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EU-Mercosur-Abkommen: Mehr Partnerschaft für Nachhaltigkeit statt Unilateralität

Kurz gesagt, 10.03.2023 Forschungsgebiete

Das EU-Mercosur-Abkommen wartet seit mehr als drei Jahren auf einen Abschluss. Einigen EU-Staaten gehen die Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht weit genug. Unilaterale Ansätze der EU wie die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten können helfen – bergen aber Risiken, meinen Bettina Rudloff und Tobias Stoll.

Nach rund zwanzig Jahren Verhandlungen einigten sich die EU und die Mercosur-Staaten 2019 auf ein gemeinsames Handelsabkommen – abgeschlossen ist es aber bis heute nicht. Grund der blockierenden Länder war, dass der damalige brasilianische Präsident Jair Bolsonaro die großflächigen Brandrodungen im Amazonasgebiet nicht unterband. Doch seit dem Amtsantritt des neuen Regierungschefs Luiz Inácio »Lula« da Silva wächst die Zuversicht auf einen schnellen Abschluss.

Eine Kernfrage mit Blick auf das Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten, also Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, aber bleibt: Ist Handel ohne Entwaldungsrisiko möglich? Der Zivilgesellschaft und einigen EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und Österreich reichen die bisherigen Klauseln im Entwurf nicht, weil sie nicht durchsetzbar sind. Sie fordern wirksame Vorkehrungen gegen Entwaldung und Waldschädigung, die auch dann Bestand haben, wenn sich der landwirtschaftliche Nutzungsdruck verstärkt – nicht zuletzt wegen der durch das Abkommen geschaffenen Exportchancen. Wirksame Sanktionen sind dabei ein Schlüsselelement – aber nur schwer zu realisieren, da Änderungen im aktuellen Abkommenstext aufwendig sind.

Einen Hebel bietet hier die neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten. Sie soll im Frühjahr beschlossen werden und Ende 2024 in Kraft treten. Danach dürfen auf dem europäischen Markt bestimmte Produkte wie Rindfleisch, Soja, Kaffee und Palmöl nur noch angeboten werden, wenn sie ohne Entwaldung oder Waldschäden erzeugt worden sind. Maßgeblich dafür ist, dass sie nicht von Flächen stammen, die nach Ende 2020 abgeholzt worden sind. Eine zukünftige Erweiterung der Produktpalette und zu schützender Ökosysteme ist möglich.

Die Verordnung schafft Sorgfaltspflichten. Europäische Unternehmen werden keine Rohstoffe oder Produkte mehr kaufen, wenn sie nicht sicher sein können, dass sie den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Das kommt in der Wirkung einer Sanktion sehr nahe.

Unilaterale EU-Verordnungen senken die Attraktivität für das Abkommen

Es aber allein bei dem Verweis auf die Verordnung zu belassen, würde das Potential eines Zusammenspiels von Abkommen und Verordnung kaum ausschöpfen. In ihrer Mitteilung »Die Macht von Handelspartnerschaften: gemeinsam für ein grünes und gerechtes Wirtschaftswachstum« von 2022 nennt die Kommission wirksame Sanktionen als letztes Mittel der Durchsetzung, hebt aber auch die Bedeutung der partnerschaftlichen Kooperation und einer Verknüpfung von Handelsabkommen mit unilateralen Maßnahmen hervor.

Zu einem solchen kooperativen Ansatz besteht auch angesichts des EU-Mercosur-Abkommens Anlass, da die Verordnung bei den Erzeugerstaaten ernsthafte Bedenken hervorgerufen hat. Sie müssen erhebliche Anstrengungen unternehmen, um der Entwaldung durch effektive Durchsetzung der eigenen Gesetze Einhalt zu gebieten. Abgesehen davon, dass die EU damit einseitig Anforderungen und Vorgaben definiert, erfordern Exporte in die EU durch die neue Verordnung erhebliche Investitionen in Zertifizierung und Logistik. Sie stellen gerade kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch bäuerliche Erzeugerinnen und Erzeuger in Zulieferländern vor große Herausforderungen. Und nicht zuletzt können unilaterale Vorgaben den Anreiz für ein Handelsabkommen senken, zumindest für darin enthaltene Nachhaltigkeitspflichten.

Partnerschaftliche Roadmap für Nachhaltigkeit

Hier könnte eine Kooperation zur Umsetzung von Abkommen und Verordnung ansetzen, die im Rahmen einer Roadmap Ziele, Maßnahmen und entsprechende Unterstützung mit einem konkreten Zeitplan verbindet. Im Falle des EU-Mercosur-Abkommens könnte sie als Zusatz vereinbart werden, die von Beginn an eine spätere Erweiterung um zusätzliche Produkte zulässt, wie es nach der Verordnung ebenfalls möglich ist. Dies wäre für Zuckerrohr und Mais denkbar, für die der im Abkommen eröffnete höhere europäische Marktzugang eine mögliche entwaldungsriskante Produktionsausweitung mit sich bringt.

Ähnliche Kooperationen wären nachträglich für schon in Kraft getretene Handelsabkommen und umgekehrt als Anreiz für zukünftige Abkommen möglich. Sie sind sowohl bei Handelsabkommen als auch unilateralen Maßnahmen und deren Vernetzung der EU zukunftsweisend. Nicht nur, weil sie den Abschluss neuer und die Implementierung bestehender Handelsabkommen wesentlich fördern können. Sondern auch, weil mit der schon länger bestehenden Holzhandelsverordnung und der geplanten Regelungen zu Sorgfaltspflichten von Unternehmen der Bedarf nach einer partnerschaftlich-kooperativen Begleitung von unilateralen Maßnahmen noch zunehmen werden.

Ob Zugang zu Märkten, Diversifizierung im Handel oder Geostrategie – die EU bemüht sich nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen nach dem russischen Angriff auf die Ukraine um neue Handelsbeziehungen. Dabei darf sie ihre Nachhaltigkeitsziele nicht aus den Augen verlieren, muss aber für Partner attraktiv bleiben. Das Abkommen mit den Mercosur-Staaten bietet dafür eine gute Gelegenheit.