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Die Krisengovernance der Europäischen Union

Mehr Verantwortung braucht mehr demokratische Legitimation

SWP-Studie 2023/S 04, 24.04.2023, 37 Seiten

doi:10.18449/2023S04

Forschungsgebiete

Dr. Nicolai von Ondarza ist Leiter der Forschungsgruppe EU / Europa.

  • Die EU hat seit 2010 in einer Reihe sich überlappender Krisen weit­reichende Instrumente in- und außerhalb der EU-Verträge eingeführt, die ihre Verantwortlichkeiten ausgeweitet haben. Diese Instrumente haben oft strukturbildenden Charakter und / oder dienen als Präzedenz­fälle in nachfolgenden Krisen.

  • Analysiert man die Entscheidungsprozesse zu drei zentralen Krisen­instru­menten während der Covid‑19-Pandemie – zur Impfstoffbeschaffung, dem Kurzarbeitsgeld-Programm SURE und dem Wiederaufbaufonds NGEU –, zeigen sich Defizite in der demokratischen Legitimation der EU‑Krisengovernance.

  • Der bei allen drei Kriseninstrumenten genutzte ›Notstandsartikel‹ 122 AEUV schließt eine Beteiligung des Europäischen Parlaments weitgehend aus. Da NGEU mit dem regulären EU-Finanzrahmen verknüpft wurde, wurde das EP zwar beteiligt, politisch von den Mitgliedstaaten im Rat aber trotz­dem an den Rand gedrängt.

  • Weil reguläre EU-Verfahren genutzt wurden, war der Deutsche Bundestag in allen drei Fällen stets informiert und konnte sich sogar umfangreichere Informationsrechte sichern als das EP. Das kann eine europäische parlamentarische Kontrolle aber nicht ersetzen.

  • Was die Handlungsfähigkeit in den Entscheidungsprozessen angeht, ermög­lichte Artikel 122 AEUV mit Mehrheitsentscheidungen bei der Impfstoff­beschaffung und SURE sehr schnelle Entscheidungen, nicht aber bei NGEU. Dieser eignet sich daher nicht als Vorbild für Kriseninstrumente.

  • Deutliche Mängel gibt es bei der Transparenz der Entscheidungsprozesse und der Zuordnung von politischer Verantwortung.

  • Kurzfristig sollte die EU die Transparenz bei Kriseninstrumenten erhöhen, langfristig eine klare Notstandsdefinition mit entsprechenden Begrenzun­gen in den EU-Vertrag aufnehmen und dabei die Rolle des EP stärken.

Problemstellung und Empfehlungen

Die Europäische Union (EU) befindet sich seit mehr als einem Jahrzehnt im ›Krisenmodus‹: Von der Euro­krise und der sogenannten Flüchtlingskrise über den Brexit und das Ringen um die Rechtsstaatlichkeit bis zur Bewältigung der Covid‑19-Pandemie und dem russi­schen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der Krisenmodus zum Normal­zustand der europäischen Politik geworden. Unter dem Druck dieser Krisen hat die Union weitreichende Entscheidungen getroffen und neue Instrumente ein­geführt, die zumindest ex­plizit in den EU-Verträgen so nicht vorgesehen waren.

Doch je länger der Krisenmodus anhält und umso tiefgreifender und dauerhafter die Integrationsschritte zur Bewältigung einer Krise sind, desto mehr stellt sich die Frage nach ihrer demokratischen Legiti­mation. Dies gilt besonders für die EU, da ihr poli­ti­sches Sys­tem im Werden begriffen ist und Krisen­instrumente oft strukturbildend sind und / oder bei kommenden Krisen als Präzedenzfälle herange­zogen werden.

Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Studie an drei Fallbeispielen Entscheidungen zur Schaf­fung neuer EU-Instrumente während der Covid‑19-Pandemie, und zwar mit Blick auf die demokratische Legitimation: Dies ist erstens die gemeinsame Impf­stoff­beschaffung, mit der die EU erstmals im Gesund­heits­sektor die Verantwortung für Einkauf, Verteilung und Verfügbarkeit eines Medikaments übernom­men hat, das für die öffentliche Gesundheit, aber indirekt ebenso für die wirtschaftliche Erholung zent­ral war. Das zweite Beispiel ist das Instrument zur Unterstützung von Kurzarbeitergeld-Programmen (SURE), das die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pande­mie eindämmen sollte. Mit ihm hat die EU die Mit­glied­staaten mit 100 Milliarden Euro unterstützt. Noch wesentlich umfangreicher ist das dritte Instru­ment, der Wiederaufbaufonds Next Generation EU (NGEU), mit über 800 Milliarden Euro und teils direkten Zu­schüssen für die Mitgliedstaaten. Trotz Unterschieden waren alle drei Instrumente zumindest rechtlich als zeitlich begrenzte Krisenmaßnahmen definiert.

Die politische Bedeutung dieser Instrumente auch für die Ent­wicklung der EU jenseits der Pandemie hat sich 2022/23 in der Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gezeigt. So beruhten alle drei Instrumente auf einer vorher so gut wie nie genutzten Notstandsklausel in Artikel 122 des Ver­trags über die Arbeitsweise der EU (AEUV). Diese wurde 2022 erneut mehrfach angewendet, etwa um nach dem Vorbild der Impfstoffbeschaffung gemeinsame Gaseinkäufe zu ermöglichen oder Vor­gaben zur Ein­sparung von Gas und Strom zu ver­abschieden. Gleich­zeitig wird in der EU diskutiert, ob neue Instru­mente nach dem Vorbild von SURE ein­geführt wer­den soll­ten, um die finanziellen Folgen des russischen Krieges gegen die Ukraine zu bewäl­tigen. Bereits entschieden wurde, nach dem Muster der Impfstoff­einkäufe gemein­sam Munition für die Ukraine zu beschaffen. Schon jetzt prägen die Erfahrungen aus der Covid-Pandemie also die Handlungs­erwägungen der EU-Akteure.

Dabei ergibt die vergleichende Analyse, dass bei allen drei Fallbeispielen Defizite in der demokratischen Legitimation zu konstatieren sind. Dennoch ist zu bemerken, dass anders als etwa in der Eurokrise die hier betrachteten Instrumente über Verfahren innerhalb der EU-Architektur geschaffen wurden und damit ein Mindestmaß an Beteiligung von Europäischem Parlament (EP), nationalen Parla­menten und EU-Kommission gewährleistet war. In den einzelnen Ent­scheidungsprozessen wurde diese Input-Legiti­mation vor allem über die starke Rolle der nationalen Regierungen sichergestellt, während das EP weder Mitbestimmungs- noch Kontrollrechte hatte (Impfstoffbeschaffung, SURE) bzw. politisch an den Rand gedrängt wurde (NGEU). Diese Exekutiv­lastigkeit konnte auch durch eine formelle Beteiligung des Deutschen Bundestags nur bedingt ausgeglichen wer­den. In Bezug auf Output-Legitimation kann im Rahmen dieser Studie ausschließlich die Handlungsfähigkeit in den Entscheidungsprozessen untersucht werden, nicht aber die Wirksamkeit der Instrumente an sich. Hier erlaubte die in allen drei Fällen ge­wählte Rechtsgrundlage sogar Mehrheitsentscheidungen und damit insbesondere bei der Impfstoffbeschaffung und SURE eine sehr schnelle Entscheidungsfindung, das heißt innerhalb weniger Wochen. Bis NGEU verabschiedet wurde, dauerte es aufgrund der Verknüpfung mit dem mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) und der Notwendigkeit nationaler Zustimmungsverfahren deutlich länger. Somit ist NGEU wegen des Entscheidungsprozesses nicht als Vorbild für kurzfristige Krisen­instrumente geeignet. Nicht zuletzt lassen alle drei Prozesse ein hohes Maß an Intransparenz er­ken­nen, bedingt durch den Fokus auf den Rat, die man­gelnde Transparenz der Kommission, wenn sie neue exeku­tive Aufgaben wahrnahm, und die Unklar­heit, wer jeweils politisch verantwortlich ist.

In Anbetracht des Präzedenzcharakters dieser neuen Instrumente sollte die EU also die demokratische Legi­timation ihrer Krisengovernance stärken, um einer schleichenden Kompetenzausweitung vorzubeugen, die nicht hinreichend legitimiert wäre. Langfristig ist zu empfehlen, dass die Union bei der nächsten Vertrags­änderung das Ausrufen und die zusätzlichen Kom­petenzen der EU-Institutionen im Krisenfall definiert, wie es in den meisten nationalen Verfassungen üb­lich ist. Dabei sollte der Krisenfall zeitlich begrenzt, das Europäische Parlament beteiligt und unter Bei­behaltung der notwendigen Flexibilität die Möglichkeiten der Exekutive eingeschränkt werden. Hierfür wäre unter anderem festzulegen, wie das EP beteiligt wird, wenn Artikel 122 AEUV zur Anwendung kommt, der sich in den Krisen seit 2020 zum neuen ›Allzweckinstrument‹ der EU entwickelt hat. Bei ande­ren Entscheidungen während der Covid‑19-Pandemie hat das EP bewiesen, dass es unter Nutzung von Dring­lichkeitsverfahren durchaus in der Lage ist, rasche Entscheidungen zu treffen, die dann durch parlamentarische Debatte und Mitbestimmung legitimiert sind.

Eine zweite Lehre ist, dass Artikel 122 AEUV in Bezug auf die Handlungs­fähigkeit bereits ein sehr gutes Kriseninstrument darstellt, weil er Mehr­heits­entschei­dungen gestattet. Der Vergleich von SURE und NGEU zeigt indes ebenso, dass die Verknüpfung von Letz­terem mit dem MFR und seinen langwierigen Verfah­ren diese Flexibilität erheblich reduziert hat. Daher wäre es wünschenswert, bei der Weiterentwicklung der Kriseninstrumente der EU auf weitere Einschränkungen in Form nationaler Zustimmungsverfahren zu verzichten.

Auch unterhalb der Schwelle von Vertragsänderungen, die frühestens im Laufe der nächsten Jahre zu verwirklichen sind, sollten die EU und die deut­sche Europapolitik auf eine bessere demokratische Legi­timation von Krisenentscheidungen hinarbeiten. Hand­lungsmöglichkeiten gibt es zum Beispiel bei der Pro­zess-Legitimation. Ratsam ist eine größere Trans­parenz in den Entscheidungsverfahren und in der Um­­setzung, insbesondere wenn hohe Summen euro­pä­ischer Gelder im Spiel sind, wie etwa bei der Impf­stoffbeschaffung. Mehr Transparenz muss mit mehr politischer Verantwortung einhergehen. Dies würde ebenfalls eine höhere politische Verantwortlichkeit bei Fehlentschei­dungen bedeuten – denn EU-Ak­teure, die in der Krise mehr Verantwortung über­neh­men, sollten diese auch politisch tragen.

Der gestiegene Bedarf demo­kratischer Legitimation der EU

Die Frage nach der ausreichenden demokratischen Legitimation gehört zu den Grundsatzdebatten der Europäischen Union und muss bei jeder Ausweitung von EU-Zuständigkeiten neu diskutiert werden. Zwar hat die EU seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags im Jahr 2009 keine größere Vertrags­reform mehr durchgeführt, unter dem Eindruck der verschie­denen Krisen ihre Verantwortlichkeiten jedoch im­mer weiter ausgedehnt. Seit 2010 hat sie dabei fast durchgängig im Krisenmodus mit zum Teil mehreren parallelen Krisen operiert: Wirtschafts- und Finanzkrise, Eurokrise und ›Flüchtlingskrise‹, Ukraine-Kon­flikt (ab 2014) und russischem Krieg gegen die Ukra­ine (ab 2022), Brexit, Rechtsstaatskrise, Covid‑19-Pandemie und schließlich dauerhaft der Klimakrise.

Solche weitreichenden Entscheidungen bedürfen einer entsprechenden demokratischen Legitimation. In Deutschland wurde mehrfach vor dem Bundes­verfassungsgericht verhandelt, inwieweit die Sonder­instrumente, welche die EU und ihre Institutionen zur Eindämmung insbesondere der Eurokrise geschaf­fen haben, mit den Kompetenzen der EU vereinbar und auf EU-Ebene wie auf nationaler Ebene ausreichend parlamentarisch legitimiert sind. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2022 geurteilt, dass der Eigenmittelbeschluss zum Wieder­aufbaufonds verfassungsgemäß war, unter anderem weil dieser zeitlich und im Umfang begrenzt und mit der Notlage der Pandemie als Kriseninstrument begründet war.1

Auch die Bevölkerung bewertet die EU anhand ihrer Fähigkeit, angemessen und erfolgreich auf Krisen zu reagieren. So wirkten sich in den letzten Jahren die Euro- und die Flüchtlingskrise bei den Euro­barometer-Befragungen zur Zufriedenheit mit der EU europaweit maßgeblich aus; vornehmlich in stark betroffenen Staaten wie Italien sank die Zustim­mung zur EU teils dramatisch. In Deutschland hat im ersten Halbjahr 2021 das – im Vergleich zu Israel, den USA und vor allem zum Ex-EU-Mitglied Vereinigtes Königreich – langsamere Tempo bei der Impfstoff­beschaffung dazu geführt, dass das Vertrauen in die Union temporär einbrach. Beispielsweise war in Um­fra­gen die Skepsis gegenüber den EU-Institutionen im April 2021 höher als irgendwann sonst in den letz­ten zehn Jahren, höher also als während der Euro- oder der Flüchtlingskrise.2

Mit dem Ankauf und der Verteilung von Impfstoffen in einer Pandemie hat die EU auch eine neue poli­tische Verantwortlichkeit übernommen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Beschaffung zunächst stockte – und damit ganz konkret Menschenleben, soziales Leben und wirtschaftliche Erholung in Gefahr gerieten. In einer Demokratie beinhaltet politische Verantwortlichkeit, dass die Bürgerinnen und Bürger die politisch Verantwortlichen bei der nächsten Wahl durch ihr Votum belohnen oder sanktionieren kön­nen und dass im Zweifelsfall Entscheidungsträgerinnen und ‑träger durch Rücktritt Konsequenzen ziehen und sich ihrer politischen Verantwortung stellen. Doch Rücktritte oder eine klare Übernahme politischer Ver­antwortung bei der Impfstoffbeschaffung sind auf EU-Ebene ausgeblieben. Das Gleiche gilt für die Euro- oder die Flüchtlingskrise und die damit verbundenen Entscheidungen der EU.3

Für das weitere Funktionieren der Union stellt sich daher übergeordnet die Frage, welche zentralen Merk­male sich in ihren Entscheidungsprozessen zur Be­wäl­tigung der Krisen des letzten Jahrzehnts heraus­gebildet haben. Inwieweit waren die krisengetriebenen Sondermaßnahmen der EU in Reaktion auf die Covid‑19-Pandemie demokratisch legitimiert? Welche Reformen sollten ins Auge gefasst werden, um die demokratische Legitimation von Entscheidungen, die die EU im Rahmen ihrer ›Krisen­governance‹ fällt, zu stärken? Letzteres ist umso wichtiger in einer EU, in der der Krisenfall zum Normalfall geworden ist und der Druck, in einer Krise adäquat zu reagieren, groß bleibt.

Dimensionen demokratischer Legitimation der EU

Um die demokratische Legitimation der Krisengovernance der EU zu bewerten, werden drei Dimensionen betrachtet. Die öffentliche wie die wissenschaftliche Debatte über die demokratische Legitimation von EU-Entscheidungen hat eine lange Geschichte. Spätestens seit dem ersten negativen Referendum zu einem EU-Vertrag (Vertrag von Maastricht, 1992 in Dänemark) gilt der permissive Konsens zur europäischen Integ­ration als beendet. Obgleich die EU selbst kein Staat ist, haben ihr die Mitgliedstaaten im Laufe der Zeit so weit­reichende Kompetenzen übertragen, dass sie einen maßgeblichen Beitrag zur Bereitstellung öffent­licher Güter leistet. Dabei gehen ihre Entscheidungen weit über regulative Effekte hinaus und haben sowohl eine unmittelbare als auch eine distributive Wirkung. Obwohl die EU seit Maastricht bei jeder Vertragsänderung Reformen unternommen hat, um ihre demo­kra­tische Legitimation zu stärken, wird ihr schon unter regulären Bedingungen ein demokratisches Defizit attestiert.4

Zudem ist die Tiefe der europäischen Integration mittlerweile eine in allen Mitgliedstaaten umstrittene Frage, was dazu beigetragen hat, dass EU-skep­tische bis hin zu Anti-EU-Parteien entstanden sind bzw. an Einfluss gewinnen. Seine deutlichste Ausprägung hat dies im Votum der britischen Bevölkerung für den EU-Austritt gefunden, aber auch im Europäischen Parlament haben EU-skeptische Parteien etwa ein Viertel der Sitze inne. Auf nationaler Ebene sind sie in den meisten nationalen Parlamenten vertreten und an mehreren nationalen Regierungen beteiligt – oder führen diese sogar an.

In der Debatte über die demokratische Legitimation und das ›demokratische Defizit‹ der EU stehen laut Fritz Scharpf drei Dimensionen im Vordergrund. Die erste ist die Input-Legitimation, gemäß dem Prinzip »government by the people«, die auf dem Grundsatz beruht, dass kollektiv bindende Entscheidungen in einem politischen System auf die Präferenzen der Re­gier­ten zurückzuführen sein sollten, entweder über direkte Demokratie oder die repräsentative Demokratie mit allgemeinen und freien Wahlen.5

Die EU nimmt für sich selbst in Anspruch, nach den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie zu ar­beiten (Art. 10 EU-Vertrag). Anders als auf nationaler Ebene fußt diese Repräsentation auf zwei unterschied­lichen Strängen: Auf der einen Seite sind die Bürge­rinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten. Auf der anderen Seite werden die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat von ihrem jeweiligen Staats- oder Regierungschef bzw. ihrer ‑chefin vertreten, ebenso wie durch ihre jeweilige Regie­rung im Rat der EU. Diese sind über ihr jeweiliges Parlament oder per Direktwahl demo­kra­tisch legitimiert. Allerdings verliert die demokratische Binde­wirkung über die nationalen Regierungen an Kraft, wenn durch Mehrheitsentscheidungen ein­zelne Staaten im Rat der EU überstimmt werden können.

Mit Blick auf die Input-Legitimation soll deshalb herausgearbeitet werden, inwieweit bei den besonderen Entscheidungsverfahren der EU-Krisen­governance die Beteiligung der beiden Stränge gewährleistet wird. Zum einen wird also untersucht, inwieweit das EP formell und macht­politisch an den entsprechenden Entscheidungen mitgewirkt hat oder diese zumindest kontrollieren konnte. Zum anderen wird analysiert, welche Entschei­dungsverfahren im Europäischen Rat sowie im Rat der EU angewendet wurden, aber auch inwieweit diese Entscheidungen auf nationaler Ebene gesichert wurden, das heißt in Deutschland durch entsprechende Unterrichtung und / oder Beteiligung des Bundestags und gegebenenfalls je nach deutscher Kompetenzverteilung des Bundesrats.

Oft in Kontrast gesetzt zur Input-Legitimation wird die Output-Legitimation von EU-Entscheidungen. Gemäß dem Prinzip »government for the people« sollen kol­lektiv bindende Entscheidungen dem gemeinsamen Inter­esse dienen und öffentliche Güter bereitstellen. Ein politisches System gewinnt demzufolge an Legi­ti­mation, wenn es Probleme und Herausforderungen besser löst als seine Alternativen. Dies trifft im Beson­deren auf ein Mehrebenensystem wie die EU zu, in dem entsprechend dem Prinzip der Subsidiarität auch immer wieder die Frage gestellt werden muss, ob es einen besseren Handlungsrahmen bildet als die natio­nale und die regionale Ebene oder alternative Formen internationaler / europäischer Kooperation. Voraus­setzung für die Output-Legitimation ist einerseits, dass die EU handlungsfähig ist, sodass sie effektiv regieren kann, mit möglichst wenig Vetospielern sowie Ver­fahren, die eine wirksame Umsetzung von Beschlüssen erlauben. In der politischen Theorie kann effek­ti­ves Regieren im gemeinsamen Interesse demnach ein Stück weit Defizite in der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger beim Zustande­kommen dieser Beschlüsse aufwiegen. Andererseits, so Scharpf, gehört zur Output-Legitimation ebenfalls, dass die Interessen der Min­derheit durch institutionelle Mechanismen vor einer Dominanz der Mehrheit geschützt werden, etwa durch einen Grundrechtsschutz, Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz.6

Traditionell ist die Legitimation der EU stärker auf Output- denn auf Input-Elemente aufgebaut. Ihr Grün­dungsnarrativ beruht auf der Bereitstellung zweier zentraler öffentlicher Güter, dem Frieden zwischen ihren Mitgliedstaaten und der Wohlfahrt, die der gemeinsame Markt verspricht. Angesichts bestehender Defizite beim Wahlrecht für die Europawahlen, der oft nur begrenzten Beteiligung des Europäischen Parlaments und der Distanz zwischen nationaler Poli­tik und ihren europäischen Entscheidungen bleibt die Output-Legitimation bis heute für die EU ein be­deutender Faktor. Dies gilt umso mehr in Krisenzeiten, wenn zeitkritische und effektive Entscheidungen getroffen werden müssen.

Bei der Analyse der Output-Legitimation der EU-Krisengovernance im Rahmen dieser Studie soll je­doch nicht die Wirksamkeit der Beschlüsse der EU an sich bewertet werden – dies wäre eine ganz eigene Unter­suchung –, sondern nur der Teilaspekt, inwieweit die Entscheidungsverfahren die EU befähigt haben, in einer Krise effektiv Beschlüsse zu treffen. Hierunter fallen namentlich die Handlungsfähigkeit der betei­lig­ten EU-Institutionen (Mehrheitsbeschlüsse vs. Ein­stim­migkeit), die Anzahl der an den Entscheidungsverfahren beteiligten Akteure sowie die Dauer der Verfahren.

In jüngerer Zeit werden Analysen über die demokra­tische Legitimation der EU um eine dritte Dimen­sion erweitert, die sogenannte Throughput- oder Prozess-Legi­ti­mation.7 Definiert als ›Qualität der Entscheidungs­pro­zesse‹, kann eine hohe Prozess-Legitimation gerade in einem Mehrebenensystem wie der EU bewirken, dass kollektiv bindende Entscheidungen akzeptiert wer­den. Anders als Input- und Output-Legitimation, die oft als Gegen­pole verstanden werden, kann eine hohe Prozess-Legitimation Mängel in der Input- oder Output-Legitimation nicht aus eigener Kraft ausgleichen; sie kann aber dazu beitragen, dass Beschlüsse auf allen Ebenen sowie bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf größere Akzeptanz stoßen.

Mit Blick auf die Krisengovernance sind vor allem zwei Kriterien für eine hohe Prozess-Legitimation rele­vant: erstens die Transparenz der Ent­scheidungen, insbesondere die Frage, inwieweit Medien, Bürgerinnen und Bürger oder zumindest deren parlamentarische Vertreterinnen und Vertreter Zugang zu EU-Ent­scheidungsprozessen haben. Hierzu zählen sowohl die Verhandlungen und die zugrunde liegenden Posi­tionen der beteiligten Akteure als auch etwaige Abstimmungsprozesse. Eine hohe Transparenz soll ge­währleisten, dass die Interessen der Bürgerinnen und Bürger auf nationaler Ebene tatsächlich von ihren Vertreterinnen und Vertretern auf EU-Ebene verfolgt werden. Gleichzeitig kann totale Transparenz nicht der Maßstab sein. Gerade im EU-Rahmen wird kon­tro­vers diskutiert, inwiefern eine zu große Transparenz etwa der Verhandlungen im Rat oder zwischen Rat, EP und Kommission in den Trilogen die Effektivität der Verhandlungen beeinträchtigen kann. Kritische Ent­scheidungen beispielsweise während der Eurokrise haben die Beteiligten primär im Europäischen Rat ver­traulich getroffen, auch um nicht vorher die Finanz­märkte zu beunruhigen.8 Bei der Analyse der Trans­parenz der EU-Krisengovernance soll daher herausgearbeitet werden, inwieweit selbst unter den Rahmenbedingungen von zum Teil existenziellen Krisen den Mindest­ansprüchen an Transparenz genüge getan worden ist bzw. werden kann.

Eng verbunden mit der Transparenz ist das zweite relevante Kriterium der Prozess-Legitimation: die poli­ti­sche Verantwortung in Entscheidungsprozessen. Poli­tische Ver­ant­wortung umfasst dabei Unterrichtungs­pflichten der Entschei­dungs­trägerinnen und ‑träger gegenüber einer Kontrollinstanz sowie die Möglichkeit, dass Letztere Handlungen sanktioniert oder un­ter­stützt. Eine solche Verantwortlichkeit kann gegen­über einem parlamentarischen Gremium be­stehen – wie etwa diejenige der nationalen Regierungen gegen­über ihren nationalen Parlamenten – oder gegenüber technischen Expertengremien, wie es zum Teil bei EU-Agenturen der Fall ist.9 Eine hohe Verantwortlichkeit soll somit politischen Fehlentscheidungen und Amtsmissbrauch vorbeugen und, bei Verantwortlichkeit gegenüber politischen Gremien, sicherstellen, dass die für die Input-Legitimation notwendige Kette von der Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger bis zu den politischen Beschlüssen tatsächlich gegeben ist. Die Analyse der EU-Krisengovernance schließt also mit der Frage ab, wem gegenüber die beteiligten Akteure verantwortlich sind.

Die flexible Ausweitung von EU-Verantwortlichkeiten in Krisenzeiten

Krisen sind Teil des Gründungsmythos der Europäischen Union. »Europa wird in Krisen geschmiedet, und es wird die Summe der zur Bewältigung dieser Krisen verabschiedeten Lösungen sein«,10 lautet die vielzitierte These Jean Monnets zu Krisen als einer der Triebkräfte europäischer Integration. An Krisen – zum Teil existenziellen – hat es der EU im letzten Jahrzehnt bekanntlich nicht gemangelt.11

Bei der Bewältigung dieser Krisen hat die EU ihre primärrechtlichen Verträge (mit einer kleinen Aus­nahme)12 unangetastet gelassen, aber in einer Reihe von Beschlüssen ihre politischen Tätigkeiten substan­ziell ausgeweitet. Dies ist nicht immer in Form von EU-Rechtsakten geschehen, sondern mitunter in Tei­len oder gänzlich entweder über intergouvernemen­tale Koordinierung und / oder völkerrechtliche Ver­träge außerhalb ihres rechtlichen Rahmens.13

Um nachvollziehbar zu machen, wie Entscheidungs­prozesse und Verfahren der EU zur Bewältigung sol­cher Krisen ablaufen – die Krisengovernance14 –, werden im Folgenden drei weitreichende Beschlüsse und ihre Umsetzung analysiert. Ausgewählt wurden Beschlüsse, in denen die EU zur Bewältigung der Covid‑19-Pandemie und deren Folgen ihren Tätigkeits­bereich maßgeblich erweitert hat: Sie betreffen die Impf­stoffbeschaffung durch die EU, das Instrument zur Unterstützung nationaler Kurzarbeitergeld-Pro­gram­me SURE sowie den Wiederaufbaufonds Next Gene­ration EU (NGEU).

Impfstoffbeschaffung durch die EU

Eine in ihrer politischen und legitimatorischen Wir­kung kaum zu überschätzende Übertragung zusätz­licher Verantwortung an die EU war die Tatsache, dass sie die Entwicklung und gemeinsame Beschaffung von Covid‑19-Impfstoffen unterstützte. Sobald sich die Pandemie in der EU ausgebreitet hatte, war klar, dass auch Maßnahmen wie Quarantäneregeln, die Identifikation von Infektionsketten, eine um­fassende Teststrategie und nicht zuletzt die drastische Beschränkung von Kontakten (›Lockdowns‹) nicht aus­reichen würden, um Covid‑19 langfristig unter Kont­rolle zu bringen. Gleichzeitig waren die Kollateral­schäden für Wirtschaft und Bevölkerung enorm. Die Entwicklung, Produktion, Beschaffung und schnelle Verteilung von wirksamen Impfstoffen war daher eine der zen­tralen Prioritäten von Regierungen welt­weit. Schon früh deutete sich an, dass es zu einer Konkurrenz um die ersten Impfstoffe kommen könnte, als der damalige US-Präsident Donald Trump im März 2020 versuchte, den deutschen Impfstoff­produzenten CureVac samt exklusiver Rechte auf­zukaufen.15

Die EU wollte diese Form von ›Impfstoffnatio­na­lismus‹ zwischen ihren Mitgliedstaaten vermeiden. Der entscheidende politische Beweggrund dabei war, durch eine gemeinsame Beschaffung zu verhindern, dass EU-Staaten miteinander in einen Bieter­wett­bewerb gerieten und sich die großen und / oder rei­chen Staaten die ersten Impfstoffe sicherten. Natio­nale Alleingänge zu Beginn der Pandemie, etwa in Form unkoordinierter Grenzschließungen oder natio­naler Exportverbote für Schutzausrüstung und kritische medizinische Güter, hatten der Solidarität innerhalb der EU stark geschadet. Eine Situation, in der einzelne Mitgliedstaaten auf Kosten der anderen wesentlich früher weite Teile ihrer Bevölkerung ge­impft hätten, hätte nicht nur den Zusammenhalt in der EU weiter beschädigt, sondern gleichermaßen den Binnenmarkt.

Dessen Marktmacht wollte sich die Union für die gemeinsame Impfstoffbeschaffung zunutze machen. Nach dieser Logik sollte sie bessere Preise und / oder Konditionen mit den Impf­stoffproduzenten erzielen können, wenn sie direkt große Mengen aushandelte, die sämtlichen Mitgliedstaaten zugutekämen. Mit einer Garantie bei der Mengenabnahme sollte dies den Herstellern Planungs­sicherheit bei der Entwicklung und dem Aufbau von Produktions­kapazitäten geben.

Grundsätzlich hat die EU in der Gesundheitspolitik unterstützende Kom­petenzen, Gesundheit bleibt Kern­zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Deshalb waren die wichtigsten Maßnahmen der Union in diesem Bereich bis dahin entweder mit dem freien Warenverkehr verbunden (beispielsweise die gemeinsame Zulassung von Medikamenten einschließlich Impfstoffen über die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA), mit der Personenfreizügigkeit (etwa die Regelung von Patien­tenrechten bei grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung) oder mit der Förderung von Forschungs- und Gesundheitsprogrammen, die dann von den Mitgliedstaaten ausgeführt wurden. Eine vergleich­bare Beschaffung derart kritischer öffentlicher Güter, deren Verfügbarkeit unmittelbaren Einfluss auf das Leben vieler EU-Bürgerinnen und ‑Bürger sowie die wirtschaftliche Entwicklung hatte, hatte es in der Geschichte der EU noch nicht gegeben.

Der Entscheidungsprozess zur Impfstoffbeschaffung beruhte demnach primär auf Verhandlungen außer­halb der üblichen Verfahren. Am Anfang der Pan­de­mie verhandelten zunächst einzelne Mitgliedstaaten mit den ersten Impfstoff­entwicklern. Deutschland und Frankreich vereinbarten bereits im April 2020 eine koordinierte Impfstoffbeschaffung, die Niederlande und Italien schlossen sich an. Im Juni 2020 gründeten die vier Staaten eine ›inklusive Impf­alli­anz‹16 und betonten, sie sei prinzipiell offen für andere EU-Mitglieder. Als ersten Schritt dieser Impf­allianz verkündeten sie eine Vorvereinbarung mit dem britisch-schwedischen Konzern AstraZeneca über 300 bis 400 Millionen Dosen des damals in Oxford entwickelten Impfstoffs.17 Trotz der Betonung auf Inklusivität löste diese Allianz aus vier der wirtschaftlich stärksten EU-Staaten Befürchtungen im Rest der EU aus, es könne bei der Impfstoffbeschaffung eine Zwei-Klassen-Gesellschaft innerhalb der Union ent­stehen.

Parallel verhandelte die EU-Kommission mit den nationalen Regierungen darüber, ob und wie Impf­stoffe kollektiv durch die EU beschafft werden könn­ten. Noch im Juni einigten sich Kommission und Mitgliedstaaten auf das Verfahren für eine gemeinsame Impfstoffbeschaffung, einschließlich einer Ver­pflich­tung seitens der Mitgliedstaaten, keine zusätz­lichen individuellen Verträge mit Impfstoffherstellern ein­zu­gehen.18 Ab diesem Zeitpunkt hatte die Kom­mis­sion die exklusive Rolle bei Verhandlungen und dem Ab­schluss von Verträgen für Covid‑19-Impfstoffe inne; auch der Vorvertrag der Impfallianz mit AstraZeneca wurde in den EU-Rahmen überführt.

Die Rechtsgrundlage für diesen beispiellosen Vorgang ist vielschichtig. Sie stützt sich im Kern auf die EU-Verordnung 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union (Soforthilfe-Verordnung),19 die auf Grundlage von Artikel 122 AEUV geschaffen wurde. Diese Not­fallklausel im Vertrag über die Arbeitsweise der Union erlaubt dem Rat, »unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren« (Art. 122 (1) AEUV) Maßnahmen zur gegenseitigen Hilfe der Mit­gliedstaaten zu beschließen. Diese Klausel wurde bereits 2010/11 für erste Hilfsprogramme innerhalb der Eurozone und den Aufbau des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) genutzt und gibt den EU-Institutionen relativ große Interpretationsspielräume. Die auf dieser Basis 2016 verabschiedete Soforthilfe-Verordnung erlaubt der Union, im Fall einer natürlichen oder von Menschen ver­ursachten Katastrophe den betroffenen Mitgliedstaaten Unter­stützung zu leisten. Hintergrund war 2016 die Flüchtlingskrise, bei der über die Soforthilfe-Verordnung Mitgliedstaaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen unterstützt werden sollten. Hierfür wurde ein Sonderbudget von 650 Millionen Euro für drei Jahre geschaffen.20

Für die Impfstoffbeschaffung wurde eine Rechtsgrundlage gewählt, bei der das Europäische Parlament in keiner Weise beteiligt ist.

Zu Beginn der Pandemie hat der Rat der EU die Soforthilfe-Verordnung erweitert. Nachdem zwischen den EU-Staaten ein toxischer Wettbewerb um essen­zielle Schutzgüter entstanden war, einschließlich der Exportverbote einzelner EU-Staaten und des Stopps von Lieferungen selbst an das zunächst am härtesten betroffene Italien,21 schlug die Kommission am 2. April 2020 vor, die Soforthilfe-Verordnung für die Bekämpfung der Covid‑19-Pandemie zu aktivieren und gleich­zeitig auszuweiten. Innerhalb von nur knapp zwei Wochen folgte der Rat diesem Vorschlag, aktivierte am 14. April die Soforthilfe-Verordnung für eine Dauer bis zum 31. Januar 2022 und verabschiedete eine Ände­rungsverordnung.22 Dabei gab er der Kom­mis­sion unter anderem das Recht, auf Grundlage einer Ver­ein­ba­rung mit den Mitgliedstaaten gemeinsame Be­schaf­fun­gen durchzuführen.23 Diese waren im April 2020 (noch) darauf ausgerichtet, Schutz­aus­rüs­tung und ele­mentare medizinische Güter gemeinsam zu erwer­ben und dann besonders stark betroffenen Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen. Für diese gemeinsame Be­schaffung wurde ein umfangreiches Son­der­budget über 1,5 Milliarden Euro eingerichtet. Die gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen wurde im April in der Begründung der EU-Kommission für den Vorschlag zur Änderung der Soforthilfe-Verordnung noch nicht erwähnt.24

Als der politische Prozess acht Wochen später, im Juni 2020, auf eine gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen zusteuerte, lag also bereits eine nutz­bare Rechtsgrundlage vor. Dementsprechend beauftragten die Gesundheitsminister und ‑ministerinnen der Mit­gliedstaaten die EU-Kommission am 12. Juni – weni­ger als zwei Wochen nach Gründung der Impfallianz –, für alle 27 EU-Staaten Impfstoffe zu beschaffen. Die Kommission vereinbarte daraufhin am 16. Juni auf Basis der geänderten Soforthilfe-Verordnung mit allen EU-Staaten,25 in ihrem Namen mit Impfstoff­herstellern zu verhandeln und gemeinsame Kaufverträge abzuschließen. Diese Verein­barung enthielt auch das institutionelle Verfahren für die Impfstoffbeschaffung und wurde durch einen Kommissions­beschluss bestätigt.26

Wie sind diese Entscheidungsprozesse für die Impf­stoffbeschaffung nach den Maßstäben demokratischer Legitimation zu bewerten? Blickt man auf die Input-Legi­timation, fällt die fast vollständige Abwesenheit des Europäischen Parlaments ins Auge. Mit Artikel 122 (1) AEUV und der darauf fußenden Soforthilfe-Verord­nung wurde eine Rechtsgrundlage gewählt, bei der das Parlament in keiner Weise beteiligt ist. Anders als bei Artikel 122 (2) AEUV besteht noch nicht einmal eine Informationspflicht gegenüber den Abgeordneten. Aus diesem Grund hatte das EP schon 2016 den Rück­griff auf Artikel 122 (1) AEUV als undemo­kratisch kritisiert, als die Soforthilfe-Verordnung im Zuge der Flüchtlingskrise erlassen wurde.27 Vor dem Beschluss über eine gemeinsame Impfstoff­beschaffung erfolgte weder eine Unterrichtung des EP noch eine Parlaments­debatte unter Beteiligung der Kommission.

Eine nennenswerte Ausnahme war die finanzielle Unterfütterung der Beschaf­fungsmaßnahmen im Zuge der Änderung der Soforthilfe-Verordnung (o. g. Sonder­budget). Diese erforderten einen Berichtigungs­haus­halt, den Rat und Parlament im April 2020 inner­halb weniger Tage verabschiedet haben.28 Zu diesem Zeit­punkt war aber noch keine gemeinsame, exklu­sive Impfstoffbeschaffung geplant, sondern es standen vielmehr unterstützende Maßnahmen der EU beim Einkauf kritischer medizinischer Güter im Vordergrund. Ein zwar wichtiges Vorhaben, von der politi­schen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Trag­weite jedoch bedeutend weniger weitreichend als die Impfstoffbeschaffung durch die Union. Betrachtet man den weiteren Prozess der Impfstoffbeschaffung, so hat zu keinem Zeitpunkt eine relevante Beteiligung des Europäischen Parlaments stattgefunden.

Etwas anders sah es auf nationaler Ebene im Deut­schen Bundestag aus. Da die Impfstoffbeschaffung auf EU-Gesetzgebung aufbaut, griffen hier die regulä­ren, mit dem Vertrag von Lissabon noch einmal ge­stärkten Mitwirkungsrechte des Bundestags. Er wurde, eben­so wie alle anderen nationalen Parlamente, von der Kom­mis­sion über die Gesetzgebungsinitiative zur Ände­rung der Sofort­hilfe-Verordnung informiert.29 Die Initiative wurde, bedingt durch die Covid-Be­schrän­kungen für die Arbeit des Bundestags,30 im Ausschuss für EU-Angelegenheiten und im Gesundheitsausschuss thematisiert. Hinzu kamen Diskussionen mit dem deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn im EU-Ausschuss über die europäische Dimen­sion der Impfstoffbeschaffung. Eine ausführliche Ple­nar­debatte oder ein explizites Votum für eine Impf­stoff­beschaffung durch die EU hat es vor dem Be­schluss des Rates aber nicht gegeben. Erst als im ersten Halb­jahr 2021 größere Probleme auftraten, wurde hierzu eine umfangreiche Kleine Anfrage gestellt und das Thema in den entsprechenden Ausschüssen wieder aufgegriffen.31 Gemäß den Prinzipien des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Euro­päischen Union (EUZBBG) ist der Bundestag also zuvor informiert worden, hat aber von sich aus nicht von der Mög­lichkeit Gebrauch gemacht, eine Stellung­nahme abzugeben, die Vorgaben für die Position der Bundesregierung bezüglich der EU-Entscheidung gemacht hätte.

Mit Blick auf die Output-Legitimation soll ausschließlich evaluiert werden, inwiefern die angewendeten Entscheidungsprozesse die Hand­lungs­fähigkeit der EU gewährleisteten. Hier lässt sich ein positiveres Fazit ziehen: Alle Beschlüsse des Rates zur Änderung der Soforthilfe-Verordnung wie auch zur Nutzung derselben für die gemeinsame Impf­stoffbeschaffung wurden auf Basis von Verfahren mit Mehrheits­beschlüssen getroffen. Beson­ders beachtenswert war dabei die Geschwindigkeit der Entscheidungsprozesse. So dauerte die Änderung der Soforthilfe-Verordnung im April 2020 von der Kommissionsinitiative bis zur Verabschiedung durch den Rat weniger als zwei Wochen. Den Beschluss zur gemeinsamen Impfstoffbeschaffung fällten die EU-Gesundheitsminister und ‑ministerinnen ebenfalls innerhalb weniger Wo­chen im Juni 2020. Dass die EU-Kommission allein und im direkten Kontakt mit den Impfstoffproduzenten die Impfstoffverträge aushandelte, hat bewirkt, dass den europäischen Interessen bei den Herstellern hohe Priorität eingeräumt wurde; dies hat unter anderem geholfen, Engpässe im ersten Halbjahr 2021 zu reduzieren.32

Bei der Aushandlung der Impfstoffverträge musste sich die EU-Kommission über einen Lenkungsausschuss33 kontinuierlich bei den Mitgliedstaaten rück­versichern, beispielsweise mit Blick auf die Höhe der zu vereinbarenden Lieferungen, die Konditionen und den Mix an Impfstoffen. Dies hat zu Reibungsverlusten geführt, auch weil Meinungsverschiedenheiten zwi­schen den Mitgliedstaaten Verträge verzögert haben. Vor allem wirtschaftlich schwächere EU-Staaten befür­worteten anfangs den günstigeren AstraZeneca-Impf­stoff, bei dem es im weiteren Verlauf die größten Schwie­rigkeiten bei der Lieferung sowie der Wirksam­keit gab. Diese Reibungsverluste haben die gemeinsame Verhandlung durch die EU verlangsamt und dadurch ein Stück weit geschwächt, sind aber von ent­scheidender Bedeutung gewesen, um die nationalen Regie­rungen einzubinden.

Der gesamte Prozess der Impfstoff­beschaffung war von Intransparenz gekennzeichnet.

Hinsichtlich der dritten Dimension, der Throughput- bzw. Prozess-Legitimation, sind ebenfalls Mängel fest­zu­stellen. Dem Prozess zur gemeinsamen Impfstoff­beschaffung mangelte es während der Entscheidungsfindung erheblich an Trans­parenz: Als die Soforthilfe-Verordnung im April 2020 überarbeitet wurde, war eine gemeinsame Impfstoffbeschaffung öffentlich kein Thema. Dem Beschluss im Juni 2020 ging – selbst­redend auch dem hohen Zeitdruck in der Frühphase der Pandemie geschuldet – keine größere öffentliche Debatte voraus. Anders als viele andere Krisenmaßnahmen wurde die Impfstoffbeschaffung auch nicht nach einem politischen Konflikt auf einem EU-Gipfel verabschiedet, sondern nach relativ kurzer interner Debatte durch die EU-Gesundheits­minis­terinnen und ‑minister.

Der weitere Prozess der Impfstoffbeschaffung war gleichfalls von Intrans­parenz gekennzeichnet. Die Ver­träge mit den Impfstoffproduzenten waren zunächst nicht öffentlich, was angesichts ihrer hohen wirtschaft­lichen Bedeutung zwar nachvollziehbar war. Jedoch wurde vorerst keine parlamentarische Kontrolle oder Einsicht in die Verträge gewährt. Erstere lag ausschließ­lich bei den Mitgliedstaaten. Als die EU im Frühjahr 2021 Israel, den USA und dem Vereinigten Königreich bei den Impfstoffen hinterherhinkte, wuchs der öffentliche und parlamentarische Druck, die Verträge offenzulegen. Das Euro­päische Parlament forderte dies bereits im Januar 2021, wenig spä­ter eröffnete die EU-Ombudsfrau ein Verfahren in der­selben Angelegenheit gegen die EU-Kommission.34 Diese Forderungen erhielten noch einmal Nachdruck, als sich der CEO von AstraZeneca im Zuge der Liefer­schwierigkeiten öffentlich darauf berief, die Firma habe weniger verbindliche Vereinbarungen mit der EU getroffen und die Lieferungen nach Großbritan­nien hätten Vorrang aufgrund der mit diesem Land ge­schlossenen Verträge.35 Mit Verweis auf wirtschaft­liche Interessen verweigerte die EU-Kommission den­noch die Ver­öffentlichung ihrer Verträge mit den Impfstoffherstellern. Erst infolge des öffentlichen und parlamentarischen Drucks gestattete sie im Frühjahr 2021 zuerst Abgeordneten und dann der Öffentlichkeit Einblick in die Verträge, wobei allerdings große Teile unkenntlich gemacht worden waren. Bis heute verweigert sie aber die Herausgabe von Kurznachrichten, die die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Zusammenhang mit der Impfstoffbeschaffung unter anderem mit dem CEO von Pfizer aus­getauscht hat. Im Februar 2023 hat die New York Times die EU-Kommission verklagt, um eine Veröffent­lichung der Kurznachrichten zu erreichen.36

In der Gesamtschau werden bei den Entscheidungsprozessen zur Impf­stoffbeschaffung aus Sicht demo­kratischer Legitimation erhebliche Defizite offensichtlich: Das Europäische Parlament war unter Nutzung von Artikel 122 AEUV nicht eingebunden, eine Unter­richtung des Bundestags hat indes stattgefunden. Die zugrunde liegenden Beschlüsse konnten mit Mehr­heits­verfahren zwar zügig getroffen werden, aller­dings auf Kosten von Transparenz. Nicht zuletzt haben Prob­leme bei der Impfstoff­beschaffung der Legitimation der EU zumindest temporär geschadet – für diese Schwierigkeiten hat nämlich, angesichts der zwischen Mitgliedstaaten und Kom­mission geteilten Zuständigkeit, letztendlich niemand die politische Verantwor­tung übernommen.

EU-Kurzarbeitergeld-Programm SURE

Ein weiteres transformatives Instrument, das die EU während der Covid‑19-Pandemie eingeführt hat, ist das Europäische Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage, kurz SURE.37 Mit diesem Instrument hat die EU erstmals in erheblichem Maß die sozialen Sicherheitssysteme der Mitgliedstaaten unterstützt, indem sie Darlehen von insgesamt 100 Mil­liarden Euro bereitstellte, um während der Pandemie Kurzarbeitergeld-Programme zu fördern. Die SURE-Verordnung erlaubte der Kommission, auf den Finanz­märkten in größerem Umfang Anleihen aufzulegen, gestützt von Garantien der Mitgliedstaaten, und sie dann mitsamt den niedrigen Zinsen und der hohen Laufzeit an diejenigen EU-Staaten weiterzugeben, die ein Darlehen beantragt haben. Die Konditionalität, um die Gelder zu bekommen, war sehr gering (siehe unten). Das war etwa bei den Programmen zur Rettung der Währungsunion anders.

Mit dem Instrument SURE wollte die EU dazu bei­tragen, dass trotz großer pande­miebedingter Ein­schrän­kungen Arbeitsplätze erhalten werden konn­ten und gleichzeitig die Staatsfinanzen der Mitgliedstaaten nicht übermäßig beein­trächtigt wurden. Im Laufe des Programms haben insgesamt 19 Mitgliedstaaten SURE-Mittel in Anspruch genommen. Allein 2020 konnten dadurch nach Angaben der EU-Kom­mission schätzungs­weise 31,5 Millionen Per­sonen in Arbeit gehalten und 2,5 Millionen Unterneh­men innerhalb der EU unter­stützt werden.38 Bemerkenswert ist SURE auch, weil das Instrument nach einem Jahrzehnt von Diskussionen über die Einführung eines europäischen Elements bei der Arbeits­losen­versicherung binnen weniger Wochen ver­ab­schiedet werden konnte.

Hinter dem SURE-Programm lagen drei zentrale Beweggründe: Der erste war, den pandemiebedingten An­stieg der Arbeitslosigkeit abzufedern. Kurzarbei­ter­geld-Programme hatte insbesondere Deutschland sehr erfolgreich in der Finanzkrise 2007/08 angewendet, um den Schock auf dem Arbeitsmarkt abzumildern und gleichzeitig den Druck auf die sozialen Sicherungs­systeme zu reduzieren. In den USA, wo ver­gleichbare Programme nicht existieren, ist die Arbeits­losigkeit im Frühjahr 2020 innerhalb von drei Mona­ten von 3,8 Prozent auf 13 Prozent gestiegen.39 Eine ähnlich drastische Entwicklung konnte in der EU vermieden werden; dort ist die Arbeitslosigkeit wäh­rend der gesamten Pan­demie im EU-Durchschnitt unter 8 Prozent geblieben.40 Das zweite Ziel lau­tete, die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Durch die Kurzarbeitergeld-Pro­gramme sollten Unter­neh­men Beschäftigte halten können, damit diese nach Lockerung der Pandemiebeschränkungen un­mittelbar wieder eingesetzt werden könnten und nicht auf­wendig neues Personal gesucht werden müsste. Neben diesen beiden grund­sätz­lichen Grün­den für Kurz­arbeitsgeld-Programme bestand die europäische Motivation darin, Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu demonstrieren und es nicht zu weiteren Divergenzen kommen zu lassen.

Abzugrenzen ist die SURE-Verordnung von einer europäischen Arbeitslosenversicherung, deren Zweck und Ausgestaltung vor allem während der Eurokrise diskutiert wurde. Damals forderten einigen Ökonominnen und Ökonomen sowie europäische Politiker und Politikerinnen,41 dass die EU bzw. die Eurozone eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung einführen solle, die als Stabilisator hauptsächlich bei asymmetrischen Wirtschaftskrisen wirken sollte. Zwar waren verschiedene Modelle im Gespräch, doch gemein war ihnen, dass eine europäische Arbeits­losen­versiche­rung automatisch – also jeweils ohne politisch heikle Verhandlungen – die sozialen Sicherungssysteme von Euro- bzw. EU-Mitgliedstaaten mit besonders hoher Arbeitslosigkeit unterstützen sollte. Dadurch würden die Haushalte der betrof­fenen Mitgliedstaaten entlastet, die Staaten erhielten fiskalischen Spiel­raum, um ihre Wirtschaft zu stärken, und Divergenzen in der Eurozone könnten abgebaut werden.

Würde SURE verstetigt, könnte es ein Baustein für eine europäische Arbeitslosenversicherung werden.

Die SURE-Verordnung bot zwar Unter­stützung der sozialen Sicherungssysteme der EU-Mitglieder, aber nicht auto­matisch, sondern nur auf Antrag bei der EU-Kommission und mit Genehmigung durch den Rat (siehe unten). Zudem bezog sich das Programm auf die Sondersituation der Pandemie und war damit zeit­lich und vom Umfang her begrenzt. Falls SURE ver­stetigt werden sollte, könnte es jedoch ein Bau­stein für eine europäische Arbeitslosenversicherung werden.42

Der Entscheidungsprozess des SURE-Programms folgte, anders als bei der Impfstoffbeschaffung, im Wesent­lichen den regulären Verfahren der EU-Gesetz­gebung in Bereichen, in denen der Rat ohne Beteiligung des Europäischen Parlaments entscheidet. So hat die EU-Kommis­sion die Idee, dass die EU Kurzarbeitergeld-Programme unterstützen sollte, erstmals am 2. April 2020 als Teil eines Pakets zur wirtschaftlichen Re­aktion auf die Pandemie vorgestellt.43 Vorher hatte der Europäische Rat sie beauftragt, einen Vorschlagskatalog mit Maßnahmen zur Eindämmung der wirt­schaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie vor­zulegen.44 Mit ihrer Idee zu SURE baute die Kommission auf Vorarbeiten für eine europäische Arbeits­losenversicherung auf, für die sie eigentlich 2020 einen Vorschlag machen wollte; gleichzeitig betonte sie, dass es sich bei SURE um eine temporäre Krisen­maßnahme handle, die eine Entscheidung für eine europäische Arbeitslosenversicherung nicht vorwegnehme. Im Anschluss ging der Entscheidungsprozess außerordentlich schnell – die Grundprinzipien der SURE-Verordnung fanden am 9. April 2020 die Unter­stützung der Eurogruppe, nach nur drei Verhandlungsrunden im Rat hat dieser die Verordnung am 19. Mai 2020 angenommen, das heißt nach insgesamt weniger als sieben Wochen.45

Als Rechtsgrundlage nutzt die SURE-Verordnung ebenfalls den Notstands­artikel 122 AEUV. Hierbei beruft sich die Kommission in ihrer Begründung auf die Notlage der Pandemie als »plötzliches und außer­gewöhnliches Ereignis«,46 was eine kollektive Soli­darität der Mitgliedstaaten erfordert, auch wenn die Schaffung eines Kurzarbeitergeld-Programms in den EU-Verträgen nicht explizit vorgesehen ist. Anders als die Soforthilfe-Verordnung, die der Impfstoff­beschaf­fung zugrunde liegt, greift SURE aber nicht auf den EU-Haushalt zurück, sondern finanziert sich durch An­leihen der EU-Kommission auf Basis von Garantien der Mitgliedstaaten. Zudem bezieht sich die SURE-Ver­ordnung, im Gegensatz zur Soforthilfe-Ver­ord­nung, auf beide Absätze von Artikel 122 AEUV, um dieses Garan­tiesystem einzurichten und die Schul­den­aufnah­me der Union für das SURE-Pro­gramm abzu­sichern.47

Insbesondere im Zuge der europäischen Schul­den­krise hat die EU bzw. die Eurozone eine Reihe von Instrumenten etabliert, um den Mitgliedstaaten unter unterschiedlichen Bedingungen und mit unterschiedlichen Konditionen finan­ziell beizustehen. Hierzu gehören neben dem EFSM die Europäische Finanz­stabilisierungsfazilität (EFSF) sowie der dauerhafte Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), das erste Griechenland-Programm und die makrofinanzielle Unter­stützung im Rahmen der Nachbarschaftspolitik. Unter diesen Programmen sticht die SURE-Verord­nung insofern hervor, als sie jenseits der Pandemie­bedingungen fast vollständig auf Konditionalität für den Zugriff verzichtet. Außerdem nutzt sie trotz der Rechtsgrundlage im EU-Primärrecht Garantien der Mitgliedstaaten und nicht den EU-Haushalt für die Schuldenaufnahme seitens der EU-Kommission.

Von Bedeutung für die Frage der demokratischen Legitimation sind darüber hinaus die Entscheidungsprozesse, die mit der SURE-Verordnung für die Aus­zahlung der Gelder geschaffen wurden. Anders als bei der EFSF oder auch dem späteren ESM wurden mit SURE keine eigenen Institutionen etabliert, stattdessen nahm die Kommission die zentrale Rolle bei der Verwaltung und Herausgabe der SURE-Mittel ein, jedoch mit dem Rat als letztentscheidende Instanz. So war es zunächst Aufgabe der Kommission, mit allen Mitgliedstaaten Vereinbarungen zu treffen, um das von der Union durch die SURE-Kredite eingegangene Risiko abzusichern (Art. 11 SURE-Verordnung); dies war die Voraussetzung dafür, dass die Kommission später für SURE Anleihen in Höhe von 100 Milliarden Euro auf dem Markt herausgeben konnte (Art. 4–5 SURE-Verordnung).

Um SURE-Gelder zu bekommen, mussten betroffene Mitgliedstaaten einen Antrag an die Kommission stel­len, die Auszahlung erfolgte also nicht automatisch. Allerdings fiel nach politischem Ringen zwischen den Mitgliedstaaten die Konditionalität angesichts der Pandemienotlage deutlich geringer aus als zum Bei­spiel für den Zugang zu ESM-Programmen während der Euroschuldenkrise. Mitgliedstaaten, die Hilfen beantragten, mussten lediglich nachweisen, dass ihre tatsächlichen oder geplanten öffentlichen Aus­gaben für Kurzarbeitergeld-Programme und ähn­liche Maß­nahmen, die die Pandemiefolgen abmildern sollten, rapide gestiegen waren (Art. 6 SURE-Ver­ord­nung). Weitere Konditionen, etwa zum vorherigen Schulden­stand, zur Ausgestaltung der Programme oder zu Reformen in den Systemen sozialer Sicherheit, schreibt die SURE-Verordnung nicht vor.

Die Kommission musste nur diesen Sachverhalt prüfen und gleichzeitig sicherstellen, dass die Dar­lehen nicht zu stark auf einzelne Mitgliedstaaten kon­zentriert waren.48 Nach dieser Prüfung legte die Kom­mission dem Rat einen Vorschlag für einen Durch­führungsbeschluss vor, der unter anderem die Höhe des Darlehens, die Laufzeit, die nationalen Kurz­arbeiter­geld-Maßnahmen und weitere finanzielle De­tails enthielt.49 Die letztverbindliche Entscheidung, ob die Darlehen gewährt wurden, oblag dann dem Rat mit qualifizierter Mehrheit. Das wiederum be­deutete, einzelne Mitgliedstaaten konnten überstimmt werden.

Hinsichtlich der Input-Legitimation ergibt sich bei der SURE-Verordnung daher ein ähnliches Bild wie bei der Impfstoffbeschaffung: Betrachtet man die Rolle des Europäischen Parlaments, so war es weder bei der Beschlussfassung noch der Umsetzung sub­stan­ziell beteiligt, trotz seiner Kompetenzen in der Haushaltskontrolle. Die Rechtsgrundlage Artikel 122 AEUV sieht lediglich vor, dass das Parlament über einen Beschluss informiert wird, sodass sich daraus keine Konsultations- oder gar Mitbestimmungsrechte ableiten ließen. Bei der SURE-Verordnung ist das EP ebenfalls nur insoweit involviert, als die Kommission ihren halbjährlichen Bericht über die Umsetzung von SURE neben dem Rat und seinen Unterausschüssen auch dem EP vorlegen muss (Art. 14 SURE-Ver­ordnung). Obgleich die Risikoabsicherung durch die Mitgliedstaaten erfolgt, wäre mit Blick auf die Funk­tionen des EP bei Haushaltsbeschluss und ‑kontrolle zu argumentieren, dass es an der Kontrolle von SURE beteiligt sein sollte.

Auch von sich aus hat das Parlament eine ›permissive Toleranz‹ der SURE-Verordnung gezeigt und sich nur am Rande mit ihr befasst. Eine eigene spezifische Plenar- oder Ausschussdebatte zum Kurzarbeitergeld-Programm hat es nicht gegeben, selbst wenn SURE in einzelnen Anhörungen mit Kommissaren und Kom­missarinnen zur Sprache kam. Daneben haben EP-Abgeordnete 2020 insgesamt 16 Anfragen mit Bezug zu SURE an die Kommission gestellt, acht davon in der Zeit zwischen Vorlage und Verab­schiedung der Ver­ordnung. Die Fragen zielten unter anderem auf die Rechtsgrundlage oder die Verteilung zwischen den Mitgliedstaaten ab.50 Beantwortet wurden sie jedoch erst in der zweiten Jahreshälfte – eine unmittelbare Beteiligung des EP an der Beschlussfassung resultierte aus seinen Anfragen also nicht.

Anders ist die Input-Legitimation durch die nationale Ebene zu bewerten. Diese fand bei SURE auf meh­re­ren Wegen statt: Zunächst war die Bundes­regie­rung wie alle nationalen Regierungen als Mit­glied des Rates an allen Beschlüssen beteiligt, sowohl an denen zur SURE-Verordnung selbst als auch an allen Durchfüh­rungsbeschlüssen für die Auszahlung der Darlehen an einzelne Mitgliedstaaten. Da im Rat mit qualifizier­ter Mehrheit abgestimmt wurde, hätte sie überstimmt werden können. Das Abstimmungsverhalten der Mit­gliedstaaten zur SURE-Verordnung ist nicht öffent­lich geworden; weil die Bundesregierung sich aber öffent­lich für das Programm aussprach, ist von einer Zu­stim­mung auszugehen. Vor allem aber oblag es unabhängig vom Gesetz­gebungs­prozess jedem einzelnen Mit­glied­staat, mit der Kommission einen Vertrag über die Risiko­gewährleistung abzuschließen. Das hat Deutsch­land im Mai 2020 getan; ohne den Vertrag wären die deut­schen Garantien für die SURE-Darlehen nicht möglich.

Innerhalb Deutschlands war an diesen Prozessen auch der Bundestag beteiligt. Gemäß dem EUZBBG und dem Protokoll über die Beteiligung nationaler Parlamente hat die EU-Kommission bei Vorlage des Entwurfs für die SURE-Verordnung den Bundestag gemeinsam mit der Bundesregierung informiert. Der Entwurf wurde trotz Pandemieeinschränkungen am 13. Mai 2020, also knapp eine Woche vor seiner Ver­abschiedung im Rat, im Europaausschuss des Bundes­tags thematisiert.51

Hinzu kamen zwei weitere Formen der Befassung des Bundestags: Auf der einen Seite bedeutete das Ab­kommen mit der Kommission über die Risiko­über­nahme für die Darlehen ein zwar im Umfang be­grenz­tes, aber doch substanzielles Risiko für den Bundeshaushalt und war in Deutschland dem­nach zustim­mungspflichtig. In diesem Sinne haben die beiden Fraktionen der damaligen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD dem Bundestag ein SURE-Gewähr­leistungsgesetz vorgeschlagen, dem der Bundestag am 18. Juni 2020 mit großer Mehrheit zugestimmt hat.52 Erst danach konnte die Bundesregierung die Ver­einbarung mit der Kommission zur Gewährleistung abschließen. Auf der anderen Seite gab es im Zuge der SURE-Verabschiedung noch eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke53 sowie eine schriftliche An­frage einer AfD-Abgeordneten,54 beide aber erst nach Verabschiedung sowohl der SURE-Verordnung als auch des deutschen SURE-Gewährleistungsgesetzes.

Der Entscheidungsprozess bei SURE dauerte nur sieben Wochen.

Eindeutig kann hier das Urteil bei der Output-Legi­ti­mation in Bezug auf die Handlungsfähigkeit der EU bei den zugrunde liegenden Entscheidungsprozessen ausfallen: So dauerte es bei SURE nur knapp sieben Wochen vom Vorschlag der Kommission bis zur Ver­abschiedung durch den Rat. Angesichts der regu­lären Dauer von EU-Gesetzgebungsverfahren, aber vor allem im Hinblick auf die hohe politische Brisanz, die die Frage einer EU-Arbeitslosen­ver­siche­rung vorher hatte, war dies ein außerordentlich schneller Entscheidungs­prozess. Diese Geschwindigkeit ist allerdings weniger auf das Verfahren zurück­zuführen als darauf, dass die EU-Staaten unter dem Eindruck der Pandemie ge­schlossen auftraten.

Problematisch und gleichzeitig beachtlich war das Einholen der Garantien der Mitgliedstaaten. Als inno­vatives Instrument, dessen Anleihen nicht aus dem EU-Haushalt abgesichert werden konnten, brauchte SURE die Garantien aller Mitglieder, bevor die ersten Anleihen ausgegeben und Darlehen ausgezahlt wer­den konnten. In der Vergangenheit haben solche Pro­zesse wie etwa beim ESM-Vertrag durchaus meh­rere Jahre gedauert. Dank der engen Zusam­men­arbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten konnte er diesmal trotz Pandemieeinschränkungen und trotz der Vorgabe vieler Mitgliedstaaten, dass für solche Ga­rantien ein Parlamentsbeschluss notwendig ist, inner­halb von vier Monaten bis zum 22. September 2020 abgeschlossen werden. Für EU-Verhältnisse war das äußerst schnell; dennoch war im September 2020 die erste Phase der Pandemie mit den härtesten Lockdown­maßnahmen bereits vorbei. Wären nationale Kurz­arbeitergeld-Programme allein von der Unterstützung durch die EU abhängig gewesen, wären die SURE-Darlehen deutlich zu spät gekommen.

Bei der Throughput- oder Prozess-Legitimation profitiert die SURE-Verordnung in der Bewertung von den regu­lären Vorschriften für die EU-Gesetzgebung. Die Kom­mission hat ihren Vorschlag wie vorgeschrieben öffent­lich vorgestellt und rechtzeitig samt Prüfung der Sub­sidiarität an die nationalen Parlamente weitergeleitet. Eine breite öffentliche Diskussion zu SURE fand aber wegen der schweren Pandemielage nicht statt, ob­wohl das Programm einen Umfang von insgesamt 100 Mil­liar­den Euro hatte und die EU erstmals einen Schritt hin zu einer direkten Unterstützung der natio­nalen Sozialsysteme gemacht hat. Diese Gemengelage spie­gelte sich auch in der permissiven Toleranz des Euro­pä­ischen Parlaments wider. Öffentliche Trans­parenz über den Vorschlag war also gegeben, nicht aber über die Beratungen von Eurogruppe und Rat im Laufe des Entscheidungsverfahrens.

Eine klare, zuordenbare Verantwortung für die Be­schlüsse zur Freigabe der SURE-Darlehen gibt es in dem Verfahren nicht. Die Prüfung, ob die – sehr wenig rest­riktiven – Bedingungen zum Zugriff auf SURE vorlagen, hat die Kommission übernommen, die endgültige Zustim­mung erteilten die Mit­glied­staaten gemeinsam im Rat mit qualifizierter Mehrheit, ohne dass das Abstim­mungs­verhalten öffentlich wurde. Letzten Endes sind daher die EU-Staaten als Ganzes für das Programm verantwortlich. Hierfür sieht die SURE-Verordnung vor, dass die Anti-Betrugseinheit OLAF und der Euro­päische Rechnungshof die Ver­wendung der Gelder aus diesem Pro­gramm über­wachen.

In der Gesamtschau erfüllt auch SURE die Anforderungen demokratischer Legitimation nur begrenzt. Erneut hat die Nutzung des Notfallinstruments Arti­kel 122 AEUV zum vollständigen Ausschluss des Europäischen Parlaments beim EU-Entscheidungs­prozess geführt. Ausgeglichen wird dies auf nationaler Ebene dadurch, dass der Bundestag unterrichtet wurde und an der Verabschiedung des SURE-Gewähr­leis­tungs­gesetzes vollumfänglich beteiligt war; andern­falls hätte Deutschland das Risiko für das SURE-Pro­gramm nicht übernehmen können. Bei der Output-Legitimation hat die EU eine für ihre Verhältnisse schnelle Handlungsfähigkeit bewiesen. Das Erfordernis, nationale Garantien einzuholen, hat den Zeit­raum bis zur Einsatzfähigkeit von SURE jedoch er­heb­lich verlängert. Wenn SURE ein dauerhaftes Instrument mit bereits bestehenden Garantien gewesen wäre, hätte die Union noch schneller handeln können.

Wiederaufbaufonds Next Generation EU

Die dritte große Ausweitung von EU-Verantwortlich­keiten, die während der Covid‑19-Pandemie stattfand und weitreichende Auswirkungen auf die europäische Integration hat, war die Schaffung des Wiederaufbaufonds, offiziell als ›Next Generation EU‹ (NGEU) bezeichnet. Der Wiederaufbaufonds ist ein neuartiges Finanz­instrument der Union, mit dem diese die Mit­gliedstaaten in Anbetracht der tiefen wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen der Pandemie bei der wirtschaftlichen Erholung unterstützen will. Dabei sollen nicht nur in den Mitgliedstaaten Investitionen insbesondere in den Bereichen Klima, Nachhaltigkeit und Digitalisierung gefördert, sondern auch EU-Pro­gramme aufgestockt werden. Insgesamt 800 Milli­ar­den Euro stehen dafür bis Ende 2026 zur Verfügung.55 Zwar sind die NGEU-Mittel mit dem regulären mehr­jährigen Finanzrahmen (MFR) der EU verbunden, rechtlich wurde aber auch NGEU mit der Pandemie­notlage begründet und ist deshalb zeitlich und vom Umfang her begrenzt. Drei zentrale Neuerungen hat das Instrument mit sich gebracht:

Erstens stammen die Mittel für NGEU nicht direkt aus vorhandenen Eigen­mitteln, sondern beruhen auf Anleihen, die die EU-Kommission im Namen der EU auf den Finanzmärkten ausgegeben hat. Zwar hat die Union dies bereits früher in kleinerem Umfang getan (nicht zuletzt für SURE), NGEU ist aber insofern eine Premiere, als die EU eigenständig und in größerem Umfang Anleihen auf den Finanzmärkten aufgelegt und damit auch Anlegern in der Eurozone einen neuen Stabilitätsanker gegeben hat.56 Zweitens bestehen die Zuwendungen an die Mitgliedstaaten anders als beim Kurzarbeitergeld-Programm SURE nur zu 385 Milliar­den Euro aus Krediten, während knapp 340 Milliar­den Euro ihnen in Form von Zuschüssen direkt gewährt werden. Auf diese Weise entlastet NGEU die Haushalte der besonders stark von der Pandemie betroffenen EU-Staaten. Drittens ist NGEU mit einem Rechtsstaats­mechanismus verknüpft, der es der EU erstmals er­möglicht, bei Ver­stößen gegen die Rechtsstaatlichkeit Gelder zurückzuhalten.57

Das NGEU-Programm ist aus folgenden politischen Beweggründen entstanden: Die wirt­schaftlichen Maß­nahmen zur Abfederung der öko­no­mischen und sozialen Effekte der Pandemie sollten um ein euro­päisches Element ergänzt werden, das überdies den Zusammenhalt der Union stärken konnte. Die Pan­demie und die zu ihrer Eindämmung beschlossenen Maßnahmen haben alle Mitgliedstaaten der EU wirt­schaftlich hart getroffen. Allerdings zeigte sich bald, dass sich Ausmaß und Tiefe dieser Auswirkungen zwischen den Mitgliedstaaten deutlich unterschieden. In der Eurozone beispielsweise reichten die Unterschiede im Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) 2020 im Vergleich zu 2019 von unter 2 Prozent (Litauen) bis zu knapp 11 Prozent (Spanien).58 Ein euro­päischer Wiederaufbaufonds mit einem makro­öko­nomisch relevanten Volumen sollte den Mitgliedstaaten dabei helfen, möglichst schnell wieder das wirt­schaft­liche Vor-Corona-Niveau zu erreichen.

Zudem unterschieden sich nicht nur die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie, sondern auch die fiskalischen Spielräume der nationalen Regie­rungen, um auf diese Einbrüche zu reagieren. So war allein Deutschland im ersten Jahr der Pandemie für 41 Pro­zent der staatlichen Unterstützungs­maßnahmen innerhalb der EU verantwortlich, also für fast doppelt so viel, wie sein Anteil am BIP der EU ausmacht. Frank­reich verantwortete weitere 25 Prozent des Volumens staatlicher Unterstützungsmaßnahmen, sodass alle übrigen 26 EU-Staaten auf nur 34 Prozent kamen.59 Diese Kombination aus asymmetrischem Schock und unterschiedlichen Reaktionskapazitäten drohte zu einer großen wirtschaftlichen und politischen Belas­tungsprobe für die EU zu werden und die wirtschaftlichen Divergenzen massiv zu verstärken.

Indem er (auch) Zuschüsse vergibt, soll der Wieder­aufbaufonds also bereits erheblich belastete nationale Haushalte entlasten, ein effektives Zeichen europäischer Solidarität setzen und dazu beitragen, dass sich die EU-Staaten möglichst gemeinsam von den Ein­bußen durch die Pandemie erholen. So argu­mentierte auch der frühere deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der in der Eurokrise auf harten Konditionen bestanden hatte, nun für einen Wiederaufbau­fonds mit Zuschüssen ohne strenge Bedingungen: »Wenn Europa überhaupt noch eine Chance haben will, muss es sich jetzt als solidarisch und handlungsfähig bewähren.«60

Außerdem war es ein Anliegen der Kommission von der Leyen, zusätzliche EU-Gelder zu generieren und für Investitionen zu verwenden, für die es im regulären EU-Haushalt keinen Spielraum mehr gab. Sie sollen sowohl den Mitgliedstaaten als auch EU-Programmen (in Form einer Aufstockung) zugutekommen. Über 50 Prozent der NGEU-Mittel sollen laut Plan in Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu Klima- und Digitalpolitik investiert werden, in das Forschungs­programm Horizon Europe sowie in Maß­nahmen zur Verbesserung der Resilienz der EU und ihrer Mit­gliedstaaten.

Der Entscheidungsprozess zum Wiederaufbaufonds war sehr viel stärker als bei SURE und der Impfstoffbeschaffung auf den Europäischen Rat fokussiert, auch weil NGEU mit dem regulären MFR 2021–27 verknüpft ist, der ohnehin im Jahr 2020 vereinbart werden musste. Entlang der verhandelnden Akteure und Entscheidungsforen lässt sich der Entscheidungs­prozess in zwei Teile gliedern, deren Abfolge großen Einfluss auf die Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten der parlamen­tarischen Akteure auf EU- und nationaler Ebene hatte.

Die erste Phase des Entscheidungsprozesses spielte sich fast ausschließlich zwischen den nationalen Staats- und Regierungschefs und ‑chefinnen im Euro­päischen Rat ab, wobei der EU-Kommission und ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen eine zentrale Rolle zukam. Die Vorgeschichte des Wiederaufbaufonds ist von zwei Blockaden gekennzeichnet: zum einen von den festgefahrenen Verhandlungen zum MFR, die wegen der üblichen Verteilungskonflikte, erschwert durch den Brexit und den Wegfall des Vereinigten Königreichs als Nettozahler, noch bei einem Sondertreffen des Europäischen Rates im Februar 2020 ge­schei­tert waren.61

Zum anderen spielte die Debatte über ein eigenes fiskalisches Instrument der Eurozone eine wichtige Rolle. Aufgrund einer zu hohen Risikoteilung und der damit verbundenen Entkoppelung von nationaler Verschuldung und Refinanzierungs­kosten lehnte unter anderem die Bundesregierung die Idee von Eurobonds schon während der Eurokrise grundsätzlich ab. Im März 2020 belebten neun Eurostaaten, darunter Frankreich, Italien und Spanien, die Idee wieder und forderten die Einführung von ›Coronabonds‹, um so Wirtschaftsprogramme gemeinsam zu finanzieren, die die Kosten der Pandemie abfedern sollten.62 Folglich drohte die Pandemie zu einer Belas­tungsprobe für den Zusammenhalt der Eurozone zu werden und die Wunden der Schuldenkrise wieder aufzureißen.

Vor diesem Hintergrund nutzten die politischen Akteure der EU im Frühjahr 2020 ein eher zufälliges Gelegenheitsfenster und kombinierten zwei Verhandlungsprozesse: den über den nächsten MFR und den über eine fiskalische Antwort Europas auf die Ver­werfungen durch die Pandemie. Der politische Durch­bruch wurde durch einen Vorschlag der damaligen Bundeskanzlerin Merkel und des französischen Staats­präsidenten Macron erreicht; Mitte Mai spra­chen sie sich in Abstimmung mit der Kommissionspräsidentin für ein Wiederaufbauprogramm in Höhe von 500 Mil­liarden Euro aus, um wirtschaftliche Erholung und Zusammenhalt in der EU zu sichern.63

In schneller Abfolge gab es einen detaillierten Kommissionsvorschlag,64 ein Stakkato von Verhandlungen und einen fünftägigen Marathongipfel des Europäischen Rates – und aus dem deutsch-fran­zö­sischen Vorschlag wurde im Juli 2020 der Wieder­aufbaufonds von 800 Milliarden Euro, der zusätzlich zum regulären MFR beschlossen wurde. Die zentralen Akteure hierbei waren Deutschland und Frankreich. In Form eines klassischen deutsch-französischen Kom­promisses brachten sie dabei die unterschiedlichen wirtschaftspolitischen Vorstellungen der Mitgliedstaaten unter einen gemeinsamen Nenner. Der von ihnen vorgeschlagene Wiederaufbaufonds sollte auf der einen Seite – wie etwa von Frankreich, Spanien und Italien gefordert – den Mitgliedstaaten direkte Zu­schüsse gewähren, als Zeichen der Solidarität sowie zur Entlastung der nationalen Haushalte. Deutschland auf der anderen Seite stand für den Charakter als tem­poräres Instrument ein, das vom Umfang begrenzt und nur mit der Ausnahmesituation der Pandemie begründet war und zudem ein Element von Krediten und Konditionalität enthielt. Diesem Kompromiss konnten sich die meisten Mitgliedstaaten anschließen. Schwierige Verhandlungen gab es vor allem mit den sogenannten Frugalen Vier (Niederlande, Dänemark, Schweden, Österreich) über das Verhältnis zwischen Krediten und Zuschüssen sowie mit Polen und Un­garn bezüglich der Rechts­staatskonditionalität.65 Das Euro­päische Parlament spielte in dieser Phase keine Rolle, sieht man vom traditionellen Austausch mit dem EP-Präsidenten vor Beginn der Sitzung des Euro­päischen Rates ab.

In der ersten Phase des Entscheidungsprozesses zu NGEU spielte das EP keine Rolle, in der zweiten eine begrenzte.

Nach der grundsätzlichen Einigung auf den MFR und den Wiederaufbaufonds auf dem Gipfel im Juli 2020 folgte die zweite Phase, in der die politischen Beschlüsse formell umgesetzt werden mussten. Beim MFR erfordert dies neben Einstimmigkeit im Rat auch die Zustimmung des Europäischen Par­laments, das hiermit beim Gesamtpaket einschließlich des Wieder­aufbaufonds ins Spiel kam. Dadurch verlagerten sich in der zweiten Phase die Konfliktlinien, denn das EP erklärte schon drei Tage nach der Gipfeleinigung in einer Resolution, die Beschlüsse des Europäischen Rates seien »weder prak­tikabel noch akzeptabel«.66 Die Kri­tik des EP konzentrierte sich auf eine durchsetzungs­fähige Rechtsstaatskonditionalität, die Rücknahme der vom Europäischen Rat vereinbarten Kürzungen bei EU-Programmen, mehr Flexibilität im Haushalt, eine höhere Verbindlichkeit bei der Zielformulierung neuer EU-Eigenmittel sowie auf eine stärkere parla­mentarische Mitwirkung bei der Umsetzung von NGEU. Im Detail wurden diese Fragen im Trilog zwi­schen EP, dem Rat (vertreten durch die deutsche Rats­präsidentschaft) und der Kom­mission verhandelt.67 Insbesondere die Rechtsstaatskonditionalität spaltete auch weiterhin die Mitgliedstaaten im Rat.

Eine Einigung zwischen den Institutionen wurde nach intensiven Ver­handlungen ab August am 10. No­vember 2020 in einer Paketlösung gefunden. Hier konnte sich das EP durchsetzen, indem die Mittel für die EU-Programme leicht erhöht wurden (hauptsächlich über NGEU), die Verteilung der Haushalts­titel etwas flexibler gehandhabt und der Rechtsstaats­mecha­nismus breiter angelegt wurde. Der Rechtsstaats­mechanismus wurde im Mehrheitsverfahren gegen die Stimmen Polens und Ungarns im November 2020 verabschiedet. Allerdings wollten Polen und Ungarn anschließend dem MFR als Ganzem, für den Einstimmigkeit erforderlich ist, nicht mehr zustimmen, sodass es zu einer weiteren Verhandlungsrunde im Vorfeld des Europäischen Rates im Dezember 2020 kam.68 Hier lohnt sich auch und gerade bezogen auf die par­lamentarische Beteiligung am Entscheidungsprozess ein genauerer Blick:

So machte das EP aus seiner Sicht erhebliche Zu­geständnisse bei seiner Forderung, der Rechtsstaatsmechanismus solle der EU erlauben, Gelder zu kür­zen, wenn ein Mitgliedstaat ihre fundamentalen Werte und demokratischen Prinzipien verletze. Bei dieser Frage wurde einmal mehr deutlich, dass NGEU anders als die Impfstoffbeschaffung und SURE noch viel weiter in die regulären Strukturen der EU außer­halb des Krisenmoments hineinreicht. Die im Novem­ber 2020 vereinbarte finale Fassung sieht solche Kürzungen nur für den Fall vor, dass Verletzungen der Rechts­staatlichkeit die finanziellen Interessen der Union betreffen, also insbesondere bei Korruption.69 Dies ist bereits eine wesentlich engere Auslegung, als das EP angestrebt hatte.

Der Europäische Rat hat jedoch zusätzlich beschlos­sen, dass die Kommission zuerst die Richtlinien für die Anwendung des Rechtsstaats­mechanismus ent­wer­fen und ihn darüber hinaus erst nutzen würde, wenn ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu der angekündigten Klage Polens und Ungarns ergangen sei.70 Diese politische Erklärung des Europäischen Rates, der formell keine Gesetz­gebungs­kompetenzen besitzt, stand im Widerspruch zu der von Rat und EP als Gesetz­geber vereinbarten Richtlinie. Erst im Dezember 2022 hat der Rat auf Vorschlag der Kommission den Rechtsstaatsmechanismus erstmals angewendet: in Bezug auf Ungarn. Sowohl Polen als auch Ungarn haben zwar erste Schritte unternommen, um NGEU-Mittel abrufen zu können; aus Sicht der Kommission aber haben sie die Rechtsstaatskonditionalität nicht vollständig erfüllt, sodass die Mittel bisher nicht aus­gezahlt wurden.

Als Rechtsgrundlage nutzt auch der Wiederaufbau­fonds in der »Verordnung zur Schaffung eines Auf­bauinstruments der Europäischen Union zur Unter­stützung der Erholung nach der COVID‑19-Krise«71 den Notstandsartikel 122 AEUV, das heißt dieselbe Rechts­grundlage wie SURE und die gemeinsame Impfstoffbeschaffung. In ihrer Begründung beruft sich die Kommission darauf, dass die Pandemie »bei­spiellos« sei und sich durch gravierende Schwierig­keiten aus­zeichne, »die sich der Kontrolle der Mit­gliedstaaten entziehen«. Deswegen biete dieser Arti­kel eine ge­eig­nete Grundlage, um »außergewöhnliche befristete Maßnahmen« zu treffen, die den Wieder­aufbau und die Resilienz in der gesamten EU unter­stützten.72 Dass Artikel 122 AEUV erneut heran­gezogen wurde, hat die breit angelegte Interpretation desselben als flexib­ler ›Krisenartikel‹ gefestigt.

Wichtig bei der Rechtsgrundlage ist überdies, dass die NGEU-Verordnung als Teil eines größeren Pakets rund um den MFR 2021–27 verabschiedet worden ist, einschließlich der MFR-Verordnung an sich,73 einer interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Rat, EP und Kommission zur Zusammenarbeit im Haushaltsbereich,74 des genannten Rechtsstaats­mechanismus sowie des Ratsbeschlusses zum Eigen­mittelsystem der EU.75 Um die Aufbau- und Resilienzfazilität umzusetzen, haben Parlament und Rat im Februar 2021 gemeinsam – über das ordentliche Gesetzgebungsverfahren – ihre Einrichtung per Ver­ordnung beschlossen.76 Diese Verhandlung im Gesamt­paket hat die Einflussmöglichkeiten der parlamen­tarischen Akteure verändert, weil sowohl das EP als auch die nationalen Par­lamente in einzelnen Aspek­ten Mitsprache hatten, obwohl Artikel 122 AEUV keine EP-Beteiligung vorsieht.

Wie bei SURE und der Impfstoffbeschaffung ist bei der Analyse der Ent­schei­dungsprozesse zuletzt noch relevant, wie die Verfahren zur Implementierung von NGEU ausgestaltet wurden. Der Wieder­aufbau­fonds ist eng an das Europäische Semester zur wirtschaftspolitischen Steuerung angelehnt. Demnach legen die Mitgliedstaaten der Kommission ihre nationalen Auf­bau- und Resilienzpläne vor, die Kommission prüft diese entlang der vier Kriterien Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz. Im Anschluss legt sie ihrer­seits dem Rat eine Empfehlung für einen Durchführungs­beschluss vor, der diesen innerhalb von vier Wochen erlässt, dabei aber vom Kommissionsvorschlag abweichen kann.77 In diesem Prozess ist keine Beteiligung des Europäischen Parlaments vorgesehen. Das EP hat sich jedoch in den Verhandlungen Infor­mationsrechte erstritten, etwa dass alle Informationen, die der Rat oder seine Vorbereitungsgremien von der Kommission im Zusammenhang mit der Durchführung der Verordnung erhalten, auch ihm weitergeleitet werden. Aufbauend auf diesen Informationen kann das EP einen Dialog mit der Kommission und dem Rat über die Umsetzung der Aufbau- und Resi­li­enz­fazilität beantragen.78

Nimmt man den Entscheidungsprozess als Ganzes in den Blick, so ist bei der Input-Legitimation festzustellen, dass von den drei analysierten Prozessen das Euro­päische Parlament beim Wiederaufbaufonds am stärksten beteiligt war – aber dennoch über weite Strecken nur begrenzte Mitwirkungsmöglichkeiten hatte. Auf der einen Seite erlaubten die Verknüpfung von NGEU mit dem mehrjährigen Finanzrahmen sowie dessen begleitende Rechtsakte dem EP, trotz der Rechts­grundlage von Artikel 122 AEUV auf die Verhand­lungen Einfluss zu nehmen, da diese im Paket statt­fanden. Bei NGEU brachte es sich besonders in dreier­lei Hinsicht ein: bei der Rechtsstaatskonditionalität, bei der Erhöhung einzelner EU-Programme im Ver­gleich zu dem, was die Vereinbarung des Europäischen Rates vorsah, und indem es (begrenzte) Informa­tions­rechte bei der Umsetzung des Wiederaufbaufonds erlangt hat.

Auf der anderen Seite ist das EP, trotz seiner vertrag­lich gesicherten Mitentscheidungsrechte beim MFR, politisch vom Rat weitgehend umgangen wor­den, was NGEU betrifft. In der entscheidenden ersten Phase der Verhandlungen zu NGEU, insbesondere als der poli­tische Durchbruch auf dem 5‑Tage-Gipfel im Juli 2020 erzielt wurde, haben die Staats- und Regierungschefs und ‑chefinnen die Forderungen des Europäischen Parlaments bewusst beiseitegeschoben. Weder inhalt­lich noch personell war das EP an der Kompromissfindung beteiligt, der Austausch mit dem EP-Präsi­denten zu Beginn des Gipfels reine Formalität.79 Poli­tisches Kalkül war, dass das EP, das traditionell einen umfangreicheren EU-Haushalt fordert, gegen einen MFR mit großem Wiederaufbaufonds und der Aus­sicht auf neue EU-Eigenmittel kein Veto einlegen würde, vor allem nicht in der kritischen Wirtschaftslage, in der sich die Union in der Pandemie befand. Dieses Kalkül ist aufgegangen.

In der zweiten Phase der Verhandlungen konzent­rierte sich das EP darauf, einzelne EU-Programme anzuheben, sowie auf den Rechtsstaats­mechanismus und die Eigenmittel. An NGEU hingegen konnte es abgesehen von stärkeren Informationsrechten wenig Änderungen durchsetzen – eben keine Mitentscheidungs- oder Kontrollrechte erreichen. Zuletzt haben Europäischer Rat und Kommission bei der Umsetzung des Rechtsstaatsmechanismus noch eine politische Vereinbarung getroffen, die im Widerspruch nicht nur zu den Forderungen des EP, sondern auch zumin­dest den Möglichkeiten der vereinbarten Rechtsetzung stand.

Nichtsdestotrotz hat sich das EP von sich aus inten­siv mit dem Wiederaufbaufonds als Teil des Gesamtpakets um den MFR beschäftigt: Während des Ent­scheidungs­prozesses von der ersten politischen Initia­tive von Merkel und Macron im Mai bis zur Verab­schie­dung im Dezember 2020 haben die Abgeord­ne­ten insgesamt 14 auf NGEU bezogene Anfragen an die Kommission gestellt.80 Vor allem aber stand NGEU in mehreren Ausschüssen auf der Tagesordnung, zum Beispiel als sich der Haushaltsausschuss mit dem MFR befasste, außerdem im Ausschuss für Wirtschaft und Währung sowie im Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angele­gen­heiten. Hierbei hat sich das EP in seinen Resolutionen zum MFR auch auf NGEU be­zogen und gefordert, dass die parlamen­tarische Kont­rolle gestärkt werde.81 Nicht zuletzt hat das EP eine Plenardebatte zur Frage der Rechtsstaatskonditiona­lität in MFR und NGEU mit der Kommission und dem Rat (vertreten durch den damaligen deutschen Europa­minister Michael Roth) durchgeführt.

Von größerer Bedeutung ist auch bei diesem dritten Fallbeispiel die Input-Legitimation durch die natio­nale Ebene. Zunächst muss die herausgehobene Rolle der Bundes­regierung bei den Verhandlungen um NGEU erwähnt werden: Durch die Verknüpfung mit dem MFR hatte Deutschland hier wie alle anderen Mitgliedstaaten ein Vetorecht, sodass alle Beschlüsse zum MFR und zu NGEU nur mit Zustimmung der Bundesregierung zustande kommen konnten. Als größ­ter Nettozahler und Co-Initiator des Wiederaufbau­fonds hat die Bundesregierung und namentlich Kanz­lerin Angela Merkel bei den entscheidenden Verhandlungen in der ersten Phase eine zentrale Rolle ge­spielt, als der politische Kom­promiss zur Ausgestal­tung von NGEU und dem Verhältnis von Krediten und Zuschüs­sen ausgehandelt wurde.

Nicht weniger prominent war die Rolle der Bundes­regierung in der zweiten Phase des Entscheidungsprozesses, hatte Deutschland doch im zweiten Halb­jahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne und hat somit die Verhandlungen im Trilog mit EP und Kom­mission von Ratsseite geführt. Darüber hinaus hat die Bundeskanzlerin die informellen Verhandlungen zur Rechtsstaatskonditionalität mit Polen und Ungarn im Vorfeld des Euro­päischen Rates vom Dezember 2020 geleitet. Einzig bei der Umsetzung von NGEU und den für die einzelnen Auszahlungen not­wendi­gen Durchführungsbeschlüssen des Rates könnte Deutsch­land überstimmt werden.82

An den innerdeutschen Prozessen war ebenso der Bundestag beteiligt. So wurden kurz nach der Merkel-Macron-Initiative für den Wiederaufbaufonds die Abgeordneten im EU-Ausschuss und im Wirtschaftsausschuss über die Initiative und ihre Bedeutung für die europäische Wirt­schaft unterrichtet. Aufgrund der parlamentarischen Sommerpause gab es vor der Sitzung des Europäischen Rates im Juli 2020 nicht die übliche Regierungserklärung der Bundeskanzlerin mit Plenardebatte.83 Anders als das Europäische Par­lament war der Bundestag damit in der ersten Phase des Entscheidungsprozesses zumindest teilweise ein­gebunden. Im weiteren Verlauf stellten die Abgeordneten drei Kleine Anfragen sowie vier schriftliche Anfragen speziell zu NGEU, einschließlich einer um­fangreichen Kleinen Anfrage zu den Mitwirkungs­möglichkeiten des Bundestags bei diesem Instrument.84 Bis zur Einigung auf das Gesamtpaket im Dezember 2020 fanden mehrere Unterrichtungen im EU-Aus­schuss und in weiteren betroffenen Ausschüssen statt.

Überdies war der Bundestag wie auch andere natio­nale Parlamente an der Verabschiedung des Eigen­mittelbeschlusses beteiligt, der gemäß Artikel 311 Absatz 3 AEUV erst in Kraft trat, nachdem die Mit­gliedstaaten entsprechend ihren jeweiligen verfassungs­rechtlichen Bestimmungen dafür votiert hatten. In Deutschland erforderte dies gemäß dem EUZBBG ein Ratifizierungsgesetz (Eigenmittel­beschluss-Ratifi­zie­rungsgesetz, ERatG), das der Bundestag am 25. März 2021 nach regulären Verfahren in zweiter Lesung beschlossen hat.85 Vor­aussetzung für dieses Verfahren war, dass zuvor der Rat­ seinen Beschluss verabschiedet hatte; es ging also nur um die nachträgliche Zu­stim­mung des Bundestags. Hierbei konnte sich die damals oppositionelle FDP nicht mit einem Antrag durchsetzen, der eine Änderung des EUZBBG forderte: Er sah vor, dass der Haushalts­ausschuss des Bundestags vor jedem Votum, das die Bundes­regierung im Rat zu Durchführungsbeschlüssen von NGEU abgeben würde, einbezogen werden sollte.86

Bei NGEU hat sich der Bundestag mehr Informationsrechte gesichert als das Europäische Parlament.

Nach den parlamentsinternen Verhandlungen wurden die parlamentarischen Informationsrechte im ERatG jedoch gestärkt; demnach hat die Bundes­regie­rung den Bundestag regelmäßig, zeitnah und umfas­send über den Ent­wicklungsstand von NGEU zu unter­richten. Dazu gehören halbjährliche Berichte zur Gesamtentwicklung des Aufbauinstruments, zur Kredit­aufnahme durch die EU-Kommission, zur detaillierten Mittelverwendung von NGEU, zu den Erörterungen in Rat und Europäischem Rat hierzu sowie ein jährlicher Bericht über den Sachstand der Verhandlungen zu neuen EU-Eigenmitteln.87 Damit gehen die Informationspflichten der Bundesregierung an den Bundestag über die Pflichten der EU-Kommission gegen­über dem Europäischen Parlament hinaus.

Wie bei der Impfstoffbeschaffung und dem Kurzarbeitergeld-Programm SURE fokussiert die Analyse der Output-Legitimation zum Wiederaufbaufonds NGEU auf die Effektivität des Entscheidungsprozesses. Von den in dieser Studie untersuchten Entscheidungs­prozessen war er mit Abstand der längste – von dem Vorschlag Angela Merkels und Emmanuel Macrons Mitte Mai 2020 bis zur Verabschiedung des Gesamtpakets zum MFR im Dezember 2020 vergingen sieben Monate. Die notwendigen nationalen Zustimmungsverfahren nahmen ein weiteres halbes Jahr bis zum 31. Mai 2021 in Anspruch, sodass der komplette Ent­scheidungsprozess sich über gut zwölf Monate er­streckt hat.88 Die ersten Gelder aus NGEU wurden im August 2021 ausgezahlt, als die Pandemie bereits seit knapp anderthalb Jahren anhielt und der Höhepunkt pandemiebedingter Restriktionsmaßnahmen in den meisten Mitgliedstaaten bereits überschritten war.

Neben anderen Faktoren begründet sich die lange Dauer von der Idee bis zur Umsetzung auch mit den Entscheidungsverfahren und der gewählten Verknüpfung mit dem MFR. Vier Aspekte kamen hierbei zu­sam­men: Erstens erforderte diese Verknüpfung Ein­stim­migkeit im Rat bzw. im Europäischen Rat. Die rechtliche Basis nur für den Wiederaufbaufonds, Artikel 122 AEUV, erlaubt wie dargestellt einen Be­schluss mit qualifizierter Mehrheit. Der MFR und die begleitende Gesetzgebung wie etwa der Eigenmittelbeschluss hingegen setzen Einstimmigkeit voraus. In der Folge hatten bei den Verhandlungen über NGEU alle EU-Staaten ein Vetorecht, was zunächst die poli­tischen Ver­handlungen auf dem Marathongipfel im Juli 2020 erheblich erschwert, vor allem aber auch weitere Blockaden bis zur Einigung im Dezember 2020 mitverursacht hat.

Zweitens bedingte die Verknüpfung mit dem MFR Zustimmungs­verfahren je nach nationalen verfassungs­rechtlichen Vorgaben. Dies hat zwar die Mitwirkungs­möglichkeiten nationaler Parlamente erhöht, indem zum Beispiel der Bundestag über das ERatG ein Mit­entscheidungsrecht hatte und darüber ebenso seine Informationsrechte in Bezug auf NGEU stärken konnte. Andererseits haben diese nationalen Verfah­ren die Dauer des Entscheidungs­prozesses um ein halbes Jahr verlängert und insgesamt fast verdoppelt, sodass die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds erst entsprechend spät zur Verfügung gestellt werden konnten. Dabei ist es bei den nationalen Verfahren in keinem EU-Staat zu großen politischen Komplikationen gekommen. Unter anderen politischen Umständen – etwa wenn die politische Krise in Italien vom Frühjahr 2021 und nicht erst diejenige vom Sommer 2022 zu vorgezogenen Neuwahlen geführt hätte – wären weitere und deutlich längere Verzögerungen denkbar gewesen. Entscheidungsverfahren mit Pflicht zur zusätzlichen nationalen Ratifikation, bei denen die Zustimmung von 27+ Parlamenten eingeholt werden muss, eignen sich daher nicht als kurzfristiges Kriseninstrument.

Drittens wurde der Entscheidungsprozess dadurch, dass er mit dem MFR und dem Thema Rechtsstaatlichkeit verbunden wurde, beträchtlich erweitert. Dies hat auf der einen Seite dazu beigetragen, dass die 2018 begonnenen und im Februar 2020 noch blockierten Verhandlungen zum MFR 2021–27 er­folgreich abgeschlossen werden konnten, auch weil die Verhandlungsmasse für eine Paket­lösung aus­geweitet wurde. Auf der anderen Seite gehören MFR-Verhand­lungen aufgrund ihres Verteilungscharakters ohnehin zu den komplexesten und stets konflikt­behafteten auf EU-Ebene. Dass die Rechtsstaatlichkeit einbezogen und Einstimmigkeit notwendig war, hat die Verhandlungen noch schwieriger gemacht.

Nicht zuletzt hat die Verknüpfung mit dem MFR und der Begleitgesetzgebung dazu geführt, dass anders als bei der Impfstoffbeschaffung und SURE neben Rat und Kommission auch das Europäische Parlament bei NGEU mitentschieden hat. Im Ver­gleich zu den nationalen Vetos und der Notwendigkeit nationaler Zustimmung hat die EP-Beteiligung den Prozess aber nur unwesentlich verlängert. Zwar hat es für die Umsetzung des Gesamtpakets im zwei­ten Halbjahr 2020 ein Trilog-Verfahren zwischen EP, Kommission und Rat gebraucht, die rechtliche Um­setzung im Rat hätte jedoch ähnlich lange ge­dauert. Nachdrücklich unterstrichen hat dies die Tat­sache, dass nach der Einigung im Trilog ein weite­rer Monat verging, bis sich die Mitgliedstaaten im Rat bzw. im Europäischen Rat mit Blick auf die Rechtsstaatskonditionalität verständigt hatten. Dennoch ist hier nicht festzustellen, dass die stärkere Input-Legiti­mation einen nega­tiven Effekt auf die Output-Legitimation gehabt hätte – anders als bei der sechs Monate dau­ern­den Ex-post-Einbeziehung der nationalen Parlamente.

Auf die letzte Dimension, die Throughput- oder Prozess-Legitimation, wirkt sich die Verknüpfung von MFR und NGEU beim Entscheidungsprozess ebenfalls aus. Hin­sichtlich der Transparenz des Entscheidungsprozesses zeigen sich hier sowohl die Vorteile des regulären Haus­haltsverfahrens als auch die Nachteile von Ver­hand­lungen abseits der Öffentlichkeit. So ist festzu­halten, dass der reguläre Vorschlag der Kommission zum MFR und zu NGEU früh Transparenz hergestellt hat, was das grundsätzliche Vorgehen betraf. Die Kom­mis­sion präsentierte ihren Vorschlag nur wenige Tage nach der – noch detailarmen – deutsch-franzö­sischen Initiative für einen Wiederaufbaufonds. Er enthielt bereits alle für die Öffentlichkeit wichtigen Details, inklusive einer genauen finanziellen Auf­schlüsse­lung von NGEU. Darauf folgte die Phase des Europäischen Rates, dessen Verhand­lungen gerade, wenn es um Fragen der finanziellen Verteilung geht, hinter verschlossenen Türen stattfinden.

Letzteres gilt bemerkenswerterweise ebenso für die zweite Phase des Entscheidungsprozesses. Für die zentralen Verhandlungen über die vom EP geforderten Änderungen und die formelle Umsetzung des politischen Kompromisses des Europäischen Rates bediente man sich des Trilog-Formats. Dieses Format zur besseren Entscheidungsfindung zwischen EP, Rat und Kommission hat zwar die EU-Gesetzgebung effek­tiver gemacht, indem alle an der Gesetzgebung betei­ligten Institu­tionen an einen Tisch kommen, steht aber zu Recht wegen mangelnder Transparenz in der Kritik.89 Im vorliegenden Fall wurde weder publik gemacht, wie viele Trilog-Runden es gab oder wor­über jeweils konkret verhandelt wurde, noch wie sich die einzelnen Fraktionen des EP positionierten. Einzig die abschließende Einigung von EP, Rat und Kommission wurde der Öffentlichkeit vorgestellt, wobei sich Rat, Kommission und die EP-Verhandlungsführung als Einheit präsentierten. Insgesamt betrachtet be­deu­tet das, beide Teile des Entscheidungsprozesses waren von hoher Intransparenz gekennzeichnet.

Politisch waren viele Akteure an den Beschlüssen zu NGEU beteiligt, eine klare politische Verantwortung gibt es dagegen nicht.

Diese Intransparenz wiederum hat Folgen für die Frage nach der Verantwortlichkeit für den Wiederaufbaufonds. An den Beschlüssen zum Aufbau und der Ausgestaltung von NGEU waren viele Akteure beteiligt: Emmanuel Macron und Angela Merkel haben als fran­zösischer Staatspräsident und deutsche Bundeskanzlerin gemeinsam den Impuls gegeben, EU-Kommis­sionspräsidentin Ursula von der Leyen und die zuständigen Kommis­sarinnen und Kommis­sare die detaillierten Vorschläge ausgearbeitet, die Stränge im Europäischen Rat hat dessen Präsi­dent Charles Michel – oft gemeinsam mit Merkel, Macron und / oder von der Leyen – zusammengeführt und schließlich musste jeder einzelne Staats- oder Regie­rungschef bzw. ‑chefin die Beschlüsse des Europäischen Rates national verantworten. Der Europäische Rat hat somit ein Stück weit kollektive Verantwortung übernommen, während das Euro­päische Parla­ment nur an den Details Änderungen erwirken konnte – und hierbei auch nicht die Verantwortlich­keiten einzelner Abgeordneter oder Parteien im Par­lament deutlich wurden. Eine klar zuzuordnende politische Verantwortung gibt es somit nicht, etwa falls Gelder aus dem Wiederaufbaufonds veruntreut werden oder die Herangehensweise von Schuldenaufnahme und Verteilung von Zuschüssen sich im Nachhinein als politischer Fehler für die EU erweisen würde.

In der Gesamtschau bleiben berechtigte Fragen zur demokratischen Legi­timation des Wiederaufbau­fonds, auch und gerade angesichts der für die euro­päische Integration materiell und symbolisch rele­van­ten Ent­scheidungen sowie des langen Zeithorizonts, durch den das Instrument nicht für eine schnelle Krisen­bewältigung geeignet war bzw. ist. Indem es mit dem MFR verknüpft wurde, war die für den EU-Haushalt übliche Input-Legitimation gesichert, ein­schließlich eines Vetorechts für alle nationalen Regie­rungen, zusätzlicher nationaler Zustim­mung (in Deutschland etwa durch den Bundestag) sowie einer Beteiligung des Euro­päischen Parlaments. Politisch aber wurde das EP weitgehend von den Staats- und Regierungschefs und ‑chefinnen im Europäischen Rat auf eine Ex-post-Zustimmung mit nur kleinen Ände­rungen reduziert, bis hin zur Aufweichung des Kom­promisses über die Rechtsstaatskonditionalität. Dem­gegenüber steht bei der Bewertung der Output-Legi­timation ein Entscheidungsprozess, der aufgrund der Einstim­mig­keit und nationalen Zustimmungsverfahren insgesamt gut ein Jahr gedauert hat und damit im Ver­gleich zu den beiden anderen untersuchten Fällen unterstreicht, dass NGEU nicht als Modell für zukünf­tige Kriseninstrumente taugt.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Die Europäische Union hat unter dem Druck der Covid‑19-Pandemie tiefgreifende Entscheidungen ge­troffen, mit denen sie substanziell zur Eindämmung der sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pande­mie, aber auch zum Schutz der Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger beigetragen hat. Die Pande­mie reihte sich ein in eine Serie von sich zum Teil überlappenden Krisen, mit denen die EU spätestens seit 2010 konfrontiert war. In diesen Krisen hat sie jeweils weitreichende neue Instrumente in- und außerhalb der EU-Verträge eingeführt, mit denen sie immer wieder zwar nicht ihre formellen Kompetenzen, aber doch zumindest ihre Verantwortlichkeiten ausgeweitet hat.

Mit der gemeinsamen Impfstoffbeschaffung, dem Kurzarbeitsgeld-Programm SURE und dem Wiederaufbaufonds Next Generation EU hat die Union in der Pandemie drei neue Instrumente ins Leben gerufen, mit denen die Mitgliedstaaten ihr temporär bisher nie da gewesene Verantwortung übertragen haben: dafür, ein für die öffentliche Gesundheit kritisches Medikament gemeinsam und rechtzeitig zu beschaffen und zu verteilen, die Systeme sozialer Sicherheit zu unter­stützen sowie gemeinsam Schulden für SURE (100 Mil­liarden Euro) und NGEU (800 Milliarden Euro)90 auf­zunehmen und im Fall von NGEU den Mitgliedstaaten umfangreiche Zuschüsse ­zu geben. Alle diese Ent­schei­dungen haben die EU-Ins­titutionen innerhalb nur weniger Monate zwi­schen April und Juli 2020 gefällt – mit Ausnahme der etwas längeren Periode für die Umsetzungs­beschlüsse zu NGEU. Allein das Ausmaß der Veränderungen bedingt die Frage nach der demo­kratischen Legitimation die­ser Entscheidungen.

Diese Frage hat jedoch nicht nur im Rückblick Rele­vanz, sondern ebenfalls für die künftige Nutzung solcher Instrumente durch die EU. Denn obwohl alle drei Instrumente zeitlich begrenzt und auf die Sonder­situation der Pandemie angelegt waren, gilt auch hier die Regel, dass ›die EU in Krisen geschmiedet wird‹ und einmal geschaffene Instrumente in neuerlichen Krisen wieder zum Einsatz kommen oder als Präze­denz­fälle herangezogen werden können. Bei den hier betrachteten Instrumenten wird diese Debatte unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und seiner Folgen bereits seit 2022 wie­der geführt. So hat die EU einen Mechanismus zum ge­mein­samen Gaseinkauf eingerichtet; darüber hinaus werden sowohl Vorschläge diskutiert, einen SURE-ähnlichen Mechanismus einzuführen, der die Mit­glied­staaten bei der Bewältigung der hohen Energiekosten unterstützt,91 als auch eine Umwidmung oder Neu­auflage von NGEU. Im März 2023 hat die EU entschie­den, zur Unterstützung der Ukraine eine ge­meinsame Beschaffung von Munition nach dem Vor­bild der Impf­stoffbeschaffung in die Wege zu leiten.92 Mit Blick auf die Entwicklung der EU und ihre Hand­lungs­fähig­keit in kommenden Krisen ist die Frage nach der demo­kratischen Legitimation der Ent­schei­dungen für die Impfstoff­beschaffung, SURE und NGEU also von höchs­ter Bedeutung.

Die Analyse der drei Entscheidungsprozesse zeigt allerdings, dass es in der demokratischen Legitima­tion der Beschlüsse zu den Kriseninstrumenten deut­liche Defizite gibt. Bemerkenswert ist zunächst, dass, anders als etwa in der Eurokrise, alle hier untersuchten Instrumente auf Basis regulärer EU-Rechtsetzung auf den Weg gebracht wurden. Keine Rolle gespielt hat hingegen differenzierte Integration in Gruppen von Mitgliedstaaten innerhalb der EU oder sogar – wie beim Euro-Plus-Pakt, dem Fiskal­pakt oder Teilen der Bankenunion – außerhalb des EU-Rahmens.93 Das hat garantiert, dass jeweils die vertraglich vorge­sehenen Institutionen ihre Aufgaben wahrnehmen konnten, mit Vorschlagsrecht der EU-Kommission und Rechtsetzung durch den Rat, je nach Rechtsgrundlage mit oder ohne Beteiligung des Europäischen Parlaments.

Diese Rechtsgrundlage war aber bei allen drei Krisen­instrumenten der Notstandsartikel 122 AEUV, mit dem der Rat Beistand oder andere Maßnahmen erlassen kann im Fall »gravierende[r] Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor allem im Energie­bereich« (Art. 122 (1) AEUV) und / oder bei »Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Er­eig­nissen« (Art. 122 (2) AEUV), die einen oder mehrere Mitgliedstaaten in große Bedrängnis bringen. Diese Rechtsgrundlage hat der EU erlaubt, jene Krisen­instrumente zu verabschieden, ohne dass die EU-Verträge hierfür explizite Kompetenzen vorsehen.

Analysiert man die Input-Legitimation der drei Entscheidungsprozesse, bedeutet die Nutzung von Artikel 122 als Rechtsgrundlage aber auch, dass das Europäische Parlament in allen Fällen weitgehend außen vor war. An den Beschlüssen zur Impfstoff­beschaffung war es gar nicht beteiligt. Gerade bei der für die öffentliche Gesundheit und wirtschaftliche Erholung so wichtigen Beschaffung, bei der die EU im Nachhinein betrachtet anfangs massive Probleme hatte, hat es damit auf EU-Ebene keine parlamentarische Mitwirkung gegeben. Bei SURE war das EP, trotz seiner regulären Haus­haltskompetenzen, ebenfalls nicht beteiligt und wurde lediglich informiert. Bei der Umsetzung des Instruments hatte das EP keine Kont­roll­rechte, etwa was die Herausgabe der EU-Anleihen durch die Kommission betraf.

Etwas anders gelagert war der Entscheidungsprozess beim Wiederaufbaufonds NGEU. Dieser wurde zwar gleichfalls auf Basis von Artikel 122 AEUV ver­abschiedet, aber mit dem Beschluss zum mehrjährigen Finanzrahmen der Union verbunden, bei dem das EP Mitentscheidungsrechte hat. Schaut man genauer auf den Entscheidungsprozess, wurde es jedoch wieder­um von den Mitgliedstaaten im Rat / Europäischen Rat weitgehend politisch an die Wand gespielt. Bei den entscheidenden Verhandlungen auf der fünftägigen Sitzung des Europäischen Rates im Juli 2020, auf der die Grundlagen für NGEU zusammen mit dem MFR vereinbart wurden, haben die Mitgliedstaaten das EP politisch ausgeklammert, um erst einmal einen Kom­promiss unter sich zu finden.

In der zweiten Phase war das EP an der Verhandlung der Umsetzungsbeschlüsse zum MFR und damit auch zu NGEU zwar beteiligt, konnte aber nur klei­nere Veränderungen erreichen. Politisch sehr wichtig war ihm der Punkt ›Rechtsstaatskonditionalität‹ – hier hat der Europäische Rat die im Trilog zwischen EP, Rat und Kommission ausgehandelte Kompromisslösung nach Druck aus Ungarn und Polen abgeschwächt, was aus Sicht des EP der Vereinbarung wider­sprochen hat. Insgesamt ist das Europäische Parlament da­mit politisch bei zwei von drei Entschei­dun­gen Zuschauer geblieben und bei der dritten weitgehend aus­manövriert worden. Maßgeblichen Einfluss hatte es, obwohl es mehr Mitsprache einforderte, in keinem der drei Fallbeispiele.

Auf nationaler Ebene zeigt sich ein anderes Bild: Zum einen waren die mitgliedstaatlichen Regierungen mit ihrer jeweiligen nationalen Legitimation ent­scheidend an allen Beschlüssen beteiligt. Das gilt umso mehr für Deutsch­land, das bei der Impfstoff­beschaffung und vor allem bei NGEU eine führende Rolle übernommen hat. Zwar hätten die Entscheidungen zur Impfstoffbeschaffung und zu SURE per Mehrheitsvotum getroffen werden können, in der Praxis sind aber alle EU-Staaten den Vorschlägen der Kommission gefolgt. Bei SURE kam noch hinzu, dass jeder einzelne EU-Staat einschließlich Deutsch­land der Risikoübernahme für die gemeinsamen Anleihen zustimmen musste.

Zum anderen hatte der Deutsche Bundestag zumindest eine kontrollierende Rolle, da er aufgrund der Nutzung regulärer EU-Verfahren jeweils zur gleichen Zeit wie die Bundesregierung die Initiativen der Kommission vorgelegt bekam. Bei der Impfstoffbeschaffung hat der EU-Ausschuss des Bundestags die damit verbundene Änderung der EU-Soforthilfe-Ver­ordnung trotz der Covid-Beschränkungen vor dem Ratsbeschluss thematisiert. Auch bei SURE wurde der Bundestag nicht nur informiert, sondern war über­dies bei der Risikoübernahme beteiligt, die zwar ein begrenztes, aber angesichts des deutschen Anteils an insgesamt 100 Milliarden Euro durchaus substanzielles Risiko für den Bundeshaushalt darstellte. Hier­zu hat er im Juni 2020 ein SURE-Gewährleis­tungs­gesetz verabschiedet.

Beim Wiederaufbaufonds war der Bundestag eben­falls eingebunden. Die Abgeordneten wurden von Beginn an informiert, es gab mehrere Unter­rich­tun­gen im EU- und anderen betroffenen Ausschüssen, zum Beispiel dem Haushaltsausschuss. Zudem war der Bundestag ebenso wie andere nationale Parlamente an der Verabschiedung des Eigenmittel­beschlus­ses be­teiligt, denn dieser konnte erst in Kraft treten, nach­dem gemäß AEUV alle Mitgliedstaaten entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Vorgaben zuge­stimmt hatten. In Deutschland war ein Ratifizierungs­gesetz notwendig, über das der Bundestag zusätzliche Infor­mationsrechte durchsetzen konnte. Hierzu gehören halbjährliche Berichte zur Gesamtentwicklung von NGEU, zur Kreditaufnahme und zur Mittel­verwen­dung sowie Berichtspflichten zu den Verhandlungen über neue Eigen­mittel der EU. Damit hat sich der Bundestag wesentlich umfangreichere Informa­tions­rechte gesichert als das Europäische Parlament.

Diese Form der ›subsidiären parlamentarischen Kontrolle‹ genügt zwar den nationalen Anforderungen demokratischer Legitimation, es fehlt dann aber die parlamentarische Beteiligung mit Blick auf das gesamteuropäische Interesse. Hinzu kommt, dass die Handlungsfähigkeit der EU gerade in Krisenmomenten wieder geschwächt werden könnte, wenn alle nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten eine ähn­lich starke Kontrollfunktion auf dem Niveau des Bundestags innehätten.

Die Ergebnisse für die Output-Legitimation in Bezug auf die Hand­lungsfähigkeit in den Entscheidungsprozessen fallen in der Bewertung für die Kriseninstrumente sehr viel positiver aus. In Krisen­situationen gilt es, schnelle Entscheidungen treffen und umsetzen zu können; das ist für die EU in Be­reichen, in denen Einstimmigkeit oder andere kom­plizierte Verfahren vorgesehen sind, oft schwierig. Hier wurden wichtige Unterschiede zwischen den drei Kriseninstrumenten deutlich: Bei der Impfstoffbeschaffung erlaubte Artikel 122 AEUV die Beschlussfassung per Mehrheit, was zu einer zügigen Entscheidung unter dem Druck der Pandemie beigetragen hat. Die zugrunde liegende Soforthilfe-Verordnung wurde im April 2020 in weniger als zwei Wochen von der Kom­missionsinitiative bis zur Verabschiedung im Rat adaptiert. Der spätere Beschluss zur Impfstoffbeschaffung dauerte ebenfalls nur wenige Wochen. Vergleich­bar schnell war das Verfahren bei SURE – hier vergingen, trotz der mit 100 Milliarden Euro hohen Summe, vom Kommissionsvorschlag bis zur Verabschiedung der SURE-Verordnung nur knapp sieben Wochen. Fast noch bemerkenswerter war, dass das Ein­holen der Garantien der Mitgliedstaaten innerhalb von vier Monaten abgeschlossen werden konnte; Ende September 2020 wurden die ersten SURE-Hilfen aus­gezahlt. Für EU-Verhältnisse war dies eine rasante Geschwindigkeit. Dennoch griffen die SURE-Hilfen erst, als die erste Phase der Pandemie mit den härtes­ten lockdownbedingten Einschränkungen bereits vorbei war.

Noch offensichtlicher wird dieses Spannungsfeld aus der Notwendigkeit, schnell zu entscheiden, und dem Einbezug mehrerer Entscheidungsebenen beim Wiederaufbaufonds durch die Verknüpfung mit dem MFR. Dieser Entscheidungsprozess war von den in dieser Studie untersuchten mit Abstand der längste und dauerte vom ersten Vorschlag bis zur Verabschiedung des Gesamtpakets sieben Monate. Hierbei war durchgängig Einstimmigkeit erforderlich, was den Prozess mehrfach erschwert und verlängert hat, etwa weil Konflikte über den Rechtsstaatsmechanismus aus dem Weg geräumt werden mussten. Hinzu kamen die vorgeschriebenen nationalen Zustimmungs­verfahren, die ein weiteres halbes Jahr in An­spruch nahmen. Die ersten Gelder aus dem Wiederaufbaufonds flossen so erst im August 2021, über ein Jahr nach der ersten Idee. Als kurzfristiges Kriseninstrument ist das Modell NGEU deshalb untauglich.

Kritischer zu bewerten ist zuletzt die Prozess-Legi­timation der Entschei­dungsprozesse für die drei Krisen­instrumente. Bei der Impfstoffbeschaffung war besonders die Transparenz problematisch: Alle Ver­handlungen der EU zu diesem Thema waren von hoher Intransparenz gekennzeichnet, sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für Abgeordnete. Die Kontrolle der Aus­handlung der Verträge mit den Impf­stoffherstellern lag ausschließlich bei den Mit­glied­staaten, was unter anderem zur Folge hatte, dass die EU-Ombuds­frau ein Verfahren gegen die Kommission eröffnete. Bis heute sind die Details der Vertragsaushandlung umstritten und die Kommission weigert sich, SMS-Kurznachrichten zur Aushandlung der Impf­stoffverträge zu veröffentlichen, obwohl die Ombudsfrau sie dazu aufgefordert hat.94 Daher waren auch erhebliche Defizite bei der politischen Verantwortung zu verzeichnen. Aufgrund der Mehrebenen­konstruk­tion bei der Impfstoffbeschaffung wiesen 2021, als es Probleme gab, alle Beteiligten die alleinige politische Verantwortung von sich. Dies gilt auch für nationale Regierungen, welche die Schuld auf die Kommission abwälzen woll­ten, obgleich sie bei Beschlüssen zur Impfstoffbeschaffung über den Lenkungsausschuss vollumfänglich beteiligt waren. Die politische Ver­antwortung für die Startprobleme bei der Impfstoffbeschaffung hat am Ende niemand über­nommen.

Bei der SURE-Verordnung fällt die Bilanz zumindest in puncto Transparenz etwas positiver aus. Weil die regulären Verfahren zur EU-Gesetzgebung genutzt wurden, einschließlich einer öffentlichen, umfassenden Vorstellung des Kommissionsvorschlags samt Prüfung der Subsidiarität durch die nationalen Parla­mente, war der Prozess einerseits transparenter. Andererseits wurde wie bei der Impfstoffbeschaffung das Abstim­mungs­verhalten der Mitgliedstaaten im Rat nicht öffentlich gemacht; dasselbe gilt für die einzelnen Durchführungs­beschlüsse für die Auszahlungen an die Mitgliedstaaten. Ebenso wenig ist eine klare politische Verantwortlichkeit gegeben. Die Kom­mission hat die Einhaltung der – sehr wenig rest­rik­tiven – Kondi­tionalität geprüft, die Mitgliedstaaten haben die Be­schlüsse für die Auszahlungen kollektiv getroffen. Zumindest sieht die SURE-Verordnung Prüfungen durch die Anti-Betrugseinheit OLAF und den Euro­pä­ischen Rechnungshof vor.

Ähnlich zeigen sich beim Wiederaufbaufonds die Vor- und Nachteile der Verknüpfung mit dem regu­lären Haushaltsprozess der EU. Auf der einen Seite hat die Kommission ihren Vor­schlag für NGEU der Öffentlichkeit zu einem frühen Zeitpunkt und detail­liert vorgestellt, auf der anderen Seite fanden die entscheidenden Verhandlungen hinter verschlossenen Türen statt: in der ersten Phase im Europäischen Rat, in der zweiten Phase im Trilog zwischen EP, Kommission und Rat. Angesichts der erforderlichen Einstimmigkeit und der ausschließlich nicht öffent­lichen Verhandlungen nimmt auch für NGEU nie­mand konkret die politische Verantwortung wahr; aufgeteilt ist sie zwischen den maßgeblichen Akteu­ren im Europäischen Rat, der EU-Kommission und, zu einem deutlich geringeren Teil, dem Europäischen Parlament.

In der Gesamtschau hat die EU mit den drei neuen Instrumenten Impfstoff­beschaffung, SURE und NGEU in der Covid‑19-Pandemie Handlungs­fähigkeit bewie­sen, dabei aber ebenso Defizite in der demokratischen Legitimation ihres Kriseninstrumentariums offenbart. So lässt sich festhalten, dass die Ausweitung an Ver­antwortlichkeiten nicht mit einer Ausweitung an par­lamentarischer Beteiligung einhergegangen ist. Das Europäische Parlament blieb bei allen Entscheidungen weitgehend außen vor; selbst dort, wo es vertraglich Mitsprache­recht hat, war es an den politisch zentra­len Entscheidungen nur am Rande beteiligt. Auch bei der weiteren Ausgestaltung der individuellen Gover­nance­strukturen etwa für SURE oder NGEU hat der Deutsche Bundestag zum Teil ausführlichere Informa­tionsrechte als das EP. Während die demokratische Legitimation über die nationale Ebene gewährleistet war, indem die nationalen Parlamente zeitnah und umfassend unterrichtet wurden und die nationalen Regierungen Schlüsselrollen innehatten, fehlt die gesamteuropäische parlamentarische Kontrolle. Nicht zuletzt mangelte es allen drei Entscheidungsprozessen an Transparenz und die Zuweisung politischer Verantwortung blieb oft unklar.

Nun sind Krisen, ob auf nationaler oder EU-Ebene, in der Regel ›Stunden der Exekutive‹, in denen schnelle Handlungsfähigkeit Priorität hat und langwierige par­lamentarische Verfahren umgangen werden. Aller­dings entbinden Krisen­situationen nicht von der Not­wendigkeit demokratischer Legitimation. Im Gegen­teil: Demokratische Legitimation, und zwar auf natio­naler und europäischer Ebene, ist besonders wichtig, gerade weil in Krisen weitreichende Entscheidungen getroffen und zumal auf EU-Ebene neue strukturbildende Instrumente mit Präzedenzcharakter geschaffen werden, die sich spürbar auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Zukunft der EU auswirken. Die meisten nationalen Verfassungen enthalten Notstands­artikel und geben in der Regel zusätzlich vor, was zu beachten ist, wenn sie ange­wen­det werden: Zum Beispiel sind die jeweiligen natio­nalen Parlamente einzubinden bzw. werden zeit­liche und rechtliche Begrenzungen gesetzt, wenn in einem umfassenden Notfall – etwa dem Verteidigungsfall – eine unmittelbare parlamentarische Beteiligung nicht möglich ist.95

Eine zentrale Empfehlung für die Weiterentwicklung der EU lautet daher, bei der nächsten Änderung der EU-Verträge – wie sie unter anderem Kommissions­präsidentin von der Leyen und das EP im Nach­gang der Konferenz zur Zukunft Europas einfordern – den Krisenartikel 122 AEUV zu überprüfen. Dieser bildete die rechtliche Basis für alle drei unter­suchten Krisen­instrumente und ist dadurch gleichsam in Mode gekommen. Vorher kaum genutzt, ist er seit­dem mehrfach angewendet worden, um die Aus­wirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu bewältigen. Dass auch künftig auf ihn zurückgegriffen wird, ist wahrscheinlich, das belegen die Forderungen nach einem SURE-ähnlichen Instru­ment. Je nachdem, wie er genutzt wird, ist das Euro­päische Parlament komplett ausgeschlossen (Art. 122 (1) AEUV) oder muss lediglich unterrichtet werden (Art. 122 (2) AEUV), ansonsten entscheidet der Rat auf Vorschlag der Kommission allein.

Dass der Rat dabei mit qualifizierter Mehrheit ent­scheiden kann, erhöht die gerade in Krisensituationen notwendige Handlungsfähigkeit.96 Diese Mög­lichkeit, Mitgliedstaaten zu überstimmen, reduziert aber automatisch die Kette an demokratischer Legi­timation über nationale Regierungen und deren Par­lamente, da einzelne oder sogar Gruppen von Mit­gliedstaaten überstimmt werden können. Im Regelfall wird deswegen in der EU-Gesetzgebung die Entscheidung per qualifizierter Mehrheit im Rat kompensiert durch eine Beteiligung des Europäischen Parlaments und dessen direkte demo­kratische Legitimation. Dies fehlt in Artikel 122 AEUV vollständig.

Folglich sollte bei der nächsten Vertragsänderung Artikel 122 AEUV um eine Mitbestimmung des Euro­päischen Parlaments erweitert werden. Dergleichen hätte diesem ermöglicht, bei den zur Impfstoff­beschaf­fung, SURE und NGEU aufgesetzten Entscheidungsverfahren auf stärkere Informations- und gege­be­nen­falls Betei­ligungsrechte zu drängen, wie es etwa der Deutsche Bundestag (erfolgreich) getan hat. Das EP hat mit anderen Entscheidungen während der Covid‑19-Pandemie gezeigt, dass es wichtige Gesetzgebungs- oder Haushaltsverfahren mittels Dringlichkeitsverfahren innerhalb weniger Tage durchführen kann. Zudem sind in allen drei Fällen längerfristige Instru­mente ins Leben gerufen worden, bei denen mehr parlamentarische Beteiligung gerechtfertigt gewesen wäre: Selbst wenn die Entschei­dungs­prozesse sich dadurch um einige Tage verlängert hätten, hätte der Zugewinn an demokratischer Legi­timation dies auf­gewogen.

Gleichzeitig sollte man in diese Überlegungen die Frage einbeziehen, ob die EU einen rechtlich definier­ten Not- oder Krisenzustand braucht, wie er in vielen nationalen Verfassungen zu finden ist. Ziel dieser Rege­lungen in nationalen Verfassungen ist, der Exe­ku­tive (und in föderalen Systemen der föderalen Ebene) Sonderkompetenzen zuzugestehen, damit eine schnelle und umfassende Krisenreaktion erfolgen kann. In der Regel muss dieser Krisen- oder Notzustand durch das Parlament erklärt werden und ist zeitlich begrenzt, um die Gefahr von Machtmissbrauch zu minimieren und die demokratische Legitimation zu gewährleisten; die Handlungen der Exekutive unterliegen dabei weiterhin gerichtlicher Kontrolle. Analog könnte in einer Erweiterung von Artikel 122 AEUV die Möglich­keit geschaffen werden, dass die EU im Fall noch tiefer­gehender Notlagen – mit Zustimmung von Rat und Parlament – einen Notstand ausruft und für eine begrenzte Dauer etwa dem Europäischen Rat und / oder der EU-Kommission Sonderkompetenzen überträgt. Dabei wäre das EP zumindest am Ausrufen und der Definition des Notstands beteiligt, während zusätzlich die Handlungsfähigkeit der Union in einer Notsituation vergrößert würde.

Auch jenseits einer Vertragsänderung, die weder garantiert noch zeitlich absehbar umzusetzen ist, ist zu empfehlen, dass die EU die demokratische Legiti­ma­tion ihrer Krisen­strukturen verbessert, umso mehr als der Krisenzustand zum Normal­zustand wird. Bezüglich der Handlungsfähigkeit und Output-Legiti­mation ist ein Attraktivitätsfaktor von Artikel 122 AEUV die Nutzung von Mehrheitsentschei­dungen gewesen. Die aktuell in der EU verhandelte Ausweitung derselben – beispielsweise zu Sanktionen in der Außen- und Sicherheitspolitik – kann und sollte daher auch dazu dienen, die Handlungsfähigkeit der Union jenseits von Artikel 122 AEUV zu steigern.97 Eine weitere Lehre aus dieser Analyse ist, dass bei der Einführung neuer Instrumente zur Krisenreaktion ver­mieden werden sollte, sie mit langwierigen natio­nalen Ratifikationsmaßnahmen zu verbinden. Denn während sich der Start von SURE durch die Notwendig­keit, nationale Garantien einzuholen, um mehrere Monate verzögerte, war es bei Next Generation EU ein halbes Jahr. Solche Zeitbedarfe entwerten nahezu jedes Kriseninstrument.

Außerdem ist eine Verbesserung der Prozess-Legi­timation angezeigt, insbesondere hinsichtlich der Transparenz der Entscheidungsprozesse, der Umset­zung sowie der Zuweisung politischer Verantwortung, nicht nur bei EU-Krisenentschei­dungen. Anders als etwa in der Eurokrise wurden alle drei neuen Krisen­instrumente im Rahmen regulärer EU-Recht­setzungsverfahren beschlossen und haben damit von den Standards zur Beteiligung der verschie­denen Institutionen profitiert. Gleichzeitig führen sie die Mängel an Trans­parenz deutlich vor Augen – die Nichtöffentlichkeit der Verhandlungen im Rat (außer bei sehr spezifischen Gesetzgebungsverfahren), die Intransparenz des Trilog-Verfahrens (bei NGEU) und vor allem die mangelnde Transparenz der EU-Kom­mis­sion, wenn sie wie bei der Impfstoffbeschaffung oder den geplanten Gaseinkäufen kritische Einkäufe für die EU-Mitgliedstaaten übernimmt. Hier sollte Trans­parenz nicht nur gegenüber den nationalen Regierungen gegeben sein, son­dern, soweit nötig unter Vertrauensschutz, gleichermaßen gegenüber dem Euro­päischen Parlament, um eine parlamentarische Kont­rolle sicherzustellen.

Nicht zuletzt sollte eine EU, die in Krisensituationen mehr Verantwortung wahrnimmt, diese politi­sche Verantwortung auch zuweisen. Dies gilt für den Euro­päischen Rat und seine Mitglieder ebenso wie für die nationalen Staats- und Regie­rungschefs und ‑chefin­nen, wenn sie im Konsens eine Entscheidung treffen und diese vor der Öffentlichkeit ihres jeweiligen Landes vertreten müssen. Es gilt aber ebenfalls für die EU-Kom­mission und ihre Präsidentin; wenn die Kommission für die gesamte EU in Krisen zusätzliche (kritische) Auf­gaben ausführt, muss sie sich auch politisch gegen­über dem Europäischen Parlament für Fehler verant­wor­ten. Wenn diese Form der politischen Ver­ant­wort­lich­keit hergestellt würde, hätte die EU bereits viel an demo­kratischer Legitimation gewonnen.

Abkürzungen

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Euro­päi­schen Union

BIP

Bruttoinlandsprodukt

ECB

European Central Bank (Europäische Zentral­bank)

EFSF

Europäische Finanzstabilisierungsfazilität

EFSM

Europäischer Finanzstabilisierungs­mechanismus

EMA

European Medicines Agency (Europäische Arzneimittel-Agentur)

EP

Europäisches Parlament

ERatG

Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz

ESM

Europäischer Stabilitätsmechanismus

EU

Europäische Union

EUZBBG

Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundes­regierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union

MFF

Multiannual Financial Framework

MFR

Mehrjähriger Finanzrahmen

NGEU

Wiederaufbaufonds Next Generation EU

OLAF

Europäisches Amt für Betrugsbekämpfung

SURE

European Instrument for Temporary Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency (Europäisches Instrument für die vorüber­gehende Unterstützung bei der Minderung von Arbeits­losigkeits­risiken in einer Notlage)

Literaturhinweise

Peter Becker

Konditionalität als Instrument europäischer Governance. Typen, Ziele, Implementierung

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2022 (SWP-Studie 6/2022)

Peter Becker

Nach dem EU-Gipfel: Historische Integrations­schritte unter Zeitdruck

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 23.7.2020 (Kurz gesagt)

Nicolai von Ondarza

Das Europäische Parlament und die Corona-Pandemie. In der Krise ist das EP meist Zuschauer

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2020 (SWP-Aktuell 77/2020)

Bettina Rudloff

Wirtschaftliche Resilienz: Kompass oder Catch­word? Welche Fallstricke und Folgeeffekte die EU im Krisenmanagement beachten muss

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2022 (SWP-Studie 1/2022)

Minna Ålander / Paweł Tokarski

Zögerliche Ratifizierung des EU-Wiederaufbau­fonds: Ein Weckruf aus Finnland

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 10.5.2021 (Kurz gesagt)

Endnoten

1

 Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senats vom 6. Dezember 2022, – 2 BvR 547/21 –, <http://www.bverfg. de/e/rs20221206_2bvr054721.html> (letzter Zugriff am 10.1.2023).

2

 Institut für Demoskopie Allensbach, »Begrenzter euro­päischer Impfschaden. Eine Dokumentation des Beitrags von Dr. Thomas Petersen« in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Nr. 92, 21.4.2021, <https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin /kurzberichte_dokumentationen/FAZ_April2021_Europa. pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

3

 Nach der Pandemie hat noch keine Europawahl statt­gefunden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Krisenreaktio­nen der EU auf die Pandemie und danach auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hineinspielen in die Debatten im Vorfeld der Europawahl 2024 und in die Wahl­entscheidungen.

4

 Siehe z. B. Andreas Follesdal/Simon Hix, »Why There Is a Democratic Deficit in the EU: A Response to Majone and Moravcsik«, in: Journal of Common Market Studies, 44 (2006) 3, S. 533–562.

5

 Fritz Scharpf, Interdependence and Democratic Legitimation, Köln: Max Planck Institute for the Study of Societies (MPIfG), 1998 (MPIfG Working Paper, No. 98/2).

6

 Siehe ebd., S. 3.

7

Vivien Schmidt/Matthew Wood, »Conceptualizing Through­put Legitimacy: Procedural Mechanisms of Accountability, Transparency, Inclusiveness and Openness in EU Governance«, in: Public Administration, 97 (2019), S. 727–740.

8

 Wolfgang Wessels/Lucas Schramm/Tobias Kunstein, The Euro­pean Council as a Crisis Manager. The EU’s Fiscal Response to the COVID-19 Pandemic, Baden-Baden: Nomos, 2022.

9

 Daniela Kietz/Nicolai von Ondarza, Sicherheit delegieren. EU‑Agenturen in der inneren und äußeren Sicherheit, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, April 2016 (SWP-Studie 6/2016).

10

 Jean Monnet, Erinnerungen eines Europäers, München 1980, S. 528.

11

 Lucas Schramm, »Exit from Joint-decision Problems? Integration and Disintegration in the EU’s Recent Poly-crisis«, in: European Review of International Studies, 7 (2020) 1, S. 2–27.

12

 Im März 2011 hat der Europäische Rat unter Nutzung des vereinfachten Vertragsänderungsverfahrens einen Absatz mit zwei Sätzen zu Artikel 136 AEUV hinzugefügt, um dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) eine klarere europarechtliche Rechtsgrundlage zu geben. Trotz der ›vereinfachten Vertragsänderung‹ dauerte die Ratifika­tion zwei Jahre (bis April 2013), bis die Vertragsänderung in Kraft treten konnte.

13

 Für eine breitere Analyse der institutionellen Entwicklung der EU seit 2019 siehe die Beiträge in Olivier Costa/ Steven Van Hecke (Hg.), The EU Political System after the 2019 European Elections, Cham: Palgrave Macmillan, 2023.

14

 Siehe hierzu auch Jonathan White, »Constitutionalizing the EU in an Age of Emergencies«, in: Journal of Common Market Studies, (2022), S. 1–16, doi: 10.1111/jcms.13415; Stefan Auer/Nicole Scicluna, »The Impossibility of Constitutionalizing Emergency Europe«, in: Journal of Common Market Studies, 59 (2021) S1, S. 20–31.

15

 Katrin Bennhold/David E. Sanger, »U. S. Offered ›Large Sum‹ to German Company for Access to Coronavirus Vaccine Research, German Officials Say«, in: The New York Times, 15.3.2020.

16

 Niederländische Regierung, »France, Germany, Italy and the Netherlands Working Together to Find a Vaccine for Countries in Europe and Beyond«, Pressemitteilung, 3.6.2020, <https://www.government.nl/latest/news/2020/06/03/france-germany-italy-and-the-netherlands-working-together-to-find-a-vaccine-for-countries-in-europe-and-beyond> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

17

 AstraZeneca, »AstraZeneca wird Europa ohne Profit mit bis zu 400 Millionen Dosen des Impfstoffs der Universität Oxford versorgen«, Pressemitteilung, 13.6.2020, <https:// www.astrazeneca.de/medien/press-releases/2020/astrazeneca-wird-europa-ohne-profit-mit-bis-zu-400-millionen-dosen-des-impfstoffs-der-universitaet-oxford-versorgen.html#> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

18

 Dennoch haben im späteren Verlauf einzelne EU-Staa­ten zusätzliche Impfstoffeinkäufe getätigt, etwa Ungarn bei Russland und China, aber auch Deutschland, Frankreich oder Dänemark, die nach Verteilung der EU-Dosen zusätz­liche Impfstoffe eingekauft haben. Siehe Jillian Deutsch/ Ashleigh Furlong/Hans von der Burchard/Carlo Martuscelli, »Thanks to Deep Pockets, Germany Snaps Up Extra Coronavirus Jabs«, in: Politico Europe, 7.1.2021, <https://www.politico. eu/article/germany-buys-extra-coronavirus-vaccine-doses-from-eu-countries/> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

19

 Rat der Europäischen Union, »Verordnung (EU) 2016/369 des Rates vom 15. März 2016 über die Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union« (Soforthilfe-Verordnung), in: Amtsblatt der Europäischen Union, 16.3.2016, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/ ?uri=CELEX:32016R0369&from=EN> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

20

 Europäisches Parlament, »Activation of the Emergency Support Instrument to Support Healthcare Sector during the COVID-19 Pandemic«, <https://www.europarl.europa.eu/ legislative-train/theme-budgets-budg/file-coronavirus-emer gency-support-instrument-for-the-covid-19-crisis> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

21

 Leonardo Villani/Martin McKee/Fidelia Cascini/Walter Ricciardi/Stefania Boccia, »Comparison of Deaths Rates for COVID-19 across Europe during the First Wave of the COVID‑19 Pandemic«, in: Frontiers in Public Health, 8 (2020), S. 1–5.

22

 Rat der Europäischen Union, »Verordnung (EU) 2020/521 des Rates vom 14. April 2020 zur Aktivierung der Soforthilfe gemäß der Verordnung (EU) 2016/369 und zur Änderung von deren Bestimmungen unter Berücksichtigung des COVID-19-Ausbruchs« (Soforthilfe-Verordnung (2020)), in: Amtsblatt der Europäischen Union, 15.4.2020, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020R0521&from=EN> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

23

 Artikel 4 Soforthilfe-Verordnung (2020).

24

 Europäische Kommission, Proposal for a Council Regulation Activating the Emergency Support under Council Regulation (EU) 2016/369 of 15 March 2016 and Amending Its Provisions in Respect of the COVID-19 Outbreak, COM(2020) 175 final, Brüssel, 2.4.2020, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX %3A52020PC0175> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

25

 Europäische Kommission, Annex to the Commission Decision on Approving the Agreement with Member States on Procuring Covid‑19 Vaccines on Behalf of the Member States and Related Procedures, C(2020) 4192 final, Brüssel, 18.6.2020, <https://commission. europa.eu/system/files/2020-09/annex_to_the_commission_ decision_on_approving_the_agreement_with_member_states_ on_procuring_covid-19_vaccines_on_behalf_of_the_member_ states_and_related_procedures_.pdf> (letzter Zu­griff am 28.10.2022).

26

Europäische Kommission, Commission Decision of 18.6.2020 Approving the Agreement with Member States on Procuring Covid-19 Vaccines on Behalf of the Member States and Related Procedures, C(2020) 4192 final, Brüssel, 18.6.2020, <https://commission. europa.eu/system/files/2020-09/decision_approving_the_ agreement_with_member_states_on_procuring_covid-19_ vaccines_on_behalf_of_the_member_states_and_related_ procedures.pdf> (letzter Zugriff am 1.2.2023).

27

 Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 13. April 2016 zu dem Standpunkt des Rates zum Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans Nr. 1/2016 der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2016 – Neues Instrument zur Bereitstellung von Soforthilfe innerhalb der Union, Straßburg, 13.4.2016, <https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/ TA-8-2016-0113_DE.html> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

28

 Europäische Kommission, »Berichtigungshaushaltsplans [sic] Nr. 2/2020«, Brüssel, 2.4.2020, <https://ec.europa.eu/info/ publications/amending-budget-no-2-2020_de> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

29

 Deutscher Bundestag, Unterrichtung über die gemäß § 93 der Geschäftsordnung an die Ausschüsse überwiesenen bzw. nicht überwiesenen Unionsdokumente, Drucksache 19/19077, Berlin, 11.5.2020, <https://dserver.bundestag.de/btd/19/190/1919077. pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

30

 Minna Ålander/Anna-Lena Kirch/Dominik Rehbaum, »Germany’s Hour of the Executive – Policymaking during the Covid-19 Crisis«, in: Sophia Russack (Hg.), The Effect of Covid on EU Democracies, 30.4.2021 (EPIN-Report), S. 16–17, <https://epin.org/wp-content/uploads/2021/04/EPIN-REPORT _The-effect-of-Covid-on-EU-democracies-1.pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

31

 Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg et al. und der Fraktion der FDP. COVID‑19-Impfstoffbeschaffung von Bund und EU, Drucksache 19/25926, Berlin, 15.1.2021, <https://dserver.bundestag. de/btd/19/259/1925926.pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

32

 Thierry Breton, »European Commissioner Says 420 Million Doses to Be Delivered by July«, Interview von Markus Becker/Michael Sauga, in: Spiegel Online, 9.4.2021, <https://www.spiegel.de/international/europe/european-commissioner-says-420-million-doses-to-be-delivered-by-july-a-536dfc69-ad27-4317-8790-3c922126c009> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

33

 Dem Lenkungsausschuss gehörten Vertreterinnen und Vertreter aller an der Impfstoffbeschaffung beteiligten Mit­gliedstaaten an, geleitet wurde er von der EU-Kommission gemeinsam mit einem von den Mitgliedstaaten gewählten Vorsitz.

34

 Europäische Bürgerbeauftragte (European Ombudsman), Letter to the European Commission in Joint Cases 85/2021/MIG and 86/2021/MIG on the Commission’s Refusal to Give Public Access to Documents Concerning the Purchase of Vaccines against COVID-19, Straßburg, 22.1.2021, <https://www.ombudsman.europa.eu/ en/correspondence/en/137152> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

35

 Pascal Soriot, »›I Do Believe We Treated Europe Fairly‹«, Interview von Antonello Guerrera/Stefanie Bolzen/Rafa De Miguel, in: Die Welt (online), 26.1.2021, <https://www. welt.de/politik/ausland/article225095715/Astra-Zeneca-CEO-I-do-believe-we-treated-Europe-fairly.html> (letzter Zugriff am 28.11.2022).

36

 Samuel Stolton, »New York Times Sues EU over von der Leyen’s Pfizer Texts. The Messages Could Shed Light on Deals to Buy Billions of Euros Worth of COVID-19 Vaccines«, in: Politico Europe, 13.2.2023, <https://www.politico.eu/article/ new-york-times-sue-european-union-ursula-von-der-leyen-pfizer-texts/> (letzter Zugriff am 24.2.2023).

37

 Nach der englischen Bezeichnung »European instrument for temporary Support to mitigate Unemployment Risks in an Emergency« (SURE).

38

 Europäische Kommission, »Fourth Report Confirms SURE Success in Protecting Jobs during Pandemic«, Presse­mitteilung, Brüssel, 26.9.2022, <https://ec.europa.eu/ commission/presscorner/detail/en/IP_22_5743> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

39

 Rakesh Kochhar, »Unemployment Rose Higher in Three Months of COVID-19 than It Did in Two Years of the Great Recession«, Pew Research Center, 11.6.2020, <https://www. pewresearch.org/fact-tank/2020/06/11/unemployment-rose-higher-in-three-months-of-covid-19-than-it-did-in-two-years-of-the-great-recession/> (letzter Zugriff am 7.11.2022).

40

 Einzelne EU-Staaten hatten jedoch eine höhere Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. Siehe Eurostat, »Unemployment Statistics«, Daten bis Dezember 2022, <https://ec.europa. eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title= Unemployment_statistics> (letzter Zugriff am 2.2.2023).

41

 Theresa Kuhn/Francesco Nicoli/Frank Vandenbroucke, »Preferences for European Unemployment Insurance: A Question of Economic Ideology or EU Support?«, in: Journal of European Public Policy, 27 (2020) 2, S. 208–226.

42

 Siehe EPC-Analyse zur Verstetigung von SURE. Francesco Corti/Cinzia Alcidi, The Time Is Ripe to Make SURE a Permanent Instrument, Brüssel: Centre For European Policy Studies (CEPS), Juni 2021 (CEPS Policy Insights, No. PI2021-10), <https:// www.ceps.eu/wp-content/uploads/2021/06/PI2021-10_The-time-is-ripe-to-make-SURE-a-permanent-instrument.pdf> (letzter Zugriff am 24.2.2023).

43

 Europäische Kommission, Communication from the Com­mission to the European Parliament, the European Council, the Council, the European Economic and Social Committee and the Com­mittee of the Regions. Coronavirus Response Using every Available Euro in Every Way Possible to Protect Lives and Livelihoods, COM(2020) 143 final, Brüssel, 2.4.2020, <https://eur-lex. europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52020 DC0143&from=EN> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

44

 So hat der Europäische Rat in drei aufeinanderfolgenden Videokonferenzen am 10., 17. und 26. März die Kommission und die Eurogruppe zur Entwicklung von Vorschlägen aufgefordert. Siehe Gemeinsame Erklärung der Mitglieder des Europäisches Rates, Brüssel, 26. März 2020, <https://www. consilium.europa.eu/media/43085/26-vc-euco-statement-de.pdf> (letzter Zugriff am 24.2.2023).

45

 Zum Prozess siehe Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorüber­gehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeits­risiken in der durch den COVID-19-Ausbruch verursachten Krise (SURE), COM(2020) 139, 20.5.2020, <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/HIS/?uri=CELEX:32020 R0672> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

46

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosig­keits­risiken in der durch den COVID-19-Ausbruch verursachten Krise (SURE), COM(2020) 139 final, Brüssel, 2.4.2020, S. 4, <https:// eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX: 52020PC0139&from=EN> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

47

 Ebd., S. 4.

48

 So durfte der Anteil der drei höchsten Darlehen zusam­men nicht 60 Prozent der Gesamt­darlehen überschreiten (Art. 9 (1) SURE-Verordnung).

49

 Siehe etwa Rat der Europäischen Union, Durchführungsbeschluss des Rates zur Gewährung einer vorübergehenden Unterstützung gemäß der Verordnung (EU) 2020/672 für die Italienische Republik mit dem Ziel, Arbeitslosigkeitsrisiken in der Notlage infolge des COVID-19-Ausbruchs zu mindern, 2020/0219(NLE), Brüssel, 17.9.2020, <https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ ST-10330-2020-INIT/de/pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

50

 Eigene Recherche zu EP-Anfragen mit Bezug zu SURE aus den Jahren 2020 und 2021.

51

 Deutscher Bundestag – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Tagesordnung vom 13. Mai 2020.

52

 Dafür gestimmt haben alle Fraktionen außer der AfD-Fraktion sowie drei weitere Abgeordnete. Siehe Deutscher Bundestag, »Ja zu Gewährleistungen zur Minderung von EU-Arbeitslosigkeitsrisiken«, 18.6.2020, <https://www.bundestag. de/dokumente/textarchiv/2020/kw25-de-sure-donnerstag-698620> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

53

 Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte et al. und der Fraktion DIE LINKE. Einflussnahme von Interessen­vertreterinnen und Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines Europäischen Instruments zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage im Anschluss an den COVID-19-Ausbruch (SURE-Gewährleis­tungsgesetz – SURE-GewährlG, Bundesratsdrucksache 264/20), Druck­sache 19/20403, Berlin, 25.6.2020.

54

 Deutscher Bundestag, Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 22. Juni 2020 eingegangenen Antworten der Bundes­regierung, Drucksache 19/20374, Berlin, 26.6.2020, S. 16 (Frage 21).

55

 Haushaltstechnisch umfasst Next Generation EU, in den Preisen von 2018 gerechnet, 750 Milliarden Euro, in aktuellen Preisen sind dies knapp 807 Milliarden Euro.

56

 Rebecca Christie/Gregory Claeys/Pauline Weil, Next Generation EU Borrowing: A First Assessment, European Parliament, Oktober 2021, <https://www.europarl.europa.eu/ RegData/etudes/IDAN/2021/699811/IPOL_IDA%282021% 29699811_EN.pdf> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

57

 Siehe Thu Nguyen, The Proof of the Pudding. Imposing Financial Measures for Rule of Law Breaches, Berlin: Jacques Delors Centre, Mai 2022, <https://www.delorscentre.eu/file admin/2_Research/1_About_our_research/2_Research_centres/ 6_Jacques_Delors_Centre/Publications/20220524_proof_of_ the_pudding_Nguyen.pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

58

 Philip Muggenthaler/Joachim Schroth/Yiqiao Sun, »The Heterogeneous Economic Impact of the Pandemic across Euro Area Countries«, in: ECB Economic Bulletin, (2021) 5, <https://www.ecb.europa.eu/pub/economic-bulletin/focus/ 2021/html/ecb.ebbox202105_03~267ada0d38.en.html> (letzter Zugriff am 2.2.2023).

59

 Irene Agnolucci, »Will COVID-19 Make or Break EU State Aid Control? An Analysis of Commission Decisions Authorising Pandemic State Aid Measures«, in: Journal of European Competition Law & Practice, 13 (2022) 1, S. 3–16. Da das Vereinigte Königreich 2020 noch in der Übergangsphase und damit Teil der Beihilfekontrolle durch die EU war, zählt es hier dazu. Im diesem ersten Pandemiejahr trug es aber nur 4,8 Prozent zum Volumen der staatlichen Unterstützungs­maßnahmen innerhalb der EU bei.

60

 Robin Alexander/Tobias Kaiser/Jacques Schuster, »Corona-Krise: Schäuble warnt vor Einbruch, ›wie wir ihn zu Leb­zeiten nicht erlebt haben‹«, in: Die Welt (online), 24.5.2020, <https://www.welt.de/politik/article208200731/Corona-Krise-Schaeuble-warnt-vor-Einbruch-wie-wir-ihn-zu-Lebzeiten-nicht-erlebt-haben.html> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

61

 Ralf Drachenberg, Outcome of the Special European Council, 20–21 February 2020, European Parliamentary Research Service, Februar 2020, <https://www.europarl.europa.eu/ RegData/etudes/BRIE/2020/642815/EPRS_BRI(2020)642815_ EN.pdf> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

62

 Daniel Dombey/Guy Chazan/Jim Brunsden, »Nine Euro­zone Countries Issue Call for ›Coronabonds‹«, in: Financial Times (online), 25.3.2020, <https://www.ft.com/content/ 258308f6-6e94-11ea-89df-41bea055720b> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

63

 Nico Fried, »Merkel und Macron planen milliardenschweres Aufbauprogramm«, in: Süddeutsche Zeitung (online), 18.5.2020, <https://www.sueddeutsche.de/politik/merkel-macron-wiederaufbau-eu-1.4911668> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

64

 Europäische Kommission, »Die Stunde Europas: Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation er­öffnen«, Pressemitteilung, Brüssel, 27.5.2020, <https://ec. europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_940> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

65

 Zur Positionierung der einzelnen Mitgliedstaaten siehe Caroline de la Porte/Mads Dagnis Jensen, »The Next Generation EU: An Analysis of the Dimensions of Conflict behind the Deal«, in: Social Policy & Administration, 55 (2021) 2, S. 388–402.

66

 Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. Juli 2020 zu den Schlussfolgerungen der außer­ordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 17.–21. Juli 2020, Brüssel, 23.7.2020, <https://www.europarl.europa.eu/doceo/ document/TA-9-2020-0206_DE.html> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

67

 Andreas Maurer, Improving Urgency Procedures and Crisis Preparedness within the European Parliament and EU Institutions. Rationales for Democratic, Efficient and Effective Governance under Emergency Rule, Brüssel: Europäisches Parlament, März 2022, S. 69, <https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/ STUD/2022/730838/IPOL_STU(2022)730838_EN.pdf> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

68

 Peter Becker, »The Negotiations about the Multiannual Financial Framework 2021–2027: What Happened When with What Result?«, in: Sybille Münch/Hubert Heinelt (Hg.): EU Policymaking at a Crossroads. Negotiating the 2021–2027 Budget, Cheltenham/Northampton: Edward Elgar Publishing, 2022, S. 30–54 (42).

69

 Artikel 4 (1) Rechtsstaatsmechanismus.

70

 Europäischer Rat, Tagung des Europäischen Rates (10. und 11. Dezember 2020) – Schlussfolgerungen, Brüssel, 11.12.2020, <https://www.consilium.europa.eu/media/47346/1011-12-20-euco-conclusions-de.pdf> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

71

 Rat der Europäischen Union, »Verordnung (EU) 2020/2094 des Rates vom 14. Dezember 2020 zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Krise«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 22.12.2020, <https://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32020R 2094&from=EN> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

72

 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Aufbauinstruments der Europäischen Union zur Unterstützung der Erholung nach der COVID-19-Pande­mie, COM(2020) 441 final, Brüssel, 28.5.2020, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52020 PC0441R(01)&from=EN> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

73

 Europäische Kommission, »Adopted MFF Legal Acts«, Brüssel, 11.1.2021, <https://ec.europa.eu/info/publications/ adopted-mff-legal-acts_de> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

74

 »Interinstitutionelle Vereinbarung vom 16. Dezember 2020 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung sowie über neue Eigenmittel, einschließlich eines Fahrplans im Hinblick auf die Einführung neuer Eigenmittel«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 22.12.2020, <https://eur-lex.europa. eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32020Q1222(01) &from=EN> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

75

 »Verordnung (EU) 2020/2094 des Rates vom 14. Dezem­ber 2020 zur Schaffung eines Aufbauinstruments« [wie Fn. 71].

76

 Europäisches Parlament/Rat der Europäischen Union, »Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität«, in: Amtsblatt der Europäischen Union, 18.2.2021, <https://eur-lex.europa.eu/legal-content/ DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32021R0241&from=DE> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

77

 Artikel 18–20 der Verordnung zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität.

78

 Artikel 25–26 der Verordnung zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität.

79

 Peter Ludlow, May to July: The MFF and the Recovery Fund, Löwen, Juli 2020 (European Council Notes 2020/04–05).

80

 Eigene Recherche auf Basis der Informationen des Euro­päischen Parlaments.

81

 Siehe etwa Europäisches Parlament, Entschließung des Euro­päischen Parlaments vom 23. Juli 2020 zu den Schlussfolgerungen der außerordentlichen Tagung des Europäischen Rates vom 17.–21. Juli 2020 [wie Fn. 66].

82

 Artikel 20 der Verordnung zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität.

83

 Siehe Plenarprotokolle des Bundestags aus dem Zeitraum April bis Juli 2020.

84

 Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Abgeordneten Otto Fricke et al. und der Fraktion der FDP. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages beim Aufbauplan »Next Generation EU«, Drucksache 19/21466, Berlin, 4.8.2020, S. 2 (Frage 7), <https://dserver. bundestag.de/btd/19/214/1921466.pdf> (letzter Zugriff am 27.3.2023).

85

 Deutscher Bundestag, »Bundestag stimmt dem Eigenmittelsystem der Europäischen Union zu«, 25.3.2021, <https: //www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw12-de-eu-eigenmittel-826488> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

86

 Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung [des] Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union zur Stärkung der Beteiligungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten des Aufbauinstruments Next Generation EU, Drucksache 19/26877, Berlin, 23.2.2021, <https://dserver.bundestag.de/btd/19/268/ 1926877.pdf> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

87

 Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD. Zusätzliche Berichtspflichten der Bundesregierung zum EU-Aufbauinstrument Next Generation EU, Drucksache 19/27838, Berlin, 23.3.2021, <https://dserver.bundestag.de/btd/19/278/ 1927838.pdf> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

88

 Rat der Europäischen Union, »Green Light from All Member States for EU Recovery Spending«, Pressemitteilung, 31.5.2021, <https://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2021/05/31/green-light-from-all-member-states-for-eu-recovery-spending/> (letzter Zugriff am 31.10.2022).

89

 Christine Reh, »Is Informal Politics Undemocratic? Trilogues, Early Agreements and the Selection Model of Representation«, in: Journal of European Public Policy, 21 (2014) 6, S. 822–841.

90

 Zu Preisen von 2018. Nach aktuellem Stand umfasst NGEU knapp 807 Milliarden Euro.

91

 Thierry Breton/Paolo Gentiloni, »Nur eine europäische Antwort kann Industrie und Bürger schützen«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 3.10.2022, <https://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/nur-eine-europaeische-antwort-kann-unsere-industrie-und-die-buerger-schuetzen-18359695.html> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

92

 Jacopo Barigazzi, »When Not if: EU Wants to Buy Bullets for Ukraine – Doing It Will Be Harder«, in: Politico Europe, 20.2.2023, <https://www.politico.eu/article/european-union-buying-ammunition-for-ukraine/> (letzter Zugriff am 24.2.2023); Rat der Europäischen Union, Beratungsergebnisse. Lieferung und gemeinsame Beschaffung von Munition für die Ukraine, Brüssel, 20.3.2023, <https://data.consilium.europa.eu/doc/ document/ST-7632-2023-INIT/de/pdf> (letzter Zugriff am 29.3.2023).

93

 Siehe Nicolai von Ondarza, Zwischen Integrationskern und Zerfaserung. Folgen und Chancen einer Strategie differenzierter Integration, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2012 (SWP-Studie 20/2012).

94

Amalie Holmgaard Mersh, »EU Watchdog: Commission’s Lack of Will to Find Texts with Pfizer Boss Is a Wake-up Call«, Euractiv.com, 14.7.2022, <https://www.euractiv.com/section/ coronavirus/news/eu-watchdog-commissions-lack-of-will-to-find-texts-with-pfizer-boss-is-a-wake-up-call/> (letzter Zugriff am 11.1.2023).

95

 Maurer, Improving Urgency Procedures [wie Fn. 67].

96

 So hat der Rat 2022 die Entscheidung über zunächst freiwillige, im Zweifelsfall aber verbindliche Einsparungen im Gassektor gegen die Stimme Ungarns getroffen. Ver­gleiche die Aussage des deutschen Staatssekretärs Sven Giegold: »Doch für die Freunde eines geeinten Europas ist der echte Knaller die Rechtsgrundlage: Erstmals wurde europäische Solidarität samt einer Sonderabgabe im Mehrheitsverfahren beschlossen. Der Notfallartikel 122 AEUV hat die Einstimmigkeitsblockade bei Steuern durchbrochen! Bäm!« Siehe Sven Giegolds Beitrag bei Twitter vom 30.9.2022, <https://twitter.com/sven_giegold/status/1575801671493591041> (letzter Zugriff am 28.10.2022).

97

 Siehe Julina Mintel/Nicolai von Ondarza, Mehr EU-Mehrheitsentscheidungen – aber wie? Rechtliche und politische Möglichkeiten zur Ausweitung des Mehrheitsprinzips, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2022 (SWP-Aktuell 60/2022).

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