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Die Krise der Macht in Zentralasien spitzt sich zu

Arbeitspapier FG 5 2003/ Nr. 06, 15.09.2003, 9 Seiten

2. Massenproteste und Machtkrise in Kirgistan

Monatelange Kundgebungen, Hungerstreiks und Protestmärsche mit Tausenden von Teilnehmern erschüttern seit März diesen Jahres Kirgistan. Der Schwerpunkt der Aktionen liegt im Süden des Landes, einer sozio-ökonomisch besonders problematischen Region mit einer großen usbekischen Minderheit. Die Bewegung erfaßte aber auch andere Gebiete wie beispielsweise die Hauptstadt Bischkek. Anlaß war im Frühjahr der politisch motivierte Gerichtsprozeß gegen den Parlamentsabgeordneten Azimbek Beknasarow, der im vergangenen Jahr den Präsidenten und die Regierung mehrmals scharf kritisiert hatte. Doch die Solidaritätskundgebungen mündeten rasch in einen Fundamentalprotest. Der Rücktritt von Staatspräsident Askar Akajew und die Durchführung von Reformen zur Verbesserung des allgemeinen Lebensstandards waren ihre zentralen Forderungen.

Gewaltsame Reaktionen des Regimes führten im März 2002 zu blutigen Zusammenstößen mit mindestens fünf Toten und der Verhaftung zahlreicher Demonstranten. Die beteiligten Sicherheitskräfte wurden amnestiert. Im Mai erreichten die öffentlichen Kundgebungen einen neuen Höhepunkt, als Tausende von Menschen tagelang die einzige Verbindungsstraße von Osch nach Bischkek blockierten. Die Proteste flauten vorübergehend ab, nachdem Beknasarow aus der Haft entlassen und als Deputierter rehabilitiert wurde. Aber am 31. August 2002 sammelten sich erneut 300 Demonstranten in Aksy in Süd-Kirgistan zu einem Protestmarsch nach Bischkek. Sie forderten, die für die Tötung der Demonstranten verantwortlichen Amtsträger ordnungsgemäß zu bestrafen.

Präsident Akajew hat als Reaktion auf die Ereignisse zwar im Mai 2002 seine Regierung umgebildet. Seine Machtkrise konnte er damit jedoch nicht beenden. Davon zeugen die jüngsten Entwicklungen: Im August gründeten Vertreter von insgesamt 22 oppositionellen Parteien, öffentlichen Organisationen und NGOs sowie Menschenrechtsaktivisten und einige Parlamentsabgeordnete die "Bewegung für den Rücktritt von Präsident Akajew und für Reformen zugunsten des Volks". Die Bündelung der oppositionellen Kräfte ist ein Zeichen dafür, daß der Widerstand gegen das Regime wächst.

Inhaltlich vertritt die heterogene kirgisische Opposition eine Gemengelage verschiedenster Forderungen und Vorwürfe. Der Wunsch nach Öffnung des politischen Systems und mehr Demokratie ist dabei nur eine Facette. Im hauptsächlich usbekisch besiedelten Süden des Landes zeigen sich ethnische und regionale Spannungen. Sie gründen in der Unzufriedenheit über die soziale Lage und einem Gefühl der Vernachlässigung, weitere Themen, die von der Protestbewegung aufgegriffen werden. Auch sicherheitspolitische und nationalistische Fragen instrumentalisieren die Regime-Gegner. Die Abtretung eines kleinen kirgisischen Landzipfels an China im Zuge der zwischenstaatlichen Grenzverträge wird als nationaler Ausverkauf dargestellt. Hinzu kommt der Protest gegen die Stationierung von Truppen der USA und ihrer Verbündeten, der in der Bevölkerung auf zunehmenden Widerstand stößt.