Das Bundeswehrmandat für die Beteiligung Deutschlands am Kampf gegen den IS soll verlängert werden. Kritik kommt von den Oppositionsfraktionen. Markus Kaim nennt drei Gründe, warum die Fortführung der Mission richtig ist.
Seit 2015 beteiligt sich Deutschland am militärischen Kampf gegen den »Islamischen Staat« (IS). Diese Mission, die im Rahmen einer internationalen Koalition durchgeführt wird, besteht aus zwei Komponenten: Zum einen unterstützt die Bundeswehr die Ausbildung der Milizen der weitgehend autonomen irakischen Provinz Kurdistan in Arbil sowie der irakischen Streitkräfte in Bagdad. Zum anderen leistet sie von Jordanien aus Aufklärung für Anti-IS-Einsätze der internationalen Militärkoalition im syrischen Luftraum. Am Wochenende haben sich die Koalitionsfraktionen nach längerer Kontroverse auf eine Fortführung des Mandats geeinigt, das ansonsten am 31. Oktober 2019 ausgelaufen wäre; die Entscheidung im Bundestag hierüber steht aus. Aller Voraussicht nach werden die Oppositionsfraktionen mit zwei Argumenten dagegen stimmen: Der IS sei besiegt und Deutschland dürfe keinen Beitrag zur Umsetzung der amerikanischen Nahostpolitik leisten. Doch eine Reihe von Argumenten sprechen für diese Mission.
Erstens ist der IS noch nicht besiegt; dies lässt sich allenfalls für das von ihm errichtete »Kalifat« behaupten. Der IS aber war erst im Laufe der Zeit zu einem quasi-staatlichen Akteur mit Territorium und politischen Funktionen geworden. Erfolgreich war er im Jahr 2014 vor allem mit Guerilla-Attacken gegen die nationalen Sicherheitskräfte in Syrien und im Irak sowie mit terroristischen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung im Nahen Osten, seit 2015 auch in vielen westlichen Städten. Vier Anschläge in Deutschland wurden durch ihn vorbereitet oder inspiriert, darunter der Angriff auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016. Aktuell deutet nichts darauf hin, dass der IS die Fähigkeit zu solchen Aktionen verloren hat, im Gegenteil, die terroristische Dimension des IS gewinnt angesichts des Endes des »Kalifats« wieder an Bedeutung: So schätzt die amerikanische Regierung, dass der IS weiterhin über eine Kriegskasse von 400 Mio. US-Dollar und 18 000 Kämpfer verfügt, die in Syrien und dem Irak untergetaucht sind. Die Gefahr, die von ihnen ausgeht, ist nicht auf den Nahen Osten beschränkt. Erst im August hat eine Expertenkommission der Vereinten Nationen nachdrücklich davor gewarnt, dass der IS noch vor dem Jahresende terroristische Anschläge in Europa mit dem Ziel verüben könnte, existierende politische und gesellschaftliche Bruchlinien im Umgang mit Muslimen und Migration zu vertiefen. Der Kampf gegen den IS liegt daher im originären Interesse Deutschlands.
Zweitens: Trotz der veränderten amerikanischen Außenpolitik unter Donald Trump und der substantiellen Differenzen zwischen Berlin und Washington ist ein wichtiges Argument für diesen Auslandseinsatz der Bundeswehr nicht entfallen, nämlich das der Solidarität mit Bündnispartnern. Zwar haben sich die USA seit dem Januar 2017 inhaltlich weit von der deutschen Außenpolitik entfernt; einen Konsens bezüglich der Politik im Nahen Osten gibt es nur in Umrissen. Doch gerade weil die deutsch-amerikanischen Beziehungen an einem Tiefpunkt angekommen sind und die Regierung Trump droht, Deutschland auf Dauer als sicherheitspolitisch unzuverlässigen Verbündeten einzuordnen, wäre ein abruptes Ende des Mandates ein fatales Signal. Zudem ist das überwölbende Ziel der Regierung Trump gerade nicht, den militärischen Kampf gegen den IS unbegrenzt fortzuführen. Stattdessen setzt die amerikanische Regierung, ebenso wie die Bundesregierung und weite Teile des Bundestages, auf eine verantwortungsbewusste, zeitlich abgestufte Reduzierung der Streitkräfte.
Schließlich ist der Einsatz weniger Ausdruck transatlantischer, sondern vor allem europäischer Bündnistreue und enger deutsch-französischer Beziehungen. Denn es waren die Terroranschläge des IS in Paris im November 2015, die zum Einsatz der Bundeswehr in Syrien und dem Irak geführt haben, nicht eine Anfrage Washingtons. Zum ersten Mal aktivierte eine europäische Regierung dabei die Solidaritätsklausel des Lissaboner Vertrages und bat ihre Partner um Hilfe und Unterstützung. Wer also auf Dauer eine verbesserte sicherheitspolitische Kooperation der EU-Mitglieder anstrebt, sollte vorsichtig sein, die wenigen substantiellen Formen der Zusammenarbeit einseitig zu beenden. Insofern ist die Entscheidung, das Mandat zu verlängern, auch eine sinnvolle politische Investition in eine europäische Sicherheitspolitik.
Der Autor ist bis Juli 2020 Helmut Schmidt Fellow der Zeit-Stiftung und des German Marshall Fund in Washington.
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