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EU-Sondergipfel: Klare und gemeinsame Position gegenüber China

Kurz gesagt, 30.09.2020 Forschungsgebiete

Während des EU-Sondergipfels sollten das EU-China-Investitionsabkommen sowie die Menschenrechtslage in China auf der Tagesordnung stehen. Bei beiden Themen sollten die Mitgliedstaaten zu einer entschlossenen Position kommen. Das kann sich die EU auch leisten, meint Angela Stanzel.

Anfang Oktober kommt der Europäische Rat zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammen. Auf der Tagesordnung steht unter anderem das Thema einer gemeinsamen Strategie gegenüber China. Die Staats- und Regierungschefs sollten hier die Themen Investitionsabkommen und Menschenrechte aufgreifen und zu einer klaren gemeinsamen Position kommen. Sie können diese selbstbewusst vertreten und Zugeständnisse von China fordern. Denn gerade heute ist das Land von der EU so abhängig wie selten zuvor.

Das liegt zum einen am Konflikt mit den USA, mit denen sich China seit zwei Jahren in einem Handelsstreit befindet. Selbst wenn im November US-Präsident Donald Trump die Präsidentschaftswahl verliert, kann China nicht mit einer Kehrtwende der amerikanischen China-Politik rechnen. Einen Konflikt an zwei Fronten, also mit den USA und der EU, wird die chinesische Regierung daher auch zukünftig zu vermeiden versuchen.

Zum anderen hängt Chinas wirtschaftliches Wachstum auch von der Entwicklung auf dem Weltmarkt ab – und das gerade im Kontext der COVID-19-Pandemie. Zweistellige Wachstumsraten hatte das Land zuletzt im Jahr 2010. Im vergangenen Jahr legte das chinesische Bruttoinlandsprodukt nur noch um 6,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. Bei einer durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten schweren wirtschaftlichen Krise, etwa durch das Wegbrechen von Lieferketten zwischen der EU und China, drohen großflächige Insolvenzen, insbesondere im chinesischen Mittelstand. Millionen Arbeitsplätze wären gefährdet.

China braucht daher seinen größten Handelspartner mehr denn je: die EU. Im vergangenen Jahr belief sich das gesamte Handelsvolumen zwischen beiden auf mehr als 540 Milliarden Euro. Der europäische Markt bietet 500 Millionen Konsumenten sowie Technologien, Unternehmen und Know-how, die China benötigt, um seine im Hochtechnologiebereich angestrebte Spitzenposition zu erreichen.

Unzureichende Fortschritte beim EU-China-Investitionsabkommen

Zuletzt trafen sich die EU und China Mitte September zu Spitzengesprächen. Zu den seit 2014 laufenden Verhandlungen über ein Investitionsabkommen zwischen beiden hat es auch dort aus Sicht der EU keine für einen Abschluss ausreichenden Fortschritte gegeben. Sie forderte Verbesserungen, insbesondere bei Marktzugang und nachhaltiger Entwicklung. China sagte zwar weniger staatliche Einflussnahme auf seine Staatsbetriebe sowie mehr Transparenz bei technologischen Transfers und Subventionen zu. Die Regierung drückte sich damit aber um die zentrale Forderung der Europäer. Deren Unternehmen haben nach wie vor nur sehr eingeschränkten Zugang zum chinesischen Markt – vor allem in der Digitalbranche, im Bereich der Elektromobilität und dem Gesundheitssektor. Für chinesische Unternehmen ist die EU hingegen ein weitgehend offener Markt, auch wenn die Investitionskontrollen in den vergangenen Jahren verschärft wurden.

Verbindliche Schritte hin zu größerer Öffnung des chinesischen Markts sowie verbessertem Investitionsschutz kann die EU nur erreichen, wenn sie bei einer harten Verhandlungsposition bleibt. Sie muss auf ihren Forderungen bestehen, so wie sie es während des September-Gipfels und auch in den sechs vergangenen Jahren bereits getan hat. Einzig das drohende Ende der Verhandlungen kann die chinesische Seite zu den Zugeständnissen bewegen, die die EU schon so lange fordert. Angesichts der wirtschaftlichen Abhängigkeit Chinas von der EU ist ein Einlenken Pekings nicht ausgeschlossen. Andernfalls bleibt wohl nur eins: die Verhandlungen zum Investitionsabkommen zu beenden. Dann müsste die europäische Wirtschaft sich mit der strukturellen Benachteiligung in China abfinden, was jedoch bei weiterhin erfolglosen Verhandlungen ohnehin der Fall wäre. China nur um des Abkommens willen entgegenzukommen, wäre nicht zum Vorteil Europas.

Die Menschenrechtssituation in China

Ein anderes konfliktbeladenes Thema, mit dem die EU sich weiter auseinandersetzen muss, sind die Menschenrechte in China. Gerade die Lage der chinesischen Minderheiten und Hongkongs sind zunehmend dramatisch. Feste Zusagen zum Schutz der Menschenrechte sind daher wichtig. Bereits während des EU-China-Gipfels wurden die Details vertagt, als die euro­päi­sche Seite das Sicher­heits­ge­setz für Hong­kong und den Umgang mit Minder­hei­ten in Tibet und Xinjiang ansprach.

In Xinjiang werden nach Ein­schät­zung von Men­schen­recht­lern und Wis­sen­schaft­lern bis zu eine Million Uighuren in Um­er­zie­hungs­la­gern fest­ge­hal­ten. In Hongkong ist seit Anfang Juli ein kontroverses »Sicherheitsgesetz« in Kraft, ein Instrument der chinesischen Regierung, um die Autonomie der Sonderverwaltungsregion einzuschränken und gegen Oppositionelle vorzugehen. Auch verstößt das Sicherheitsgesetz gegen internationales Recht. Es bricht mit dem seit 1984 geltenden Prinzip »Ein Land, zwei Systeme«. Damals einigten sich Großbritannien und China auf die friedliche Übergabe aller Territorien im Jahr 1997 sowie auf Freiheitsrechte und Autonomie der Hongkonger.

Beim Thema Menschenrechte sollte die EU in Zukunft mehr Beharrlichkeit zeigen als bislang – vor allem Deutschland als größte Volkswirtschaft der EU und Chinas wichtigster europäischer Handelspartner. Beim nächsten EU-China-Menschen­rechts­dia­log, der noch in diesem Jahr stattfinden soll, aber auch bei weiteren EU-China-Dialogen muss die EU konkrete Ergebnisse einfordern. Das bedeutet, die chinesische Seite beim Wort zu nehmen und beispielsweise auf den bereits zugesagten unabhängigen Beobachtern für Tibet und die Arbeitslager in Xinjiang zu bestehen. Darüber hinaus sollte die EU auf dem nun anstehenden Sondergipfel Konsequenzen formulieren für den Fall, dass die chinesische Regierung ihre Menschenrechtspolitik nicht ändert. Das könnten ein Verbot für den Import von Produkten aus Zwangsarbeit oder andere Sanktionen gegen beteiligte Personen sein.

Entschlossenheit und Geschlossenheit sind es, die die EU beim anstehenden EU-Sondergipfel aufbringen muss. Dass dies gelingt ist nicht so unwahrscheinlich wie noch vor einigen Jahren. Gerade bei diesen zwei Themen, Investitionsabkommen und Menschenrechte, tritt die EU mittlerweile immer geschlossener gegenüber China auf. Nun braucht es starke Vorreiter wie Deutschland und Frankreich, die auch bei den hier vorgeschlagenen Schritten Einigkeit unter den EU-Mitgliedstaaten herbeiführen.