Seit dem 6. November tagen die Delegierten des Weltklimagipfels in Bonn. Bei den Verhandlungen geht es um die zügige Umsetzung des Paris-Abkommens und mehr Klimaschutz bis 2020, aber ausgerechnet damit kann Deutschland zurzeit nicht dienen, meint Susanne Dröge.
Kurz gesagt, 13.11.2017 ForschungsgebieteSusanne Dröge
Seit dem 6. November tagen die Delegierten des Weltklimagipfels in Bonn. Bei den Verhandlungen geht es um die zügige Umsetzung des Paris-Abkommens und mehr Klimaschutz bis 2020, aber ausgerechnet damit kann Deutschland zurzeit nicht dienen, meint Susanne Dröge.
Der jährliche Weltklimagipfel (Conference of the Parties, COP) der Vereinten Nationen wird in diesem Jahr zum ersten Mal in Deutschland ausgerichtet, während die Präsidentschaft bei den Fidschi-Inseln liegt. Da diese nicht den Platz für 25.000 Teilnehmende haben, ist die Bundesregierung als Gastgeberin eingesprungen.
Technische Fragen haben Priorität
Deutschland und die EU möchten in Bonn zügig verlässliche Spielregeln für alle Vertragsstaaten des Paris Abkommens festzurren. Diese Details wurden 2015 offengelassen, sie werden aber dringend für die Umsetzung des Vertrages gebraucht. Das Regelwerk soll bis 2018 stehen. Dabei geht es beispielsweise um Messungen und Berichtspflichten für Treibhausgasemissionen sowie um Evaluierungsstandards. Auch sind die Instrumente für die Klimapolitik noch nicht geregelt, mit denen man etwa den Emissionshandel international gestalten will. Zudem muss geklärt werden, wie Finanzhilfen von 100 Milliarden US-Dollar jährlich für den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel aufgebracht werden, wie es das ab 2020 gültige Abkommen verlangt. Zusätzlich wird für den bereits vorhandenen Anpassungsfonds, der seinen zehnjährigen Geburtstag feiert, kurzfristig händeringend mehr Geld gesucht. Auch ist noch offen, wie die ab 2023 regelmäßig geplante Bestandsaufnahme (»Global Stock Take«) aussehen kann und wer die Informationen zusammenträgt, auf deren Grundlage die Erreichung nationaler Klimaziele geprüft wird. Transparenz ist nicht nur bei der Erreichung des Zwei-Grad-Ziels nötig, sondern auch bei der Erfüllung von Finanzzusagen und dem für die Entwicklungsländer wichtigen Zugang zu klimafreundlichen Technologien. Bei all diesen Themen ist nicht mit einer schnellen Einigung zu rechnen, zu groß sind die politischen Empfindlichkeiten der Beteiligten.
Verwundbare Staaten pochen auf ernsthaften Umgang mit Verlusten und Schäden
Für die Fidschi-Inseln ist der Umgang mit Verlusten und Schäden durch den Klimawandel eines der wichtigsten Anliegen, das sie auf die Tagesordnung der Bonner Verhandlungen gesetzt haben. Ihnen geht es um die Anerkennung ihrer bereits heute fatalen Situation. Zusammen mit anderen verwundbaren Staaten (»Vulnerables«) wollen sie nicht allein Geld, sondern konkrete Hilfe. Denn mittel- bis langfristig müssen große Teile der Bevölkerung umziehen. Der Meeresspiegel steigt, extreme Überschwemmungen nehmen zu. Die betroffenen Länder knüpfen ihre Kompromissbereitschaft bei den Transparenzstandards daran, dass das Thema »Verluste und Schäden« einen festen Platz in den UN-Verhandlungen bekommt.
Mehr Klimaschutzzusagen lassen auf sich warten
Ein weiteres Anliegen der COP23 in Bonn ist es, den » Talanoa Dialogue« zu starten und bis zur COP24 fortzusetzen. Dieser Prozess soll eine erste Bestandsaufnahme nationaler Klimaziele und neue Zusagen für den Klimaschutz liefern. Er ist auch ein Testlauf für die ab 2023 regelmäßig geplante, globale Bewertung und Fortschreibung der Klimapolitik aller Vertragsstaaten. Wie unzureichend die derzeitig angekündigten Ziele aller Länder sind, hat das Umweltprogramm der UN mit dem jährlichen Bericht zur globalen Emissionslücke erneut dargelegt. Es muss mit einer Erwärmung um durchschnittlich mehr als drei Grad in diesem Jahrhundert gerechnet werden, wenn nicht nachgelegt wird. Viele Entwicklungsländer, darunter auch Indien, erhöhen in Bonn den Druck auf die Industrieländer, bereits vor 2020 ihre Ambitionen zu steigern. Leider ist allerdings weder in der EU noch in Deutschland mit einer Steigerung der Ambitionen zu rechnen.
Inoffizielle US-Vertreter springen für klimapolitischen Ausfall der USA in die Bresche
Die Bonner Verhandler stehen vor der Herausforderung, diese Bandbreite strittiger Themen vor dem Hintergrund einer schwierigen politischen Großwetterlage zu diskutieren, die vor allem von den USA ausgeht. Diese hatten das neue Abkommen 2015 maßgeblich vorangebracht, planen jetzt aber ihren Austritt. Es ist ein diplomatischer Kraftakt, gegen die Enttäuschung, die die US-Umkehr bei vielen Staaten ausgelöst hat, anzuarbeiten. Einige Staatenlenker müssen bei der Stange gehalten werden. Der französische Präsident Macron will deshalb die internationale Führung der Europäer in der Klimapolitik ausbauen und dabei den amerikanischen Präsidenten außen vor lassen. Darum lädt er anlässlich des zweiten Jahrestags des Paris-Abkommens am 12. Dezember über einhundert Staats- und Regierungschefs nach Paris ein. Die USA sollen nur auf Arbeitsebene teilnehmen dürfen.
Da die US-Regierung der Klimapolitik den Rücken zukehrt, engagieren sich nichtstaatliche US-Klimaschützer mit ihrer Initiative »We are still in« auf der internationalen Bühne in Bonn. US-Bundesstaaten, -Unternehmen und -Bürgermeister sowie Nichtregierungsorganisationen eröffneten am Rande der COP23 ein »U.S. Climate Action Center«, während es auf dem offiziellen Gelände keinen US-Pavillon mehr gibt. Hochrangige Vertreter wie der kalifornische Gouverneur Jerry Brown oder Geschäftsmann Michael Bloomberg sind mit dabei. Mit ihrem Bekenntnis zu den Pariser Klimazielen stellen sie sich gegen die US-Regierung. Dies ist zurzeit der einzige Weg, die Weltgemeinschaft davon zu überzeugen, dass die USA als Klimapartner nicht verloren sind.
Deutschland hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck
Mit der Ausrichtung der Bonner Verhandlungen hat die Bundesregierung für einen reibungslosen Ablauf der fidschianischen Präsidentschaft gesorgt. Allerdings ist es um die Glaubwürdigkeit des Gastgebers Deutschland nicht mehr so gut bestellt. Die deutsche Emissionsbilanz läuft zurzeit darauf hinaus, dass das selbstgesteckte Ziel für 2020 von 40 Prozent weniger Emissionen im Vergleich zu 1990 nicht erreicht werden wird. Die Bonner Klimakonferenz legt den Finger in diese Wunde. Nicht nur die Demonstrierenden, die einen Kohleausstieg fordern, drängen Deutschland zum Handeln, sondern auch die Erwartungshaltung der Partnerländer. Da eine neue Bundesregierung, die sich positionieren könnte, noch nicht in Sichtweite ist, werden die Tellnehmenden aus über 190 Ländern die Konferenz wohl mit einem zwiespältigen Eindruck verlassen: Von einem Deutschland, dessen Engagement für die internationale Klimadiplomatie zwar vorbildlich, dessen Bekenntnis zur Vorreiterrolle beim Klimaschutz aber erlahmt ist.
Dieser Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
Die EU und Deutschland sollten eine ehrgeizigere und zugleich pragmatischere Klimapolitik betreiben
Das Zwei-Grad-Ziel ist ohne Negativ-Emissionen nicht zu erreichen
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