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Industrie- und Lieferketten­politik der Türkei

Ziele und Perspektiven für deutsch-türkische Wirtschafts­kooperation und die bilateralen Beziehungen

SWP-Studie 2025/S 11, 02.07.2025, 38 Seiten

doi:10.18449/2025S11

Forschungsgebiete

Dr. Yaşar Aydın ist Wissenschaftler am Centrum für angewandte Türkeistudien (CATS) an der SWP.

  • Die geopolitisch motivierte Industrie- und Lieferkettenpolitik der Türkei impliziert die enge Anbindung an Deutschland sowie die sicherheits- und wirtschaftspolitische Ausrichtung an der EU.

  • Ankara will Produktion und Vertrieb an EU-Standards anpassen und eine grüne Hightech- und Dienstleistungswirtschaft etablieren. Doch die Dekarbonisierungsmaßnahmen sind nach wie vor unzureichend.

  • In Störungen globaler Lieferketten sehen türkische Akteure Chancen für eine Verlagerung europäischer Produktionsketten in die Türkei (Nearshoring). Regierung, Privatsektor und Wirtschaftsverbände arbeiten am Ausbau nachhaltiger Energieversorgung.

  • Die autoritäre Innenpolitik der Türkei mit Demokratieabbau, Rechtsstaatsdefiziten und Repression erschwert die Vertiefung bilateraler Koope­ration erheblich.

  • Trotz enger wirtschaftlicher Verflechtungen bestehen normative Diffe­renzen zwischen Deutschland und der Türkei. Es gibt keine konsistente Strategie, um sie zu überwinden. Stattdessen setzt die türkische Regierung auf industriepolitische Kompensation.

  • Im geopolitischen Spannungsfeld zwischen USA und China vollführt die Türkei einen Balanceakt: Sie wahrt ihre Westbindung, baut aber zugleich die Technologiepartnerschaft mit China und die Energiekooperation mit Russland aus.

  • Ein strategisches Umdenken in der deutschen Türkeipolitik tut not. Sie sollte anstreben, wirtschaftliche Stabilität zu fördern, die sicherheits­politische Einbindung der Türkei im europäischen Raum zu stärken und Ankaras strategischer Annäherung an Moskau oder Peking entgegen­zuwirken. Künftige Kooperationen sollten dabei klar an Bedingungen wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geknüpft werden.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

In den vergangenen Jahren waren die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei wechselhaft. Zurückzuführen war dies vor allem auf die innenpolitische Autokratisierung und eine transaktional ausgerichtete Außenpolitik der Türkei. Mit seiner Außenpolitik will Ankara die wachsende sicher­heitspolitische Abhängigkeit des Landes von der Europäischen Union (EU) und den USA verringern. Leitmerkmale dabei sind »vielfältige Ausrichtungen«, »flexible Allianzen« und »themenbezogene Zusammenarbeit«. Das könnte darauf hindeuten, dass die Türkei sich vom Westen, besonders den USA und der EU, abwendet. In dieser Studie hingegen wird die These vertreten, dass die Industriepolitik und die Lieferkettenpolitik der Türkei einen starken Antrieb zur Kooperation mit der EU und Deutschland be­inhalten. Beide Politikbereiche sind in einer geopolitisch und geoökonomisch begrün­deten »Grand Strategy« verankert, wirken als Pull-Faktoren und halten die Türkei in der Nato sowie im Orbit der EU und damit auch Deutschlands. Die Wirtschafts­kooperation mit Russland und China sowie Versuche der Annäherung an die BRICS-Gruppe (Bra­silien, Russ­land, Indien, China, Südafrika) sind Teil der Außenwirtschaftsstrategie. Gemäß dieser Strate­gie möchte die Türkei ihre Absatzmärkte diversifizieren und sich verschiedene Kooperationsoptionen in einer von multipolaren Interdependenzen gekennzeich­neten Welt offenhalten.

Im Mittelpunkt der türkischen Industriepolitik stehen eine Lieferkettenstrategie und eine Energie­politik, die sich an der EU orientieren. Erreicht wer­den soll die Transformation zu einer kohlenstofffreien, grünen Hightech- und Dienstleistungswirtschaft und eine stärkere Integration der türkischen Unternehmen in europäische und deutsche Liefer­ketten. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Türkei zwar ambitionierte Ziele verfolgen will, ihre Indus­trie­politik allerdings erhebliche Schwächen in der praktischen Umsetzung von Dekarbonisierungs­maßnahmen aufweist.

Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahren trotz politischer Spannungen ausgebaut und diversifiziert. Deutschland ist in der EU der wichtigste Handelspartner der Türkei. Eine Fortsetzung dieses Trends ist jedoch nur dann zu erwarten, wenn regulatorische Risiken, wie sie etwa aus den Anforderungen der Lieferketten-Governance und dem European Green Deal (EGD) entstehen, von staatlicher Seite sowie durch unternehmerisches Handeln entschärft werden. Beides bildet eine Herausforderung für den bilateralen Han­del, für deutsche Direktinvestitionen in der Türkei sowie für die Integration türkischer Zulieferer in deutsche Lieferketten. Gelingt es der türkischen Wirt­schaftspolitik nicht, geeignete Strategien zu ent­wickeln, und versäumt die Privatwirtschaft notwendi­ge Anpassungsleistungen, droht die wirtschaftliche Verflechtung zwischen den beiden Ländern schwächer zu werden.

Die Antwort auf die zentrale Fragestellung der Studie, ob sich der Trend zur wirtschaftlichen Inte­gration fortsetzen oder abschwächen wird, lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die türkische Regierung, der Privatsektor und Wirtschaftsverbände arbeiten eng zusammen, um die Einhaltung des EGD sicher­zustellen, den Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung zu beschleunigen und die Position der Türkei in europäischen Lieferketten zu stärken. Ankara bemüht sich zwar, das Investitionsklima zu verbessern, doch demokratische Defizite und die Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien setzen der Wirksamkeit rein wirtschaftspolitischer Initiativen Grenzen.

Eine strategische Abwendung der Türkei von der EU und Deutschland erscheint zwar wenig rational, kann jedoch im Kontext geo- und regionalpolitischer Krisen und einer weiteren Autokratisierung in der Türkei nicht ausgeschlossen werden. Angesichts der aktuel­len Bestrebungen Ankaras, die Opposition gezielt zu schwächen, ist eine neue Türkeistrategie erforderlich, die es Deutschland und der EU ermöglicht, ihre wirt­schaftlichen und politischen Beziehungen zur Türkei auf eine tragfähige Grundlage zu stellen – ohne dabei autoritäre Tendenzen indirekt zu legitimieren.

Türkei: Geopolitische Neuauf­stellung und Diversifizierung der Lieferketten­verflechtung

Eine Reihe globaler Entwicklungen1 in den letzten Jahren hat eine Neugestaltung von Lieferketten erfor­derlich gemacht:2 Zu nennen sind hier besonders der »Handelskrieg« zwischen den USA und China, die Covid-19-Pandemie sowie die dadurch verursachten Unterbrechungen der Versorgungsketten, der Ein­marsch der russischen Truppen in die Ukraine und die darauffolgenden Sanktionen und Exportkontrollen gegenüber Russland. Diese Entwicklungen und die daraus resultierenden Lieferengpässe, Produk­tionsprobleme und rasant steigenden Transportkosten haben das Bewusstsein dafür geschärft, wie anfällig die Produktion gegenüber Unterbrechungen der Roh­stoff- und Energieversorgung und wie abhängig sie daher von globalen Lieferketten ist.3

Vertreter der türkischen Regierung und Wirtschaft werben für Produktionsverlagerungen in die Türkei.

Daraus leiten türkische Entscheidungsträger, Unternehmer und Wirtschaftsexperten Chancen für die türkische Industrie ab, nämlich dass europäische Firmen ihre Aktivitäten und Lieferketten in das nahe gelegene Ausland – hier: die Türkei – verlagern (»Nearshoring«).4 Das würde, so meinen Experten, auch der Resilienz und Versorgungssicherheit deut­scher Unternehmen dienen. Im Gegensatz zu den derzeit im Zusammenhang mit der Verlagerung von Lieferketten diskutierten Ländern wie Indonesien, Malaysia oder Vietnam wären die Transportwege aus der Türkei tatsächlich unabhängiger von politischen Blockaden oder Engpässen im Suezkanal. Türkische Regierungsvertreter und Repräsentanten der Wirt­schaft haben wiederholt damit geworben, dass Pro­duktionsverlagerungen in die Türkei höchst willkom­men sind. Dem entgegen stehen Herausforderungen durch die geopolitischen Turbulenzen in der Region, die Erosion der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei, innenpolitische und wirtschaftliche Dynamiken und die Ungewissheit über die zukünftige geopolitische Ausrichtung des Landes. In Berlin sorgt es für Unmut, dass sich die Türkei immer mehr zu einem autoritären

Staat entwickelt, in dem demokratische Bestrebungen als Gefährdung der Staatssicherheit diffamiert wer­den.5 Ein weiterer bilateraler Dissens betraf die kon­frontative Außenpolitik der Türkei in Syrien bis zum Sturz Assads und gegenüber Israel. All diese Entwicklungen beeinträchtigen die Vertiefung be­stehender Wirtschaftskooperationen und die Ver­flechtung der Lieferketten.

Seit längerem ist die türkische Außenpolitik auch im Verhältnis zu Deutschland in wachsendem Maße von Transaktionalismus6 geprägt. Gemeint ist damit eine situationsgebundene Außenpolitik, die einer wertebasierten Politikgestaltung abgeneigt und nicht bereit ist, in ein offenes, regelbasiertes internationales System zu investieren. »Vielfältige Ausrichtungen«, »flexible Allianzen« und »themenbezogene Zusammenarbeit« sind zu Leitmerkmalen des türkischen außenpolitischen Handelns geworden.7 Das Streben nach »strategischer Autonomie«8 – also dem Ziel, die nationale Souveränität zu stärken, die Abhängigkeit von externen Akteuren zu verringern und die Türkei als Regionalmacht zu positionieren – ging mit der Annäherung an nichtwestliche Akteure wie Russland und China einher. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der Gaza-Krieg, die Angriffe Israels auf Libanon und der bewaffnete Konflikt zwischen Iran – und seinen Stellvertretern – und Israel haben die Regionalmacht Türkei geopolitisch enorm aufgewertet.9

Die türkische »Grand Strategy«

Die Grand Strategy10 der Türkei umfasst drei Haupt­ziele, an denen sich die Außen-, die Sicherheits- und die Außenwirtschaftspolitik orientieren: das Streben nach strategischer Autonomie, die Aufwertung des regionalen und globalen Status der Türkei und nach­haltiges Wirtschaftswachstum.11 Strategische Auto­nomie bedeutet die Fähigkeit, die Existenz, Souveränität, territoriale Integrität und Sicherheit des Landes weitgehend aus eigener Kraft zu gewährleisten. Statusaufwertung bezieht sich auf das Bemühen der Regierung, die Türkei als regionale Ordnungsmacht zu etablieren und sie in den Status eines »Global Player« zu hieven (Geopolitik12). Zudem strebt die Regierung langfristig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum an, um die außen- und sicherheitspolitischen Ziele zu unterstützen (Geoökonomie13) und dem Wohlstandsbegehren einer wachsenden Bevöl­kerung zu entsprechen. Allerdings besteht kein natio­naler Konsens über die geopolitische Positionierung der Türkei. Den Verfechtern einer strategischen Auto­nomie stehen Transatlantiker und »Eurasianer« gegenüber, wobei Letztere politisch marginalisiert sind und nur begrenzten Einfluss ausüben.

Die aktuelle türkische Grand Strategy formte sich im Zuge der globalen Finanzkrise von 2008, der zunehmenden Rückzugstendenzen der USA aus dem Nahen Osten Ende der 2000er Jahre sowie der darauf­folgenden arabischen Aufstände – Entwicklungen, die aus türkischer Sicht den Wandel von einer uni­polaren zu einer multipolaren Weltordnung anzeig­ten.14 Der Elitenwechsel ab 2002 spielt bei der außen­politischen Reorientierung ebenfalls eine bedeutende Rolle.15 Während ihrer Machtkonsolidierung hat die AKP-Regierung die säkular-nationale Elite weitgehend durch eine islamisch-konservative Elite ersetzt. Indem sie sich von der Idee einer prowestlichen Modernisierung verabschiedete, hat die türkische Außenpolitik den Wandel von einer institutionellen Westorientierung hin zu einer pragmatisch-transaktionistischen Interaktion mit dem Westen – also USA, Nato und EU – vollzogen. Flankiert wurde dies von einem Narrativ des »türkischen Jahrhunderts«, das dazu diente, die innenpolitisch konkurrierenden Interessensgruppen innerhalb eines Machtblocks zusammenzuhalten und die Macht der AKP-Regierung zu festigen. Der autoritäre Unilateralismus der zweiten Trump-Administration wird den Transaktionismus in der türkischen Außenpolitik verstärken und könnte für Ankara im Verhältnis zu den USA von Vorteil sein.

Ankaras Kalkül: Mehr Handlungs­spielraum durch Multipolarität

In diesem Kontext interpretierten die meisten türki­schen Entscheidungsträger und Experten für inter­nationale Politik die Entstehung einer multipolaren Weltordnung als Chance, die außenpolitischen Handlungsoptionen zu erweitern. Aus dieser Sicht ist es geostrategisch vorteilhaft, Russland als starken »Global Player« in der internationalen Politik und China als eine Art »Alternative in Reserve« zu den USA und Europa zu halten – quasi als »Rückversicherung«, um nicht in völlige Abhängigkeit vom Westen zu geraten und größeren Handlungsspielraum zu haben. Eine unbedingte außenpolitische Westorientierung ist damit nicht mehr selbstverständlich, auch wenn die Verankerung der Türkei im transatlantischen Militärbündnis und im EU-Wirt­schaftsraum nicht zur Disposition steht.16

Die Türkei befürwortet eine »ausgewogenere Machtverteilung« und möchte in die Neugestaltung der regionalen Ordnungen einbezogen werden.17 Begründet werden die globalen Ambitionen und regionalen Gestaltungsansprüche der türkischen Außenpolitik mit der geographisch zentralen Lage des Landes an der Schnittstelle zwischen Europa, Asien und Afrika, der Nähe zu Konfliktherden sowie der Kontrolle über strategisch wichtige Seewege und dem Zugang vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer. Um den regionalen und globalen Macht- und Gestaltungs­anspruch zu rechtfertigen, ziehen türkische Außenpolitiker auch historisch-kulturelle Verbindungen zum Balkan und zur islamischen Welt heran.18 Dazu gehört die Forderung an Brüssel, stärker in die Außen- und Sicherheitspolitik der EU eingebunden zu werden.19 Ankara sieht die Multipolarisierung als Prozess, der mit schwindender Dominanz des »Westens« einhergeht. Chinas Aufstieg zur Großmacht und die Weigerung des »globalen Südens«, dem »Westen« in strategischen Entscheidungen zu folgen – wie zuletzt beim russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und beim Gaza-Krieg seit Oktober 2023 –, werden in Ankara weniger als Bedrohung denn als Chance wahrgenommen. Durch die Kritik der BRICS-Staaten am liberalen Demokratie- und Menschenrechtsdiskurs des Westens sehen sich die türkischen Entscheidungsträger in ihrer distanzierten Haltung zur liberalen Demokratie und in ihrem auto­ritär-majoritären Demokratieverständnis bestätigt. Die Forderung der BRICS-Staaten Brasilien, Indien und Südafrika nach mehr Mitsprache in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Welthandelsorganisation entspricht weitgehend Ankaras strategischen Interessen.

Chancen für die Türkei durch Rivalität zwischen China und USA

Die Rivalität zwischen den USA und China, die sich unter anderem in einem Handelsstreit und Auf­rüstung manifestiert, ist ein ernstzunehmendes Risi­ko für Weltwirtschaft, Welthandel und Weltfrieden. In türkischen Regierungskreisen wird dies und der Aufstieg der BRICS-Plus-Gruppe jedoch auch als Chance gesehen, das Land in europäischen Liefer­ketten aufzuwerten und Absatzmärkte zu diversifizieren. Was die Technologie-Rivalität zwischen den USA und China betrifft, übt sich die Türkei in Äqui­distanz und sondiert Möglichkeiten einer Techno­logiepartnerschaft mit China, vor allem im Bereich der 5G-Technologie, also dem Mobilfunkstandard der fünften Generation.20 Auch versucht die türkische Regierung, sich als Sprachrohr des »globalen Südens« zu positionieren, und erwägt den Eintritt der Türkei in die BRICS-Plus-Gruppe, von der sie sich eine weitere Anbindung an aufstrebende Wirtschafts­räume erhofft.21 Die BRICS-Plus-Staaten repräsentieren 45 Prozent der Weltbevölkerung, erwirtschaften 34 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung und sind für 50 Prozent der globalen CO2-Emissionen ver­antwortlich.22 Inzwischen orientiert sich die Türkei immer mehr in Richtung Asien-Pazifik-Region, in die auch ein wachsender Anteil der Weltwirtschaft ver­lagert wird. Auf diese Weise möchte Ankara neue Absatzmärkte, ausländische Investitionen und erwei­terte Kooperationsmöglichkeiten erschließen. Beson­ders im Fokus steht die Vertiefung der Wirtschafts­beziehungen zu China.23

Durch die Interessensdivergenzen innerhalb der »westlichen Welt« sehen sich die türkischen Ent­schei­dungsträger in ihrem außenpolitischen Kurs bestätigt, der »strategische Autonomie« und Diversifizierung der Beziehungen zum Ziel hat. In der türki­schen Wahrnehmung geht es den USA weniger darum, eine regelbasierte Ordnung durchzusetzen, sondern viel­mehr, China im indopazifischen Raum einzudämmen und die Hegemonie in der »westlichen Welt« wieder­zugewinnen. Allerdings nehmen sich die USA immer wieder von der Geltung der Regeln der »libera­len Ord­nung« aus, die sie selbst entwickelt haben. Das hatte weltweit – und nachdrücklich auch in der Türkei – einen erheblichen Vertrauensverlust gegen­über ame­rikanisch-westlichen Ordnungsvorstel­lungen wie Multilateralismus und »wertebasierter Außenpolitik« zur Folge. In einer Grundsatzrede in Washington er­klärte Jake Sullivan, Sicherheitsberater des damaligen US-Präsidenten Joe Biden, die regel­basierte Handelsordnung für gescheitert und forderte einen Paradigmenwechsel: Die nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA geschaffene Welt- und Han­delsordnung, deren Garant sie seither waren, bilde nun einen Stör­faktor bei der Eindämmung des »chinesischen Kamp­fes um die Weltherrschaft«.24 Türkische Entscheidungsträger sehen darin einen Beleg dafür, dass es den USA in erster Linie um Hegemoniesicherung geht und sie sich deshalb auf eine handelspolitische und technologische Abkopplung von China vorbereiten.25

Unter der zweiten Trump-Administration werden die USA weniger bereit sein, globale öffentliche Güter26 wie Sicherheit, freien Handel, funktionierende Finanzmärkte und stabile Währungssysteme bereitzustellen. Weltpolitische Enthaltsamkeit der USA ist jedoch nicht zu erwarten, wie Trumps Pläne für Grönland, Kanada, Mexiko, den Panamakanal und den Gazastreifen zeigen. Dies zwingt die EU, besonders im Hinblick auf den Ukrainekrieg, auch unabhängig von den USA die notwendigen Fähig­keiten für den Schutz Europas zu entwickeln. Zen­trale Voraussetzungen dafür wären der Verbleib der Türkei im europäischen Wirtschaftsraum und eine stärkere Einbindung in die europäische Sicherheits­architektur. Dafür sprechen die geopolitische Lage des Landes, seine militärischen Fähigkeiten, seine wachsende Rüstungsindustrie sowie seine Verbindungen und Einflussmöglichkeiten auf dem Balkan, im Kaukasus und im Schwarzmeerraum.27

Vertiefte bilaterale Kooperation wird durch Demokratieabbau und die Einschränkung von Grundrechten in der Türkei erschwert.

Einer Intensivierung der sicherheits- und wirtschaftspolitischen Zusammenarbeit Deutschlands mit der Türkei – sei es auf EU-Ebene oder bilateral – sind allerdings Grenzen gesetzt. Sie ergeben sich aus inner­türkischen Entwicklungen, das heißt aus den unter­schiedlichen Vorstellungen von legitimer Herr­schaft auf beiden Seiten. Erschwert wird die bilaterale Kooperation dadurch, dass die türkische Regierung innenpolitisch einen autoritären Kurs steuert, der mit Demokratieabbau, defizitärer Rechtsstaatlichkeit und der starken Einschränkung von Grundrechten einher­geht, und jede Kritik daran als existenzbedrohenden Angriff auf das Land betrachtet.

Dennoch lässt sich aus der Analyse der türkischen Grand Strategy ableiten, dass Ankara eine vertiefte Zusammenarbeit mit der EU und dabei vor allem mit Deutschland anstrebt. Um diese These zu untermauern, wird in der vorliegenden Studie ein mehrstufiger Analyseansatz verfolgt. Zunächst wird der Grad der ökonomischen Verflechtungen zwischen der Türkei, der EU und besonders Deutschland untersucht. Dabei liegt der Fokus auf der weiterhin bestehenden Abhän­gigkeit der Türkei von der EU und Deutschland als Absatzmärkten sowie als Quellen für transformative Investitionen, technologisches Know-how und Hoch­technologieprodukte. Daran anschließend werden die Anpassungsleistungen der Türkei an den EGD und die Governance von Liefer­ketten analysiert. Dabei wird der aktuelle Stand der türkischen Industriepolitik bewertet, und zwar vor­nehmlich in Bezug auf die Umsetzung notwendiger Reformen zur Einhaltung europäischer Standards. Ergänzend dazu wird eine Risikoanalyse der türkisch-deutschen Kooperation durchgeführt. Darin werden vorwiegend die politischen Rahmenbedingungen in der Türkei sowie Ent­wicklungen in den Bereichen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit kritisch betrachtet. Diese Faktoren stellen wesentliche Heraus­forderungen für eine weitere Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen dar.

Deutsch-türkische Wirtschafts- und Lieferkettenverflechtung

Die deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen – hauptsächlich in den Bereichen Handel, Investitionen, Lieferkettenverflechtung und Technologie­transfer – bilden neben der militärischen Bündnispartnerschaft in der Nato eine weitere tragende Säule der bilateralen Beziehungen. Ihre starke Bindekraft hat bislang politischen Differenzen und diplomatischen Span­nungen standgehalten. Sie bilden nach wie vor einen bedeutenden Antrieb für die türkische Regierung und den Exportsektor, die wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Integration in globale Liefer­ketten weiter zu vertiefen. Dies wiederum setzt nicht nur konstruktive politische Beziehungen zur EU und zu Deutschland vor­aus, sondern auch ein stabiles und verlässliches Inves­titionsklima. Bedingung und zu­gleich Maßstab für eine erfolgreiche Lieferkettenverflechtung sind dabei der bilaterale Handel und die gegenseitigen Investitio­nen. Daher wird im Folgenden zunächst ein Blick auf diese Grundlagen geworfen, bevor die Liefer­kettenverflechtungen näher analysiert werden.

Wachsender bilateraler Handel

Trotz wirtschaftlicher und rechtlicher Herausforderungen sowie politischer Differenzen zwischen Ankara und Berlin wächst das bilaterale Handels­volumen stetig. Es erreichte im Jahr 2024 mit 47,5 Milliarden US-Dollar einen Rekordwert (siehe Grafik 1, S. 13). Die Exporte der Türkei nach Deutsch­land sind seit ihrem Eintritt in die Zollunion konti­nuierlich gestiegen. Im Jahr 2023 war Deutschland mit einem Anteil von 8,7 Prozent an den Gesamt­exporten der Türkei der größte Absatzmarkt des Lan­des sowie nach Russland und China der drittgrößte Importpartner. Der Handel zwischen der EU und der Türkei ist im Jahr 2024 eben­falls auf einen Rekordwert, näm­lich 218,9 Milliarden US-Dollar, gestiegen (siehe Grafik 2, S. 13). Etwa 41 Pro­zent der türkischen Ex­porte waren für die EU bestimmt, während 32 Prozent der Importe des Landes aus der EU kamen. Im Gegen­satz zum Gesamthandel der Türkei oder zum bilatera­len Handel mit Russland oder China ist der türkisch-deutsche bzw. türkisch-europäische Handel ausgeglichener. Dies unterstreicht die Bedeu­tung sowohl der EU als auch Deutschlands für die Türkei als Absatzmärkte mit dem Potential, das eigene Handelsbilanzdefizit auszugleichen.

Im Jahr 2023 wurden aus der Türkei nach Deutschland hauptsächlich Fahrzeugteile, Motorenteile und Zubehör (im Wert von 1,63 Milliarden US-Dollar) und Autos (1,13 Milliarden US-Dollar) ausgeführt. Diese Exportgüter deuten auf eine signifikante Vorwärts­integration türkischer Automobilzulieferer in die deut­schen Lieferketten hin. Zudem exportiert die Türkei verschiedene Maschinen, Anlagen und Ausrüstungen für das Bauwesen, die Produktion, die Landwirtschaft und den Transport nach Deutschland.28

Auch der Handel mit Nicht-EU-Staaten ist beträchtlich gestiegen (siehe Grafik 3, S. 15). Offiziellen Zahlen zufolge wuchs das Handelsvolumen zwischen der Türkei und den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) von 74,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2013 auf 121,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Der Löwenanteil davon entfiel auf Russ­land und China. Im Jahr 2023 erreichte der Handel der Türkei mit Russland und China den Wert von 105 Milliarden US-Dollar, was 17 Prozent des gesam­ten Außenhandels entspricht.29 Gleichwohl ist der Handel mit den BRICS-Staaten unausgeglichen, die türkischen Exporte in diese Länder stagnieren (siehe Grafik 4, S. 15, und Grafik 5, S. 17).

Grafik 1

Außenhandel der Türkei mit Deutschland. Warenexporte und -importe in Milliarden US-Dollar

Grafik 2

Außenhandel der Türkei mit der EU-27 (2020). Warenexporte und -importe in Milliarden US-Dollar

Rohstoffimport und Agrarerzeugnisse aus der Türkei

Die Türkei spielt für den deutschen Rohstoffimport eine begrenzte, aber in einigen Bereichen durchaus relevante Rolle. Deutschland bezieht das Gros seiner Rohstoffe aus einer Vielzahl von Ländern und ist daher bei den meisten Rohstoffen nicht übermäßig von der Türkei abhängig.30 Allerdings ist das Land für die EU und gerade für Deutschland Hauptlieferant des kritischen Rohstoffs Bor – rund 98Prozent des EU-Bedarfs stammen aus türkischer Produktion. Bor gilt als strategisch bedeutsam, da es in zahlreichen Schlüsselindustrien eingesetzt wird: etwa in der Rüs­tungsindustrie, der Luft- und Raumfahrt, bei der Her­stellung von Raketentreibstoffen und Spezialwaffen sowie in der Glas- und Keramikindustrie, der Land­wirtschaft (zum Beispiel als Dünger), der Waschmittel­produktion, der Nanotechnologie, im Automobilbau, in der Energietechnik, der Metallurgie und dem Bau­wesen – überall dort, wo Härte, chemische Stabilität und Hitzebeständigkeit erforderlich sind. Aufgrund seiner breiten industriellen Nutzung besitzt Bor erheb­liche wirtschaftliche Relevanz; bei Lieferengpässen besteht ein hohes Versorgungsrisiko. Mit einem An­teil von etwa 73Prozent an den weltweiten Reserven ist die Türkei globaler Marktführer, vor Russland und den USA.31 Darüber hinaus ist das Land auch Liefe­rant landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Insgesamt importierte Deutschland im Jahr 2023 Agrarprodukte im Wert von 1,8 Milliarden Euro aus der Türkei. Dies ent­sprach 0,8 Prozent an den gesamten deutschen Ein­fuhren von Gütern der Land- und Ernährungswirtschaft.32

Deutsche Investitionen in der Türkei

Deutschland ist für die Türkei eines der wichtigsten Herkunftsländer ausländischer Direktinvestitionen, sowohl was ihren Umfang, die Dauer der Präsenz als auch die Anzahl der Unternehmen betrifft (siehe Grafik 6, S. 17). Das Investitionsvolumen deutscher Firmen in der Türkei seit 1980 beläuft sich auf fast 14,5 Mil­liarden US-Dollar.33 Im Jahr 2023 flossen Direktinvestitionen in Höhe von 687 Millionen US-Dollar aus Deutschland in die Türkei (2022: 972 Mil­lionen US-Dollar). Mit Stand August 2023 waren in der Türkei über 8.000 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung registriert, die mehr als 100.000 Menschen beschäftigten. Die ausländischen Direkt­investitionen aus Deutschland bestehen überwiegend aus transformierenden Investitionen, die zur Schaf­fung zahl­reicher Arbeitsplätze beigetragen haben.

Deutsche Firmen sind in vielen Sektoren vertreten: in der Industrieproduktion, im Vertrieb, bei den Dienstleistungen sowie im Einzelhandel. Das nord­rhein-westfälische Familienunternehmen Ejot bei­spielsweise, eine Spezialfirma für Verbindungs- und Befestigungstechnik, hat 25 Millionen Euro in ein neues Werk investiert.34

Mercedes-Benz Türk betreibt ein Buswerk in Istanbul und ein Lkw-Werk in Aksaray. BMW und Audi haben zwar keine eigene Produktion in der Türkei, arbeiten jedoch mit türkischen Zulieferern zusammen. Als Europas viertgrößtes Herstellerland für Automobile, das über große Kapazitäten verfügt, ist die Türkei ein bedeutender Beschaffungs- und Zu­liefermarkt35 für deutsche Automobilproduzenten. Der deutsche Konsumgüter- und Klebstoffhersteller Henkel produziert seit 1963 in Gebze und beschäftigt 750 Mitarbeiter an drei Standorten. Die Bosch-Gruppe ist mit fünf Tochtergesellschaften und rund 17.500 Mitarbeitern stark vertreten. Auch die Deutsche Post ist seit fast 40 Jahren in der Türkei aktiv und plant, 135 Millionen Euro in ein modernes Betriebszentrum am Flughafen Istanbul zu investieren.

Die Türkei ist ein attraktiver Wirtschaftspartner für Deutschland und ein beliebter Standort für deut­sche Unternehmen. Besonders die Kostenvorteile, ein großer Absatzmarkt und gute Exportmöglich­keiten – etwa in der Automobilproduktion – machen das Land

Grafik 3

Außenhandel der Türkei mit der EU-27 (2020) und den BRICS-Staaten. Warenhandel in Milliarden US-Dollar

Grafik 4

Außenhandel der Türkei mit der EU-27 (2020) und den BRICS-Staaten. Warenexporte in Milliarden US-Dollar

interessant, was unter anderem Mercedes-Benz ange­zogen hat. Weitere Vorteile sind die geographische Lage an der Schnittstelle von Europa, Asien und Afri­ka, eine junge Bevölkerung mit 84 Millionen Einwoh­nern, die steigende Kaufkraft, die moderne Verkehrsinfrastruktur, die leistungsfähige Logistik sowie ein dynamischer, wettbewerbsfähiger Privat­sektor. All dies bietet deutschen Firmen beträchtliche Wachstumschancen.

Türkische Unternehmen in globalen Wertschöpfungsketten

Die Integration in globale Wertschöpfungsketten hat wesentlichen Einfluss auf die Wirtschaftskraft und den Wohlstand eines Landes. Dies geschieht vor allem durch die dadurch ermöglichten Effizienzsteigerungen und Technologietransfer. Die Beteiligung eines Landes an globalen Wertschöpfungsketten ruht auf zwei Säulen, nämlich

  • auf dem Import von Inputprodukten (Rohstoffe, Zwischenprodukte, Know-how) und Dienstleistungen aus dem Ausland, die in der Produktion – sowohl für den Binnenmarkt als auch für den Export – verwendet werden (Rückwärtsintegra­tion), und

  • auf dem Export von Inputgütern und Fertigproduk­ten sowie Dienstleistungen, die im Exportzielland konsumiert werden oder in die Produktion ein­gehen und die entweder für den Binnenmarkt oder den Export bestimmt sind (Vorwärtsintegration).36

Die Beteiligung an Wertschöpfungsketten kann entweder direkt über eigene Fertigprodukte, über den Export von Inputgütern oder indirekt als Zulieferer für die Exportunternehmen im eigenen Land oder im Ausland erfolgen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind häufig indirekt als Zulieferer in die globa­len Wertschöpfungsketten eingebunden.37 Die Beteili­gung von Ländern und Firmen an globalen Wertschöpfungsketten wird von verschiedenen Faktoren bestimmt: Dazu zählen die Infrastruktur und Kon­nektivität eines Landes oder Sektors, das regulatorische sowie unternehmerische Umfeld, die verfüg­baren Produktionsfaktoren und die Größe des Binnen­marktes.

Die Position türkischer Produktionsbetriebe in glo­balen Wertschöpfungsketten hat sich im Laufe der Jahre von einer begrenzten Beteiligung mit einfachen Produkten des verarbeitenden Gewerbes hin zu einer fortgeschrittenen Rolle entwickelt, die sich vor allem an den Exporten von Input- und Zwischengütern messen lässt. Zwischen 1990 und 2015 ist die Beteili­gung der Türkei an globalen Wertschöpfungsketten um 7 Prozent gestiegen.38 Das Jahr 2011 markiert einen Wendepunkt: Bis dahin dominierte die Rück­wärtsverflechtung, bei der importierte Vorleistungsgüter eine zentrale Rolle in der Produktion und im Export spielten. Seit 2011 hat die Vorwärtsverflechtung an Bedeutung gewonnen. Im Inland produzierte Vorleistungsgüter prägen in wachsendem Maße die Exporte. Trotzdem bleibt die Rückwärtsverflechtung hoch: 2015 machten importierte Vorleistungsgüter 30 Prozent der Gesamtimporte aus.39 Im Jahr 2022 entfielen 80,4 Prozent der Importe auf Vorleistungsgüter, 11,1 Prozent auf Investitionsgüter und 8,4 Pro­zent auf Konsumgüter.40

Die Türkei spielt eine bedeutende Rolle in mehreren globalen Wertschöpfungsketten.

Die Türkei spielt eine bedeutende Rolle in mehreren globalen Wertschöpfungsketten und trägt etwa ein Prozent zu den weltweiten Waren- und Dienst­leistungsexporten bei. Seit etwa Mitte der 2010er Jahre haben die zunehmende Vorwärtsintegration und die starke Ausrichtung der Exporte auf die ver­arbeitende Industrie dazu geführt, dass die Türkei in der Klassifikation der Weltbank von einem Land der »einfachen verarbeitenden Industrie« zu einem Land der »fortgeschrittenen verarbeitenden Industrie und des Dienstleistungssektors« aufgestiegen ist. Dank ihrer geographischen Lage verfügt die Türkei über großes Wachstumspotential im Rahmen globaler Wert­schöpfungsketten. Türkische Unternehmen haben Zugang zum EU-Binnenmarkt sowie zu Märkten in Europa, Afrika und Zentralasien. Schwieriger gestaltet sich der Zugang zu Märkten wie den USA, Japan,

Grafik 5

Außenhandel der Türkei mit der EU-27 (2020) und den BRICS-Staaten. Importe in Milliarden US-Dollar

Grafik 6

Deutsche Direktinvestitionen. Nettotransaktionen in Milliarden US-Dollar

China und Indonesien, die durch überdurchschnittlich hohe Zölle geschützt sind.41

Türkische Unternehmen in deutschen Wertschöpfungsketten

Türkische Unternehmen sind in verschiedenen Bran­chen in deutsche Wertschöpfungsketten eingebunden – von der Rohstoffbeschaffung über Produktion und Verarbeitung bis hin zu Design, Marketing und Vertrieb.42 Besonders stark vertreten sind sie in der Automobil-, der Bekleidungs-, der Textil- und der Stahlindustrie. Viele türkische Firmen agieren als Zulieferer für die deutsche Automobilindustrie. Ein prominentes Beispiel ist Bosch Sanayi ve Ticaret mit rund 8.000 Beschäftigten.

Grafik 7

Türkische Direktinvestitionen in der EU-28 und den BRICS-Staaten. Bestände in Milliarden US-Dollar

Seit etwa 2010 hat die Beteiligung türkischer Unternehmen an deutschen Wertschöpfungsketten in der Textilbranche deutlich zugenommen. Zu nennen sind hier beispielsweise Hugo Boss Textil mit rund 4.000 Beschäftigten, ebenso der Bekleidungshersteller s. Oliver, die in der Türkei produzieren lassen. Türki­sche Firmen der Bekleidungsindustrie sind erfolgreich in globale und deutsche Wertschöpfungsketten inte­griert und decken alle Produktionsschritte ab – von der lokalen Beschaffung von 70 Prozent der Rohstoffe bis zur Endfertigung. Im Jahr 2022 erzielte die türki­sche Bekleidungsindustrie Exporte im Wert von 21,2 Milliarden US-Dollar, wobei Waren im Wert von 3,6 Milliarden US-Dollar nach Deutschland gingen.43

Die Exporte der folgenden Produktgruppen aus der Türkei nach Deutschland belegen für das Jahr 2023 die Vorwärtsintegration türkischer Hersteller in deutsche Lieferketten: Teile und Zubehör für Zug­maschinen (in Wert von 1,65 Milliarden US-Dollar), Kraftfahrzeuge zur Beförderung von zehn oder mehr Personen, Teile und Zubehör, Fahrzeuge (ausgenommen Schienenfahrzeuge) und Teile und Zubehör für diese Fahrzeuge (4,99 Milliarden US-Dollar) sowie elektrische Maschinen, Apparate und Geräte und Teile davon, Tonaufnahme- und Tonwiedergabe­geräte, Fernsehgeräte (1,35 Milliarden US-Dollar).44

Die Integration türkischer Firmen – sowohl kleine und mittlere Unternehmen als auch Großbetriebe – in deutsche Wertschöpfungsketten ist für beide Seiten wirtschaftlich vorteilhaft und fördert Innovationen. Deutschland profitiert von dieser engen Verflechtung durch stabile Handelsbeziehungen, hohe Versorgungssicherheit sowie kostengünstige Vorleistungen und Endprodukte. Allerdings steht die aktuelle und zukünftige Integration auch vor Herausforderungen, die in den folgenden beiden Kapiteln ausführlich diskutiert werden.

Herausforderungen und Chancen türkischer Industriepolitik

Die türkische Industriepolitik45 umfasst sowohl eine Lieferketten- als auch eine Dekarbonisierungsstrategie und integriert dabei horizontale wie vertikale Maß­nahmen. Zu den horizontalen Maßnahmen zählen die Stabilisierung makroökonomischer Rahmen­bedin­gungen, der Abbau makroökonomischer Ungleich­gewichte, die Sicherung eines wettbewerbsfähigen Wechselkurses, der Ausbau des Humankapitals sowie die Verbesserung der unternehmerischen Rahmen­bedingungen. Vertikale Maßnahmen konzentrieren sich auf die gezielte Förderung ausgewählter Sekto­ren. Hierbei greift der Staat durch steuerliche Anreize, Subventionen, handelspolitischen Schutz und sub­ventionierte Kredite ein, um strategisch relevante Industriebereiche zu stärken.

Umbau von Lieferketten

Die Globalisierung der Wirtschaftskreisläufe hat dazu geführt, dass Unternehmen zahlreiche Produktionsschritte in entfernte Länder verlagert haben. Infolge­dessen haben sich globale Wertschöpfungs- und Lieferketten erheblich ausgedehnt. Heute basieren rund 80Prozent des Welthandels auf solchen Ketten, welche die Existenzgrundlage für mehr als 450Millio­nen Menschen bilden.46 Spätestens seit der Covid-19-Pandemie ab dem Jahr 2020 wird diese enge inter­nationale Verflechtung zunehmend als Risiko wahr­genommen. Eine wesentliche Erkenntnis der letzten Jahre lautet, dass das globalisierte Wirtschaftssystem mit seiner großen Interdependenz in hohem Maße störanfällig ist. Kosteneffizienz gilt daher nicht mehr als einziges Leitprinzip unternehmerischen Handelns oder wirtschaftspolitischer Strategien. Aspekte wie Sicherheit, Resilienz und strategische Autonomie gewinnen merklich an Bedeutung. Bei der Auswahl von Geschäftspartnern treten neben wirtschaftlichen auch politische und normative Kriterien wie Verläss­lichkeit, Stabilität und Werteorientierung stärker in den Vordergrund.

Die weitreichenden Handelsverflechtungen haben Abhängigkeiten erzeugt, die für den Westen – und damit auch für die EU und Deutschland – ein sicher­heitspolitisches Risiko darstellen. Als Reaktion darauf rückt die Diversifizierung von Lieferketten immer mehr in den Fokus, vor allem im Hinblick auf China. In der Nationalen Sicherheitsstrategie Deutschlands wird China entsprechend als »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale« bezeichnet.47 Ereignisse wie der Handelsstreit mit China, die Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine haben nicht nur die Verwundbarkeit globaler Lieferketten offen­gelegt, sondern auch Fragen zur Versorgung mit kriti­schen Rohstoffen sowie zur Energieabhängigkeit aufgeworfen. Russland war dabei ein bedeutender Lieferant von Rohstoffen wie Nickel, Titan und Alu­minium – zentral für die Umsetzung der Energiewende in Deutschland. In den letzten Jahren haben Deutschland und die EU daher verstärkt Maßnahmen ergriffen, um ihre Abhängigkeiten von Russland zu verringern.48

In Deutschland und Europa stehen folgerichtig der Umbau von Lieferketten und Versorgungssicherheit bei Rohstoffen ganz oben auf der Agenda. Die Bundes­regierung hat sich vorgenommen, bestehende Partner­schaften zwecks »Aufbau nachhaltiger Wertschöpfungs- und Lieferketten« auszubauen, die »notwendige Verkehrsinfrastruktur für funktionierende Liefer­ketten bereitzustellen« und diese »im Zusammen­wirken mit betreffenden Ländern widerstandsfähiger [zu] gestalten«.49 Mit ihrer Industriestrategie, dem European Green Deal, verfolgt die EU neben der Digi­talisierung und Dekarbonisierung des Wirtschaftsstandorts auch das Ziel, die wirtschaftliche Resilienz zu stärken, indem die Abhängigkeit von Importen kritischer Rohstoffe verringert wird.50

Neben Störungen in den Lieferketten werden auch steigende Frachtkosten51 als Gründe für eine Reorga­nisation der bisherigen Lieferketten diskutiert. In der deutschen Automobil- und Pharmaindustrie sowie in der Luft- und Raumfahrt stehen die Zeichen auf Resi­lienz und auf Reduzierung von Abhängigkeiten vom Ausland52 – in erster Linie von China und anderen autoritären Staaten. Chemie-, Informationstechnik- und Automobilunternehmen sind bestrebt, einen Teil ihrer Produktion und Investitionen von China in andere Länder zu verlagern. Daraus werden Near­shoring-Chancen für die türkische Industrie abgeleitet, was auch im deutschen Interesse wäre.

In der Industriepolitik gibt es klare Überschneidungen zwischen Europa, Deutschland und der Türkei.

Für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum in der Türkei ist die Partizipation in globalen Wertschöpfungsketten von entscheidender Bedeutung. Daher be­treibt die türkische Regierung eine aktive Industrie-, Handels-, Standort- und Lieferketten­politik, um vom Umbau von Wertschöpfungs- und Lieferketten zu profitieren. Standortvorteile wie Infrastruktur, eine innovative industrielle Basis und vielfältige logis­tische Optionen für den Handel mit Europa prägen das neue industriepolitische Selbst­verständnis der Türkei.

An dieser Stelle ist festzuhalten, dass sich deutliche Schnittmengen zwischen der europäischen, deutschen und türkischen Industriepolitik53 erkennen lassen – hauptsächlich im Hinblick auf die Förderung nachhaltiger Technologien und die Verringerung von CO2-Emissionen. Weitere Überschneidungen ergeben sich aus der Integration digitaler Technologien in die Industrie sowie der Sicherung des Markt­zugangs bei Rohstoffen und Vorprodukten. Im Rah­men dessen forcieren die Bundesregierung und Unter­nehmen die Suche nach Partnern, um Lieferketten zu sichern, wobei die Türkei Chancen für die Indus­trie im eigenen Land erkennt.

Ziele türkischer Industriepolitik

Das langfristige Ziel der türkischen Industriepolitik ist der Wandel hin zu einer kohlenstofffreien, nachhalti­gen Hightech- und Dienstleistungswirtschaft. Regie­rung und Unternehmen arbeiten daran, die Anforderungen des EGD und der Lieferketten-Governance zu erfüllen und die grüne Energiewende voranzutreiben. Obwohl die Dekarbonisierungsstrategien der Türkei und Deutschlands nicht vollständig übereinstimmen, gibt es zahlreiche gemeinsame Ziele. Die türkische Industriepolitik priorisiert wirtschaftliche Stabilität, die Förderung von Innovationen in Schlüsseltechnologien und Zukunftsbranchen (zum Beispiel Auto­mobil-, Rüstungs- und Energieindustrie) sowie die Pro­duktions- und Exportförderung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Ein zentrales Anliegen lautet dabei, die makroökonomische Basis zu stabilisieren.

Hierbei lassen sich drei Maßnahmenbündel unterscheiden: Erstens betreibt die Türkei seit Juni 2023 eine restriktive Geld- und Fiskalpolitik, um Inflation und Währungsabwertung einzudämmen. Unter Zentralbankgouverneurin Hafize Gaye Erkan und ihrem Nachfolger Yaşar Fatih Karahan wurden die Leitzinsen schrittweise angehoben, während Finanz­minister Mehmet Şimşek die Rückkehr zu einer orthodoxen Wirtschaftspolitik einleitete. Diese Maß­nahmen umfassen den Vorrang der Geldwertstabilität, die Einschränkung von Wechselkursinterventionen und das Ende währungsgeschützter Spareinlagen. Trotz dieser Schritte zeigen sich bislang nur begrenzte Erfolge – die Inflation bleibt auf hohem Niveau, und das Vertrauen internationaler Investoren konnte nicht nachhaltig zurückgewonnen werden.54 Zweitens setzt die Türkei auf Importsubstitution, Exportförderung und Strukturanpassungen. Drittens sollen Rah­menbedingungen für Unternehmen verbessert sowie Forschung und Entwicklung durch Subventionen gezielt gefördert werden.

Die türkische Industriepolitik verfolgt langfristig das Ziel, den Anschluss an die »fünfte industrielle Revolution« zu sichern. Industrie 5.0 steht für eine neue Produktionsweise, die auf Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI), dem Mobilfunkstandard 5G, Sprachsteuerungssystemen und digitaler Realität basiert und Entwicklungen wie autonome Fahrzeuge sowie intelligente Häuser und Städte ermöglicht. In diesem Zusammenhang wurden Strategiepapiere unter den Titeln »Nationale Technologiebewegung« und »Industrie- und Technologiestrategie 2023« vorgelegt, die Orientierung für eine fortschrittliche Technologiepolitik im Kontext der fünften industri­ellen Revolution bieten sollen.55 Zu diesem Zweck wurde ein Zentrum für die Industrie 5.0 gegründet, das die Technologieentwicklung in der Türkei fördern soll. Zudem ist geplant, die Kooperation zwischen öffentlichem und privatem Sektor zu intensivieren, um technologische Innovationen zu entwickeln und zu fördern. Im Rahmen dieses Projekts wurden in 30 Provinzen Experimentierwerkstätten eingerichtet, um den Prozess auf verschiedene Regionen des Landes auszudehnen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Notwendigkeit, die rund 68.000 Fabriken in der Türkei kurz-, mittel- und langfristig auf die Modernisierung der Industrie vorzubereiten. Auch die Neustrukturierung der 353 organisierten Industriezonen erscheint in diesem Kontext – gerade mit Blick auf die fünfte industrielle Revolution – als vielversprechender An­satz. Die technologische Erneuerung und Umgestaltung von Produktionsanlagen, Industrieparks und urbanen Räumen wird dabei eine zentrale Rolle spielen, besonders für technische Hochschulen und Universitäten als Wissens- und Innovationszentren. Daraus ergeben sich für deutsche und europäische Unternehmen Kooperations- und Absatzchancen. Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) für die Jahre 2030 und 2050 deuten darauf hin, dass die türkische Industrie künf­tig einen weit größeren Anteil an der globalen Pro­duktion einnehmen wird als heute.56

In ihrem mittelfristigen Wirtschaftsprogramm für 2024 bis 2026 legt die Türkei den Fokus auf techno­logieintensive Produktion mit hoher Wertschöpfung. Weitere Ziele lauten, die Industrieinvestitionen zu steigern, die Importabhängigkeit zu vermindern und Technologiepartnerschaften zu fördern. Auch die grüne und digitale Transformation soll in diesem Zeit­raum vorangebracht werden. Zudem sollen die heimi­schen Produktionskapazitäten ausgebaut sowie For­schung und Entwicklung (F&E) unterstützt werden, um nachhaltiges Wachstum zu sichern. Darüber hinaus wird angestrebt, Qualitäts- und Großinvesti­tionen zu fördern sowie Produktions- und Export­kapazitäten zu steigern, um die globale Wettbewerbsfähigkeit der Türkei zu stärken. Zu den strategischen Zielen gehört ferner, das Investitionsklima zu ver­bessern sowie den Zugang zu Finanzmitteln im Indus­triesektor zu erleichtern.

Ziele türkischer Energiepolitik

In der Energiepolitik verfolgt die türkische Regierung zunehmend neue Ansätze. Sie möchte sich als verläss­licher Energiepartner Europas etablieren und inves­tiert gezielt in saubere Energietechnologien. Die schrittweise erfolgende Abkehr von fossilen Brennstoffen bringt nicht nur ökonomische Vorteile, sondern stärkt auch die energiepolitische Annäherung an Europa. Gleichzeitig ist es außerordentlich heraus­fordernd, eine nachhaltige Energiepartnerschaft mit Europa einzurichten. Die hohe Abhängigkeit von Gasimporten aus Russland, Iran und Aserbaidschan vergrößert das Leistungsbilanzdefizit und macht die Türkei anfällig für externe Schocks sowie Preis­schwankungen auf den Energiemärkten. Ankaras Energiepolitik ist sowohl innen- als auch außenpolitisch geprägt und reagiert immer häufiger auf geo­politische Dynamiken. Aus außenpolitischer Perspek­tive konzentriert sich Ankara im Wesentlichen auf drei Ziele: die wachsende Energienachfrage zu decken, die Energiequellen zu diversifizieren und die CO2-Emissionen zu reduzieren.57

Die Türkei strebt nach mehr Energiesouveränität. Dafür baut sie Wind- und Solarenergie aus und investiert in Atom- und Kohlekraft.

Seit Jahrzehnten versuchen türkische Regierungen, das Energieportfolio des Landes zu diversifizieren, um den Zugang zu kostengünstiger und verlässlich ver­fügbarer Energie zu gewährleisten. Dies zeigt sich in einer Reihe von Investitionen in lokal erzeugte Ener­gien, darunter die Erschließung von Erdgasfeldern im Schwarzen Meer. Überdies will sich die Türkei als Erdgasknotenpunkt zwischen Förder- und Verbraucherländern etablieren – ein Vorhaben, das geo­strategisch plausibel ist, jedoch langfristig mit der internationalen Dekarbonisierungsagenda kollidieren könnte.58 Das Bestreben, die Energiequellen zu diver­sifizieren, lässt sich außerdem an Investitionen in lokal erzeugte Energieträger wie Wind- und Solarenergie ablesen, aber auch am Ausbau von Kern- und Kohlekraftwerken. Letztere stehen jedoch im Wider­spruch zu den klimapolitischen Zielen einer Dekarbo­nisierung, da sie hohe CO2-Emissionen verursachen und den Übergang zu einem kohlenstoffarmen Ener­giesystem verzögern.59 Die außenpolitische Strategie der Diversifizierung hat dazu geführt, dass die Türkei zahlreiche internationale Partnerschaften eingegangen ist. Sie pflegt enge Beziehungen zu westlichen Abnehmern ihrer Energieexporte sowie zu bedeutenden Energielieferanten wie Russland und zu den energieliefernden Nachbarländern wie Aserbaidschan, Iran und Irak.

In der aktuellen politischen Diskussion wird eine weniger transaktionsorientierte Beziehung zwischen der EU und der Türkei angestrebt. In diesem Zusam­menhang hat die EU den Energiesektor als potentielles Feld für eine vertiefte Zusammenarbeit identifiziert. Die Kooperation zwischen der Türkei und der EU im Energiesektor konzentrierte sich bislang vor allem auf den Erdgashandel. Angesichts der gestiegenen Erdgasnachfrage der EU und des Wegfalls des russischen Gashandels bietet die Türkei eine poten­tielle Ersatzquelle. Ab 2020 leistet das Land durch den Süd-Gaskorridor einen Beitrag zur europäischen Energieversorgungssicherheit. Das Rückgrat dieses Projekts bilden die Transanatolische Gaspipeline (TANAP) und die Erdgaspipeline TurkStream, die zu­sammen über eine Kapazität von 31,5 Milliarden Kubikmetern verfügen. Während über die erste Pipe­line Erdgas in die Türkei gelangt, werden über die zweite Pipeline europäische Länder versorgt. Zudem sind die türkischen Meerengen wichtig für die globale Energiesicherheit, da rund drei Prozent des welt­weiten Ölbedarfs über diese transportiert werden.60

Mittel- und langfristig ist zu erwarten, dass der Erdgashandel weniger relevant wird, was mit den Zielen des EGD und der Dekarbonisierung vereinbar ist. Kohlenstoffarme Energieträger und kohlenstofffreier Strom könnten eine tragende Säule der künf­tigen Energiebeziehungen zwischen der Türkei, der EU und Deutschland darstellen. Künftig wird die Energiepartnerschaft zwischen Deutschland und der Türkei an Bedeutung gewinnen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sich dadurch die bestehenden politischen Blockaden lösen werden.

Energiewende und Dekarbonisierung

Die grünen EU-Richtlinien für Auslandsinvestitionen tragen in zweierlei Hinsicht zur Dekarbonisierung der türkischen Wirtschaft bei: zum einen durch Investi­tionen in erneuerbare Energien und zum anderen durch die Anpassung der Türkei an europäische grüne Investitionsstandards. Da über 40 Prozent der Exporte in die EU gehen, wird erwartet, dass die Vorschriften und Leitlinien des EGD eine transformative Wirkung auf die türkische Industrie haben. Neben Investitionen in saubere Energien müssen emissionsintensive Sektoren wie Bauwirtschaft, Schwerchemie und Textil­industrie ihre Produktions- und Logistikprozesse umweltfreundlich gestalten, wenn sie ihre Handelsbeziehungen mit EU-Staaten aufrechterhalten oder ausbauen möchten.61

Vier Programme sind besonders relevant für die Angleichung der türkischen Rechtsvorschriften an die der EU:

  • Schwerpunkte des mittelfristigen Programms für 2025 bis 2027 sind Reformen in den öffentlichen Finanzen, die Bekämpfung der Informalität (Schattenwirtschaft), die Förderung von Forschung, Ent­wicklung und Innovation, der Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft sowie die Verbesserung des Geschäfts- und Investitionsklimas. Zu den Aufgaben der Finanzreformen gehört es, die Effizienz öffentlicher Ausgaben zu steigern, Haushaltsdisziplin durchzusetzen und die Staatsverschuldung abzubauen, um langfristig wirtschaft­liche Stabilität zu erreichen.62

  • Ende 2021 veröffentlichte die türkische Regierung einen Aktionsplan zum Green Deal, damit sich die Türkei an die internationalen Klimaschutzpolitiken anpassen kann. Der Plan soll auch die Integration des Landes in globale Lieferketten und die Anziehung grüner Investitionen fördern.63

  • Bisher wurden die Klimaziele der Türkei als schwach und unverbindlich kritisiert. Mit dem geplanten Emissionshandelssystem (Emissions Trading System, ETS) zeichnet sich jedoch eine Wende ab. Das Land hat dem Umweltministerium nun auch die Zuständigkeit für Klimaschutz übertragen und eine eigene Klimaabteilung eingerichtet. Ein Projekt zur Einführung eines ETS, unterstützt von der Weltbank, soll 2026 starten.64

  • Die Türkei strebt an, ihre Gasimporte durch heimi­sche erneuerbare Energien zu ersetzen. Der Nationale Energieplan für erneuerbare Energien65 und die Wasserstoffstrategie geben erste Hinweise, wie das erreicht werden soll. Ziel ist es, die Energie­versorgung zunehmend aus heimischen Quellen zu decken und die Abhängigkeit von Gas und Kohle zu reduzieren. Dabei setzt die Regierung auf Wasser- und Windkraft, den Ausbau von Kernkraftwerken und die weitere Exploration von Öl- und Gasfeldern.

Die Energiewende in der Türkei wird vorrangig durch Investitionen in erneuerbare Energien und dezentrale Energiesysteme vorangetrieben. Dabei wirken das anhaltende Wirtschaftswachstum und die steigende Energienachfrage als unterstützende Faktoren.66 Trotz dieser Fortschritte entfalten die bisherigen Maßnahmen jedoch nur begrenzte Wir­kung: In den vergangenen drei Jahrzehnten sind die Treibhausgasemissionen um rund 157 Prozent gestiegen. Zurückzuführen ist dies vor allem auf die Expansion der Energie-, Industrie- und Verkehrssektoren sowie klimabedingte Faktoren wie Dürre und hohe Temperaturen. Die Stromerzeugung basiert nach wie vor zu einem erheblichen Teil auf fossilen Brennstoffen: Im Jahr 2022 entfielen rund 35Prozent auf Kohle und 23Prozent auf Erdgas, während der

Grafik 8

Energiepolitische Rechtsprechungen der Türkei

Anteil erneuerbarer Energien bei etwa 38Prozent lag. Türkische Unternehmer und Fachleute werten den geplanten Ausbau der Kernenergie grundsätzlich positiv als Beitrag zur Dekarbonisierung. Doch der Rückzug von fossilen Energieträgern vollzieht sich bislang nur schleppend. Insgesamt verdeutlichen diese Entwicklungen, dass die Transformation hin zu einem nachhaltigen Energiesystem zwar eingeleitet wurde, aber die strukturelle Abhängigkeit von fossi­len Energieträgern weiterhin eine zentrale Herausforderung für die türkische Energie- und Klimapolitik darstellt.67

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Unklarheit des Fahrplans für das Netto-Null-Emissionsziel. Investoren fordern häufig einen konkreten Plan. Besondere Aufmerksamkeit richtet sich hierbei auf den Ver­kehrssektor, der einen großen Teil der CO2-Emissio­nen verursacht. Experten sehen die Notwendigkeit, den Verkehr stärker auf die Schiene zu verlagern. Der Energieplan 2035 gilt in Fachkreisen und unter Wirtschaftsakteuren insgesamt als positiv, auch wenn Zweifel an seiner Umsetzbarkeit und Finanzierung bestehen. Aus Sicht von Unternehmensvertretern sind die Wasserstoffziele und die Dekarbonisierung durch Elektrifizierung oder Wasserstoffnutzung noch nicht ausreichend konkret. Mit der Änderung von Artikel 88 des türkischen Handelsgesetzbuchs im Jahr 2022 wurde die Behörde für öffentliche Aufsicht, Rechnungslegung und Prüfungsstandards mit der Formulierung von Standards für Nachhaltigkeits­berichterstattung beauftragt. Ab dem 1. Januar 2024 sind Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet, wobei Banken ohne Schwellen­werte berichtspflichtig sind. Für andere Firmen gilt die Berichtspflicht bei einer Bilanzsumme von mehr als 500 Millionen türkische Lira (TL), einem Jahres­nettoumsatz von über 1 Milliarde TL oder mehr als 250 Beschäftigten.

Die Bereitstellung von Klima- und Nachhaltigkeitsinformationen hat sich am Zeitraum des Jahres­abschlusses und der künftigen finanziellen Angemessenheit des Unternehmens zu orientieren. Zudem sind allgemeine Rahmenbedingungen wie Nachhaltig­keitspraktiken, Zielsetzungen und Umsetzungsstrategien zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind klima­bezogene und umweltrelevante Angaben sowie finan­zielle Informationen im Zusammenhang mit Nach­haltigkeit und deren Auswirkungen einzubeziehen. Schließlich bedarf auch das Management- und Kon­trollsystem einer Prüfung – insbesondere im Hin­blick auf die Steuerung der Nachhaltigkeitsprozesse und die Qualität des Berichtswesens.68 Gemäß der türkischen Wasserstoffstrategie soll der Wasserstoffanteil im Energiemix bis 2053 so erhöht werden, dass die Emissionen bis dahin dem Netto-Null-Emissions­ziel entsprechen. Die Produktionskosten für grünen Wasserstoff sollen bis 2053 beträchtlich verringert werden.69 Die Türkei hat bereits Gesetze und Verord­nungen zum Klimawandel erlassen, darunter das Erneuerbare-Energien-Gesetz (Nr. 5346) und der Green-Deal-Aktionsplan. Im November 2022 traten Änderungen der Verordnungen zu erneuerbaren Energien in Kraft, welche die Energiespeicherung betreffen. Das Gesetz Nr. 5627 von 2007 bildet die Grundlage für Maßnahmen im Bereich Energie­effizienz.

European Green Deal und CBAM: Fluch oder Segen?

Mit dem EGD möchte die EU weltweit eine Vorreiterrolle im Klimaschutz einnehmen, was auch konkrete Auswirkungen auf ihre Handelspartner hat. Der EGD wurde 2020 von der Europäischen Kommission ver­abschiedet. Sie strebt an, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Im Vorfeld wurde im Pariser Abkommen, dem 195 Staaten beigetreten sind, festgelegt, dass der Klimawandel durch gezielte Maßnahmen eingedämmt und die Weltwirtschaft klimafreundlich umgestaltet werden soll. Das Klima­abkommen enthält drei Hauptziele: die Begrenzung des Anstiegs der globalen Durchschnittstemperatur, die Emissionsminderung und Anpassung an den Klimawandel und die Lenkung der Finanzmittel im Einklang mit den Klimaschutzzielen.

Das Ziel, den Klimawandel einzudämmen, beinhaltet, die Erderwärmung auf maximal 1,5 oder 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dazu sollen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts nicht mehr klimaschädliche Gase emit­tiert werden, als Kohlenstoffsenken wie Wälder der Atmosphäre entziehen können. Dafür muss die Welt­wirtschaft schnell und konsequent dekarbonisiert werden. Die Türkei hat ihr Klimaziel für 2030 auf der 27. UN-Klimakonferenz (COP27) 2022 in Ägypten ver­schärft: Statt 21sollen nun 41Prozent der Emissio­nen gegenüber einem Business-as-usual-Szenario ein­gespart werden. Da sich dies auf ein Szenario ohne Klimaschutzmaßnahmen bezieht, bedeutet es fak­tisch dennoch einen Emissionsanstieg um rund 34 Pro­zent gegenüber 2020. Konkret sollen die Emis­sionen von 523,9 Millionen Tonnen CO2e (2020) auf 700 Millionen Tonnen CO2e (2030) steigen. Den Höchststand erwartet die Türkei erst für 2038.70

Gemäß dem European Green Deal müssen türkische Unternehmen ihre Standards mit den europäischen Anforderungen in Einklang bringen.

Diese Transformation bildet eine enorme Herausforderung für die türkische Industrie und ihre Inte­gration in deutsche Lieferketten. Die Türkei strebt Klimaneutralität bis zum Jahr 2053 an. Allerdings weisen zahlreiche türkische Exportprodukte in den deutschen Lieferketten einen großen CO2-Fußabdruck auf. Das betrifft viele Industriezweige wie etwa Zement-, Eisen- und Stahlproduktion. Für türkische Unternehmen, die in deutschen Lieferketten tätig sind, ist eine signifikante Reduktion ihres CO2-Fuß­abdrucks unerlässlich, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft erfordert Anpassungen der türkischen Exportwirtschaft. Diese Entwicklung birgt Risiken und Chancen zugleich. Unternehmen mit internationaler Verflechtung werden eine Vorreiterrolle bei grünen Technologien spielen.

Auch in Wirtschaft und Politik der Türkei wird die Notwendigkeit anerkannt, sich an europäische Umwelt- und Klimaschutzstandards sowie an die Vorgaben der Lieferkettensorgfaltspflicht anzupassen. Ein hochrangiger türkischer Diplomat, der anonym bleiben möchte, betonte in diesem Zusammenhang die strategische Bedeutung einer vertieften wirtschaftlichen Integration mit der EU, insbesondere durch die Modernisierung der Zollunion und die Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen. Dabei komme der EU eine doppelte Funktion zu: Sie könne sowohl als externer Anreizgeber (»disciplining agent«) als auch als transformative Kraft wirken, um institutionelle Reformen in der Türkei anzustoßen. Aus Sicht des Diplomaten sei die Einhaltung der Kopenhagener Kriterien ohne externe Unterstützung kaum realisierbar. Für die Türkei ist der EGD nicht nur eine umwelt­politische, sondern auch eine strukturelle Heraus­forderung. Türkische Unternehmen sehen sich zu­nehmend verpflichtet, ihre Produktions- und Liefer­kettenstandards mit den europäischen Anforderun­gen in Einklang zu bringen. Der genannte Diplomat warnte in diesem Kontext vor den negativen Folgen einer ökonomischen Ausgrenzung: Ein Ausschluss der Türkei vom 800 Milliarden Euro umfassenden EU-Konjunkturprogramm »NextGenerationEU« – konzi­piert zur Förderung klimaneutraler und nachhaltiger Wirtschaftsstrukturen – würde eine gravierende strukturelle Benachteiligung mit sich bringen.

Im Juni 2023 unterstrich Orhan Turan, Präsident des türkischen Unternehmerverbands TÜSİAD, wie wichtig eine enge Kooperation zwischen der Türkei und der EU im Kontext der Netto-Null-Ziele ist. An­gesichts wachsender geopolitischer und geoökonomischer Unsicherheiten forderte er einen gemeinsamen Fahrplan für eine stabile, resiliente und nach­haltige internationale Ordnung. Dabei hob er die Aktualisierung der Zollunion71 sowie die maßgebliche Bedeutung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie für die Vertiefung der bilateralen Beziehungen hervor.72 TÜSİAD-Vizepräsident Ozan Diren sprach sich explizit für eine »Wiederbelebung der Integrationspartnerschaft« und die Modernisierung der Zollunion aus. Auch TÜSİAD-Vertreterin Dilek Aydın (Brüsseler Büro) und -Vertreter Alper Üçok (Berliner Büro) betonten in Interviews für diese Studie die Relevanz einer stra­te­gischen Neuausrichtung der Beziehungen zwischen Ankara und Brüssel. Im Zentrum standen dabei die Wiederaufnahme politischer Gespräche sowie die Modernisierung und Erweiterung der Zollunion. Mit Blick auf den European Green Deal wurde eingeräumt, dass die damit einhergehenden Standards kurzfristig die Wettbewerbsfähigkeit der türkischen Industrie beeinträchtigen könnten. Langfristig wird der EGD jedoch als Katalysator für eine umfassende wirtschaftliche Transformation und nachhaltige Entwicklung bewertet.

Tabelle European Green Deal und gesetzliche Rahmenbedingungen für Klimaschutz

Geltungs­beginn

Inhalt

Mögliche Folgen für die Türkei

CO2-Grenzausgleichs­mechanismus (CBAM)

1.10.2023

Verpflichtet Unternehmen, die emissionsintensive Güter in die EU exportieren, CBAM-Emissionszertifikate zu erwerben.

Die Differenz zwischen CO2-Preis im Herkunftsland und dem Preis der EU-Zertifikate muss ausgeglichen werden.

Industriezweige wie Aluminium-, Eisen- und Stahlproduktion, die unter die CBAM-Regelung fallen, werden gezwungen sein, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und eine grüne Transformation anzustreben.

Regulation on
Deforestation-free Products

30.12.2024

Nur noch entwaldungsfreie Rohstoffe und Produkte dürfen in der EU vermarktet und geliefert oder aus ihr exportiert werden.

Die Türkei exportiert Holz-, Forst- und Papierprodukte in die EU und nach Deutschland.

Der EGD wurde durch eine Reihe von Gesetzen und Richtlinien konkretisiert, die den regulatorischen Rahmen bilden und deutsche Unternehmen verpflichten, die Umwelt- und Nachhaltigkeitspraktiken ihrer türkischen Handelspartner und Zulieferer systematisch zu überprüfen.73

CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)

Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus74 ist Teil des europäischen »Fit for 55«-Pakets. Er verpflichtet Unternehmen, die emissionsintensive Güter in die EU importieren, CBAM-Emissionszertifikate zu erwerben. Diese gleichen die Differenz zwischen dem CO2-Preis im Herkunftsland und dem Preis im EU-Emissions­handelssystem aus. Der Mechanismus betrifft ein breites Spektrum an Industrie- und Handelsunternehmen. Seit Oktober 2023 wird er schrittweise ein­geführt, um Firmen in und außerhalb der EU an die Berichterstattungspflichten und Berechnungsmethoden der Emissionen gemäß den Anforderungen des EU-Emissionshandels heranzuführen. Zunächst um­fasst das System Strom, Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Wasserstoff – alles Produkte mit besonders CO2-intensiven Herstellungsprozessen, die einem hohen Risiko der Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland (Carbon Leakage) ausgesetzt sind. Die Türkei wird durch diese EU-Han­delspolitik sehr stark betroffen sein. Über 40 Prozent der Exporte gehen in die EU, vor allem energieintensive Waren wie Aluminium, Eisen und Stahl, für welche die CBAM-Regelung gilt. Modellierungen zu­folge würde die Anwendung des CBAM auf türki­sche Exporte bei einem Kohlenstoffpreis von 150 Euro die türkische Wirtschaft bis 2032 um 0,04 Prozent schrumpfen lassen, während sie bei einem Kohlenstoffpreis von 50 Euro um bis zu 1 Pro­zent wachsen würde.75 In der Türkei werden diese Industriesektoren daher die ersten sein, die CO2-Ein­sparungen und eine grüne Umstellung vorantreiben müssen.76

In besonderem Maße betroffen sind die türkischen Stahlexporte, da etwa ein Drittel davon in EU-Länder geht. Die Türkei exportierte 2023 Stahl-, Eisen- und andere Metallprodukte im Wert von 2,82 Milliarden US-Dollar nach Deutschland. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für die Stahlexporteure unerlässlich, ihre CO2-Emissionen zu senken. Dies eröffnet neue Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Anbieter von Lösungen zur Emissionsminderung, etwa durch den Einsatz neuer Technologien oder Produktions­verfahren. Auch alternative Materialien könnten zur Dekarbonisierung beitragen, indem der Einsatz von energieintensivem Stahl verringert wird. Wird der Geltungsbereich des CBAM erweitert, könnte dies Aus­wirkungen auf weitere türkische Industrien haben, wie die Automobil- und Zulieferindustrie (Exporte nach Deutschland: 1,63 Milliarden US-Dollar, 2023), den Maschinenbau (Exporte nach Deutschland: 4,5 Milliarden US-Dollar, 2023) oder die Bauwirtschaft.77

Wirtschaftspolitische und regionale Herausforderungen

Regionale Konflikte wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, der Nahostkrieg, der Regime­wandel in Syrien und die zunehmende Konfrontation zwischen Israel und Iran bilden – gemeinsam mit der politischen und wirtschaftlichen Instabilität in der Türkei – enorme Herausforderungen für den deutsch-türkischen Handel und die Lieferketten­verflechtung. Die drastische Abwertung der türkischen Lira und die anhaltend hohe Inflation erschwe­ren das Tagesgeschäft deutscher Unternehmen und ihrer türkischen Partner. Ständige Preisänderungen bei Waren und Dienstleistungen wirken dabei als Risikofaktoren, die eine kontinuierliche Anpassung der Geschäftsstrategien erfordern – etwa durch Aus­gleichszahlungen bei der Mitarbeitervergütung –, um die unternehmerische Resilienz zu sichern.78 Zusätzlich belasten Kontroversen über die geopolitische Ausrichtung der Türkei das Investitionsklima. Deutsche Unternehmen in der Türkei weisen darauf hin, dass Spekulationen über eine Abkehr Ankaras von der EU Verunsicherung auslösen und sich nach­teilig auf ihre Investitionsentscheidungen auswirken.79

Die Kooperation mit Russland und China schürt Spekulationen über die geopolitische Ausrichtung der Türkei.

Aktuelle Spekulationen über eine geopolitische Neu­ausrichtung der Türkei werden durch deren Annäherung an Russland und China verstärkt. Die Abhängigkeit von russischem Erdgas sowie der Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks in Kooperation mit dem russischen Staatskonzern Rosatom schaffen neue struk­turelle Abhängigkeiten gegenüber Moskau. Gleich­zeitig gewinnt China wirtschaftlich an Einfluss: Die Türkei ist auf kostengünstige Importe aus China angewiesen, und der geplante Bau eines Werks des chinesischen Elektroauto- und Batterienherstellers BYD zur Automobilproduktion Ende 2026 könnte die türkische Industrie in eine wachsende Abhängigkeit von China führen. Dennoch bleibt Europa – als Absatzmarkt und Investitionsquelle – ein zentraler Pfeiler makroökonomischer Stabilisierung der Türkei.

Eine Modernisierung der Zollunion könnte zur Klärung der geo- und sicherheitspolitischen Ausrichtung der Türkei beitragen und ein wichtiges Signal an deutsche Unternehmen senden. Sie würde potentielle Investoren ermutigen, sich in der Türkei zu engagieren, und bestehenden Handels- sowie Kooperationsbeziehungen neue Impulse verleihen. Eine Erweiterung der Zollunion auf Agrarprodukte und Dienst­leistungen – einschließlich E-Commerce – würde zusätzliche Handelsgewinne generieren, den wirt­schaftlichen Wohlstand steigern und vielfältige Ko­operationschancen für deutsche und türkische Unternehmen schaffen.80 In Deutschland überwiegt derzeit Zurückhaltung gegenüber einer Modernisierung der Zollunion – nicht zuletzt aufgrund des jüngsten Vorgehens der türkischen Regierung gegen die Opposition. Zwar wird die Türkei als »wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner« anerkannt, doch wird ihr gleichzeitig vorgeworfen, die bestehenden Regelungen der Zollunion nicht vollständig umzu­setzen. Solange diese Defizite bestehen, erscheinen weiterführende Schritte zur Modernisierung der Zollunion wenig sinnvoll. Als größtes Hindernis gilt die anhaltende Weigerung Ankaras, die Zollunion auf Zypern anzuwenden. Aus Sicht vieler deutscher Wirtschaftsakteure besteht gegenwärtig kein »drin­gender Bedarf« an einem erweiterten Freihandels­abkommen mit der Türkei.81

Rechtsunsicherheit, fehlende Planungssicherheit und eingeschränkter Marktzugang bremsen Investitionen.

Jürgen Schulz, der deutsche Botschafter in Ankara von 2020 bis 2024, erklärte in einem Interview mit der türkischen Wirtschaftszeitung Ekonomim, dass deutsche Unternehmen in der Türkei weitgehend zufrieden seien, aber Neueinsteiger bei ihren Investi­tionsentscheidungen zögerten. Als Hauptgründe werden die unattraktiven Investitionsbedingungen genannt, allen voran der Mangel an Rechts-, Planungs- und Finanzierungssicherheit. Auch deutsche Unternehmer in der Türkei verweisen auf Handels- und Investitionshemmnisse.82

TÜSİAD-Präsident Turan betont die Defizite im türkischen Rechtssystem und hebt die Notwendigkeit eines intakten Rechtsstaates, effektiven Justizsystems und einer funktionierenden Demokratie hervor, auch im Hinblick auf die Wirtschaft. Um mit dem Wandel Schritt zu halten, sei es unerlässlich, Rechtssicherheit zu gewährleisten, marktwirtschaftliche Prinzipien zu befolgen sowie die Unabhängigkeit der Institutionen zu stärken.83 Die Skepsis deutscher Wirtschaftsakteure gegenüber der Türkei führe dazu, dass Unternehmen neue Lieferanten suchen, etwa in Bulgarien oder Rumänien.84 Weitere Herausforderungen ergeben sich durch den EGD und den CBAM sowie durch die europäische und deutsche Lieferketten-Governance, die noch zu diskutieren ist.

Abschließend lässt sich festhalten, dass zwischen der Industriepolitik der EU, Deutschlands und der Türkei zahlreiche Schnittmengen bestehen – vor allem in den Bereichen nachhaltige Technologien, CO2-Reduktion und digitale Transformation. Alle Seiten sind zudem bestrebt, den Zugang zu Rohstoffen und Vorprodukten abzusichern. Die Türkei sieht hierin eine Chance, ihre Industrie durch stabile und verlässliche Partnerschaften innerhalb globaler Liefer­ketten zu stärken. Eine Analyse offizieller Strategie- und Positionspapiere von Ministerien und Unternehmerverbänden, ergänzt durch Gespräche mit politi­schen und wirtschaftlichen Akteuren, zeigt, dass das Problembewusstsein wächst.85 Es besteht breiter Kon­sens darüber, dass eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung der Türkei nur dann möglich ist, wenn sie ihre Industrie an europäische Umwelt- und Nach­haltigkeitsstandards anpasst – vor allem an den EGD sowie an die Governance-Anforderungen der deut­schen und europäischen Lieferkettengesetzgebung.86 Gleichwohl wurden wichtige Ziele der türkischen Industriepolitik bislang nicht vollumfänglich erreicht.

Seit Juni 2023 verfolgt Finanzminister Mehmet Şimşek einen Kurswechsel hin zu einer orthodoxen, restriktiven Geldpolitik, in erster Linie, um die an­haltend hohe Inflation einzudämmen. Dieser Schritt wird von Wirtschaftsakteuren überwiegend positiv aufgenommen, da er als notwendige Korrektur der zuvor stark expansiven und unkonventionellen Wirt­schaftspolitik gewertet wird. Gleichwohl bestehen erhebliche Zweifel an der Nachhaltigkeit dieses Kur­ses, vor allem aufgrund möglicher politischer Inter­ventionen durch Präsident Erdoğan. Bisher wurde kein Vertrauen gegenüber internationalen Investoren und inländischen Wirtschaftsakteure aufgebaut. Die gravierenden makroökonomischen Ungleichgewichte – darunter die hohe Inflationsrate, ein fortdauerndes Leistungsbilanz- und Handelsbilanzdefizit sowie das insgesamt fragile geldpolitische Umfeld trotz hoher Leitzinsen – konnten bisher nicht substantiell korri­giert werden.

Trotz gesetzgeberischer Initiativen wie der geplanten Einführung eines Emissionshandelssystems (ETS) ist unabhängigen Bewertungen zu entnehmen, dass die Türkei ihre selbst gesetzten Klimaziele bislang verfehlt. Der fortwährende Ausbau von Kohlekraftwerken steht im klaren Widerspruch zu diesen. Wegen ihrer hohen CO2-Emissionen behindern die Kraftwerke den Übergang zu einem kohlenstoffarmen Energiesystem stark. Im Climate Action Tracker wird das angestrebte Netto-Null-Ziel für 2053 als »unzureichend« bewertet. Die aktuellen Maßnahmen und die bis 2030 geplanten Emissionsminderungen reichen nicht aus, um die Vorgaben des Pariser Klima­abkommens zu erfüllen. Zwar gewinnt Klimapolitik auf institutioneller Ebene an Bedeutung, doch bleibt fraglich, ob die bisherigen Schritte ausreichen, um die ambitionierten Ziele tatsächlich zu erreichen. Laut internationalen Analysen sind substantielle Nachbesserungen notwendig, um das Netto-Null-Ziel bis 2053 glaubwürdig umzusetzen.

Defizite und Aussichten türkischer Lieferkettenpolitik

Diese Studie basiert auf dem Verständnis von Liefer­kettenpolitik als einer Kombination aus Strategien, Maßnahmen, nationaler Gesetzgebung sowie der Anpassung an internationale Abkommen und globale Standards, die von der türkischen Regierung um­gesetzt werden. Der Fokus liegt dabei auf der Förde­rung der Exportwirtschaft, der Einhaltung internationaler Handelsstandards und der Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für ausländische Investoren.

Lieferkettenpolitik der Türkei

Die Lieferkettenpolitik der Türkei ist vor allem durch zwei Aspekte gekennzeichnet: wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Exportorientierung. Das Land betreibt eine auf den Export ausgerichtete Wirt­schaftspolitik, um sich als Produktionszentrum und Lieferant von Industrieprodukten in Europa, Asien und im Nahen Osten zu etablieren. Ein wesentlicher Aspekt ist die Einrichtung von Industrie- und Frei­handelszonen, um Handels- und Produktionsaktivitäten zu fördern. Unternehmen erhalten dort Steuervergünstigungen und werden weniger reguliert. Diese Zonen sind bedeutende Knotenpunkte in den globa­len Lieferketten und attraktive Standorte.

Für die Festlegung von Standards sind die Arbeits- und Umweltschutzgesetze essentiell. Die Türkei hat nationale Gesetze zum Arbeitsschutz und zur Ein­haltung von Arbeitsrechten erlassen, die sich an den Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) der Vereinten Nationen orientieren. In der Praxis werden jedoch immer wieder Verstöße dokumentiert, allen voran in der Textil- und der Landwirtschaftsindustrie.87 Zudem verfügt die Türkei über ein Umweltgesetzbuch, das die Abfallentsorgung, Emissionen und den Schutz natürlicher Ressourcen regelt. Mängel in der Rechts­staatlichkeit sowie politische Abhängigkeiten und Ineffizienzen der türkischen Justiz hemmen jedoch die Lieferkettenverflechtungen.

Seit 1996 ist die Türkei Mitglied der EU-Zollunion, was den Warenverkehr für Industrieprodukte erleich­tert. Ankara hat sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen zur EU verpflichtet, die EU-Standards in Berei­chen wie Arbeitsschutz und Umweltschutz umzusetzen.88 Das hat Folgen für die Anforderungen an Liefer­ketten und Produktionsbedingungen in der Türkei. Im Land ansässige Unternehmen in exportorientierten Sektoren sehen sich mit Anforderungen inter­nationaler Kunden konfrontiert, die verlangen, dass die Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette ein­gehalten werden. Einige türkische Firmen, die nach Europa exportieren, haben sich freiwillig internationalen Standards wie den ISO-Normen und sozialen Zertifizierungen (zum Beispiel SA8000 oder BSCI) angeschlossen. Das stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit in internationalen Lieferketten. Ankaras Lieferketten­politik zielt darauf ab, die geographische Lage zwischen Europa und Asien zu nutzen. Die gesetz­lichen Rahmenbedingungen sind vorhanden. Vor allem in Sektoren mit internationalen Abnehmern werden diese und die Arbeits- und Umweltstandards eingehalten.89

Deutsche und europäische Lieferketten-Governance

»Lieferketten-Governance« bezeichnet ein Regelungsgefüge aus nationalen und supranationalen Vor­gaben, das Unternehmen verbindlich vorschreibt, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten entlang globaler Lieferketten einzuhalten. Auf nationaler Ebene bildet das seit dem 1. Januar 2023 geltende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) den maßgeblichen Rechtsrahmen in Deutschland. Auf europäischer Ebene stimmte das Europäische Parlament im Juni 2023 erstmals für die Corpo­rate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Nach einem zwischenzeitlichen Rückschlag wurde diese Richtlinie im März 2024 im Rat der EU in einem zweiten Anlauf mit qualifizierter Mehrheit angenom­men und im Mai 2024 endgültig von Parlament und Rat verabschiedet. Die EU-Kommission kündigte an, die Frist zur Umsetzung auf Juni 2028 festzu­legen. Gemäß dem Vorrang des Unionsrechts gegen­über nationalem Recht ist Deutschland verpflichtet, die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht zu überführen. Sowohl die deutsche als auch die europäische Richtlinie stehen auf dem Prüf­stand: Während das LkSG besonders im Hinblick auf Fragen der praktischen Umsetzung, bürokratischen Aufwand und die Belastung kleiner und mittelständischer Unternehmen kontrovers diskutiert wird, stellt sich nun die Aufgabe, die CSDDD in den Mitgliedstaaten einheitlich und wirksam umzusetzen sowie ihre Anwendungspraxis konkret auszugestalten.90

Die Lieferketten-Governance schreibt Unternehmen vor, Menschenrechte und Umweltstandards zu wahren. Sie müssen nachweisen, dass sie aktiv Risi­ken identifizieren und Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen.91 Europäische Unternehmen müssen gemäß dem europäischen Lieferkettengesetz sicher­stellen, dass Menschenrechte, Biodiversität und Umwelt geschützt werden.92 Das Bundesamt für Wirt­schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) überwacht die Umsetzung und verhängt bei Verstößen Bußgelder und Sanktionen. Während das deutsche Gesetz hauptsächlich für eigene Standorte und unmittelbare Lieferanten gilt, erstreckt sich das europäische Gesetz auch auf vor- und nachgelagerte Tätigkeiten, ein­schließlich mittelbarer Lieferanten. Die EU-Richtlinie erlegt Unternehmen eine Sorgfaltspflicht in der gesamten Lieferkette auf, die auch Transport, Lage­rung und Entsorgung auf Seiten der Geschäftspartner um­fasst, wobei Verkäufer und Verbraucher nicht berück­sichtigt werden.93 Im Gegensatz zur CSDDD, anhand deren die gesamte Wertschöpfungskette überprüft wird, betrifft das deutsche Lieferkettengesetz nur die proaktive Prüfung unmittelbarer und die reaktive Prüfung mittelbarer Lieferanten. Mit der neuen EU-Regelung wird eine zivilrechtliche Haftung für Unter­nehmen eingeführt, und Gewerkschaften sowie Nicht­regierungsorganisationen können unter bestimmten Bedingungen binnen fünf Jahren Ansprüche für Geschädigte geltend machen.

Türkische Wirtschaftsakteure – darunter Unternehmer sowie Vertreter führender Verbände wie TÜSİAD und der Union der Kammern und Börsen der Türkei (TOBB) – betrachten die deutsche Lieferketten-Governance im Kontext der europäischen Gesamt­architektur aus Lieferkettengesetzgebung, Industriepolitik und EGD. Dieses »Regulierungspaket« wird als strategischer Rahmen verstanden, der zwar substantielle Anpassungen erfordert, gleichzeitig aber Chancen für eine vertiefte Integration der Türkei in europäische Wertschöpfungsketten eröffnet. Angesichts der kohlenstoffintensiven Struktur der türkischen Wirt­schaft rechnen Unternehmen mit steigenden Kosten durch den CBAM. Eine umfassende Integration in grüne Wertschöpfungsketten – zum Beispiel Wind- und Solarenergie – wird daher als unerlässlich erachtet. TÜSİAD und TOBB sehen im EGD zugleich die Möglichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit türkischer Produkte auf dem EU-Markt zu steigern. Die Türkei verfügt in mehreren Industriezweigen über komparative Vorteile, die genutzt werden könnten, um die negativen Effekte des CBAM abzufedern und struktu­relle Reformprozesse anzustoßen.94

Kooperationsfelder: Energiesektor, Automobilindustrie und Rüstungs­industrie

Eine bilaterale Kooperation mit Deutschland ist in drei Bereichen der türkischen Wirtschaft besonders relevant: Energie, Automobilindustrie und Rüstungsindustrie. Vor dem Hintergrund klimapolitischer Zielsetzungen, vor allem der Dekarbonisierung, erscheint eine Zusammenarbeit im Energie- und im Automobilsektor besonders aussichtsreich. In der Automobilindustrie dominiert die Vorwärtsintegra­tion in deutsche Lieferketten, während sie im Energie­sektor ausgewogener ausfällt. In der Rüstungsindus­trie hingegen überwiegt die Rückwärtsintegration: Die Türkei ist weiterhin auf Vorleistungen und tech­nologisches Know-how aus dem Ausland – auch aus Deutschland – angewiesen. Eine vertiefte Koopera­tion in den Bereichen Energie und Automobil könnte die Versorgungssicherheit der deutschen Wirtschaft stärken, während im Rüstungssektor vor allem die Türkei vom Technologietransfer profitieren würde.

Deutsch-türkische Energiepartnerschaft

Seit 2011 findet regelmäßig das Deutsch-Türkische Energieforum statt. Die sechste dieser Veranstaltungen wurde im November 2024 in Berlin abgehalten und war geprägt durch die Teilnahme des damaligen deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck und des türkischen Ministers für Energie und natürliche Ressourcen Alparslan Bayraktar. Höhepunkt des Treffens war die Unterzeichnung einer Absichtserklärung zur Vertiefung der bilateralen Zusammenarbeit, darunter ein Kooperationsvertrag zwischen dem tür­kischen Energiekonzern Enerjisa und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg zu Forschungsprojekten im Bereich grüner Wasserstoff und erneuerbare Energien.95

Die Wasserstoffproduktion eröffnet vielversprechende Investitionsmöglichkeiten in der Türkei und könnte das Land zu einem bedeutenden Zentrum für grüne Energie machen. Damit ließe sich nicht nur die Abhängigkeit von russischem Erdgas reduzieren, sondern auch ein Beitrag zur Energiesicherheit Euro­pas leisten. Zugleich käme die EU ihren Klimazielen im Zuge der Energiewende näher. Für die deutsche Indus­trie ist grüner Wasserstoff ein zentraler Bau­stein in dem Bemühen, Klimaneutralität zu erreichen – Wasserstoffimporte aus der Türkei könnten dabei eine wichtige Rolle spielen. Deutschland unterstützt die Türkei bereits mit 200 Millionen Euro zur Förde­rung erneuerbarer Energien und zum Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft.96 Im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) stehen darüber hinaus 20 Millionen Euro für innovative Klimaschutz­maßnahmen zur Verfügung, mit einem Schwerpunkt darauf, die Energieeffizienz zu steigern.

Automobilindustrie und Rüstungsindustrie

Für die EU ist die Türkei nach wie vor ein wichtiger Automobilmarkt. Die türkische Automobilindustrie ist in hohem Maße in deutsche und europäische Lieferketten integriert. China wird wahrscheinlich nicht die Position Europas als wichtigster Markt für türkische Automobile und Autoteile übernehmen. Jedoch wird die Volksrepublik an Bedeutung für den türkischen Automobilmarkt gewinnen. Der chinesische Automobilhersteller BYD will in der Türkei bis 2024 10.000 E-Fahrzeuge verkaufen und Ende 2026 eine Produktionsstätte eröffnen. Ziel ist es, die Zölle der EU für Elektrofahrzeuge zu umgehen und den zollfreien Zugang zur EU zu erlangen.97 Die Markt­einführung von Elektrofahrzeugen in der Türkei könnte den Absatz des türkischen Elektroauto-Her­stellers Togg steigern und bewirken, dass das Lade- und Servicenetz erweitert wird. Andererseits besteht die Gefahr, dass die türkische Automobilproduktion negativ beeinflusst und der Marktanteil von Togg geschmälert wird. Eine starke Verflechtung der türki­schen Automobilindustrie mit China birgt das Risiko, die Beziehungen der Türkei zu Europa weiter zu belasten. Vor allem könnte eine wirtschaftliche Ver­flechtung Handelsdefizite und größere Abhängigkeit zur Folge haben. Eine strategische Neuausrichtung der türkischen Automobilindustrie in Richtung China könnte auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Branche erheblich beeinträchtigen.

Zwischen den Fronten der Tech‑Rivalität unter den USA und China verfolgt die Türkei eine ausgleichende Strategie.

Die Haltung der Türkei gegenüber der technisch-politischen Rivalität zwischen den USA und China spiegelt einen Balanceakt im Verhältnis zu beiden Großmächten wider. Obwohl die Türkei mit dem Westen verbündet ist, pflegt sie gleichzeitig strategische Beziehungen zu China und geht beispielsweise im Bereich 5G eine Technologiepartnerschaft ein. Diese Strategie erklärt sich durch die restriktiven Technologietransfer- und ‑export­beschränkungen, die allen voran die USA sowie einige EU-Staaten gegen die Türkei verhängt haben. Ein aktuelles Beispiel ist die von der Biden-Regierung eingeführte neue Vor­schrift im Bereich künstliche Intelligenz. Mit dieser Vorschrift wird die Türkei – wie viele andere Länder weltweit – in eine Kategorie von Staaten eingeordnet, die nur eingeschränkten Zugang zu fortschritt­licher KI-Technologie erhalten sollen. Darüber hinaus befürchtet die Türkei, dass die Abkehr der USA unter der zweiten Trump-Administration von den Regeln der Welthandelsorganisation ein unberechenbares Umfeld schaffen könnte, das auch sie beträfe.

Die Rüstungsindustrie ist vorrangig über den Import von Vorleistungen und Technologie in die deutschen Lieferketten eingebunden (Rückwärts­integration). Nach Jahrzehnten der Investitionen und Reformen hat sich die türkische Verteidigungsindus­trie zu einem ernstzunehmenden Akteur auf dem internationalen Verteidigungsmarkt entwickelt. Die Beteiligung türkischer Rüstungsfirmen an internationalen Programmen ist jedoch begrenzt, was auf die Sprunghaftigkeit der türkischen Politik zurückzuführen ist. Der Krieg in der Ukraine schränkt die Optio­nen der Türkei weiter ein. Zuvor bestand die Option einer rüstungsindustriellen Kooperation mit Russ­land, doch diese ist seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nicht mehr möglich.

Das Interesse der Türkei an rüstungsindustrieller Zusammenarbeit und Rüstungsprogrammen unter der Schirmherrschaft der Nato hat zugenommen. Auch angesichts finanzieller Engpässe ist die Türkei bestrebt, ihre außenpolitischen und rüstungsindus­triellen Beziehungen zu ihren westlichen Partnern zu verbessern. Die türkische Rüstungsindustrie, vor allem im Bereich Drohnen, ist eng mit den USA bzw. der Nato koordiniert. Das Rüstungsunternehmen Baykar, das die Kampf- und Aufklärungsdrohne Bayraktar TB2 herstellt, verbindet seine Technologie mit Nato-Standards. Wenn die Türkei und Europa in der Lage wären, ihre Beziehungen neu zu definieren, indem sie sich an die neue geopolitische Landschaft anpassen, könnte dies ein enormes Potential für eine rüstungsindustrielle Zusammenarbeit freisetzen, die für beide Seiten vorteilhaft wäre.98

Fazit und Handlungsempfehlungen

Die Analyse zeigt, dass sich die Türkei in ihrer Industrie- und Energiepolitik weitgehend an den Vorgaben und Strategien der Europäischen Union orientiert. Auch wenn die Dekarbonisierung nur schleppend voranschreitet und es bislang an einer konsistenten und wirksamen Umsetzung mangelt, tritt die EU-Ausrichtung der Türkei im Wirtschafts­bereich dennoch deutlich zutage. Die türkische Regierung unternimmt Anstrengungen, die nationale Wachstumsstrategie mit den Anforderungen des European Green Deal (EGD) sowie der deutschen und europäischen Lieferketten-Gover­nance in Einklang zu bringen. Daraus erwächst auch ein bedeutender Impuls für eine geo- und sicherheitspolitische Aus­richtung der Türkei in Richtung EU. Denn eine Vertiefung der wirtschaftlichen Verflechtung und Kooperation setzt stabile und konstruktive politische Beziehungen zur EU, zu einzelnen Mitgliedstaaten und insbesondere zu Deutschland voraus. Dabei erweist sich indes die zunehmende Autokratisierung in der Türkei als hohe Hürde für eine Intensivierung der bilateralen Beziehungen – sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf (sicherheits-)politischer Ebene. Bislang ist keine klare politische Absicht oder in sich stimmige Strategie zur Überwindung jener struk­turellen Hemmnisse zu erkennen, die aus der fort­schreitenden Autokratisierung und Defiziten in der Rechtsstaatlichkeit entstehen und deren Beseitigung als zentral für den Erfolg der angestrebten Wachstumsstrategie gilt. Stattdessen scheint die Regierung zu versuchen, diese Defizite zumindest teilweise durch eine industriepolitische Schwerpunktsetzung zu kompensieren. Welche Handlungskonsequenzen ergeben sich für die deutsche Türkeipolitik aus der Diskrepanz zwischen einem großen ökonomischen Kooperationspotential und wachsenden normativen Differenzen, die auf die innerstaatliche Autok­rati­sierung sowie die außenpolitischen Bestrebungen Ankaras nach strategischer Autonomie zurück­zuführen sind?

Ein Ausweg wäre eine strategischere Gewichtung deutscher Interessen gemäß der Devise, wirtschaft­liche Stabilität zu sichern, die Türkei sicherheitspolitisch in den europäischen Raum einzubinden und zu verhindern, dass sie außen- und geopolitisch weiter in Richtung Russland und China driftet. Unter dieser Prämisse ließen sich auch die gegenwärtig engen wirtschaftlichen Verflechtungen und Kooperationsbeziehungen rechtfertigen – selbst dann, wenn normative Anforderungen an Demokratie und Rechts­staatlichkeit nur eingeschränkt berücksichtigt würden.

Dies erfordert zugleich eine pragmatisch-kritische Haltung, die eine weitere Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen an klar definierte und nicht verhandelbare Bedingungen hinsichtlich demokratischer Stan­dards, rechtsstaatlicher Prinzipien und der Achtung der Menschenrechte bindet. Eine strategische Part­nerschaft mit einer zunehmend autokratisch regier­ten Türkei ist nicht nur aus normativen Erwägungen nicht tragfähig, sondern auch im Hinblick auf lang­fristige deutsche und europäische Interessen. In diesem Kontext verfügt die Bundesregierung über politische und wirtschaftliche Hebel, die es ermög­lichen, einen vollständigen Bruch der Beziehungen zu vermeiden, zugleich jedoch klare Grenzen der Zusammenarbeit zu ziehen und die nicht zur Dis­position stehenden Grundprinzipien – vornehmlich Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte – unmissverständlich zu definieren.

Die Schlussfolgerungen aus der vorliegenden Studie werden im Folgenden in fünf Punkten präzisiert.

Erstens sollte die Hauptaufgabe der deutschen Tür­keipolitik darin bestehen, die wechselseitigen Inter­essen auf Überschneidungen zu überprüfen und diese Schnittmengen in konstruktive Lösungsansätze zu überführen. Es bedarf einer intensiven Debatte über mögliche Kooperationsperspektiven, die den Blick sowohl für Differenzen als auch für gemein­same Inter­essen und ähnliche Bedrohungswahrnehmungen

öffnet. Diese Gemeinsamkeiten als politisches Kapital zu begreifen ist der erste Schritt zu einem dringend notwendigen, konsequenten Politikwechsel im Ver­hältnis zur Türkei.

Zweitens ist es wichtig zu verstehen, dass die geo­politische Balancestrategie der türkischen Regierung keine schrittweise erfolgende Abwendung vom Westen (vor allem von USA und EU), sondern viel­mehr den Versuch darstellt, zwischen den globalen Macht- und Wirtschaftsblöcken (EU, USA, BRICS, Golfstaaten und anderen) anschlussfähig und manöv­rierfähig zu bleiben. Die Türkei sucht die Zusammenarbeit mit Russland und China, um den Einfluss des Westens auszugleichen. Sowohl politische Entscheidungsträger als auch Wirtschaftsakteure in der Türkei betrachten diese Offenheit als entscheidend, um sich als sicherer Standort für Lieferketten zu positionieren. Ähnlich wie Deutschland setzt die Türkei auf Resi­lienz und Diversifizierung der Lieferketten und die Verringerung von Abhängigkeiten. Die Entwicklung der türkisch-amerikanischen Beziehungen in der zweiten Amtszeit von Donald Trump wird ebenfalls Auswirkungen auf die türkisch-europäischen Bezie­hungen haben. Divergierende Prioritäten in Syrien, Spannungen wegen des S-400-Flugabwehrraketen­systems und der schwierige Balanceakt zwischen der Nato, Russland und China sind nach wie vor große Hindernisse für eine tiefere und harmonischere Beziehung.

Drittens wäre eine Neuausrichtung der deutsch-türkischen Beziehungen anzuraten, die vor allem zum Ziel hätte, das Verhältnis zur Türkei – als Partner, teilweise Konkurrent, aber nicht als Rivale – neu zu bestimmen. Um die Potentiale der deutsch-türkischen Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Handel, Investitionen und Diplomatie auszuschöpfen, sollte sich der Blick auf die Gemeinsamkeiten und einen pragmatischen, lösungsorientierten Ansatz richten. Dieser muss den realpolitischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Die Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie als essentielle Voraussetzungen für eine nachhaltige strategische Zusammenarbeit sollte nicht aufgegeben werden.

Viertens ist zu berücksichtigen, dass die Investi­tionsentscheidung des chinesischen Elektroauto- und Batterienherstellers BYD in der Türkei nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern im Kontext der türkischen Asienpolitik und der Bestrebungen nach größerer Autonomie gegenüber dem Westen zu sehen ist. Infolgedessen bildet diese Entscheidung eine wirtschaftliche Herausforderung für die EU, was es ratsam macht, ihre Handelspolitik gegenüber Dritt­staaten zu überdenken. Eine wichtige wirtschaftspolitische Aufgabe für Deutschland wird in den kommen­den Jahren sein, die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Gerade Branchen wie die Auto­mobilindustrie, die vor enormen Herausforderungen steht, können von einer Vertiefung der Kooperation mit der türkischen Automobilindustrie und der Inte­gration türkischer Zulieferer in die deutsche Liefer­kette profitieren. Eine vielversprechende Investitionsperspektive für deutsche Unternehmen besteht im Ausbau erneuerbarer Energien in der Türkei, vor allem durch die Förderung von Projekten im Bereich Windkraft und der Produktion von grünem Wasserstoff. Solche Investitionen würden nicht nur zur Diversifizierung der Energiequellen beitragen, sondern auch die Grundlage für eine vertiefte Zusammen­arbeit in der kohlenstofffreien Stromerzeugung schaffen.

Fünftens wären hochrangige Dialogformate wie das Energieforum und die Joint Economic and Trade Commission (JETCO) sowie regelmäßige Regierungskonsultationen von Bedeutung. Die Einrichtung eines Gesprächskreises, der Experten mit einem spezifischen Türkei-Fokus zusammenführt, könnte einen wichtigen Schritt darstellen. Politik und Verwaltung könnten so gezielt auf die Expertise dieses Forums zurückgreifen, um aktuelle und zukünftige Herausforderungen sowie Krisensituationen zu bearbeiten. Dabei sollte der Zugang nicht nur über bestehende Institutionen in Berlin erfolgen, sondern bundesweit koordiniert werden, um ein breites und fundiertes Wissensspektrum abzudecken.

Abkürzungsverzeichnis

AHK Deutsche Auslandshandelskammern

AKP Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung)

BAFA Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle

BDI Bundesverband der Deutschen Indus­trie e.V.

BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft

BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

BRICS Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

CBAM Carbon Border Adjustment Mechanism

CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands

CO2 Kohlendioxid

COP Conference of the Parties

CSDDD Corporate Sustainability Due Diligence Directive

CSU Christlich-Soziale Union in Bayern e.V.

DIHK Deutsche Industrie- und Handelskammer

DOTS Direction of Trade Statistics

EGD European Green Deal

ETS Emissions Trading System

EU Europäische Union

F&E Forschung und Entwicklung

FDP Freie Demokratische Partei

HAW Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Hamburg)

IFRI Institut français des relations internationales

IICEC Istanbul International Center for Energy and Climate

IKI Internationale Klimaschutzinitiative

IMF International Monetary Fund

ISO International Organization for Standardization

IWF Internationaler Währungsfonds

JETCO Joint Economic and Trade Commission

KI künstliche Intelligenz

KMU kleine und mittlere Unternehmen

LkSG Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

MEI The Middle East Institute

Nato North Atlantic Treaty Organization

OECD Organisation for Economic Co-operation and Development

PwC PricewaterhouseCoopers

RUSI Royal United Services Institute (London)

SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands

TANAP Transanatolische Gaspipeline

TL türkische Lira

TOBB Türkiye Odalar ve Borsalar Birliği (Union der Kammern und Börsen der Türkei)

TÜİK Türkiye İstatistik Kurumu (Statistikinstitut der Türkei)

TÜSİAD Türk Sanayicileri ve İşadamları Derneği (Turkish Industrialists’ and Businessmen’s Association/Vereinigung türkischer Industrieller und Geschäftsleute)

UNDP United Nations Development Programme

USD US-Dollar

VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V.

Literaturhinweise

Yaşar Aydın

Die Türkei auf dem Weg zur Autokratie. Wirtschaftliche Folgen und Handlungs­möglichkeiten der EU und Deutschlands

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2025 (SWP-Aktuell 17/2025)

Yaşar Aydın/Melanie Müller

Geopolitische Herausforderungen in globalen Lieferketten: Wie sich die Türkei positioniert

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 21. Februar 2025 (SWP-Podcast 5/2025)

Yaşar Aydın/Jens Bastian/Maximiliane Schneider

Visualising the Dynamics and Potential of Economic Relations between Germany and Turkey

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik (CATS Network), 23. Oktober 2024

Hürcan Aslı Aksoy/Yaşar Aydın

Kommunalwahlen in der Türkei: Neue Freiräume und deutsch-türkische Kooperationsfelder

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2024 (SWP-Aktuell 25/2024)

Yaşar Aydın

Ankara’s Economic Policy Dilemma. Europe’s Options for Economic and Security Cooperation with Turkey

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2024 (SWP Comment 2/2024)

Yaşar Aydın

Ankaras Wirtschaftspolitik in der Zwickmühle. Wie die EU ökonomisch und sicherheitspolitisch mit der Türkei kooperieren kann

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2023 (SWP-Aktuell 48/2023)

Endnoten

1

 An dieser Stelle möchte ich mich bei Dr. Melanie Müller für ihre wertvollen Hinweise und ihr Fachgutachten bedanken. Hervorheben möchte ich auch die Arbeit von Marcela Müggler (Daten- und Statistik-Team der SWP) und Daniel Kettner (Stabsstelle Kommunikation der SWP), denen ich für die Datenrecherche und -aufbereitung sowie die Erstellung und Visu­alisierung der Grafiken und der Tabelle, die in der Studie gezeigt werden, danken möchte. Ein Dank geht auch an Michael Alfs für das Lektorat.

2

 Xuan Wang et al., »Impact of Digital Technology on Supply Chain Efficiency in Manufacturing Industry«, in: Vikas Kumar et al. (Hg.), Digital Transformation in Industry, Cham (Schweiz): Springer, 2022 (Lecture Notes in Information Systems and Organisation, Bd. 54), S. 347–371, <https://tinyurl.com/yc2rnrnv> (Abruf 27.10.2024).

3

 Günther Maihold/Fabian Mühlhöfer, Instabile Lieferketten gefährden die Versorgungssicherheit, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2021 (SWP-Aktuell 80/2021).

4

 Vgl. hierzu exemplarisch Aylin Rana Aydin Kuş, »Stärkung der Position der Türkei in globalen Wertschöpfungsketten angestrebt« (türkisch), in: Anadolu Ajansı (online), 3.8.2024, <https://tinyurl.com/2cnsdc7h> (Abruf 1.7.2025). In  vielen der für diese Studie geführten Interviews mit türkischen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Bürokratie wurde ebenfalls auf die »Nearshoring«-Chancen für die Türkei hingewiesen.

5

 Vgl. exemplarisch Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode, Berlin, 6.5.2025, S. 140. Dort heißt es: »Wir bedauern, dass sich die Türkei von der Werteordnung der EU zunehmend weiter entfernt.«; Gregor Uhlig, »Erdogans aggressive Außenpolitik gegen den Westen zahlt sich aus«, in: Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 21.1.2023, <https://tinyurl.com/2pnuv9fb> (Abruf 27.10.2024).

6

 Vgl. Galib Bashirov/İhsan Yılmaz, »The Rise of Trans­actionalism in International Relations«, in: Australian Journal of International Affairs, 74 (2020) 2, S. 165–184, und Evren Balta, Normalizing Transactionalism: Turkish Foreign Policy after the 2023 Elections, Washington, D.C.: The Middle East Institute (MEI), 9.7.2024.

7

 Vgl. Amnon Aran/Mustafa Kutlay, Turkey’s Quest for Strategic Autonomy in an Era of Multipolarity, Istanbul: Istanbul Policy Center, Februar 2024 (IPC Policy Brief), <https:// tinyurl.com/2tz5vbrt> (Abruf 27.10.2024); Eda Kuşku-Sönmez, »Turkey and the EU: Waning Foreign Policy Alignment in a Changing International Context«, in: Southeast European and Black Sea Studies (online), 14.6.2024, <https://tinyurl.com/ 2dmrfnxd>.

8

 Vgl. dazu Burhanettin Duran, »Die Krise des inter­nationalen Systems und die Suche der Türkei nach strategischer Autonomie« (türkisch), in: Kriter, 8 (2024) 88, S. 6–8, <https://tinyurl.com/3m2ev2zh> (Abruf 20.1.2025), und Murat Yeşiltaş, »Türkei-Achse und verstärkte strate­gische Autonomie« (türkisch), in: SETA, 22.4.2023, <https://tinyurl.com/yc7x7uhk> (Abruf 20.1.2025).

9

 Marc Pierini, »Turkey’s Geopolitical Role. Between National Ambitions, Western Anchors and Russian Sway«, in: European Institute of the Mediterranean, IEMed Medi­terranean Yearbook 2023, Barcelona 2023, S. 124–130, <https://tinyurl.com/4cjtxm4u> (Abruf 27.10.2024).

10

 Angelehnt an Paul Kennedy lässt sich »Grand Strategy« als zielgerichtete Abstimmung und Nutzung politischer, wirtschaftlicher und militärischer Mittel eines Staates ver­stehen, um dessen langfristige Interessen in Kriegs- wie in Friedenszeiten durchzusetzen. Vgl. Paul Kennedy (Hg.), Grand Strategies in War and Peace, New Haven, CT: Yale University Press, 1991.

11

 Hakan Fidan, »Turkish Foreign Policy at the Turn of the ›Century of Türkiye‹: Challenges, Vision, Objectives, and Transformation«, in: Insight Turkey, 25 (2023) 3, S. 11–25 (14f), und »Staatspräsident Erdoğan: ›Die Welt verändert sich, das UN-System muss sich auch ändern‹« (türkisch), in: Kriter, 6 (2021) 61, S. 10–17, <https://kriterdergi.com/file/ 639/soylesi-cumhurbaskani-recep-tayyip-erdogan> (Abruf 17.6.2025).

12

 Geopolitik wird als Denkweise verstanden, die in räumlichen Bedingungen eine wichtige Voraussetzung für die Erklärung politischer Strukturen und internationaler Politik sieht. Geostrategie wird verstanden als zielgerichtetes Denken und Handeln, um Herrschaft, Kontrolle und Einfluss über Regionen auszuüben. Vgl. Niels Werber, Geopolitik zur Einführung, Hamburg 2022.

13

 Geoökonomie bezeichnet den strategischen Einsatz wirtschaftlicher Mittel, um nationale Interessen zu wahren und geopolitisch vorteilhafte Ergebnisse zu erzielen. Im Kern vereint sie die Logik der Geopolitik mit den Instrumenten der Wirtschaft. Gleichzeitig berücksichtigt sie die Auswirkungen ökonomischer Handlungen anderer Staaten auf die geopolitischen Zielsetzungen eines Landes. Vgl. Robert D. Blackwill/Jennifer M. Harris, War by Other Means. Geoeconomics and Statecraft, Cambridge, MA: Harvard University Press, 2016, S. 20, 26.

14

 Es wird kontrovers diskutiert, ob die künftige Weltordnung multipolar sein wird. Eine ausführliche Auseinandersetzung damit würde den Rahmen dieser Studie sprengen, weshalb hier nur einige Beispiele genannt werden: Richard N. Haass, »The Age of Nonpolarity«, in: Foreign Affairs, 3.5.2008; Trine Flockhart, »The Coming Multi-order World«, in: Contemporary Security Policy, 37 (2016) 1, S. 3–30; Amitav Acharya, »After Liberal Hegemony: The Advent of a Multiplex World Order«, in: Ethics & International Affairs, 31 (2017) 3, S. 271–285; Stefan Mair, »In Defense of Multipolarity«, in: Internationale Politik Quarterly, 17.11.2023.

15

 Vgl. Günter Seufert, Außenpolitik und Selbstverständnis. Die gesellschaftliche Fundierung von Strategiewechseln in der Türkei, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juni 2012 (SWP-Studie 11/2012).

16

 Diese Ausführungen zur Rolle der Türkei, der Russischen Föderation und der Volksrepublik China in einer multipolaren Welt basieren auf Interviews mit türkischen Akteuren aus Politik, Bürokratie und Wirtschaft.

17

 »Staatspräsident Erdoğan: ›Die Welt verändert sich, das UN-System muss sich auch ändern‹« [wie Fn. 11], und Fidan, »Turkish Foreign Policy« [wie Fn. 11].

18

 Vgl. Ahmet Davutoğlu, Strategische Tiefe: Internationale Position der Türkei (türkisch), Istanbul 2005.

19

 Der türkische Verteidigungsminister Yaşar Güler erklärte, türkische Streitkräfte müssten, falls eine europäische Armee geschaffen wird, deren Teil werden. Vgl. hierzu Değer Akal, »Kein Platz für die Türkei in Macrons Europa?« (türkisch), Deutsche Welle, 9.5.2024, <https://tinyurl.com/24 wcy7am> (Abruf 17.6.2025).

20

 Vgl. Alp Cenk Arslan, »Turkey’s Strategic Balancing Efforts Amid the US-China AI Confrontation«, RUSI, 6.11.2024.

21

 Hüseyin Korkmaz, »Türkei, BRICS und Multipolarität: Ein geopolitischer Balanceakt« (türkisch), in: Anadolu Ajansı, 12.6.2024, <https://tinyurl.com/3fdnt8ta> (Abruf 18.11.2024).

22

 Statistisches Bundesamt, »BRICS in Zahlen« (online), <https://tinyurl.com/4z4dar65> (Abruf 18.11.2024).

23

 Vgl. hierzu Ministerium für Auswärtige Angelegen­heiten, Republik Türkiye, »Asia Anew-Initiative« (online), <https://www.mfa.gov.tr/asia-anew-initiative.de.mfa> (Abruf 23.1.2025); Defne Gönenç et al., »Political Economy of Tur­key’s Pivot to Asia«, in: Turkish Studies, 25 (2024) 5, S. 857–881; Mustafa Cüneyt Özşahin/Federico Donelli/Riccardo Gasco, »China–Turkey Relations from the Per­spective of Neoclassical Realism«, in: Contemporary Review of the Middle East, 9 (2022) 2, S. 218–239.

24

 Vgl. »Remarks by National Security Advisor Jake Sullivan on Renewing American Economic Leadership at the Brookings Institution«, Washington, D.C.: The White House, 27.4.2023, und Simon Lester, »Jake Sullivan on International Economics and Industrial Policy«, International Economic Law and Policy Blog, 3.5.2023.

25

 Martin Greive et al., »Klub der Aufsässigen«, in: Handelsblatt, 25.8.2023.

26

 Hegemoniale Mächte wie die USA nach 1945 über­nehmen die Bereitstellung internationaler öffentlicher Güter wie Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität nicht aus altru­istischen Motiven, sondern im Eigeninteresse, denn eine friedliche und stabile Weltordnung fördert sowohl ihre geo­politische Machtposition als auch ihre wirtschaftliche Pros­perität. Vgl. Ulrich Menzel, Die Ordnung der Welt. Imperium oder Hegemonie in der Hierarchie der Staatenwelt, Frankfurt a.M. 2015.

27

 Zur Einordnung der türkischen Rüstungsindustrie vgl. Sıtkı Egeli et al., »Adapting Security: The Intersection of Turkiye’s Foreign Policy and Defence Industrialisation«, London: The International Institute for Strategic Studies (IISS), Juni 2024, <https://tinyurl.com/ye6hcdk9> (Abruf 18.11.2024).

28

 Vgl. Observatory of Economic Complexity (OEC), »OEC World, Germany/Turkey«, <https://tinyurl.com/s36ypnbc> (Abruf 18.6.2025).

29

 Zusammengestellt aus International Monetary Fund, »IMF Data: Direction of Trade Statistics (DOTS)« (online), <https://tinyurl.com/24byksdp> (Abruf 16.12.2024). Die Daten für die Grafiken in diesem und den folgenden Unterkapiteln wurden ebenfalls der Website des IWF-Datenportals entnommen.

30

 Lisandra Flach et al., Wie abhängig ist Deutschland von Rohstoffimporten? Eine Analyse für die Produktion von Schlüssel­technologien, München 2022, <https://tinyurl.com/2p8xpsk2> (Abruf 12.11.2024).

31

 Vgl. »Türkei besitzt fast alle Bor-Reserven der Welt«, in: Deutsche Wirtschaftsnachrichten, 10.2.2018, <https://tinyurl.com/mr2eu7bj> (Abruf 12.11.2024).

32

 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), »Außenhandel mit der Türkei« (online), <https://tinyurl.com/3andeb7y> (Abruf 12.11.2024).

33

 Vgl. Deutsche Vertretungen in der Türkei,
»Deutsche In­vestitionen in der Türkei« (online), <https://tinyurl.com/vzef7xua> (Abruf 12.11.2024).

34

 Vgl. Karin Senz, »Warum deutsche Firmen in der Türkei investieren«, Tagesschau, 25.6.2023, <https://tinyurl.com/4p8prbm2> (Abruf 27.10.2024).

35

 Vgl. Turnkey Sourcing, »Großhandel für den Import von Autoteilen und Autozubehören aus der Türkei« (online), <https://turnkey-sourcing.de/automobilindustrie> (Abruf 11.12.2024).

36

 Holger Görg/Saskia Mösle, »Globale Wertschöpfungs­ketten in Zeiten von (und nach) Covid-19«, in: ifo Schnelldienst, 73 (13.5.2020) 5, S. 3–7.

37

 Adnan Seric/Yee Siong Tong, »What Are Global Value Chains and Why Do they Matter?« Industrial Analytics Platform, August 2019,<https://tinyurl.com/3zrwfymf> (Abruf 18.6.2025).

38

 Kuş, »Stärkung der Position der Türkei« [wie Fn. 4].

39

 Ebd., S. 25.

40

 TÜİK, »Außenhandel Statistik, 12/2022« (türkisch), 31.1.2023, <https://tinyurl.com/8nj3tdax> (Abruf 18.6.2025).

41

 Leveraging Global Value Chains for Growth in Turkey. A Turkey Country Economic Memorandum, Washington, D.C.: The World Bank, Februar 2022 (Report Nr. AUS0002378).

42

 Dirk Jannott/Nela Vasova, »Markteintritt Deutschland: Möglichkeiten für türkische Unternehmen«, Euractiv, 8.5.2017, <https://tinyurl.com/2dyz65m9> (Abruf 19.11.2024). Die rechtliche Grundlage hierfür bildet das deutsch-türki­sche Niederlassungsabkommen von 1927, das türkischen Unternehmen die Niederlassung, den Erwerb von Eigentum und die Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit in Deutschland ermöglicht.

43

 »2024 Erwartungen: Textilien« (türkisch), GZT.com, 29.1.2024, <https://tinyurl.com/mwfth4kj> (Abruf 12.11.2024), und Elif Ferhan Yeşilyurt, »Konfektions- und Bekleidungsindustrie brach 2022 einen Exportrekord« (türkisch), in: Anadolu Ajansı, 13.1.2023, <https://tinyurl.com/2wcjhc3y> (Abruf 12.11.2024).

44

 International Trade Centre, »Bilateral Trade
between Germany and Türkiye« (online), <
https://tinyurl.com/42p6f38k> (Abruf 12.11.2024).

45

 Industriepolitik umfasst wirtschaftspolitische Maß­nahmen, mit denen die Struktur der wirtschaftlichen Aktivi­täten verändert werden soll. Zu Begriff und Aktualität der Industriepolitik vgl. Holger Görg, »Comeback der Industriepolitik?«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, (2024) 4–5, S. 4–9.

46

 Siehe Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), »Lieferketten« (online), <https://www.bmz.de/themen/lieferketten> (Abruf 8.10.2023).

47

 Auswärtiges Amt (Hg.), Integrierte Sicherheit für Deutschland. Nationale Sicherheitsstrategie, Berlin, Juni 2023. Die Zu­schreibung »Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale« an China wird als »nicht mehr zeitgemäß« und daher als reif für eine Anpassung kritisiert. Die China-Strategie der Bundesregierung sei »eher als eine Deutschlandstrategie« zu betrach­ten, und es fehle an einem übergeordneten und langfristigen Ziel für die deutsch-chinesischen Beziehungen. Nadine Gode­hardt, Die Logik deutscher Chinapolitik in der Zeitenwende, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2024 (SWP-Studie 20/2024).

48

 Melanie Müller/Inga Carry/Victoria Reisch, »Putin und das deutsche Windrad«, in: Der Freitag, 5.4.2022.

49

 Auswärtiges Amt (Hg.), Integrierte Sicherheit [wie Fn. 47].

50

 Meike Schulze, Rohstoffversorgung in Zeiten geoökonomischer Fragmentierung, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2024 (SWP-Aktuell 22/2024).

51

 Vgl. »Understanding the Rise of Shipping Costs in 2024«, TEC (Blog), 31.5.2024, <https://tinyurl.com/42juehtu> (Abruf 27.10.2024); Frederike Berg, »Trends in Transport and Logistics Prices in 2024«, Scafom-rux, 6.9.2024, <https://tinyurl.com/9thdsxt7> (Abruf 27.10.2024).

52

 Vgl. exemplarisch Inga Carry/Meike Schulze, »Resi­lienz in transnationalen Lieferketten – Diversifizieren und Nach­haltigkeit stärken«, in: Plus, 6.3.2023, <https://tinyurl.com/yxtnt58z> (Abruf 10.9.2024).

53

 Vgl. dazu European Commission, »European Industrial Strategy« (online), <https://tinyurl.com/2p9ps3pp> (Abruf 24.1.2025); Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Reinhard Houben, Michael Theurer, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Druck­sache 19/8218 –. Nationale Industriestrategie 2030, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Drucksache 19/8917, 29.3.2019, <https://tinyurl.com/4hbbpvxm> (Abruf 24.1.2025).

54

 Vgl. M. Murat Kubilay, The Weight of Past Mistakes and the Post-election Push for Economic Normalization, Washington, D.C.: MEI, 9.7.2024, und Yaşar Aydın, Ankaras Wirtschaftspolitik in der Zwickmühle, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Juli 2023 (SWP-Aktuell 48/2023).

55

 Deniz İstikbal, »Die fünfte industrielle Revolution und die Türkei« (türkisch), in: SETA-Analiz, 7.5.2022, <https://tinyurl.com/3w7rz2wd> (Abruf 20.11.2024).

56

 Ebd.

57

 Francesco Siccardi, Understanding the Energy Drivers of Turkey’s Foreign Policy, Brüssel: Carnegie Europe, Februar 2024, <https://tinyurl.com/59j3vcey> (Abruf 26.1.2025).

58

 Vgl. Republic of Türkiye, Ministry of Foreign Affairs, »Türkiye’s International Energy Strategy« (online), <https:// www.mfa.gov.tr/turkeys-energy-strategy.en.mfa> (Abruf 28.10.2024); Siccardi, Understanding the Energy Drivers [wie Fn. 57]; Kerem Topuz, The Missing Piece in the Turkey’s Gas Hub Ambitions, Istanbul: Istanbul International Center for Energy and Climate (IICEC)/MNCM Consulting, Juni 2019, <https://tinyurl.com/mvwh4avc> (Abruf 28.10.2024).

59

 Siccardi, Understanding the Energy Drivers [wie Fn. 57].

60

 Republic of Türkiye, Ministry of Foreign Affairs, »Türkiye’s International Energy Strategy« [wie Fn. 58]. Für einen aktuelleren Überblick über Gaslieferungen via Türkei nach Europa und zur Rolle des Landes als Gashub siehe Josephine Bollinger-Kanne, »Türkei bietet Gas aus dem Osten«, in: VDI Nachrichten, 7.2.2025.

61

Unlocking Green Finance in Turkey, Washington, D.C.: World Bank, 2022, <https://openknowledge.worldbank.org/ handle/10986/40248> (Abruf 18.6.2025).

62

Cumhurbaşkanlığı Strateji ve Bütçe Başkanlığı [Präsidial­amt für Strategie und Haushalt], »Mittelfristiges Programm (2024–2026)« (türkisch), Ankara 2023, <https://tinyurl.com/mr3sf5zn> (Abruf 18.6.2025).

63

T.C. Ticaret Bakanlığı [Handelsministerium der Republik Türkei], »Green-Deal-Aktionsplan 2021« (türkisch), <https://tinyurl.com/4y7c2xf8> (Abruf 18.6.2025).

64

 Ahmet Atıl Aşıcı, »Eine vorläufige Analyse des türkischen Emissionshandelssystems« (türkisch), Istanbul: Istanbul Policy Center, Februar 2024, <https://tinyurl.com/5jxen9rt> (Abruf 18.6.2025).

65

 Enerji ve Tabii Kaynaklar Bakanlığı [Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen], »Nationaler Aktionsplan für Energieeffizienz« (türkisch), Ankara, 24.12.2024, <https://tinyurl.com/2kpwyukp> (Abruf 18.6.2025).

66

 Vgl. Katrin Pasvantis, »Türkei – Auf dem Weg zu Netto-Null«, in: Germany Trade and Invest, 4.9.2023.

67

 Fatin Durukan, »Türkiye’s Perspective on the EU Green Deal«, in: Marc-Antoine Eyl-Mazzega/Diana-Paula Gherasim (Hg.), The EU Green Deal External Impacts. Views from China, India, South Africa, Türkiye and the United States, Paris: Institut français des relations internationales (IFRI), 2024 (IFRI-Studies), S. 39–46 (39).

68

 Vgl. »Turkish Sustainability Reporting Standards«, Climate Change Laws of the World, 2023, <https://climate-laws.org/document/turkish-sustainability-reporting-standards_d934>.

69

 Vgl. Republik Türkei, Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen, »Strategie und Fahrplan für Wasserstofftechnologie in der Türkei« (türkisch), <https://tinyurl.com/mrxrn25h> (Abruf 18.6.2025).

70

 Republic of Turkey, Ministry of Environment, Urbanization and Climate Change, »Nationally Determined Contribution« (online), <https://tinyurl.com/3mwsxnzf>, Lukas Knigge, »Neues NDC der Türkei: 34 Prozent mehr Emissionen«, Table Briefings, 21.11.2022, <https://tinyurl.com/nhch9crh> (Abruf 14.4.2025); Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, »Nationale Klimabeiträge« (online), <https://tinyurl.com/4f4sb6zy> (Abruf 12.2.2025).

71

 »Warnung von TÜSİAD: Bei der Aktualisierung der Zollunion darf keine Zeit verloren werden« (türkisch), in: Ekonomi Gazetesi, 2.12.2024, <https://tinyurl.com/524s5bdp> (Abruf 2.12.2024).

72

 »Turan: Wiederbelebung der Beziehungen trägt zur strategischen Autonomie Europas bei« (türkisch), in: Ekonomim, 2.6.2023, <https://tinyurl.com/3rp7zkmu> (Abruf 2.12.2024).

73

 Ebd.; Leveraging Global Value Chains for Growth in Turkey [wie Fn. 41], S. 31.

74

 Der CO2-Grenzausgleichsmechanismus der EU (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) sieht für Importe in die EU einen CO2-Preis vor. Damit will die EU gleiche Wett­bewerbsbedingungen für europäische und außereuropäische Hersteller schaffen.

75

 Republic of Türkiye, Ministry of Environment, Urbanization, and Climate Change et al., »Potential Impact of the Carbon Border Adjustment Mechanism on the Turkish Economy«, Ankara, März 2023, <https://tinyurl.com/2uhszeec> (Abruf 18.6.2025).

76

 Vgl. hierzu Dimitris Tsarouhas, Turkey’s ›Green‹ Trans­formation and the CBAM: Challenges and Opportunities, Athen: Hellenic Foundation for European & Foreign Policy (ELIAMEP), Juli 2024 (Policy Paper Nr. 165/2024).

77

 Vgl. OEC, »OEC World, Germany/Turkey« [wie Fn. 28].

78

 Yaşar Aydın/Jens Bastian, »Dynamiken der deutsch-türkischen Wirtschaftskooperation«, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2023 (SWP-Aktuell 64/2023). Interview des Autors mit Akteuren aus der Wirtschaft.

79

 Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK)/ Deutsche Auslandshandelskammern (AHK), AHK World Business Outlook Herbst 2023, Berlin, November 2023.

80

 Die letzte systematische Studie zu diesem Thema aus dem Jahr 2017 kommt zu dem Ergebnis, dass eine Aus­weitung der Zollunion auf unverarbeitete Agrargüter und Dienstleistungen deutliche Wohlfahrtsgewinne für die tür­kische Wirtschaft mit sich bringen könnte. Demnach würde das BSP um 1,84 Prozent, die Exporte in die EU könnten um nahezu 70 Prozent steigen. Eine neue Bewertung ist erforder­lich. Bundesverband der Deutschen Indus­trie e.V. (BDI), Modernisierung der Zollunion EU-Türkei, Berlin, Januar 2017, <https://tinyurl.com/mttwp2ry> (Abruf 2.12.2024).

81

 So äußerte sich ein Referent aus dem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beim Interview im November 2023.

82

 »Deutscher Botschafter: Einige Unternehmen zögern, in der Türkei zu investieren« (türkisch), in: Ekonomim, 10.2.2024, <https://tinyurl.com/4ad59j6w> (Abruf 13.3.2024).

83

 Merve Yiğitcan, »TÜSİAD-Präsident Orhan Turan: Ohne Recht kann der Erfolg nicht von Dauer sein« (türkisch), in: Ekonomim, 29.11.2024, <https://tinyurl.com/bsmb2wkn> (Abruf 2.12.2024).

84

 Amir Alizadeh, »Bulgarien – der Nearshoring-Hotspot?« (online), IHK Region Stuttgart, <https://tinyurl.com/4a9n6czz> (Abruf 19.11.2024).

85

 Im Rahmen dieser Studie wurden 16 semistrukturierte Experteninterviews mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft, der EU-Bürokratie und Interessensverbänden geführt. Die Gespräche fanden zwischen November 2023 und Mai 2024 in Berlin, Istanbul, Ankara und Brüssel statt. Verweise auf diese Interviews sind anonymisiert.

86

 Durukan, »Türkiye’s Perspective on the EU Green Deal« [wie Fn. 67], S. 40.

87

 Ayşegül Kayaoğlu, Auf dem Rücken von Tränen und Schweiß: Syrer in der türkischen Textilindustrie, Bonn: Bundes­zentrale für politische Bildung, 18.10.2023, <https://tinyurl.com/yrumteck> (Abruf 13.2.2025).

88

  EYS OSGB [Gemeinsame Gesundheits- und Sicherheitseinheit], »Was ist Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz?« (türkisch), <https://eysosgb.com/isg/> (Abruf 18.6.2025).

89

 So die Einschätzung vieler Wirtschaftsakteure, die im Rahmen der Studie interviewt wurden.

90

 Mehr dazu vgl. Nora Aboushady et al., »The European Supply Chain Law Is Coming after All – What Can We Make of the Compromise?«, Research Network Sustainable Global Supply Chains, 28.6.2024, <https://tinyurl.com/ycxrej4z> (Abruf 25.1.2025).

91

 Thijs Willaert, »Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) beschlossen – Was Unternehmen berücksichtigen sollten«, DQS in Deutschland, 15.6.2021, <https://tinyurl.com/#233wwx4f> (Abruf 12.2.2025).

92

 Vgl. United Nations Guiding Principles on Business and Human Rights, Neu-Delhi: UNDP India, 2011, <https://tinyurl.com/4esr9pns>; OECD-Leitfaden für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln, Paris 2018, <https://tinyurl.com/3bxkk3uh> (Abruf 21.10.2024).

93

 An der EU-Lieferkettenrichtlinie wird kritisiert, dass ihre Anforderungen nicht umfassend seien und viele Unternehmen unter den Schwellenwert fielen. Akteure aus Industrie- und Wirtschaftskreisen hingegen befürchten internationale Wettbewerbsnachteile. Unionsfraktion und FDP-Fraktion forderten, das Lieferkettensorgfaltspflichten­gesetz aufzuheben. Vgl. Deutscher Bundestag, »Initiative zur Aufhebung des Lieferkettengesetzes beraten«, Berlin, 14.6.2024, <https://tinyurl.com/46f3yav6> (Abruf 25.1.2025).

94

 Tsarouhas, »Turkey’s ›Green‹ Transformation« [wie Fn. 76].

95

 Vgl. Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer (Hg.), Türkei. Windenergie. Zielmarktanalyse 2022 mit Profilen der Marktakteure, Istanbul u.a., Januar 2022; »Türkisch-Deutsches Energieforum – gemeinsam für die Energie­wende«, Berlin: Bundesverband eMobilität e.V., 6.12.2024, <https://tinyurl.com/bdcubk38> (Abruf 8.12.2024), The Turkish-German Energy Partnership, »6th Turkish-German Energy Forum«, 27.11.2024, <https://tinyurl.com/3mcs9zsw> (Abruf 12.2.2025).

96

 »Riesenpotenzial am Bosporus: Wie entwickelt sich die türkische Energiewirtschaft?«, H Zwei. Das Wasserstoff-Magazin von Gentner, 4.12.2023, <https://tinyurl.com/2njhn6nw> (Abruf 18.6.2025).

97

 Sebastian Henßler, »Milliardendeal: BYD investiert in türkische E-Auto Fabrik [sic!]«, Elektroauto-News, 9.7.2024, <https://tinyurl.com/4vpcbn7c> (Abruf 12.2.2024).

98

 Egeli et al., »Adapting Security« [wie Fn. 27], S. 4, 18, 22f.

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