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Nach den slowakischen Parlamentswahlen: Die Slowakei hat das Tor zu EU und NATO weit aufgestoßen

Arbeitspapier 04, 15.09.2002, 7 Seiten
5. Neujustierung des politischen Koordinatensystems?

Wirft man einen Blick auf den Gesamtzustand der Parteienlandschaft nach den Wahlen, so läßt sich feststellen, daß das politische Koordinatensystem der Slowakei in vielerlei Hinsicht modifiziert wurde.

  1. Erstmals seit 1990 besteht die Möglichkeit, daß eine inhaltlich und ideologisch homogene Regierung gebildet wird, deren Profil durch klassische Kriterien der politischen Charakterisierung beschrieben werden kann. An die Stelle der ideologisch diffusen Mečiar-Regierungen und der breiten Links-Mitte-Rechts-Koalition der ersten Regierung Dzurinda kann ein kohärentes politisches Bündnis der rechten Mitte treten. Die Mitgliedsparteien einer solchen Regierung wären allesamt mit europäischen Parteienorganisationen liiert (EVP im Falle KDH, SMK und SDKU; ELDR bei ANO).
  2. Diejenigen Gruppierungen, die im weiteren Sinne als populistisch oder radikal bezeichnet werden können, sind politisch geschwächt. Die HZDS hat ihr schlechtestes Resultat eingefahren, die beiden nationalistischen Parteien (SNS und PSNS) sind nicht ins Parlament gekommen, die HZDS-Abspaltung HZD hat den Sprung ins Parlament ebenfalls verfehlt.
  3. In der Slowakei ist keine sozialdemokratische Partei im Parlament vertreten. An der Sperrklausel sind sowohl die beiden Mitgliedsparteien in der SI, die Demokratische Linkspartei (SDL) und die Sozialdemokratische Partei der Slowakei (SDSS, deren Vertreter auf den Listen der SDL antraten), als auch die SDL-Abspaltung SDA gescheitert.
  4. Für den Wahlausgang waren Veränderungen auf der Seite des politischen Angebots mindestens ebenso wichtig wie Verschiebungen auf der Nachfrageseite. Der Anteil der Stimmen, die „unter den Tisch fielen“, stieg auf 18% an. Die verfallenen Stimmen lagen jedoch diesmal vor allem im national-populistischen Bereich und bei der Linken, während die Rechte kaum Federn lassen mußte. Zwei Zahlen veranschaulichen die Effekte: Die im weiteren Sinne populistischen Gruppierungen (HZDS, HZD, SNS, PSNS, KSS) verloren nur geringfügig (2,8%) an Stimmen (2002: 36,1% gegenüber 1998: 38,9%), büßten aber ein Sechstel ihrer Mandate ein (von 57 auf 47). Den Parteien der Regierungskoalition reichen hingegen 42% der Stimmen, um 52% der Sitze einzunehmen.

Gegenwärtig befindet sich die politische Landschaft unter der Tatra in einer Übergangsphase. Die Polarisierung der 90er Jahre in ein Lager national-populistischer „Nichtstandardparteien“ und eine Gruppe demokratischer „Standardparteien“ ist durchbrochen. Zwischen den gestärkten „Reformkräften“ und den geschwächten Gruppierungen des „Nichtstandardbereichs“ hat sich Ficos Smer plaziert. Sofern sich diese programmatisch in Richtung Sozialdemokratie entwickelt, könnte sich die Auseinandersetzung zwischen „rechts(-zentristischer)“ Regierung und linkszentristischer Opposition in den Vordergrund des politischen Wettbewerbs schieben.