten. Ein Großteil der in der DRK abgebauten Rohstoffe wird bisher nach China exportiert; an vielen Minen sind chinesische Firmen beteiligt. Zahlreiche Abbaulizenzen wurden während der Regierungszeit Joseph Kabilas (2001–2019) als Gegenleistung für Infrastrukturinvestitionen vergeben. Doch die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die ungleiche Verteilung der Gewinne ist groß.

Im Wahlkampf verspricht der amtierende Präsident Felix Tshisekedi nun, neue Abkommen mit chinesischen Firmen zu schließen, die im Bergbausektor tätig sind. Die DRK soll mehr als bislang von ihnen profitieren. Er fordert weitere Infrastrukturinvestitionen und die Schaffung lokaler Arbeitsplätze. Außerdem schlug Tshisekedi vor, das kongolesisch-chinesische Unternehmen Sicomines höher zu besteuern. Die Regierung in Kinshasa nimmt dabei Spannungen mit China in Kauf. Sie will vor allem nach innen signalisieren, dass die DRK als selbstbewusster und gleichberechtigter Partner im Rohstoffsektor auftritt.

Tshisekdis Bemühungen hatten bislang jedoch kaum Erfolg. Von seiner ersten China-Reise Ende Mai 2023 kehrte er mit lediglich vagen Absichtserklärungen zurück. Seitdem betreibt die Regierung innenpolitisch Schadensbegrenzung. Man habe mit dem Besuch die kongolesisch-chinesischen Beziehungen gestärkt und über den Aufbau trilateraler Partnerschaften gesprochen – an denen die USA oder die EU beteiligt werden könnten. Im Kontext der Global-Gateway-Initiative will die EU 50 Millionen Euro in den Bergbausektor investieren. Zwei der geplanten strategischen Korridore führen durch die DRK. Deshalb wird die EU zwangsläufig überlegen müssen, wie sie mit der Präsenz Chinas umgehen will – auch im Rahmen der von ihr anvisierten bilateralen Rohstoffpartnerschaft mit der DRK.

Die Bundesregierung sollte von einer eigenen bilateralen Partnerschaft absehen – auch um keine Parallelstrukturen zu bereits bestehenden europäischen Initiativen zu schaffen. Darüber hinaus machen vielfältige Governance-Herausforderungen im Rohstoffsektor die DRK nicht zu einem geeigneten Kandidaten für eine umfassende Partnerschaft. Deutschland könnte jedoch die Kooperation zwischen der DRK und Sambia unterstützen, die auf den Aufbau einer gemeinsamen Batterie- und E-Fahrzeug-Lieferkette abzielt, beispielsweise über eine regionale Rohstoffkooperation im Rahmen der Southern African Development Community (SADC; siehe auch den Beitrag zu Sambia). Um die lokale Wertschöpfung zu steigern, werden aber weiterhin Infrastrukturinvestitionen nötig sein. Interessant wären eventuell insbesondere Investitionen in Wasserkraftanlagen, die helfen sollen, die Energieversorgung lokaler Produzenten zu sichern.

Das lateinamerikanische Lithium-Dreieck: Nationale Souveränität im Vordergrund

Lithium ist in allen plausiblen Szenarien einer weltweiten Energie- und Mobilitätswende ein strategisch wichtiger Rohstoff. Massive Preissteigerungen und wachsende internationale Konkurrenz sind die Folge. Von den bisher bekannten 98 Millionen Tonnen globaler Lithium-Reserven befinden sich schätzungsweise 21 Millionen Tonnen in Bolivien, gefolgt von Argentinien (20,3 Millionen) und Chile (11 Millionen). Damit verfügen diese Länder gegenwärtig über eine strategische Schlüsselposition im dynamischen internationalen Lithium-Markt. Alle drei verfolgen dabei nationale Strategien zur Ausbeutung des Leichtmetalls. Ein gemeinsames Vorgehen und sektorübergreifende Ansätze sind bislang nicht erkennbar. Rohstoffpartnerschaften müssen ambitioniert angelegt sein, den Prioritäten der Abbauländer entsprechen und durch Angebote technologischer Kooperation flankiert werden.

In Bolivien, Argentinien und Chile existieren unterschiedliche regulatorische Bedingungen für den Lithium-Abbau, die ein Hindernis für eine gemeinsame regionale Strategie darstellen. Es dominiert ein Ressourcennationalismus, der zwar auf staatliche Steuerung setzt, aber auch subnationale Akteure miteinbeziehen muss. In Argentinien liegt die Kontrolle über die landeseigenen Lithium-Ressourcen laut Verfassung bei den Provinzen. Bolivien hat jüngst Verträge mit Peking unter Beteiligung des nationalen Staatsunternehmens YLB geschlossen, um seine Souveränität über die Ausbeutung zu wahren. In Chile beschloss die Regierung, dass der Staat bei allen Verträgen, die die Lithium-Förderung betreffen, als Mehrheitsanteilseigner auftreten müsse. Hier könnte mittel- bis langfristig ein eigenes Staatsunternehmen für die Lithium-Produktion gegründet werden. Die Staatsbeteiligung soll gleichzeitig die Nachhaltigkeit des Lithium-Abbaus sicherstellen.

Alle drei Länder sind gegenwärtig bestrebt, durch klare Vorschriften zur Einhaltung internationaler Standards Rahmenbedingungen zu schaffen, die Investitionen in den Bergbau und die verarbeitende Industrie anziehen. Die Lieferkette soll im eigenen Land verlängert werden, nicht zuletzt um die Mobilitätswende auch dort voranzutreiben. Aktuell wird jedoch mehr als die Hälfte des Lithium-Erzes in China weiterverarbeitet. Chinesische Unternehmen erwerben derzeit Minen und Lizenzen im lateinamerikanischen Lithium-Dreieck, um sich Zugang jenseits der bereits bestehenden Verträge zu sichern.

Da Lithium nicht an der Börse gehandelt wird, versucht die Batterie- und Automobilindustrie über Partnerschaften oder Joint Ventures Zugriff auf die Ressource zu erhalten. Solche Vereinbarungen sollten sich aus deutscher Sicht nicht nur auf die Aneignung und Kontrolle von Minen fokussieren, sondern auch Verarbeitungsanlagen einbeziehen. Gleichzeitig sollten Rohstoffpartnerschaften einen Mehrwert für die Länder des Lithium-Dreiecks bieten, gegebenenfalls auch durch eine umfassender angelegte Technologiezusammenarbeit auf regionaler Ebene.

Indonesia utama (Indonesia first) und Rohstoffnationalismus

In Indonesien ist Ressourcennationalismus seit Jahren parteiübergreifender Konsens. Er äußert sich in protektionistischen Maßnahmen, die bis zum Verbot reichen, bestimmte Rohstoffe wie Nickel, Kupfer oder Bauxit zu exportieren. Dieser Kurs hat strukturelle Veränderungen in der politischen Ökonomie des Landes herbeigeführt: Indonesisches Kapital wird immer dominanter im Rohstoffsektor, während ausländische Unternehmen zunehmend marginalisiert werden. Wegen der Abhängigkeit politischer Eliten von Wahlkampfspenden und Zuwendungen privater Akteure kommen deren Partikularinteressen im politischen Mainstream stark zur Geltung. Es gibt kaum relevante zivilgesellschaftliche Kräfte, die diese ressourcennationalistischen Tendenzen in Frage stellen. Kritische Stimmen beanstanden meist lediglich den Mangel an Weiterverarbeitungskapazitäten oder negative Umweltauswirkungen auf lokaler Ebene.

Nachhaltigkeitsziele und Arbeitnehmerrechte spielen in Indonesiens Ressourcenproduktion eine untergeordnete Rolle. Äußerungen indonesischer Vertreter dazu im internationalen Diskurs sind vor allem Lippenbekenntnisse. Dabei gibt es auf nationaler wie lokaler Ebene durchaus Gesetze und Regularien zum Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. Deren Umsetzung scheitert jedoch oft an Korruption, mangelnden Kapazitäten und fehlendem politischem Willen. Zentraler ideologischer Bezugspunkt ist ein erstarkender Nationalismus, der die Ausbeutung indonesischer Ressourcen durch inländische Unternehmen propagiert. Damit soll die nationale Wertschöpfung gefördert werden, und dadurch wiederum die Entstehung von Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum.

Die Volksrepublik China, größter Importeur vieler indonesischer Rohstoffe, ist bisher Hauptpartner im Rohstoffsektor. Chinesische Investitionen in Abbau- und Weiterverarbeitungsprojekte, insbesondere in Veredelungsstätten (etwa in dem für E-Autos so wichtigen Nickel-Sektor), werden jedoch oft kritisch kommentiert. Gründe dafür sind Umweltskandale, die Ausbeutung von Arbeitern und anti-chinesische Ressentiments auf lokaler Ebene. Einer Beschwerde der EU über das Verbot von Nickelerz-Exporten gab die Welthandelsorganisation (WTO) im November 2022 zwar statt, Indonesien legte jedoch unverzüglich Berufung ein. In Anbetracht der Dysfunktionalitäten im WTO-Berufungsorgan kann Jakarta den Prozess wahrscheinlich verzögern, bis die nationalen Verarbeitungskapazitäten so weit ausgebaut sind, dass die geltenden Exportverbote zurückgenommen werden können.

Angesichts des extrem ressourcennationalistischen Ansatzes erscheint eine Rohstoffkooperation mit Indonesien derzeit nur punktuell in Sektoren möglich, in denen der Inselstaat keine starke Marktstellung innehat. Selbst dann müsste Deutschland vermutlich bereit sein, langfristige Abnahmeverträge zu unterzeichnen, die an umfangreiche Technologieinvestitionen gebunden wären, um im Wettstreit mit internationalen Konkurrenten punkten zu können. Ein ausgeprägteres Kooperationsinteresse der indonesischen Seite könnte sich künftig eher bei Partnerschaften ergeben, bei denen es um die Abnahme von Vorprodukten indonesischer Provenienz geht.

Rohdiamant Indien: Unterstützung bei Exploration und Recycling

Zurzeit fördert Indien 95 verschiedene Rohstoffe, doch nur sehr wenige davon werden für den Umstieg auf eine CO2-sparsame Produktion benötigt. Die Regierung hat ehrgeizige Ziele für den Ausbau der Solarenergie verabschiedet, obwohl Indien kaum Mineralien für den Bau von Photovoltaikanlagen wie beispielsweise Silizium und Silber besitzt. Für die Erzeugung von Windenergie kann Indien zwar auf eigene Mineralien wie Chrom und Mangan zurückgreifen, muss jedoch den Großteil der notwendigen Seltenen Erden aus China importieren. Besser ist die Situation beim Ausbau der Batterieproduktion für die geplante Ausweitung der Elektromobilität. Im Frühjahr 2023 wurden Lithium-Vorkommen in Indien entdeckt, die zu den größten der Welt zählen.

Der Energiebereich spielt eine zentrale Rolle für Indiens wirtschaftliche Entwicklung und für die Erreichung seiner Klimaschutzziele. Deutschland unterstützt Indiens Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung bis 2030 mit 10 Milliarden Euro. Im Rahmen der Regierungskonsultationen vom Mai 2022 wurden eine Taskforce für grünen Wasserstoff und eine „Partnerschaft für grüne und nachhaltige Entwicklung“ vereinbart.

Indien weist erhebliche Defizite bei Exploration und Recycling mineralischer Rohstoffe auf. Der Anteil des Rohstoffsektors am Bruttoinlandsprodukt liegt bei nur rund 1,2 Prozent. Das Land verfügt über einen Weltanteil an Seltenen Erden von 2,8 Prozent, die aufgrund fehlender Ressourcen und Kapazitäten aber nicht genutzt werden. Nur zehn Prozent von Indiens geologischem Potential gelten als erschlossen. Dabei sind die Kosten für Explorationsvorhaben dort deutlich geringer als in Staaten wie Australien und Kanada.

Beeinträchtigt wird die Exploration von Rohstoffen durch komplexe Genehmigungsverfahren auf den Ebenen der Zentralregierung und der Bundesstaaten. Die Regierung hat mit Reformen 2019 eine Reihe von Beschränkungen für private Unternehmen abgebaut. Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen genießen ökonomische Interessen Vorrang vor ökologischen Bedenken oder den Anliegen betroffener Bevölkerungsgruppen. Minenprojekte haben in der Vergangenheit immer wieder zur Vertreibung der lokalen Bevölkerung geführt, besonders der tribal communities.

Als größte Demokratie der Welt scheint Indien für eine Rohstoffpartnerschaft prädestiniert zu sein. Doch sein geringes Rohstoffexportvolumen und wachsende autokratische Tendenzen sprechen eher für eine punktuelle Kooperation im Rohstoffsektor. Schwerpunkte einer solchen Zusammenarbeit sollten auf Ausbildung, Exploration und Ausweitung des Recyclings gelegt werden. Dazu könnte unter anderem eine engere Kooperation zwischen nationalen Behörden und Hochschulen mit entsprechenden Ausbildungsgängen dienen.

Südafrika: Ein wichtiger, aber herausfordernder Partner

Südafrika ist ein rohstoffreiches Land mit langer Bergbautradition, das große Mengen von Platin, Chrom, Mangan und Eisenerzen beherbergt – Rohstoffen, die für die Energie- und Mobilitätswende gebraucht werden. Beispielsweise liegen über 80 Prozent der globalen Platinvorkommen in Südafrika, wo zudem Rohmaterial aus der gesamten Region in Raffinerien weiterverarbeitet wird. Gerade im Bereich der Weiterverarbeitung metallischer Rohstoffe, aber auch mit Blick auf den Ausbau regionaler Lieferketten bietet Südafrika Potential für lukrative Investitionen.

In der südafrikanischen Bergbaugesetzgebung sind hohe Umwelt- und Menschenrechtsstandards verankert, die durch freiwillige Selbstverpflichtungen von Unternehmen ergänzt werden – prinzipiell wichtige Voraussetzungen, um den Anforderungen europäischer Nachhaltigkeitsregulierungen nachkommen zu können. Das Department of Mineral Resources and Energy, das im interministeriellen Gefüge Südafrikas eine zentrale Stellung innehat, hat dem zügigen Ausbau des Bergbausektors allerdings immer wieder Vorrang vor der Verwirklichung von Nachhaltigkeits- und Menschenrechtszielen gegeben. Korruption und fehlende Kapazitäten bei der Umsetzung von Standards haben dieses Problem verschärft. Auch deshalb steht der Bergbau in Südafrika in der Kritik, lokale Entwicklung nicht langfristig zu fördern.

Hinzu kommt eine massive Energiekrise, die durch den desolaten Zustand der nationalen fossilen Energieinfrastruktur bedingt ist. Infolge häufiger Stromausfälle verzeichnete Südafrika im April 2022 einen Einbruch der Bergbauproduktion um 14 Prozent. Langfristig könnten die mit der Energiekrise verbundenen Produktionsausfälle erhebliche Unterbrechungen der globalen Versorgung mit kritischen Metallen zur Folge haben und Südafrika überdies Milliarden an Steuereinnahmen entgehen.

Immense Rohstoffvorkommen, vorhandene Weiterverarbeitungsinfrastrukturen sowie etablierte Umwelt- und Sozialstandards machen Südafrika zu einem interessanten Rohstoffpartner. Außenpolitisch ist das Land aktuell jedoch aufgrund seiner Russland-Politik kein einfacher Partner. Außerdem steht es womöglich vor einem großen innenpolitischen Wandel: Infolge der Wahl 2024 könnte Südafrika erstmals von einer Koalitionsregierung geführt werden, was unter Umständen Auswirkungen auf seine Außenpolitik hätte.

Die Bundesregierung könnte durch eine intensivere Zusammenarbeit dazu beitragen, die lokale Wertschöpfung, die Energiesicherheit sowie die Umsetzung von Standards im südafrikanischen Bergbausektor zu stärken und das nationale Katastersystem zu reformieren. Dies wäre für beide Seiten vorteilhaft und eine sinnvolle Ergänzung bestehender Kooperationsprojekte, die den südafrikanischen Bergbausektor bislang nicht berücksichtigen. Hierzu gehört insbesondere die „Just Energy Transition Partnership“ in der Energiebranche. Deutschland könnte Südafrika zunächst eine verstärkte punktuelle Kooperation im Rohstoffsektor anbieten und diese unter Voraussetzung politischer Stabilität und Korruptionsbekämpfung mittelfristig zu einer Rohstoffpartnerschaft ausbauen.

Kanada: Der Rohstoffpartner im hohen Norden

Kanada ist ein traditionelles Bergbauland und einer der größten Rohstoffproduzenten weltweit. Derzeit werden im Land rund 60 mineralische Bodenschätze abgebaut, darunter „kritische“ Minerale wie Kupfer, Nickel, Kobalt, Lithium, Graphit und Seltene Erden. Ende 2022 veröffentlichte die kanadische Regierung ihre Critical Minerals Strategy, die den Ausbau von Kapazitäten an allen Stufen der Wertschöpfungskette vorsieht – von der Exploration bis zum Recycling. Die Strategie wird mit 3,8 Milliarden Kanadischen Dollar (ca. 2,5 Milliarden Euro) vom Staat finanziell unterstützt und soll Anreize für die heimische Förderung und Verarbeitung der Rohstoffe bieten. Bislang wird ein Großteil der in Kanada abgebauten mineralischen Rohstoffe in anderen Ländern weiterverarbeitet, vor allem in China und den USA. Dabei herrschen in Kanada gute Bedingungen für die Verlängerung der Wertschöpfungskette im Rohstoffsektor: Das Land hat Zugang zu günstiger und zusehends erneuerbarer Energie, es herrscht ein überwiegend positives Investitionsklima für Bergbauprojekte, und große Verbrauchermärkte wie jener der USA liegen in geographischer Nähe.

Die Aussöhnung (reconciliation) mit indigenen Communities, in deren Territorien ein Großteil der Rohstoffförderung stattfindet, ist zentraler Baustein der Critical Minerals Strategy. Die kanadische Regierung arbeitet außerdem an einem Modell für eine faire Teilhabe indigener Gemeinden an Rohstoffprojekten (benefit sharing framework). Zusätzlich zu den staatlichen Vorgaben orientieren sich die Mitglieder der Canadian Mining Association an einem eigens entwickelten Nachhaltigkeitsstandard (Towards Sustainable Mining [TSM]), der sowohl ökologische, soziale als auch Governance-Aspekte umfasst. Gleichwohl beruht die Umsetzung des TSM letztlich auf Freiwilligkeit; ein umfassendes Sorgfaltspflichtengesetz gibt es in Kanada bislang nicht, und kanadische Bergbaufirmen stehen immer wieder in der Kritik, vor allem im Ausland ihren Sorgfaltspflichten und Nachhaltigkeitsstandards nicht nachzukommen.

Kanada ist angesichts seiner zahlreichen Bodenschätze, seiner wirtschaftlichen und politischen Stabilität und seiner vergleichsweise hohen Nachhaltigkeitsstandards ein geeigneter Rohstoffpartner für Deutschland. Zur Diversifizierung seiner Rohstofflieferketten setzt die Regierung des Landes auch auf eine engere Zusammenarbeit mit „befreundeten“ Staaten. So hat Kanada Ende 2022 die Sustainable Critical Mineral Alliance ins Leben gerufen, der sich auch Deutschland angeschlossen hat. Deutsche Firmen wie Mercedes-Benz und Volkswagen schlossen im Herbst 2022 Verträge zur Direktabnahme kanadischer Rohstoffe. Beispiele wie Rock Tech Lithium zeigen, dass sich auch auf der Stufe der Weiterverarbeitung von Metallen eine Zusammenarbeit beider Länder anbietet.

Saudi-Arabien: Mit massiven Investitionen zur Rohstoffmacht

Auf dem Weg zur Rohstoffmacht investiert Saudi-Arabien 32 Milliarden US-Dollar in seinen zuvor wenig beachteten Bergbausektor. Die saudische Regierung schätzt den Wert der nationalen Bodenschätze (darunter Nickel, Kupfer, Zink, Phosphate und Seltene Erden) auf über 1,3 Billionen US-Dollar. Einerseits wird der teilprivatisierte Staatskonzern Ma’aden in absehbarer Zukunft den Bergbausektor dominieren, andererseits sollen private ausländische Bergbauunternehmen angezogen werden, beispielsweise indem das Bergbaurecht reformiert, regulatorische Anreize geschaffen und Steuererleichterungen geboten werden.

Der inländische Ausbau geht einher mit der Gründung eines 3,2 Milliarden US-Dollar schweren Joint-Venture-Fonds durch Ma’aden und den saudischen Staatsfonds im Januar 2023. Ziel ist, weltweit Beteiligungen an Bergbauunternehmen zu erwerben. Außerdem hat Ma’aden Anteile am US-amerikanischen Explorationsunternehmen Ivanhoe Electric gekauft, auch um sich notwendiges technisches Know-how für die Rohstoffförderung zu sichern. Überdies verkündete Saudi-Arabien jüngst eine Rohstoffpartnerschaft mit Großbritannien, Sitzland der weltgrößten Metallbörse.

Die saudischen Ambitionen sind Teil der 2016 beschlossenen „Vision 2030“, die unter anderem den Auf- und Ausbau neuer Industrien vorsieht. Vier implizite Ziele stehen auch für den Rohstoffsektor im Vordergrund: (Jugend-)Arbeitslosigkeit trotz einer rasch wachsenden Bevölkerung senken, Risiken im Öl- und Gasgeschäft absichern, Wertschöpfungsketten im Land etablieren und (über-)regionale Hegemonie ausbauen. In diesem Rahmen setzt Saudi-Arabien nicht nur auf Rohstoffförderung, sondern insbesondere auf verarbeitende Industrien und plant, neben Stahl auch Batterien und E-Fahrzeuge zu produzieren. 2022 wurde mit Ceer Motors eine E‑Fahrzeug-Marke als saudisch-taiwanesisches Joint Venture gegründet. Abkommen mit australischen Herstellern von Batteriekomponenten sowie die Mehrheitsbeteiligung des saudischen Staatsfonds am US-amerikanischen E-Auto-Startup Lucid Motors dienen dem Produktionsaufbau.

Zudem haben Saudi-Arabiens Pläne eine Soft-Power-Komponente: Mit dem Future Minerals Forum, das 2022 erstmals stattfand und rasch an Einfluss gewonnen hat, möchte der Golfstaat zum Rahmengeber des Rohstoffsektors werden – wobei sein Fokus auf Asien und Afrika liegt, auch aufgrund der geographischen Lage.

Ma’aden hat sich verpflichtet, internationale Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsstandards (wie die Global Reporting Initiative Standards) einzuhalten. Doch ob dies geschieht, ist wegen Transparenzdefiziten bisher nur bedingt überprüfbar. Für Dialoge mit Saudi-Arabien eignen sich etablierte Institutionen wie das IGF und die EITI besser als bilaterale Formate. Im Hinblick auf den globalen Wettlauf um kritische Metalle für die Energietransformation sollten Deutschland und die EU mindestens niedrigskalierte Lieferbeziehungen erwägen oder eine Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, für die sich Saudi-Arabien offen zeigt.

De-Risking, nicht Decoupling: China als Knotenpunkt globaler Rohstofflieferketten

China stellt Deutschland und Europa im Rohstoffsektor vor eine komplexe Herausforderung. Die EU bezieht einen Großteil der von ihr als kritisch eingestuften Rohstoffe aus China, bei Seltenen Erden beträgt der Anteil sogar rund 98 Prozent. Zudem kontrolliert China mittlerweile nahezu die Hälfte der globalen Raffinadeproduktion. Es überrascht also nicht, dass EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen Ende März 2023 in ihrer Grundsatzrede über die EU-China-Beziehungen den Rohstoffsektor als Risikobereich besonders hervorhob. Beim De-Risking im Umgang mit China geht es darum, die europäische Autonomie und Fähigkeit zur Diversifizierung zu stärken, damit auf lange Sicht Europas Versorgungssicherheit unabhängig von China garantiert werden kann.

Interne Richtungsentscheidungen der chinesischen Führung machen die Situation für Deutschland und Europa noch komplizierter. Im 14. Fünfjahresplan (2021–2025) unterstreicht Peking sein Ziel, eine „hochwertige“ Entwicklung des Landes zu fördern: Entscheidend hierfür seien in erster Linie der Ausbau von Zukunftsindustrien und technologische Innovationen in diesem Bereich. Chinas Eigenbedarf an kritischen Rohstoffen wird infolgedessen nochmals deutlich wachsen. Die Sicherung der Zugänge zu mineralischen Rohstoffen in China und außerhalb, Weiterverarbeitungskapazitäten sowie die Kontrolle der gesamten Industriekette bilden dabei nicht nur ein strategisches politisches Ziel. Sie sind auch untrennbar mit der wirtschaftlichen Sicherheit Chinas verbunden. Damit wächst die Gefahr, dass Peking Exportkontrollen für kritische Rohstoffe einführt.

Da China selbst von Rohstoffimporten abhängig ist, etwa von Lithium oder Kobalt, wird es strategische Partnerschaften mit Produktionsländern aufrechterhalten und vertiefen. Dies wird den Wettbewerb zwischen europäischen und chinesischen Akteuren in Drittstaaten wie Brasilien oder Indonesien spürbar verschärfen. Die Neuausrichtung der Bundesregierung sowie der europäische Entwurf des „Critical Raw Materials Act“ werden daher die Rohstoffabhängigkeit von China sowie die Konkurrenz mit chinesischen Bergbauunternehmen in Produktionsländern nur teilweise mindern können.

Umso dringlicher wird ein De-Risking gegenüber China, denn die mangelnde Diversifizierung von Rohstofflieferketten gefährdet die deutsche und europäische Versorgungssicherheit. Zweifellos wird China ein zentraler Akteur im Rohstoffsektor bleiben. Deshalb ist es strategisch notwendig, den Kontakt zu chinesischen Akteuren nicht abreißen zu lassen. Vorstellbar wäre ein technischer Dialog über Verarbeitungsprozesse: Deutschland und Europa könnten von der Expertise chinesischer Unternehmen profitieren und mit ihnen daran arbeiten, Sorgfalt und Nachhaltigkeit zu verbessern. Zudem wäre ein wissenschaftlicher Austausch über die Situation in Produktionsländern und ihre Interessen denkbar, am besten in trilateralen Formaten.