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Nach den slowakischen Parlamentswahlen: Die Slowakei hat das Tor zu EU und NATO weit aufgestoßen

Arbeitspapier 04, 15.09.2002, 7 Seiten
3. Die voraussichtlichen Regierungsparteien

Sukkurs für Regierungschef Dzurinda
Unerwartet stark (15,1%) schnitt die Partei von Regierungschef Dzurinda ab, die Slowakische Christdemokratische Union (SDKU). Der SDKU als „Minister-Partei“ und „Partei der Macht“, so wäre zu erwarten gewesen, hätten eigentlich die schmerzhaften Folgen der Wirtschaftsreformen und der problematische Zustand der Sozialsysteme angelastet werden müssen. Überdies wurden gerade SDKU-Politiker bzw. diesen nahestehende Personen mehrfach mit Korruptionsskandalen in Verbindung gebracht. Offensichtlich ist es der SDKU aber gelungen, vor allem in der Schlußphase des Wahlkampfs, die Errungenschaften der letzten vier Jahre in den Vordergrund zu rücken. Insbesondere die Erfolge in Fragen der euroatlantischen Integration, die eng mit der Arbeit von Premier Dzurinda und Außenminister Kukan verknüpft sind, dürften hierbei eine Rolle gespielt haben. Ein professioneller Wahlkampf, ein sachlicher Politikstil und die gelungene Inszenierung der SDKU-Frontleute hatten eine Vielzahl von Unentschlossenen, vermutlich aber auch eine Reihe von potentiellen Smer-Wählern, in den letzten Tagen zu Dzurindas Partei überwechseln lassen. Vorteilhaft wirkte sich für die SDKU auch der unmittelbar vor den Wahlen vollzogene Rückzug der kleinen Demokratischen Partei aus, die ihre Anhänger dazu aufrief, für die SDKU zu votieren.

Stabile Christdemokraten
Die im Vergleich zu der modernen und christlich-liberalen SDKU traditionalistischere und wertkonservativere Christdemokratische Bewegung (KDH) geht mit 8,25% konsolidiert aus den Wahlen hervor. Sie deckt das katholisch-konservative Milieu ab und plaziert sich komplementär zu den liberal-konservativen intellektuellen gesellschaftlichen Segmenten, die die SDKU anspricht. Die KDH hat damit den Abgang von Mikuláš Dzurinda und seinen Gefolgsleuten gut verkraftet. Zwischen KDH und SDKU könnte sich eine Arbeitsteilung im rechtszentristischen Bereich des ethnisch slowakischen Elektorats ergeben. Mittelfristig könnte die sich in den letzten Jahren sehr „slowakisch“ gebende KDH versuchen, in das verbliebene Wählerreservoir der HZDS einzubrechen, für das sie aufgrund dessen soziodemographischen Reliefs und der vorherrschenden Werthaltungen attraktiv sein könnte. Die SDKU wiederum könnte darauf spekulieren, liberale und städtische Wählerschichten von Pavol Ruskos ANO auf ihre Seite zu ziehen.

Zufriedene Ungarn
Die Partei der Ungarischen Koalition (SMK) konnte ihren Stimmenanteil leicht ausbauen (von 9,11% auf 11,16%). Sie hat sich während der abgelaufenen Legislaturperiode als effektive Sachwalterin der ungarischen Minderheit präsentiert und ihre Klientel mit Erfolg dazu aufgerufen, möglichst zahlreich zu den Wahlurnen zu kommen. Der SMK-Führung um den Christdemokraten Béla Bugár ist es gelungen, die radikaleren Strömungen in der Partei in den Hintergrund zu drängen und eine stabile, einheitliche und pragmatische Minderheitenpartei mit konservativer Hintergrundideologie zu formieren. Gleichzeitig wurde der ethnische Charakter der Partei zementiert. Auf den Listen der SMK wurden auf aussichtsreichen Plätzen keine Nicht-Ungarn positioniert. Der von ungarisch-slowakischen Intellektuellen eingebrachte Vorschlag, aus der SMK eine interethnische Regionalpartei zu machen, wurde nicht ernsthaft diskutiert.

ANO - Der vierte im Bunde
Zu den drei konservativen Parteien der bisherigen Regierungskoalition wird sich in der neuen Regierung voraussichtlich die Allianz des Neuen Bürgers (ANO) gesellen. Die erst im letzten Jahr gegründete Partei des Medien-Tycoons Pavol Rusko kann mit 8% der Stimmen zufrieden sein. Vor allem die Unterstützung durch die Fernsehstation TV Markíza trug dazu bei, daß der blasse und uncharismatische Parteichef Rusko punkten konnte. Rusko wird für die drei Parteien voraussichtlich ein problemloser Partner. ANO versteht sich als liberale Partei und wird den Kurs der drei konservativen Partner in den Schlüsselfragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik ebenso wie hinsichtlich EU- und NATO-Mitgliedschaft unterstützen. Als wichtiger Faktor könnte sich erweisen, daß sich die Koalition durch die Fernseh-Partei ANO auch die Flankierung ihrer Politik an der Medienfront sichert.