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Das Scheitern des Brüsseler Gipfels - Reaktionen aus den Beitrittsländern

Arbeitspapier --, 15.12.2003, 11 Seiten

Slowakei

Der slowakische Premier Dzurinda bedauerte das Scheitern der Regierungskonferenz, betonte aber gleichzeitig, daß sich der Beitritt der Slowakei zur Europäischen Union planmäßig vollziehen werde. Dzurinda zeigte sich insbesondere deswegen enttäuscht, weil der Vertragsentwurf und die zuletzt eingefügten Änderungen aus Sicht der Slowakei eine "vorzügliche Offerte" darstellten. Die Slowakei habe sich als beweglicher Akteur erwiesen, sei sich ihrer Möglichkeiten bewußt gewesen und habe nicht "die Muskeln spielen lassen".

Vertreter der Regierungskoalition wie auch der Opposition wollen den Mißerfolg von Brüssel nicht dramatisieren. Der Vorsitzende der liberalen Partei ANO und Wirtschaftsminister, Rusko, geht davon aus, daß Verhandlungsspielraum besteht, für das Aushandeln eines neuen Kompromisses jedoch ein bis zwei Jahre erforderlich sein werden. Bei der Konstituierung des gemeinsamen europäischen Hauses, so Rusko, sei es wichtig, daß keiner diesem mit dem Gefühl beitrete, ihm sei Unrecht zugefügt worden.

Der Expremier und Parteichef der oppositionellen Bewegung für eine Demokratische Slowakei, Vladimír Meciar, deutet den Fehlschlag von Brüssel lediglich als eine "vorübergehende Ruhepause". Auch Monika Benová, Vorsitzende des mit Integrationsfragen betrauten Parlamentsausschusses und stellvertretende Parteichefin der führenden Oppositionspartei Smer, hält das Scheitern der Regierungskonferenz nicht für eine Katastrophe und geht davon aus, daß sich nach dem 1. Mai 2004 Raum für Diskussionen und eine Lösung auftut.

Ján Figel, der frühere Chefunterhändler der Slowakei mit der EU und Vorsitzende des Außenausschusses im slowakischen Parlament, vertrat die Auffassung, daß der Mißerfolg des Gipfeltreffens kein langfristiges Problem darstellt. Als wesentlich problematischer für die Beziehungen und die Atmosphäre in der EU erachtet Figel die "Nichteinhaltung des Stabilitätspakts durch große Länder".

Weniger optimistische Einschätzungen fanden sich in den slowakischen Medien. Die linksorientierte Tageszeitung Pravda sieht zwar keine Katastrophe, aber die erste Krise der 25er Union. Der "voreheliche Krach" zu Beginn des künftigen Zusammenlebens und vor einem Jahr voller kontroverser Entscheidungen verheiße wenig Gutes. Da ein künftiger Kompromiß mit der Drohung verknüpft werde, die Union in kooperationsbereite Mitglieder und Zuschauer einzuteilen, laufe die EU Gefahr, sich selbst zu "zerstückeln". Für die Kommentatorin der einflußreichen liberalen Zeitung Sme "verlor die EU das Image einer kompromißfähigen Gemeinschaft." Diejenigen, die den Kompromiß von Nizza durch einen neuen ersetzen wollten, trafen auf Kompromißlosigkeit und bekämpften diese ebenso kompromißlos.

Aufmerksamkeit schenkten die slowakischen Massenmedien auch der Frage einer möglichen Kernbildung in Europa. Die Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny glaubt, daß erst im Laufe der Zeit sichtbar werde, ob eine vertiefte Integration innerhalb der EU für diejenigen gefährlich sei, die außen vor blieben. Letztlich müsse ein solches Vorhaben allen Mitgliedstaaten offenstehen, selbst Warschau und Madrid. Der Brüsseler Korrespondent des öffentlichen Hörfunks wies auf Äußerungen des slowakischen Premierministers hin, denen zufolge sich die Slowakei im Falle einer intensivierten Kooperation einiger EU-Mitglieder bemühen sollte, einer solchen Zone beschleunigter Zusammenarbeit anzugehören. Erklärungen dieser Art könne man als Signal dafür heranziehen, daß in der Slowakei die Tendenz zur Bildung eines harten Kerns durchaus auf Resonanz stoßen würde und Bratislava nicht beabsichtige, lediglich passiv zuzuschauen. Der konservative Publizist Peter Schutz kritisierte in der Zeitung Sme Äußerungen des Außenstaatssekretärs Korcok und des Christdemokraten Figel. Ersterer hatte die Herausbildung eines neuen Kerns in der EU gutgeheißen und für eine Beteiligung der Slowakei an einem solchen Vorhaben plädiert. Letzterer hatte sich für ein einheitliches, nicht intern aufgespaltenes Europa ausgesprochen. Schutz votiert für die Idee einer EU "à la carte", in der sich jeder Mitgliedstaat in freien Stücken das auswählen kann, was ihm vorteilhaft erscheint. "Keine Verfassung, keine Erpressung, keine Nötigung auf der Folterbank."