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Noch Zivilmacht?

Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland

SWP-Studie 2025/S 13, 19.09.2025, 36 Seiten

doi:10.18449/2025S13

Forschungsgebiete

Prof. i. R. Dr. Hanns W. Maull ist Non-Resident Senior Fellow der SWP.

  • In ihrer Außen- und Sicherheitspolitik verfolgte die Bundesrepublik Deutschland von Anfang an ein Rollenkonzept, das sich an drei grund­legenden Prämissen orientierte: »Nie wieder« (Absage an die Gräuel des nationalsozialistischen Deutschland), »niemals im Alleingang« (prinzi­pieller Multilateralismus), »Diplomatie statt Gewalt«.

  • Dieses Rollenkonzept lässt sich als das einer »Zivilmacht« beschreiben. Die im Verfolg dieses Konzeptes insgesamt überaus erfolgreiche Politik verdankte sich innen- und außenpolitischen Voraussetzungen, die im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte zusehends erodierten.

  • Innenpolitisch ermöglicht wurden die Erfolge der Zivilmacht Deutschland durch kluge Machtpolitik: Die Bundesrepublik entfaltete ein auf ihr Rol­lenkonzept zugeschnittenes Portfolio an Machtressourcen, die letztlich der friedlichen Wiedervereinigung eines in ein vereintes Europa einge­betteten Deutschlands den Weg bahnten. Die Kultivierung dieser Macht­ressourcen und eine konsequente strategische Ausrichtung am Konzept der Zivilmacht wurden in jüngster Zeit jedoch vernachlässigt.

  • Außenpolitisch beruhten die Erfolge auf der Verfügbarkeit von inner- und außereuropäischen Partnern, leistungsfähigen internationalen Orga­nisationen und einem internationalen Umfeld, das insgesamt in gewissem Ausmaß »zivilisiert« war: Die Anwendung von Gewalt wurde in den zwischenstaatlichen Beziehungen durch das nukleare Patt in Europa ein­gehegt.

  • In seinen Grundzügen ist das Rollenkonzept der Zivilmacht für Deutsch­land auch unter den gegenwärtigen, wesentlich ungünstigeren äußeren Bedingungen unverzichtbar: Es ist außen- wie innenpolitisch zutiefst verwoben mit der Identität und Verfassung der Bundesrepublik als liberale Demokratie. Die Bundesregierung sollte daher auf eine konsequente Wahrung und Mehrung ihres spezifischen Machtportfolios setzen und dabei insbesondere die (Fort-)Entwicklung der internationalen und supranationalen Zusammenarbeit mit anderen liberalen Demokratien und gleichgesinnten Partnern vorantreiben.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

Die bundesdeutsche Außenpolitik entwickelte schon früh eine ungewöhnliche strategische Grundorientierung. Aus politikwissenschaftlicher Perspektive lässt sich diese als kollektives außenpolitisches Rollen­konzept verstehen: Generell beruht ein derartiges Kon­zept auf der außenpolitischen Identität eines Staates und beinhaltet seine grundlegenden Prinzipien, Werte und Handlungsmaximen in der internatio­nalen Politik. Damit sind zugleich seine außenpolitischen Interessen und Zielsetzungen definiert. Für die alte Bundesrepublik bedeutete dies ein Rollenkonzept als »Zivilmacht«, ausgerichtet an der Formel: »nie wieder« (bezogen auf die Gräuel des nationalsozialistischen Deutschland), »niemals im Alleingang« und »Diplomatie statt Gewalt«. Die mit diesem Rollen­konzept verbundenen sicherheitspolitischen (Selbst-) Beschränkungen verband die bundesdeutsche Außen­politik mit der Verfolgung ihrer elementaren Ziele: Rehabilitierung, Wiederaufbau, Sicherheit, Wohlstand und Aussicht auf eine friedliche Wiedervereinigung. Um diese Ziele zu erreichen, bedurfte es einer »Zivilisierung« der zwischenstaatlichen Beziehungen, zunächst in Europa, perspektivisch darüber hinaus auch im Weltmaßstab. Kernelement einer solchen Zivilisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen war und ist die Einhegung gewaltförmiger Konflikt­austragung; an ihre Stelle treten diplomatisch-poli­tische oder vertragsrechtliche Formen der Konflikt­bearbeitung.

Dieses ambitionierte, im Ergebnis dann aber in den folgenden Jahrzehnten überaus erfolgreiche Projekt der bundesdeutschen Außenpolitik – ihre grand strategy – beruhte auf klugem diplomatischem und sicherheitspolitischem Agieren, einer wachsenden innenpoliti­schen Unterstützung dieser Politik sowie auf zwei wei­teren wesentlichen Voraussetzungen: Erstens hatte die BRD das Glück, mit den USA und den Grün­dungsmitgliedern der Europäischen Union Partner zu finden, deren außenpolitische Rollenkonzepte mit dem der Zivilmacht Bundesrepublik kompatibel waren und es somit stützten und beförderten. Dies wieder­um ermöglichte es der bundesdeutschen Außenpolitik, zweitens, sich in einem hinlänglich kongruenten internationalen Umfeld zu bewe­gen, einem regio­nalen und globalen internationalen Kontext also, der bereits ansatzweise »zivilisiert« war. Erreicht wurde dies durch die von den USA nach dem Zweiten Welt­krieg errichtete liberale internationale Ordnung mit ihren drei zentralen Säulen: einer offenen, ausgeprägt institutionalisierten und verrechtlichten Weltwirtschaftsordnung; Sicherheitsordnungen in Europa und Ostasien, die durch bilaterale und kollektive Vertei­digungsbündnisse mit den USA stabilisiert wurden, sowie der westeuropäischen Integration, vornehmlich im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften.

All diese begünstigenden inneren und äußeren Voraussetzungen für die bundesdeutsche Außen- und Sicherheitspolitik in der Phase des Ost-West-Gegen­satzes hatten zunächst auch nach der deutschen Wiedervereinigung 1989/90 Bestand. Im Ge­folge der Attentate vom 11. September 2001 begannen sie allerdings zu erodieren und schließlich mit der Zeitenwende des Angriffs Russlands auf die Ukraine (2014/22) und der Abkehr der USA von ihren Bündnissen unter Präsident Donald J. Trump (2017–2021, 2025–) zu kollabieren. Innenpolitisch geriet das ambitionierte Projekt einer Zivilisierung der euro­päischen und internationalen Ordnung seit etwa 2005 immer mehr aus dem Blick: Vernachlässigt wurden nicht nur die diplomatischen Bemühungen um die Partner, sondern auch die Kul­tivierung jener macht­politischen Fähigkeiten und Ressourcen, auf die sich die Zivilmachtpolitik der Bundesrepublik bis dahin hatte stützen können: eine prosperierende Volkswirtschaft; kluge, auf das Schmieden effektiver Koalitionen und Institutionen orientierte Diplomatie; ein attraktives, Vertrauen erweckendes Gesellschafts- und Politikmodell und, nicht zuletzt, militärische Stärke, die jedoch voll­ständig in multilaterale Bündnisstrukturen eingebet­tet war und somit das Misstrauen gegenüber deut­scher Machtpolitik entkräften konnte. Außenpolitisch versandeten gegen Ende des 20. Jahr­hunderts die Anstrengungen um eine Konsolidierung und Fort­entwicklung der liberalen internationalen Ord­nung ebenso wie die Unterstützung der Zivilmacht Deutschland durch ihr wohlgesonnene, potente Partner. Mit der Erosion dieser wesentlichen innen- und außenpolitischen Voraussetzungen scheint die grand strategy Deutschlands als Zivilmacht grundsätzlich in Frage gestellt: Gesucht wird nun ein Rollenkonzept für die deutsche Außen- und Sicherheits­politik, das dem in vielerlei Hinsicht grundlegend neuen außen­politischen Kontext gerecht wird. Aller­dings wird grundsätzlich die erfolgreiche Zivilisierung der inter­nationalen Beziehungen vor dem Hintergrund zu­nehmend dramatischer globaler Herausforderungen immer drängender. Die Frage ist jedoch, wie dies unter den gegenwärtigen und zu erwartenden Rah­menbedingungen erfolgversprechend geschehen kann. Im Mittelpunkt der anschließenden Darlegungen steht demgemäß die Fragestellung: Welches außenpolitische Rollenkonzept, welche grand strategy sollte die Bundesrepublik in Zukunft verfolgen, um die Zivi­lisierung der internationalen Beziehungen voran­zubringen?

Die zentrale These dieser Studie lautet: Das Rollenkonzept der Zivilmacht ist grundsätzlich für die Bun­desrepublik nach wie vor relevant und die beste aller denkbaren Alternativen. Es bedarf allerdings der Rück­besinnung auf seine zentralen Elemente und der Runderneuerung in zweierlei Hinsicht. Erstens gilt es, die Chancen und Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer Zivilisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen im Lichte der gegenwärtigen Realitäten der inter­nationalen Beziehungen neu zu bewerten und die Außen- und Sicherheitspolitik darauf einzustellen. Eine Schlussfolgerung in diesem Zusammenhang ist die absolute Priorisierung der europäischen Ordnung. Zweitens muss die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik ihren vernachlässigten Gestaltungswillen wie­derbeleben und die Komponente »Macht« im Begriff Zivilmacht ernst nehmen. Berlin braucht eine syste­matische, zivilmachtkonforme Strategie der Machtkonsolidierung und Machterweiterung. Inhaltlich ergeben sich daraus folgende Schlussfolgerungen: Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sollte a) ihre eigene außen-, sicherheits- und europapolitische Handlungsfähigkeit ausbauen und fortentwickeln, b) Europa als weltpolitischen Akteur stärken, c) ihre liberaldemokratische Vision zivilisierter inter­nationaler Beziehungen schärfen und dafür offensiv Unterstützung einwerben, d) Amerika als Partner nicht abschreiben, aber seine innere Entwicklung und sein außenpolitisches Agieren realistisch bewer­ten und einseitige Abhängigkeiten abbauen sowie e) neue Kooperationspartner suchen, mit denen sich das Projekt einer Zivilisierung der internationalen Politik vorantreiben lässt. Dieses Projekt ist dabei in mindestens zweierlei Hinsicht unauflöslich mit libe­ral­demokratischen Ordnungsvorstellungen verknüpft: Es stellt die Würde und die Rechte des Einzelnen in den Mittelpunkt seiner Ordnungskonzeption und es insistiert auf dem Primat des Rechtes und der politi­schen Aushandlung vor der gewaltförmigen Konflikt­austragung.

Was ist eine Zivilmacht?

Das Rollenkonzept der Zivilmacht beschreibt eine außen- und sicherheitspolitische Grundorientierung (grand strategy), wie sie die Bundesrepublik Deutschland, aber auch Japan nach der Wiedererlangung ihrer außenpolitischen Handlungsfähigkeit nach dem Zweiten Weltkrieg verfolgten.1 Vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte und des weltpolitischen Kon­texts des Kalten Krieges zielte dieses Rollenkonzept auf Sicherheit durch kollektive Verteidigung bzw. Abschreckung sowie auf eine Zivilisierung der zwi­schenstaatlichen Beziehungen in – im deutschen Fall – (West-)Europa sowie, perspektivisch, im Welt­maßstab. Die wichtigsten Prinzipien des bundes­deutschen Rollenkonzepts lassen sich auf einen ein­fachen Dreiklang bringen: »Nie wieder, niemals im Alleingang, Diplomatie statt Gewalt«.2 »Nie wieder« beinhaltet dabei die Absage an alles, wofür der Natio­nalsozialismus im Innern wie außenpolitisch stand: eine totalitäre Disziplinierung der Gesellschaft, Unter­drückung und Ermordung Andersdenkender, eine expansionistische militärische Machtpolitik, brutale Ausbeutung, Versklavung und Vernichtung anderer Völker und die industriell betriebene Ermordung von sechs Millionen Juden.

»Niemals im Alleingang« implizierte einen prinzipiellen Multilateralismus, insbesondere die Integra­tion in eine europäische Gemeinschaft und in das transatlantische Verteidigungsbündnis. Souveränitäts­verzicht diente dabei als Hebel, um einerseits die Sicherheit der Bundesrepublik durch die Einbettung in die Nato und andererseits die politische Rehabilitierung und den wirtschaftlichen Aufstieg durch die europäische Integration zu gewährleisten.

Gewaltverzicht signalisierte das Vertrauen darauf, dass sich selbst schwerwiegende Konflikte auf politisch-diplomatischem Wege friedlich lösen ließen.

»Diplomatie statt Gewalt« schließlich stand für umfassenden Gewaltverzicht.3 Das galt insbesondere für die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion, der DDR und dem Ostblock um die deutsche und euro­päische Einheit. Gewaltverzicht signalisierte das Vertrauen darauf, dass sich selbst schwerwiegende Konflikte wie die deutsche Teilung auf politisch-diplo­matischem Wege friedlich lösen ließen.4 Zugleich verwies dieses Element auf eine grundlegend skep­tische Einstellung in der außenpolitischen Elite und der Bevölkerung gegenüber militärischer Macht; die kollektiven Erfahrungen aus zwei Weltkriegen und die katastrophalen Konsequenzen militärischer Macht­politik hatten die Deutschen geprägt. Diese Skepsis sollte nicht mit »Pazifismus« verwechselt wer­den: Die Bundesrepublik unterhielt zum Zeitpunkt der Vereinigung 1990 die größten konventionellen Streitkräfte Europas diesseits der Sowjetunion und steckte 2,8 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung. Diese militärischen Aufwendungen hatten freilich im Kern eine politische Funktion: Sie dienten als Quidproquo für die nuklearen Sicher­heitsgarantien der USA und somit zur Untermauerung einer Strategie der Kriegsverhinderung durch Abschreckung.5 Die Bundeswehr war zudem voll­ständig in die militärische Struktur der Nato inte­griert, ohne autonome militärische Handlungsfähigkeit. Diese Einbettung in die Allianz wirkte als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber den euro­päischen Partnern, die zumeist bittere Erfahrungen mit dem deutschen Militarismus gemacht hatten.

Wie alle Rollenkonzepte ist auch das der Zivilmacht auslegungsfähig und auslegungsbedürftig: Seine Prinzipien, Normen und Verhaltensregeln definieren zwar außenpolitische Verhaltensparameter, können aber in konkreten Entscheidungssitua­tionen keine eindeutigen Vorgaben liefern. Einzelne Elemente des Rollenkonzeptes mögen durchaus in Widerspruch zueinander geraten, womit die Ent­scheidungsträger dann in den konkreten Situationen umgehen müssen.

Generell gilt: Außenpolitische Rollenkonzepte sind Narrative, die durch vielfältige Sprechakte immer wieder neu bekräftigt, dabei aber auch immer wieder neu – und gelegentlich auch in Nuancen anders – interpretiert werden. Dabei ist Raum für unterschiedliche Auslegungen, um jeweils alternative Handlungs­optionen zu begründen bzw. zu rechtfertigen. Diese innere Komplexität von Rollenkonzepten und die Not­wendigkeit, sie in konkreten Handlungskontexten und auf diese bezogen zu deuten, erlauben auch ihre Anpassung an Veränderungen.6

Die Voraussetzungen für Deutschlands Erfolge als Zivilmacht

Die Außen- und Sicherheitspolitik der alten Bundesrepublik erwies sich als ungemein erfolgreich. Unter schwierigen internationalen Rahmenbedingungen und vor dem Hintergrund der historischen Hypothek aus Angriffskrieg, Besatzung, Unterdrückung und Völkermord, die das nationalsozialistische Terror­regime seiner Rechtsnachfolgerin im Innern wie in weiten Teilen Europas hinterlassen hatte, gelang es der Bonner Republik, Sicherheit, Wohlstand und internationale Rehabilitierung unter den Vorzeichen einer zunehmend fest verankerten demokratischen Ordnung im Innern zu erreichen. Im Verlauf der 1970er und 1980er Jahre erarbeitete sie sich Vertrauen und ein beachtliches Maß an Einfluss in den Euro­päischen Gemeinschaften, der Nato und den Verein­ten Nationen (VN). Ihre Mitgliedschaft in der Gruppe der wichtigsten Industriestaaten (G7) seit deren Grün­dungstreffen 19757 signalisierte den Aufstieg der Bun­desrepublik in den inneren Führungskreis der west­lichen Welt. 1990 konnte die Bundesrepublik dann auch noch ihr letztes großes außenpolitisches Ziel erreichen: den friedlichen Zusammenschluss der beiden deutschen Staaten, eingebettet in ein freies, ver­einigtes Europa. Deutschland, so der ehemalige Verteidigungsminister Volker Rühe, war nun nicht nur vereint, sondern auch »von Freunden umzingelt«.

Diese bemerkenswerte Erfolgsbilanz beruhte auf drei wesentlichen Voraussetzungen. Die erste hatte die Bundesrepublik selbst zu stellen: Gestaltungs­willen samt der erforderlichen Machtmittel. Gestaltungswille erforderte zum einen eine langfristig angelegte Strategie mit klar definierten Zielen und einer geschmeidigen Diplomatie zu ihrer Verfolgung. Zum anderen bedurfte es der Kultivierung und Opti­mierung der für die BRD verfügbaren Machtressourcen, um schrittweise Macht in Einfluss umsetzen zu können. Von einer »Machtvergessenheit« Westdeutschlands8 kann höchstens insofern gesprochen werden, als die westdeutsche (Außen-)Politik sich so nachdrücklich von der Machtpolitik des Deutschen Kaiserreiches und des NS-Staates distanzierte, dass der Begriff »Macht« gemieden wurde, ja geradezu tabui­siert erschien. Dies bedeutete freilich nicht, dass die BRD keine Machtressourcen zur Verfügung gehabt und sich gescheut hätte, diese in Einfluss umzumünzen. Allerdings waren die bundesdeutschen Machtgrundlagen anders strukturiert und zum Teil auch völlig anderer Art als die ihrer Vorgänger: Die (beacht­liche) Militärmacht der BRD war vollständig in das westliche Bündnissystem integriert und machte ihr so jede autonome militärische Machtprojektion unmög­lich. Auch ihre Wirtschaftsmacht war supranational in den Kontext der Europäischen Gemeinschaften eingebettet. Die wirtschaftlichen Erfolge, aber auch die innere Entwicklung der Bundesrepublik fanden jedoch im Ausland zunehmend Beachtung, auch Bewunderung. All dies wirkte vertrauensbildend. Vertrauen ist eine »sanfte« Machtressource von gro­ßer, oft unterschätzter Bedeutung. Die bundesdeutsche Diplomatie verstand es, diese Ressource zu schaf­fen, zu mehren und klug in Einfluss umzusetzen.

Bei ihren Bemühungen konnte die Zivilmacht nur mithilfe von Partnern Erfolg haben,

Noch bedeutsamer als diese inneren Voraussetzungen waren jedoch zwei weitere im außenpolitischen Umfeld: Bei ihren Bemühungen konnte die Zivilmacht nur mithilfe von Partnern Erfolg haben, die sich entweder selbst als Zivilmächte verstanden oder doch außenpolitische Rollenkonzepte verfolgten, die mit dem der Zivilmacht Deutschland kompatibel waren. »Niemals im Alleingang« bedeutete eben auch, dass die Zivilmacht BRD auf andere angewiesen und von ihnen abhängig war – nicht zuletzt bei der Gewährleistung ihrer äußeren Sicherheit. Diese wurde 1955 vom kollektiven Verteidigungsbündnis Nato übernommen, letztlich durch die nuklear unter­fütterten Schutzgarantien der Vereinigten Staaten. Die BRD hatte somit die Wahrnehmung ihrer eigenen Sicherheit in die Hände anderer gelegt und dadurch paradoxerweise im Bündnis an Einfluss gewinnen können.

Damit sind wir bei der letzten Voraussetzung: Die Zivilmacht BRD konnte außen- und sicherheits­politisch in einem Umfeld agieren, das bereits wich­tige Elemente »zivilisierter« zwischenstaatlicher Beziehungen aufwies. Denn die Nato war mehr als ein traditioneller Beistandspakt: Das Bündnis insti­tutionalisierte eine transatlantische Sicherheits­gemeinschaft, in der sich die zwischenstaatlichen und transnationalen Beziehungen so verdichteten, dass die Wahrscheinlichkeit von Kriegen zwischen den Mitgliedstaaten nahe null sank und somit wichtige Fortschritte hin zu einer Zivilisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen erreicht wurden. Dies galt in ähnlicher Weise für die wirtschaftliche Verflechtung im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften. In einem dergestalt in erheblichem Maße zivilisierten internationalen Umfeld konnte die Bonner Republik ihre spezifischen Machtressourcen optimal zur Geltung bringen und zugleich ihre Ver­wundbarkeiten durch Kooperation einhegen. Selbst in der wichtigsten Kon­fliktformation, der sich die BRD gegenübersah, im Ost-West-Konflikt, senkte die gesicherte Zweitschlagfähigkeit der beiden nuklear bewaffneten Supermächte das Risiko eines Krieges zwischen den Blöcken und trug so auf paradoxe Weise zur Zivilisierung zwischenstaatlicher Beziehungen bei.

Zivilmacht im Wandel

Die Grundprinzipien dieser außen- und sicherheits­politischen Orientierung der Bundesrepublik Deutschland wurden in den 1950er Jahren unter Bundes­kanzler Konrad Adenauer festgelegt: der Beitritt zur Nato und zu den Europäischen Gemeinschaften, die Wiederbewaffnung, aber auch das Ziel der Wiedervereinigung. Nach der mit dem Godesberger Programm 1959 vollzogenen Neuorientierung der SPD wurden diese Grundprinzipien politischer Konsens, getragen von wachsender Zustimmung der Bevölkerung. Sie wurden in den 1970er Jahren durch eine Ostpolitik ergänzt und erweitert, die dank Anerken­nung des Status quo in Europa auf die friedliche Überwindung der deutschen und europäischen Tei­lung setzte. Wie schon die grundlegende Ausrichtung der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik reflektierte auch die Entspannungspolitik den größe­ren Zusammenhang des Ost-West-Konflikts, der die Handlungsmöglichkeiten der Bundesrepublik emp­find­lich einschränkte. Dass Westbindung und Ost­politik politisch weitgehend gewollt und nicht ein­fach durch die Umstände erzwungen waren, spielte für die Legitimität der bundesdeutschen Außenpolitik aber eine wichtige Rolle.

Die außenpolitischen Grundorientierungen der Bundesrepublik als Zivilmacht wurden im Kontext der Vereinigung 1989/90 mit den 2+4-Verträgen für das vereinte Deutschland bekräftigt.9 Deutschland hielt damit an den selbstauferlegten Beschränkungen seiner Militärmacht (wie dem Verzicht auf Massenvernichtungswaffen und autonome militärische Handlungsfähigkeit) fest und verpflichtete sich zu­dem zu einem deutlichen Rückbau der Bundeswehr auf eine Obergrenze von 270.000 Soldaten. Die drei Leitmotive der Zivilmacht Bundesrepublik – »nie wieder, niemals im Alleingang, Diplomatie statt Gewalt« – wurden somit als bemerkenswertes Bei­spiel für außenpolitische Kontinuität unter dramatisch veränderten inneren wie äußeren Rahmen­bedingungen fortgeschrieben und sogar vertieft. Dennoch gab es zu Beginn der 1990er Jahre im frisch vereinten Deutschland wie unter den Nachbarn – je nach Einstellung – Sorgen vor oder den Wunsch nach einer Rückkehr Deutschlands zu einer traditionellen Großmachtpolitik. Inspiriert wurde dies von »realistischen« Einschätzungen der deutschen und europäischen Politik, die sich allerdings zumindest für die bundesdeutsche Außenpolitik nach der Ver­einigung als ziemlich unrealistisch erwiesen. Denn die gängigen Theorien des Realismus ignorierten die enge Beziehung zwischen der innenpolitischen Ord­nung der Bundesrepublik und ihrer Außen- und Sicher­heitspolitik. Das Rollenkonzept der Zivilmacht sollte im Verlauf der nächsten dreieinhalb Dekaden zwar gewichtige Modifikationen durchlaufen, in seinen Grundelementen aber erhalten bleiben.10

Die bundesdeutsche Außen- und Sicherheitspolitik stützt sich auf wirt­schaftliche Leistungsfähigkeit, Diplo­matie, Militär und »sanfte Macht«.

Nach wie vor stützt sich die bundesdeutsche Außen- und Sicherheitspolitik auf die vier Säulen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Diplomatie, Militär und »sanfte Macht« (soft power) als attraktiver Partner und Vorbild. Deren relative Bedeutung variierte jedoch im Lauf der Jahrzehnte.

In der ersten, der Aufbauphase der Zivilmacht Bundesrepublik (1949–1960) lag das Schwergewicht auf der Diplomatie und der militärischen Sicherheits­politik. Die BRD musste sich zunächst rehabilitieren, um nach den Gräueltaten des nationalsozialistischen Deutschland unter ihren Nachbarn und nun mög­lichen Partnern Vertrauen aufzubauen. Die Bereitschaft, einer deutschen Wiederbewaffnung zuzustim­men, nutzte die bundesdeutsche Diplomatie seit An­fang der 1950er Jahre als wichtige Trumpfkarte, um die weitgehende Souveränität und die gleichberech­tigte Einbeziehung Westdeutschlands in die Bündnissysteme der Nato und der Europäischen Gemeinschaften zu erreichen. Zwar war die wachsende wirtschaftliche Macht der BRD in dieser Phase subsidiär bereits bedeutsam, doch sanfte Macht konnte daraus noch nicht entstehen. Noch belasteten die nationalsozialistische Schreckensherrschaft in Europa und ihre Fol­gen die Bemühungen, Einfluss auszuüben.

In der zweiten Phase der bundesdeutschen Außen- und Sicherheitspolitik (1961–1990) gewann die wirt­schaftliche Macht der Bundesrepublik an Bedeutung.11 Die Wahrnehmung Deutschlands begann sich positiv zu verändern, was zur Vertrauensbildung beitrug. Nun konnte sanfte Macht die Machtgrund­lagen der Außen- und Sicherheitspolitik subsidiär erweitern. Diplomatie und Militärmacht blieben – komplementär zur bundesdeutschen Wirtschaftsmacht – allerdings weiterhin sehr bedeutsam. Dies manifestierte sich einerseits in Bonns konsequent multilateraler Politik innerhalb von Nato, Europäischen Gemeinschaften und Vereinten Nationen, ande­rerseits in seinen militärischen Beiträgen zum Bündnis. Grundlegend war dabei weiterhin die Logik, über Selbstbindungen und Selbstbeschränkungen andere Akteure dazu zu bewegen, sich mit der BRD dauerhaft zu verbinden. Gleichzeitig stellte die Bun­desrepublik einen erheblichen Teil der konventio­nellen Nato-Streitkräfte in Europa und leistete somit ihren Beitrag zur Abschreckungsstrategie des Bünd­nisses.

Mit der Wiedervereinigung beginnt die dritte Phase in der Außen- und Sicherheitspolitik der Zivilmacht Bundesrepublik. In dieser Phase schob sich Deutschlands Wirtschaftsmacht immer mehr in den Vordergrund. Sie wurde zur dominanten Machtgrundlage. Berlin konzentrierte sich zunehmend darauf, seine Wirtschaftsmacht zu kultivieren und zu nutzen, und verfiel dabei der Illusion, dass die Erfolge der Ver­gangenheit sich unbesehen und ohne größere An­strengungen in die Zukunft hinein verlängern ließen, solange die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nur die Kontinuität ihrer Ausrichtung beschwor. Im Ergebnis bewirkte dies eine Re-Nationalisierung die­ser Politik: Anstatt sich vorrangig um die Leistungs­fähigkeit der multilateralen Kooperationszusammenhänge von Europäischer Union (EU) und Nato zu küm­mern, verfolgte Berlin in ihnen immer häufiger eigene, »nationale« Interessen.12 Deutschland über­schätzte so den eigenen Einfluss auf andere. Was die Fehleinschätzung des internationalen Umfeldes, ins­besondere der inneren Entwicklungen Russlands, und die Vernachlässigung der eigenen außen- und sicher­heitspolitischen Machtgrundlagen innerhalb Europas anging, stand Berlin keineswegs allein.

Zeitenwende I: Die Defizite der Zivilmacht Deutschland nach 1990

Schon die russische Annexion der Krim 2014 und Moskaus Organisation einer Sezessionsbewegung in der Ostukraine (die massiv von russischen Truppen unterstützt wurde) waren Schocks für die deutsche Außenpolitik gewesen: Dieses Verhalten passte über­haupt nicht in das Russlandbild, von dem diese Außenpolitik ausging. In Berlin griff man denn auch rasch auf scheinbar bewährte Rezepte zurück: Diplo­matie und Wirtschaftssanktionen. Allerdings erwie­sen sich die Verhandlungen im Minsk-Format 2014/15 als ungeeignet. Moskau zeigte keinerlei Bereitschaft, von seinen expansiven Kriegszielen abzurücken, sein Interesse an den Gesprächen beschränkte sich darauf, die Gesprächspartner in die Irre zu führen und seine eigenen Intentionen zu kaschieren.13

Diese Täuschungsstrategie gelang: Der russische Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, konzipiert als Blitzkrieg zur Enthauptung der ukrainischen Regierung und Besetzung der Hauptstadt, traf Berlin erneut unvorbereitet. Dabei hätte schon spätestens 2014 klar geworden sein sollen, dass Berlins Annahmen über die russische Politik fragwürdig waren.14 Diese Fehlperzeption Russlands unter Putin war nur ein wenn auch besonders markantes Beispiel für ein umfassendes Wahrnehmungsdefizit: Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik pflegte in den andert­halb Dekaden vor der sogenannten Zeitwende vom Februar 2022 eine zunehmend weltfremde Sicht der internationalen Beziehungen.15

Vernachlässigt hatte die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik seit 1990 ihre Machtbasis und damit ihre Chancen, auf internationale Entwick­lungen Einfluss zu nehmen.

Zudem trug Berlin möglicherweise sogar dazu bei, dass Putin den neuerlichen, umfassenden Angriff auf die Ukraine riskierte – allerdings nicht durch das, was es getan, sondern durch das, was es unterlassen hatte: Denn vernachlässigt hatte die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik seit 1990 ihre Machtbasis und damit ihre Chancen, auf internationale Entwicklungen Einfluss zu nehmen. Dies betraf die Kultivierung der Partnerbeziehungen ebenso wie die der multilateralen Institutionen, insbesondere der Europäischen Union und der Nato, auf die Berlin doch so elementar angewiesen war. Somit stand nicht nur die Bundeswehr (nach den Worten des Heeresinspekteurs Alfons Mais) 2022 »mehr oder weniger blank da«,16 sondern auch die gesamte Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik. Die Folgen der systematischen Fehl­einschätzung Russlands unter Wladimir Putin (die sich hinsichtlich der Volksrepublik China unter Xi Jinping übrigens wiederholt) wurden noch verschärft durch eine ebenso systematische Selbstüberschätzung im Vertrauen auf die deutsche Wirtschaftskraft und die Erfolgsgeschichte der Vergangenheit als Garanten für die Zukunft.

Diese Entwicklung war kaum dazu angetan, abschreckend auf Putin zu wirken. Sie verleitete im Gegenteil die Führung in Moskau ihrerseits zu einer Fehleinschätzung der deutschen Reaktion auf den Überfall: Putin mag davon ausgegangen sein, dass Berlin zu unvorbereitet und wirtschaftlich zu abhän­gig sei, um gegenüber Moskau auf einen Konfronta­tionskurs umzuschwenken. Stattdessen werde es – ähnlich wie 2014 – zwar protestieren und Wirtschaftssanktionen verhängen, ansonsten aber bald zur Tagesordnung der bilateralen Beziehungen zu­rückkehren. Es kam bekanntlich anders.

Dennoch: Die Ausrufung der Zeitenwende und all die Maßnahmen, die seither in diesem Zusammenhang getroffen wurden, sind nur erste Schritte aus der tiefen Sackgasse, in die die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik mit Blick auf die eingangs erwähnten drei Voraussetzungen geraten ist. Das einstige Erfolgsmodell wurde so zum Sanierungsfall.

Machtgrundlagen und Gestaltungswille

Während und vor allem nach der Vereinigung kon­zentrierte sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik der BRD zur Verfolgung ihrer Ziele zusehends auf ihre wirtschaftlichen Machtgrundlagen. Dabei setzte sie sowohl auf Anreize als auch auf Sanktionen. Militärische Machtmittel wurden dagegen ver­nachlässigt und gerieten so in eine subsidiäre Rolle. Die Diplomatie bewältigte die internationale Ein­bettung der Vereinigung in einem Kraftakt, scheiterte dann aber bei der Eindämmung und Befriedung der Kriege im zerfallenden Jugoslawien (1991–1999). In den 1990er Jahren lieferte sie gewichtige Beiträge im Rahmen der Erweiterung von Nato und Europäischer Union, beschränkte sich danach aber vor allem auf das Krisenmanagement im Bündnis (Zerwürfnis mit den USA über den Krieg gegen den Irak 2003) und in der EU (Verfassungskrise, Eurokrise, Flüchtlings- und Migrationskrise).

Die Verteidigungsausgaben sanken nach der Ver­einigung nach Berechnungen des Stockholm Inter­national Peace Research Institute (SIPRI) inflations- und wechselkursbereinigt von 65,6 Milliarden US-Dollar 1988 auf rund 45,7 Milliarden US-Dollar 2015 und stiegen danach wieder auf 67,3 Milliarden US-Dollar 2023. Der Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging damit von 2,64 Prozent 1988 auf 1,52 Prozent 2023 zurück.17 Damit verfehlte die Bundesrepublik über viele Jahre hinweg ihre im Rahmen der Nato übernommene Zusage, die Verteidigungsausgaben auf den bereits 2002 erstmals gemeinsam beschlossenen und nach der russischen Annexion der Krim 2014 bekräftigten Wert von zwei Prozent des BIP zu bringen.18

Dies hatte unvermeidlich gravierende Auswirkungen auf die Ausrüstung und die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Um die Auslandseinsätze mit ihren anspruchsvollen Materialanforderungen bewältigen zu können, musste die Bundeswehr andere, zur kollek­tiven Selbstverteidigung der Nato in Europa bestimmte Einheiten »kannibalisieren«, also deren Gerät für die Verbände in Auslandseinsätzen zweck­entfremden. Instandhaltungs- und Ersatzinvestitionen wurden bei Material und Infrastruktur hinaus­geschoben. Die Folge war eine kumulative Zersetzung der Fähigkeiten der Bundeswehr insbesondere im Bereich der kollektiven Selbstverteidigung.19 Dass das vereinigte Deutschland seit 1990 keinerlei Neigung zeigte, zu alten Formen militärischer Machtpolitik zurückzukehren, ist also offensichtlich; tatsächlich vernachlässigte es seine militärischen Machtgrund­lagen geradezu sträflich und beschädigte damit auch das kollektive Verteidigungsbündnis der Nato, dessen wichtigste konventionelle Streitmacht in Europa vor der Vereinigung die Bundesrepublik gestellt hatte.20

Die außenpolitischen Eliten ver­säumten es, angemessen auf die sich verändernden Bedingungen der inter­nationalen Ordnung zu reagieren.

Hinter diesen Vernachlässigungen der sicherheitspolitischen Machtgrundlagen Deutschlands (und anderen etwa im Bereich der Cyber-Sicherheit) steckte letztlich neben unzureichendem Verständnis für die seismischen Veränderungen der Weltpolitik auch mangelnder politischer Wille. Die außenpolitischen Eliten versäumten es wider besseres Wissen,21 an­gemessen auf die sich verändernden Bedingungen der internationalen Ordnung zu reagieren. Der Umgang mit der Gewaltbereitschaft anderer Akteure stellte dabei die zentrale Herausforderung dar. Maßnahmen zur Stärkung der kollektiven Verteidigungsfähigkeit verweigerte sich die deutsche Außen- und Sicherheits­politik aber auch noch nach 2014: Der moderate Auf­wuchs der Verteidigungshaushalte in den Folgejahren war angesichts der aufgestauten Probleme der Bun­des­wehr unzureichend.

In den außenpolitischen Krisen im Umfeld Euro­pas (wie der Besetzung und Annexion Kuwaits durch den Irak, den Kriegen im zerfallenden Jugoslawien und der Intervention der USA und ihrer Verbündeten in Afghanistan und dann im Irak nach den Terror­anschlä­gen des 11. September 2001) stellte sich für die deutsche Politik nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes immer wieder die Frage nach dem Ob und dem Wie einer militärischen Beteiligung an multi­lateralen Friedenseinsätzen. Überbordende (militä­rische) Machtpolitik konnte man der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik dabei nicht vorwerfen. Im Gegenteil: Kritik entzündete sich wiederholt an dem, was Außenminister Klaus Kinkel (1992–1998) als »Kultur der Zurückhaltung«22 bezeichnet hatte. Diese Kritik wurde erstmals bereits 1991 im Kontext der Befreiung des von Irak gewaltsam besetzten und annektierten Kuwait laut, als die Bundesrepublik eine Beteiligung an der von den USA orchestrierten Militär­allianz verweigerte und sich stattdessen auf einen (sehr erheblichen) finanziellen Beitrag beschränkte. Erst 1995 konnte sich die Bundesregierung dazu ent­schließen, Kampfeinsätze der Bundeswehr im Kontext der Nato-Intervention in Bosnien-Herzegowina in Form von Aufklärungsflügen mitzutragen.23 An der Nato-Intervention um das Kosovo 1999 beteiligte sich die Bundeswehr dann in größerem Umfang; im Rah­men der Pazifizierungsmission KFOR nach Ende der Kampfhandlungen stellte die Bundeswehr mit 8.500 Soldaten sogar eines der größten Kontingente.

Weitere Bundeswehreinsätze folgten, insbesondere im Rahmen von Missionen der Gemeinsamen Euro­päischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Afrika, im Nahen und Mittleren Osten sowie nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 gegen New York und Washington auch im Kontext des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Das vereinte Deutschland schien damit zu Beginn des neuen Jahrhunderts zu einer verantwortungsbewussten militärischen Sicher­heitspolitik im Bündnis gefunden zu haben. Die Bun­desregierung aus SPD und Grünen verweigerte aller­dings 2003 die Mitwirkung Deutschlands an der Irak-Intervention der USA unter Präsident George W. Bush und stimmte im VN-Sicherheitsrat als nichtständiges Mitglied mit den ständigen Mitgliedern Frankreich und Russland gegen die Autorisierung dieser Inter­vention – eine Entscheidung und eine Position, die dem Rollenkonzept der Zivilmacht entsprach und im Rückblick richtig erscheint.24

Die Afghanistan-Mission wurde zu einem Debakel, das die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für Auslandseinsätze untergrub.

Die umfänglichste Teilnahme der Bundeswehr an Auslandseinsätzen betraf Afghanistan, wo die USA zunächst das Taliban-Regime nach dem 11. September 2001 stürzten und danach der Nato die Befriedung des Landes übertrugen. Diese Mission wurde nicht erst vor ihrem ruhmlosen Ende zu einem Deba­kel, das die Unterstützung der deutschen Bevölkerung für Auslandseinsätze untergrub.25 Die deutsche Betei­ligung am Nato-Einsatz in Afghanistan litt gegenüber den Verbündeten von Anfang an unter restriktiven, angesichts der Gegebenheiten vor Ort zunehmend unrealistischen Auflagen für die kämpfende Truppe. Hinzu kam mangelnder innenpolitischer Rückhalt, als deutlich wurde, worum es sich bei dem Nato-Einsatz in Afghanistan tatsächlich handelte: um eine komplexe Militäroperation zur Aufstandsbekämpfung und Befriedung. Als 2009 bei Kundus zwei Nato-Tank­lastfahrzeuge entführt wurden und der vom kom­man­dierenden deutschen Oberbefehlshaber in diesem Sektor angeordnete Luftangriff amerikanischer Kampf­flugzeuge viele zivile Opfer forderte, rief dies in Deutschland massive innenpolitische Kritik hervor. Damit erodierte nicht nur die Unterstützung für den Einsatz in Afghanistan; auch generell sank die poli­tische Bereitschaft zum Einsatz von Streitkräften in Kampfeinsätzen, was die Entwicklung hin zu einer realistischeren strategischen Kultur um Jahre zurück­warf.26 Erst die Zeitenwende von 2022 führte dann zu einer erneuten Überprüfung der deutschen stra­tegischen Kultur.

Partner

Von Anfang an, ja sogar schon vor ihrer Geburt hatte die Bundeswehr eine in besonderem Maße politische Funktion: Neben der Kriegsverhinderung durch Ab­schreckung hatte sie auch die Aufgabe, supranatio­nale Integrationsprozesse zu ermöglichen und voran­zutreiben. Die verzahnte Dislozierung der verschiede­nen Nato-Verbände mit ihrer integrierten Kommando­struktur und einem gemeinsamen Oberbefehlshaber entlang der deutsch-deutschen Grenze zur Zeit des Kalten Krieges veranschaulichte diese Logik besonders eindringlich. Es ging darum, über die Wie­derbewaff­nung die Partner einzubinden.

Die fundamentale Bedeutung der Partnerschaften mit anderen europäischen und den nordamerika­nischen Staaten als Grundlage ihrer Macht und ihres Einflusses geriet in der deutschen Außen- und Sicher­heitspolitik nach 1990 jedoch zunehmend aus dem Blickfeld. Besonders deutlich wurde dies in der Ver­nachlässigung des deutsch-französischen »Tandems«, dem Kern der europäischen Integration.27 Helmut Kohl war der letzte deutsche Bundeskanzler, der dem deutsch-französischen Verhältnis eine herausragende Bedeutung zumaß. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundeskanzlerin Angela Merkel fehlte der emo­tionale Zugang zu dieser Beziehung und generell zum Projekt der europäischen Integration. Merkel ent­schied sich im europäischen Kontext früh für die sogenannte Unionsmethode, die die zwischenstaat­lichen Entscheidungsformen zulasten der supranatio­nalen Aspekte der europäischen Integration bevorzugt. Die wiederholten Aufrufe des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron zu neuen euro­papolitischen Initiativen, beginnend mit seiner Rede an der Sorbonne am 26. September 2017,28 blieben ohne Echo aus Berlin.29

Ähnliches galt für das bilaterale Verhältnis zu Polen. Eine konstruktive Zusammenarbeit wurde zu­gegebenermaßen durch die PiS-Regierungen von 2015 bis 2023 erschwert, die das Misstrauen gegenüber Deutschland aus innenpolitischen Gründen kultivierten und instrumentalisierten.30 Dennoch fehlte es auch seitens Berlins an nachhaltigen Impulsen für die Intensivierung der bilateralen Beziehungen wie auch des Weimarer Dreiecks DeutschlandFrankreich– Polen.31

Die Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten war von Anfang an durch ein fundamentales Ungleich­gewicht gekennzeichnet: Die Vereinigten Staaten garan­tierten die Sicherheit der Bundesrepublik und ermög­lichten ihr so einen wirtschaftlichen Aufschwung zu eher bescheidenen materiellen sicherheits­politischen Kosten. Zwar musste die Bundes­republik konventionell aufrüsten, doch war die Funk­tion der Bundeswehr auch in diesem Zusammenhang letztlich eine politische: Sie dokumentierte gegenüber den USA die Bereitschaft der Bundesrepublik, eigene Verteidigungsbeiträge zu leisten, und half damit den Regierungen in Washington, die massive konventionelle Militärpräsenz der USA in Deutschland innen­politisch zu rechtfertigen. Die Suche nach »fairer Las­tenteilung« war in diesem Kontext freilich ein perma­nentes Dilemma.

Neben diesem strukturellen Ungleichgewicht belasteten auch andere Faktoren die deutsch-amerika­nischen Beziehungen, vor allem unter den Präsidenten George W. Bush (2001–2009) im Zusammenhang mit dem amerikanischen Krieg im Irak 2003 und Donald Trump (2017–2021, 2025–), der Amerika von Deutschland wirtschaftlich übervorteilt sah. (Er stützte diese Behauptung unter Verweis auf die hohen Außenhandelsüberschüsse Deutschlands im bilateralen Handel.)32 Die Gründe hierfür lagen pri­mär auf amerikanischer Seite.

Die Schwierigkeiten mit den USA unter Donald Trump veranlassten Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits in dessen erster Amtszeit zu der Mahnung: »Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig ver­lassen konnten, die sind ein Stück vorbei.«33 Nennens­werte Folgen zeitigte diese Einschätzung in der deut­schen Außen- und Sicherheitspolitik allerdings nicht. In Donald Trumps zweiter Amtszeit lieferten Deutsch­lands bescheidene Verteidigungsausgaben dem US-Präsidenten – je nach Betrachtungsweise – einen Grund bzw. einen Vorwand für seinen drastischen Kurswechsel gegenüber Deutschland und Europa.

Während Deutschland seine Partnerschaften mit Frankreich, Polen und den USA, aber auch mit Groß­britannien und Italien vernachlässigte sowie seine traditionellen Bemühungen um die kleineren Mit­gliedstaaten der EU schleifen ließ, wandte es sich Russland und China als neuen (Wirtschafts-)Partnern zu. Im Verhältnis zu Russland wurde dies als »Moder­nisierungspartnerschaft« gerechtfertigt; im Mittelpunkt stand dabei der Bezug billigen Erdgases und Erdöls aus Russland.34 Das (vom russischen Präsidenten Putin wohl beabsichtigte)35 Ergebnis war eine politisch wie wirtschaftlich gefährliche Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energielieferungen.36 In China fand die deutsche Industrie einen für lange Zeit höchst profitablen Absatzmarkt mit phänomenalen Wachstumsraten für ihre Produkte (Automobile, Maschinen, chemische Produkte). Allerdings führten die umfangreichen Direktinvestitionen deutscher Unter­nehmen in China zu einem Wissens- und Tech­nologietransfer, der die zunächst komplementären Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und China zunehmend konkurrierend gestaltete: Chine­sische Unternehmen wurden zu potenten Wettbewer­bern deutscher Unternehmen. Beispielhaft hierfür steht die Automobilindustrie, wo China die deutschen Unternehmen bei der Entwicklung und Produktion von Elektrofahrzeugen inzwischen klar überflügelt hat.37

Insgesamt erlaubten es der Bezug preisgünstiger Energie aus Russland und der florierende chinesische Absatzmarkt Deutschland, sein altbewährtes Geschäfts­modell fortzuführen und damit besser durch die Aus­wirkungen der Finanzmarktkrise 2007/08 und dann der Eurokrise 2010/11 zu kommen als die meisten anderen Mitgliedsländer der EU. Zugleich versäumte es Deutschland trotz außerordentlich günstiger Rah­menbedingungen,38 die dringend erforderliche Bear­beitung struktureller Probleme in Angriff zu nehmen: Eine in vielen Bereichen veraltete und zusehends störungsanfällige Infrastruktur gehörten ebenso dazu wie erhebliche Schwächen des Bildungssektors und die nachlassende Entwicklung neuer, innovativer Produkte und Unternehmen. Dies rächte sich in den 2020er Jahren, als das alte Geschäftsmodell im Zuge der Zeitenwende zusammenbrach und die Folgen der Strukturprobleme überall sichtbar wurden.39

Multilateralismus

Berlins Vernachlässigung traditioneller Partnerschaften ging Hand in Hand mit der Vernachlässigung der multilateralen Grundlagen für eine Zivilisierung der internationalen Beziehungen. Besonders ausgeprägt zeigte sich dies, wie bereits angedeutet, in der Nato, in der Deutschland zusehends Vertrauen verspielte und damit auch an Einfluss verlor. Die Ursache hier­für war die zunehmend offensichtliche Diskrepanz zwischen den Ankündigungen und Zusagen der Bun­desregierung innerhalb der Nato seit 2014 und ihrer Umsetzung. Dies betraf nicht nur die Verteidigungsausgaben insgesamt (also das vielbeschworene Zwei-Prozent-Ziel, auf das sich die Nato 2015 verständigt hatte), sondern auch wichtige Rüstungsprojekte wie den Neuaufbau von drei kampffähigen Heeresbrigaden, das europäische Luftverteidigungssystem und die Absicherung der nuklearen Abschreckungsteilhabe durch Beschaffung eines Nachfolgers für die altersschwachen Tornado-Jagdbomber.40

Im Kontext der europäischen Integration zeigte sich Deutschland wenig geneigt, neue Impulse für eine Vertiefung der Union zu geben.

Aber auch im Kontext der europäischen Integra­tion zeigte sich Deutschland wenig geneigt, neue Impulse für eine Vertiefung der Union zu geben, etwa in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder bei der umfassenden Realisierung des europäischen Binnenmarktes. Zwar bemühte sich die Bundesregierung unter Angela Merkel erfolgreich darum, die Ergebnisse des Europäischen Verfassungskonvents nach dem Scheitern des Verfassungsentwurfs in den Volksabstimmungen in den Niederlanden und Frankreich 2005 durch Änderungen an den Römischen Verträgen zu retten – das Ergebnis war die gegenwärtig gültige Fassung dieser Verträge, die am 13. Dezember 2007 in Lissabon beschlossen und danach von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Das vereinte Deutschland spielte zudem eine gewich­tige Rolle beim Umgang der EU mit inneren und äußeren Krisen, insbesondere der Eurokrise und der Migrationskrise sowie der russischen Expansions­politik in Osteuropa (Georgien, Ukraine). An der Art, wie Deutschland diese Rolle ausfüllte, entzündete sich jedoch Kritik. Von einer angeblichen »deutschen Hegemonie« war die Rede, was allerdings bestenfalls in Teilen berechtigt war.41

Zwar bestand Berlin bei der Bewältigung der Euro­krise erfolgreich auf einer Lösung, die die Eurozone zusammenhielt und die Interessen der deutschen Ban­ken schützte. Den von der Krise betroffenen Staa­ten wurden jedoch schwere Anpassungslasten auf­gebürdet.42 Ob Merkel die Rettung des Euro allerdings ohne die tatkräftige Unterstützung durch die Euro­päische Zentralbank gelungen wäre, bleibt offen. In der Migrationskrise seit 2015 konnte Berlin seine Posi­tionen nicht durchsetzen: Die Europäische Union erwies sich als unfähig, nachhaltige gemeinschaft­liche Lösungen zu finden. Angela Merkel erreichte schließlich eine Vereinbarung mit Ankara, in deren Rahmen die Türkei syrische Flüchtlinge aufnahm und versorgte, um so den Migrationsdruck auf die Union zu verringern.43

Vor allem im Verlauf der letzten zehn Jahre der Kanzlerschaft von Angela Merkel mehrten sich dann die Beispiele für eine Politik gegenüber der EU, die primär den eigenen Wirtschaftsinteressen diente. Da war 2015 die Initiierung des hoch umstrittenen Pro­jektes Nord Stream 2, das den deutschen und euro­päischen Erdgasbezug aus Russland unter Umgehung der Ukraine als Transitland massiv ausweiten sollte, nur ein Jahr nach der russischen Invasion der ukrai­nischen Halbinsel Krim. Im Dezember 2020 brachte Berlin nach siebenjährigen Verhandlungen das um­fassende Investitionsabkommen der EU mit China (CAI) über die Ziellinie; nur fünf Monate später wurde es vom Europäischen Parlament suspendiert. Die Be­mühungen der Ampelregierung, die klimapolitischen Vorgaben der EU zulasten des Verbrennungsmotors im Sinne der deutschen Automobilindustrie aufzuweichen, endeten im März 2024 mit einer Abstimmungsniederlage44 – ein (weiteres) Indiz dafür, in welchem Ausmaß der Einfluss der Bundesrepublik in Brüssel gelitten hatte.

Deutschland trug seinen Teil dazu bei, dass die multilaterale, liberale internationale Ordnung erodierte.

Deutschland trug also – insbesondere im Verlauf der letzten anderthalb Jahrzehnte – seinen Teil dazu bei, dass die multilaterale, liberale internationale Ordnung, die in der Vergangenheit die Einflussmöglichkeiten der Zivilmacht Bundesrepublik begünstigt hatte, seit 2005 erodierte.45 Dies galt insbesondere für die Defizite der europäischen Sicherheits- und Ver­tei­digungspolitik (Unterfinanzierung, Fragmentierung, fehlender Wettbewerb und politische Differenzen),46 die in erheblichem Maße auf die Haltung Berlins zurückgingen.47

Es wäre allerdings unzutreffend, in Deutschlands Nachlässigkeit die einzige oder auch nur die wichtig­ste Ursache für diese Erosionsprozesse der liberalen internationalen Ordnung zu sehen: Ausschlaggebend hierfür waren andere Ursachen, die Deutschland nicht zu verantworten hatte und kaum zu beeinflussen vermochte. Vor allem der Einmarsch der US-Regierung unter George W. Bush in den Irak und seine Folgen, aber auch die Dynamik der technologischen Innovation und ihre disruptiven Auswirkungen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft weltweit sowie die – damit verbundenen – globalen Machtverschiebungen zugunsten der Volksrepublik China und des globalen Südens insgesamt veränderten das Umfeld für die Außenpolitik der Bundes­republik dramatisch.48 Diese Erosionsprozesse in der internationalen Ordnung zeichneten sich schon vor der Pandemie 2020/21 deutlich ab, erfuhren durch sie jedoch einen weiteren Schub. Auch eine engagiertere deutsche Außenpolitik hätte diese Entwicklung mög­licherweise nicht verhindern können; Berlin muss sich jedoch vorhalten lassen, dies nicht einmal ernst­haft versucht zu haben. Vor dem Hintergrund der kaum zu überschätzenden Bedeutung einer funktionierenden liberalen multilateralen Weltordnung für die Sicherheit und den Wohlstand Deutschlands ist dies ein schwerwiegendes Versäumnis.

Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus am 20. Januar 2025 und seine Annäherung an Russ­land unter Wladimir Putin konfrontierten die Bun­des­republik dann endgültig mit den problematischen Folgen der weltpolitischen Veränderungen und ihrer Vernachlässigung der eigenen Verteidigungsbereitschaft, der traditionellen Partnerschaften und jener multilateralen Institutionen, die für Deutschlands Ziel einer Zivilisierung der europäischen wie der inter­nationalen Ordnung eine zentrale Rolle spielten.

Zeitenwende II: Auflösungstendenzen in der liberalen internationalen Ordnung

Der von Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem russi­schen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 geprägte Begriff der »Zeitenwende« charakterisiert (inzwischen auch als Lehnwort im angelsächsischen Sprachraum)49 den Umbruch der Weltpolitik. Tat­sächlich erweist sich dieser Umbruch bei genauerer Analyse allerdings als ein längerer Transformationsprozess der internationalen Ordnung, der bereits zu Beginn des neuen Jahrhunderts einsetzte und über eine Vielzahl einzelner Entwicklungen eine kumulative Dynamik entfaltete, die weiterhin wirksam ist. Dies wird erkennbar, wenn man sich klarmacht, was »die internationale Ordnung« ist: ein mehrschichtiges, multidimensionales politisches Konstrukt, das aus vielen einzelnen Elementen besteht. Die universale internationale Ordnung, die durch das Völkerrecht und das Institutionengefüge der Vereinten Nationen konstituiert ist, umfasst eine Reihe von regionalen und funktionalen Teilordnungen, die bestimmte, geographisch oder inhaltlich begrenzte Bereiche der internationalen Beziehungen zu regeln suchen. Das gilt beispielsweise für die regionalen Sicherheits­beziehungen in den Regionen des Nahen und Mitt­leren Ostens sowie in Ostasien oder für die internatio­nalen Beziehungen im Bereich der friedlichen und militärischen Nutzung der Atomenergie. Diese Teil­ordnungen sowie die universale Ordnung der Ver­einten Nationen werden ihrerseits von den nationalstaatlichen Ordnungen getragen. Die Entwicklungen auf den drei unterschiedlichen Ebenen der internatio­nalen Ordnung und in ihren vielen einzelnen Berei­chen unterliegen den Eigengesetzlichkeiten und der Eigendynamik der jeweiligen Ordnung; sie beeinflussen sich jedoch auch gegenseitig entlang horizontaler und vertikaler Vektoren (vgl. Schaubild 1).

Die Fortentwicklungen der inter­nationalen Ordnung stockten um die Jahrtausendwende; seit Mitte der ersten Dekade kehrte sich die Entwicklung um.

Ein SWP-Projekt, das die Entwicklungen in einigen dieser regionalen bzw. funktionalen Teilordnungen für den Zeitraum von 1990 bis 2015 aufzeigte und bilan­zierte,50 ergab das Bild einer internationalen Ordnung, die im Verlauf der 1990er Jahre insgesamt gewichtige Fortentwicklungen erfuhr. Diese Fortschritte stockten um die Jahrtausendwende; seit Mitte der ersten Dekade kehrte sich die Entwicklung insgesamt um. In immer mehr Teilordnungen sind Rückschläge zu verzeich­nen. Dabei geht es vor allem um zwei Aspekte: Zum einen finden die Prinzipien, Normen und Regeln, die das Verhalten der – staatlichen wie nichtstaatlichen – Akteure beeinflussen sollen, immer weniger Beach­tung, Verstöße mehren sich. Zum anderen greifen Akteure zunehmend zu Gewalt, um ihre Interessen und Ziele einseitig durchzusetzen.

Ursachen

Schaubild 1

Schaubild 1: Systemtische Interferenzen/Wechselwirkungen

Die Kennzeichnung »positiver« bzw. »negativer« Interferenzen bezieht sich auf die Prinzipien und Regeln sowie die Institutionen und die ihnen zugrundeliegenden Machtverhältnisse, nicht auf »gute« oder »schlechte« Ordnungen.

Ursächlich für diese Erosions- und Auflösungstendenzen im Gefüge der internationalen Ordnung sind sechs wesentliche Triebkräfte: technologische Innovatio­nen; die Zunahme sozialer Ungleichheiten; Prozesse der Machtverschiebung und der Diffusion von Macht im internationalen System; die daraus resultierende Überlastung der Politik auf allen Ebenen; das dis­ruptive Verhalten der wichtigsten internationalen Ordnungsmacht, der USA, unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush in dessen erster Amts­zeit (2001–2005); schließlich das Agieren ande­rer Mächte, die nicht in der Lage und auch nicht wil­lens waren, die Führungsrolle der USA als internationale Ordnungsmacht konstruktiv zu übernehmen.

Technologische Innovationen lieferten entscheidende Grundlagen für die Entwicklung der Globalisie­rung. So revolutionierten Container und Containerschiffe den Welthandel, Halbleiter, Computer und Internet die Kommunikation, das »just-in-time«-Prin­zip und Roboter die Industrieproduktion und Anti­biotika das Gesundheitswesen. Derartige Innovationen ermöglichten eine immer weiter vorangetriebene Spezialisierung und Verfeinerung der Arbeitsteilung im Weltmaßstab und die Herausbildung immer kom­plizierterer Lieferketten. Zugleich forcierte die tech­no­logische Dynamik gesellschaftlichen und kulturellen Wandel in allen Lebensbereichen und an allen Ecken und Enden der Welt. Sie lieferte den Nähr­boden für das bemerkenswerte Wachstum der Welt­wirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten. Zugleich steigerten technologische Innovationen mit vergleich­barer Dynamik aber auch die verfügbaren Zerstörungspotenziale (etwa in Gestalt von Atomwaffen) und befeuerten ihre horizontale wie vertikale Aus­breitung. Sozioökonomische und kulturelle Um­brüche belasteten den Zusammenhalt von Gesellschaften und testeten so ihre Anpassungsfähigkeit und Resilienz. Während die Bewältigung alter Mensch­heitsprobleme wie Hunger und vorzeitiger Tod in diesem Zeitraum große Fortschritte machte, schufen unbedachte und unbeabsichtigte Neben­wirkungen wie der Klimawandel neue Probleme ver­gleich­barer Dimensionen. Der mit all diesen Entwick­lungen verbundene Steuerungsbedarf, um Chancen zu nutzen und Risiken einzuhegen, stellte enorme Anforderungen an die Politik auf allen Gestaltungsebenen.

Die Veränderungen der weltwirtschaftlichen Struk­turen im Gefolge der technologischen Innovationen hatten Auswirkungen auf das gesellschaftliche Ge­füge innerhalb der Nationalstaaten wie auch im Welt­maßstab. Insbesondere die Verteilung von Besitz und Einkommen klaffte in vielen Staaten immer weiter auseinander. Zwischen den Staaten verringerte sich dagegen die Ungleichheit, doch war dies wesentlich auf die Entwicklungserfolge eines einzigen, allerdings sehr gewichtigen Landes zurückzuführen: der Volks­republik China. Auch im Weltmaßstab verringerten sich die Ungleichheiten, sie blieben allerdings nach wie vor sehr ausgeprägt: Die obersten zehn Prozent erzielten 2021 das 38-Fache des Durchschnittseinkom­mens der unteren Hälfte der Weltbevölkerung, gegen­über dem 18-Fachen im Jahr 1820, zu Beginn des Kolo­nialzeitalters.51 Sie erwarben damit 2021 etwa 52 Prozent des Welteinkommens (durchschnittlich 122.100 US-Dollar/Jahr), die untere Hälfte dagegen nur 8,5 Prozent (mit einem Durchschnittsverdienst von 3.920 US-Dollar/Jahr).52 Noch ausgeprägter waren die Ungleichgewichte bei der Verteilung der Vermögen: 2021 kontrollierten die obersten zehn Prozent der Weltbevölkerung 76 Prozent des Gesamtvermögens, die untere Hälfte nur zwei Prozent. Im Zeitraum von 1995 bis 2021 zeigt eine genauere Betrachtung einerseits den Aufstieg der Mittelschichten in etlichen Entwicklungsländern, andererseits vergleichsweise über­schaubare Verbesserungen für die unteren und mittleren Schichten in den reichen Ländern. Beson­ders auffallend war die Entwicklung der Vermögenskonzentration an der Spitze der Weltgesellschaft: Das oberste Prozent der Weltbevölkerung sicherte sich in diesem Zeitraum 38 Prozent des gesamten weltweiten Vermögenszuwachses.53 Die insgesamt zunehmenden sozialen Gegensätze erhöhten die Anforderungen an die Politik und begünstigten den Aufstieg populis­tischer Bewegungen.

In der Summe implizierten diese Entwicklungen eine tendenzielle Überlastung der politischen Steue­rungsfähigkeit. Die Politik sah und sieht sich einer­seits mit weit reichenden Möglichkeiten konfrontiert, gesellschaftliche Interessen und Ziele zu verwirk­lichen, (und mit den entsprechenden Forderungen ihrer jeweiligen parteipolitischen Klientel), andererseits aber auch mit ebenso dramatischen Risiken und Gefahren und somit entsprechenden Rufen nach Schutz und Sicherheit aus der Gesellschaft.

Ebenso bedeutsam wie Macht­verschiebungen waren Prozesse der Machtdiffusion im internationalen System.

Die technologischen Innovationen der Globali­sierung begünstigten zudem die Umschichtung der Macht­relationen im Weltmaßstab. Diese Chancen nutzte vor allem die Volksrepublik China: Im Verlauf der letzten fünfzig Jahre stieg sie zur Weltmacht auf, die in dieser Rolle die Sowjetunion beerbte und die USA herausforderte.54 Aber auch andere Staaten, ins­besondere solche des globalen Südens, profitierten von den Verschiebungen der internationalen Macht­relationen im Gefolge ungleicher Wachstumsraten von Wirtschaft und Bevölkerung.55 Die der internatio­nalen Ordnung zugrundeliegende Machtstruktur ent­wickelte sich so von einer bipolaren (USASowjet­union) zu einer unipolaren (USA) und dann zu einer neuen bipolaren Konfiguration (USAChina). Eben­so bedeutsam wie diese Machtverschiebungen waren Prozesse der Machtdiffusion im internationalen Sys­tem. Internationale Organisationen, transnationale zivilstaatliche Akteure (wie Amnesty International oder al-Qaida) und selbst Individuen (wie George Soros oder Elon Musk) gewannen (relativ gesehen) an Handlungsspielräumen und Einflusschancen, die mit Blick auf internationale Entwicklungen traditionell Staaten vorbehalten gewesen waren.

Eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der internationalen Ordnung im Verlauf dieses Jahrhunderts spielte das Agieren der großen Mächte, insbesondere der Führungsmacht Amerika während der ersten Amts­zeit von George W. Bush (2001–2005) und den beiden Amtszeiten von Donald Trump (2017–2021, 2025–). Unter George W. Bush zogen sich die USA aus multilateralen Organisationen und Vertrags­werken zurück, zerschlugen mit ihren Reaktionen auf die Terroranschläge des 11. September 2001 im Rahmen ihres globalen Krieges gegen den Terrorismus bestehende staatliche und gesellschaftliche Struk­turen in Afghanistan und im Irak, ohne trag­fähige Alternativen aufbauen zu können, und brüs­kierten in dem Zusammenhang auch Verbündete wie Frankreich und Deutschland. Der amerikanische Unilateralismus und die Bereitschaft Washingtons, sich gewaltsam über bestehende internationale Prin­zipien und Normen hinwegzusetzen, überdehnten die Machtmöglichkeiten der USA und beschädigten nachhaltig die Legitimität nicht nur Amerikas, son­dern des Westens insgesamt. Das gilt auch für die von ihm wesentlich getragene liberale internationale Ord­nung.

Keine der anderen großen Mächte – die Russische Föderation, die Volksrepublik China, die Europäische Union mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien, aber auch Japan oder Indien – war willens und in der Lage, auf die USA konstruktiv einzuwirken und im Sinne einer Stützung der liberalen internationalen Ordnung zu intervenieren. China und Indien zeigten keinerlei Interesse, sich für diese Ordnung zu enga­gieren: Warum sollten sie sich für eine Ordnung ein­setzen, die nicht die ihre war, und dafür womöglich auch noch Kosten übernehmen? Die Europäer und Japan dagegen waren zwar bereit, die liberale inter­nationale Ordnung mitzutragen, aber ihnen fehlten die Voraussetzungen und wohl auch der Wille, die Außenpolitik der USA zu beeinflussen.

Russland unter Wladimir Putin verfolgte spätestens seit 2007 eine offen revisionistische Politik mit dem Ziel, die internationale Ordnung im Sinne des eigenen Großmachtanspruchs mit den Mitteln mili­tärischer Machtpolitik auszuhebeln, um Putins auto­kratischen Machtanspruch im Innern abzusichern.56 Die Russische Föderation trat damit als Akteur auf, der sich für die zukünftigen Konturen der internationalen Ordnung nur insoweit interessierte, als sie dazu beitragen könnte, den Großmachtstatus Russlands und die Legitimität von Putins Herrschaftssystem zu gewährleisten. Die Volksrepublik China verfolgte eine andere Strategie: Ihr ging es um den systematischen Umbau der liberalen internationalen Ordnung in eine Ordnung, die den Machtanspruch der Kommunistischen Partei im Innern absichert und China lang­fristig die hegemoniale Position verschafft, die bislang die USA innehaben.57 Diese Strategie gefährdet in ihren Konsequenzen nicht nur wesentliche außen­politische Interessen der Bundesrepublik, sondern letztlich auch ihre innere Ordnung, wie Chinas Politik der Einmischung in die Innenpolitik anderer Demokratien zeigt.58

Die massiven Schäden, die die erste Bush-Adminis­tra­tion der liberalen internationalen Ordnung zu­fügte, ließen sich auch durch die Neuausrichtung dieser Politik nach 2005 in Bushs zweiter Amtszeit und danach unter Präsident Barack Obama (2009–2017) nicht wiedergutmachen. Hinzu kam, dass das (neoliberale) amerikanische Erfolgsmodell von Demo­kratie und Marktwirtschaft durch die weltweiten Folgen des Zusammenbruchs der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 erheblich beschädigt wurde.59 Dieser Reputationsschaden färbte auch auf das Ansehen der liberalen internationalen Ordnung ab.

Auswirkungen

Die Auswirkungen dieser Dynamik auf die internatio­nale Ordnung unterschieden sich im Einzelnen auf den drei Ordnungsebenen und in den vielen Teil­ordnungen. Denn die Entwicklungen in den nationalstaatlichen Ordnungen, aber auch in den regionalen bzw. funktionalen Teilordnungen und in der Welt­ordnung insgesamt folgten ihren jeweiligen Eigen­gesetzlichkeiten; Pfadabhängigkeiten und Kontingenz spielten eine erhebliche Rolle. Allerdings bewirkten die horizontalen und vertikalen Wechselwirkungen (Interferenzen) zwischen den unterschiedlichen Ord­nungen auch Synchronisierungseffekte: Erosions- und Auflösungserscheinungen zeigten sich nahezu zeit­gleich in unterschiedlichen Kontexten, oft auch über große Entfernungen hinweg. Insgesamt entstand so­mit eine sich zunehmend selbst verstärkende Dyna­mik der Auflösung von Ordnungsstrukturen – eine Entwicklung im Bereich der Politik, die sich vergleichen lässt mit der Krise des globalen Ökosystems: Es droht hier wie dort ein systemischer Kollaps.

Vielleicht am ausgeprägtesten zeigte sich die Syn­chronizität der Entwicklungen in einzelnen Teilordnungen in der Ausbreitung nationalistischer und populistischer Einstellungen in der Weltpolitik. Die Ideologie des Nationalismus in ihren vielfältigen Vari­anten erlebte eine neue Blütezeit; dies beförderte Miss­trauen zwischen Staaten und erschwerte trag­fähige internationale Vereinbarungen. Selbst die viel gepriesenen Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz von 2015 (COP 21) unterstrichen dies: Bei allen posi­tiven Aspekten des Vertragswerkes beinhaltete es doch auch einen Paradigmenwechsel zugunsten natio­nalstaatlicher Souveränität. Die Festlegung der nationalen Klimaziele und der Maßnahmen zu ihrer Einlösung oblag nunmehr allein den Staaten selbst, die rechtlich bindenden Verpflichtungen für Mit­glied­staaten zur Rückführung der CO2-Ausstöße, die im Kyoto-Protokoll festgelegt worden waren, wurden auf­gegeben.60

Das Vordringen nationalistischer und populistischer Einstellungen lässt sich plausibel (auch) als Antwort auf die wachsenden sozialen Verwerfungen deuten, die Gesellschaften unter den Rahmenbedingungen der Globalisierung erfuhren: Der Nationalismus als Ideologie appelliert an den Zusammenhalt der Gesell­schaft und mobilisiert ihre Energien gegen Herausforderungen von außen.61 Dies können äußere und auch innere Feinde sein; nationalistische Ideologien konstruieren Kollektive auf der Basis vermeintlicher Gemeinsamkeiten und gefährden damit die Wahrung individueller Rechte. Zudem tendieren sie dazu, an­dere Akteure und situative Gegebenheiten emotional aufgeladen und somit verzerrt wahrzunehmen.

Die politischen Auswirkungen nationalistischer Einstellungen liegen auf der Hand: Sie reichen von eingeschränkten Handlungsspielräumen bei Ver­einbarungen des Weltregierens über unilateralistische Vernachlässigung internationaler Verpflichtungen und Verstöße gegen das Völkerrecht bis hin zu Versuchen der gewaltsamen Veränderung des inter­nationalen Status quo. Nationalistische Einstellungen lassen sich zudem leicht mit Vorbehalten gegenüber der Legitimität der liberalen internationalen Ordnung verknüpfen. Unter Verweis auf ihre Unausgewogenheit und Ungerechtigkeiten wird diese als vom Wes­ten errichtete und den Westen bevorzugende Ord­nung kritisiert, die den Staaten des globalen Südens nur unzureichende Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten einräume und diese systematisch benachteilige.62 Diese (in Teilen durchaus berechtigte) Kritik beschädigt die Legitimität der liberalen inter­nationalen Ordnung und trägt so zu ihrer Erosion bei.

Die Volksrepublik China und die Russische Föderation haben sich als Wortführer dieser Kritik an der westlichen Vorherrschaft positioniert und nutzen sie, um internationale Unterstützung für ihre revisionis­tischen Zielsetzungen zu mobilisieren und diese voranzutreiben.63 Dabei arbeiten sie in den letzten Jahren immer enger zusammen, wiewohl ihre jewei­ligen Vorstellungen über die Ausgestaltung einer alternativen Weltordnung sich durchaus unterscheiden. Einigkeit besteht allerdings zwischen ihnen in der Zielsetzung, in ihren jeweiligen Regionen (Ost­asien bzw. Europa) dominanten Einfluss auszuüben und sich diese Einflusszonen international legitimieren zu lassen. Auch die amtierende US-Administra­tion von Donald Trump agiert häufig gegen die Prin­zipien, Normen und Regeln der gegenwärtigen Welt­ordnung, freilich unsystematisch und ohne erkenn­bare Strategie jenseits des Ziels maximaler Handlungsfreiheit für einen Präsidenten, der sich vor allem für sich selbst, seine Machtfülle und seine Einkünfte interessiert. Auch bei Trump scheint gelegentlich die Vorstellung einer exklusiven (nordatlantischen?) Ein­flusszone auf, etwa in seinen Ambitionen auf Grön­land und den Anschluss Kanadas an die USA.64 Damit verbleibt unter den großen weltpolitischen Akteuren lediglich die Europäische Union als Unterstützerin einer liberalen internationalen Ordnung – in ihrer Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit allerdings erheb­lich eingeschränkt durch ihre Eigenheiten als Staatenverbund von 27 Mitgliedstaaten, der in vielen Bereichen der Außenbeziehungen auf Einstimmigkeit der beteiligten Regierungen angewiesen und sicher­heitspolitisch bislang nur als »kleine Macht« aufgetreten ist.65

Organisierte Gewaltanwendung stellt den offensichtlichsten Hinweis auf dysfunktionale Ordnungen dar. Die Erhebungen des Uppsala Conflict Data Pro­gram (UCDP)66 zeigen, dass etwa seit Ende der ersten Dekade dieses Jahrhunderts sowohl die Zahl der Kon­flikte wie auch die Zahl der dadurch verursachten Todesopfer deutlich zunehmen: So verzeichneten die 1990er und 2000er Jahre nur zwei Jahre mit mehr als 100.000 Todesopfern (eines davon, 1994, allerdings mit etwa 900.000 Opfern des Genozids in Ruanda). In den fünfzehn Jahren von 2010 bis 2024 gab es da­ge­gen nur vier Jahre mit weniger als 100.000 Todes­opfern. Von den insgesamt fast vier Millionen Todes­opfern, die für den Zeitraum von 1989 bis 2024 ermittelt wurden, starb die Hälfte in Konflikten der letzten fünfzehn Jahre. Noch deutlicher wird die Ver­änderung, wenn man den Genozid in Ruanda 1994 als Sonderfall der Statistik ausklammert: Es entfielen dann etwa zwei Drittel aller Todesopfer auf die Jahre seit 2010. Die Gewaltanfälligkeit politischer Ordnungen erhöhte sich dabei sowohl auf der Ebene der natio­nalstaatlichen Ordnungen wie auch in zwischen­staatlichen Teilordnungen.

Einzelne Staaten sind zunehmend bereit, expansive Interessen einseitig unter Androhung und Anwendung militärischer Gewalt durchzusetzen.

Dieser statistische Befund verweist zum einen auf die zunehmende Fragilität politischer Ordnungen auf der nationalstaatlichen Ebene und jene der Teil­ordnungen, insbesondere im globalen Süden. Zum ande­ren spiegelt sich darin aber auch eine wachsende Bereitschaft einzelner Staaten, expansive Interessen einseitig unter Androhung und Anwendung militä­rischer Gewalt durchzusetzen. Die Russische Födera­tion unter Wladimir Putin praktizierte seit 2008 eine Politik der militärischen Interventionen – in Geor­gien, Syrien, Westafrika und der Ukraine. Die Volks­republik China setzte militärische Machtmittel sub­tiler, aber wirkungsvoll ein, um ihre maritimen terri­torialen Forderungen im Südchinesischen Meer durch­zusetzen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabi­schen Emirate intervenierten im Jemen, Letztere auch in Libyen. Der Iran agierte über verbündete Milizen im Libanon, im Irak, in Syrien und im Jemen. Ruanda intervenierte militärisch in der Demokratischen Republik Kongo. Aserbaidschan eroberte Nagorno-Karabach.67

Insgesamt verschränkten sich in der Zeitenwende aus der Sicht der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik ihre Wahrnehmungsdefizite und die systematische Vernachlässigung ihrer Machtgrundlagen mit den Auflösungstendenzen einer liberalen internationalen Ordnung, auf die sie unverzichtbar angewiesen war. Damit ist diese Politik nun mit ihrer größten Herausforderung seit der Gründung der Bundesrepu­blik 1949 konfrontiert. Steht die Zivilmacht Bundesrepublik also vor dem Aus?

Zivilmacht am Ende?

Die deutsche Außenpolitik hält auch nach dem Feb­ruar 2022 rhetorisch an wesentlichen Elementen des alten Rollenkonzeptes fest: Sie präsentiert sich fest verankert in den westlichen Institutionen (EU, Nato, Vereinte Nationen). Sie zeigt sich konsequent multi­lateralistisch, das heißt: bereit, Souveränitätsrechte zugunsten effektiver internationaler Regelungen zu übertragen, und systematisch bemüht um die Wah­rung von Demokratie und Menschenrechten.68 Zudem ist eine Zivilisierung der internationalen Beziehungen vor dem Hintergrund einer Reihe von existenziellen globalen Herausforderungen wie den Implikationen des Klimawandels, der Proliferation von Massen­vernichtungswaffen und den Gefahren der rasanten technologischen Innovation in der Biotechnologie, der künstlichen Intelligenz und der Robotik heute wichtiger denn je.69 Damit stellt sich die Frage, wer diese dringend notwendige Zivilisierung der inter­nationalen Beziehungen auf welchen Wegen voran­bringen kann. Aus dieser Perspektive hat das Rollen­konzept der Zivilmacht nichts an Bedeutung verloren. Allerdings sind die Möglichkeiten, dieses Konzept umzusetzen, seit der Zeitenwende drastisch eingeschränkt; die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus haben diese Schwierigkeiten weiter verschärft.

Für Deutschland als mittlere Macht würde eine unilaterale Außen- und Sicherheitspolitik in die Sackgasse der Einflusslosigkeit führen.

Wäre vor diesem Hintergrund ein neues, grund­legend verändertes Rollenkonzept für Deutschland vorstellbar? Theoretisch sicherlich – doch stellt sich dann die Frage, was dies für die Bundesrepublik bedeuten würde, deren außenpolitische Identität von Anfang an auf das Engste mit ihrer liberaldemokra­tischen Ordnung im Innern verbunden war. Auch die normativen Vorgaben des Grundgesetzes (wie das Frie­densgebot, die Festlegung auf die europäische Vereinigung, der Vorrang des Völkerrechts, die Ver­ankerung der Menschenrechte und die Möglichkeit der supranationalen Souveränitätsübertragung im Kontext der Einordnung in Systeme der kollektiven Sicherheit) verbinden die innere Ordnung mit einer liberaldemokratischen und multilateralistischen Außen- und Sicherheitspolitik. Hinzu kommt, dass für Deutschland als mittlere Macht eine unilaterale Außen- und Sicherheitspolitik zwangsläufig in die Sackgasse der Einflusslosigkeit führen würde. Nur über effektives multilaterales Zusammenwirken mit anderen kann Deutschland darauf hoffen, die Ent­wicklung der Weltpolitik insgesamt zu beeinflussen.

Da ein anderes Rollenkonzept nur um den Preis einer Aufgabe der liberaldemokratischen Identität der Bundesrepublik zu haben wäre, heißt die Alternative für diejenigen, denen dieser Preis zu hoch erscheint, Verzicht: Verzicht auf eine Außen- und Sicherheitspolitik, die sich ernsthaft darum bemüht, die Position der deutschen Gesellschaft in der Welt möglichst posi­tiv zu gestalten, um sie stattdessen der zukünftigen Ent­wicklung zu überlassen und auf das Beste zu hoffen.

Allerdings nimmt man sich mit einer solchen Stra­tegie jegliche Chance, den Gang der Dinge im positi­ven Sinne für die bundesdeutsche Gesellschaft zu beeinflussen. Mit Blick auf die gegenwärtige Machtverteilung im internationalen System mag man dazu neigen, die Möglichkeiten der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zur Einflussnahme im Sinne deut­scher Interessen und Ziele als eher gering einzuschätzen. Aber sie sind eben auch keinesfalls gleich null – und es könnte ja auch gerade an deutschen Bemühun­gen als dem Zünglein an der Waage liegen, dass eine insgesamt positive Entwicklungstendenz sich durch­zusetzen vermag. Ohnehin ist die Möglichkeit eines Scheiterns eine immer präsente Realität der Politik, dennoch ist Nichthandeln auf Dauer keine akzeptable Alternative: Sie impliziert die Selbstaufgabe eines politischen Akteurs.

Das Zivilmachtkonzept bietet auch für die neuen Gegebenheiten der internationalen Beziehungen plausible Antworten an.

Es ist also schwer zu erkennen, welches grund­legend andere Rollenkonzept Deutschland zur Ver­fügung stünde, ohne damit zugleich auch eine fun­damental andere innenpolitische Ordnung herbei­zuführen bzw. vorauszusetzen, wie sie etwa durch die Übernahme der Macht im Staate durch die AfD ent­stünde. Anders ausgedrückt: Das gegenwärtige außen­politische Rollenkonzept ist zutiefst verwurzelt in den Grundlagen der Bundesrepublik als demokratisches und liberales Gemeinwesen und somit ver­ankert in ihrer politischen Identität. Das Zivilmachtkonzept bleibt schon deshalb in seinen Grundzügen relevant. Zudem bietet es auch für die neuen Gege­benheiten der internationalen Beziehungen plausible Antworten an. Dies soll im Folgenden skizziert wer­den. Im Mittelpunkt wird dabei die Überlegung ste­hen, wie sich die in den letzten dreißig Jahren der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zunehmend vernachlässigte machtpolitische Dimension des Kon­zepts ausbauen ließe.

»Macht« gehört zu den in den außen- und sicherheits­politischen Diskursen Deutschlands besonders stark tabuisierten Begriffen; die Vorstellung, Deutsch­land könnte Machtpolitik betreiben, rief aus guten historischen Gründen zumindest Unbehagen, in aller Regel gar Abscheu hervor. Dabei wird jedoch ver­kannt, dass Macht in der Politik eine ebenso elementare Funktion als Transaktionsmedium besitzt wie Geld in der Wirtschaft: Um die eigenen politischen Zielsetzungen zu verwirklichen, müssen andere Akteure in diesem Sinne beeinflusst werden, und um Einfluss erfolgreich ausüben zu können, bedarf es der Macht. Macht beinhaltet Ressourcen unterschiedlich­ster Art und ihre Verknüpfung mit Kommunikationsstrategien – von überschwänglichem Lob oder mate­riellen Anreizen über Überzeugungsarbeit in Ver­handlungen bis hin zum Vernichtungskrieg –, die andere Akteure dazu veranlassen können, sich den eigenen Zielsetzungen zu öffnen oder zu beugen. Macht lässt sich also mit Anreizen ebenso wie mit Sanktionen ausüben, und beides lässt sich auf viel­fältigen Wegen bereitstellen. Die entscheidende Frage in der Politik generell wie auch in der Außen- und Sicherheitspolitik im Besonderen ist also nicht, ob Macht benötigt und angewandt wird, sondern wie, in welchen Formen und auf welchen Wegen.

Machtpolitische Grundlagen ausbauen

In der gegenwärtigen Situation braucht Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik »kluge Machtpolitik«,70 um sich zu behaupten und die eigenen Einfluss­chancen zu verbessern. Was bedeutet dies im Ein­zelnen?

Zunächst muss kluge Machtpolitik der Identität der Bundesrepublik als liberaler Demokratie entsprechen. Denn das Portfolio der Machtressourcen eines Staates wie auch dessen Kommunikationsstrategien werden auch durch die Charakteristika seiner politischen Ord­nung beeinflusst. So tendieren autokratische Staa­ten in ihrer Außenpolitik eher zu Zwangsmaßnahmen und Gewaltanwendung. In liberalen Demokratien ist breite Zustimmung der Bevölkerung zur Außen- und Sicherheitspolitik im Allgemeinen von größerer Bedeutung als in Autokratien. Der Schutz und die Bewahrung der liberaldemokratischen Ord­nung im Inneren ist einerseits ein elementares Ziel und Interesse der Außen- und Sicherheitspolitik. Die Konsolidierung der freiheitlich-demokratischen Ordnung und ihre Resilienz sind andererseits aber auch notwendige Voraussetzungen für die effektive Ausgestaltung dieser Politik im Sinne einer liberalen euro­päischen Teil- bzw. Weltordnung. Denn kon­solidierte Demokratien vermögen kluge Machtpolitik auch unter extremen Bedingungen durchaus wirksam zu betreiben, wie etwa die USA und Großbritannien im Zweiten Weltkrieg oder Israel in den Kriegen 1967 und 1973 bewiesen haben. Dies gilt umso mehr im Alltag der internationalen Beziehungen: Die für effek­tive Einflussnahme erforderliche innenpolitische Unter­stützung für außen- und sicherheitspolitische Ziele wie auch für die dafür benötigten Machtmittel lässt sich unter demokratischen Voraussetzungen grund­sätzlich mindestens ebenso gut verschaffen wie unter autoritären oder totalitären.

Eine zentrale Voraussetzung kluger Machtpolitik ist wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Ebenso wie libe­rale Demokratie zugleich Ziel und Voraussetzung erfolgreicher deutscher Außen- und Sicherheitspolitik ist, ist wirtschaftliche Prosperität zugleich übergeordnetes Interesse wie auch Voraussetzung von Macht­politik. Denn viele, wenn nicht alle Machtressourcen erfordern zumindest auch finanzielle Aufwendungen zu ihrer Bereitstellung und damit Mittel, die von Pros­perität abhängen: Wirtschaftliche Machtressourcen (wie Kreditwürdigkeit, Zugang zu Märkten oder Tech­nologien) lassen sich gut in andere Machtressourcen (wie Militärmacht oder Diplomatie) umsetzen. Kluge Machtpolitik wird in diesem Zusammenhang um eine möglichst effiziente Nutzung finanzieller und wirt­schaftlicher Ressourcen bemüht sein: Es geht eben nicht nur darum, Finanzmittel verfügbar zu haben, sondern auch darum, diese effizient, also möglichst wirksam und zugleich möglichst sparsam einzusetzen. Für liberale Demokratien ist Wirtschaftsmacht unter anderem deshalb besonders bedeutsam, weil sie wirtschaftliche Anreize und Sanktionen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen tendenziell gegen­über militärischen Machtmitteln präferieren.

Das liberaldemokratische Ordnungsmodell Deutsch­lands und sein wirtschaftlicher Wohlstand bilden wichtige Voraussetzungen kluger Machtpolitik, sind jedoch auch unmittelbar als Machtressourcen ein­setzbar. Zu beachten ist dabei allerdings, dass sie für den Staat in diesem Rahmen nur teilweise und nur unter bestimmten Voraussetzungen (die durch die gesetzlichen Grundlagen bestimmt werden) verfügbar sind: Wirtschaftsressourcen werden in der Regel von nichtstaatlichen Akteuren (Unternehmen, Privat­leuten) kontrolliert. Unmittelbar verfügbar für die Außen- und Sicherheitspolitik sind die entsprechenden Haushaltsmittel, etwa für Entwicklungshilfe. Darüber hinaus kann die Politik die Rahmenbedingungen wirtschaftlicher Transaktionen über Staatsgrenzen hinweg in vielerlei Hinsicht regulierend beeinflussen: von der Festlegung von Zöllen, Wäh­rungsrelationen und Kreditzinsen bis hin zu direkter Beteiligung an Wirtschaftsaktivitäten mit Staats­unternehmen.

Die beiden wichtigsten Quellen von Deutschlands wirtschaftlichen Machtressourcen sind vergemeinschaftet: der Zugang zum europäischen Binnenmarkt und der Euro. Die Bundesregierung (bzw. die unab­hängige Bundesbank) kann an den europäischen Ent­scheidungen zwar einflussreich mitwirken, sie ver­fügt aber in diesen beiden Bereichen nur über geteilte Souveränität und kann nicht autonom handeln. Dafür erhält sie eine wesentliche Aufwertung ihrer Einflussmöglichkeiten. Mit dem Euro betrifft dies die nach dem Dollar wichtigste Währung der Weltwirtschaft. Damit besetzt Europa eine zentrale Rolle in der internationalen Währungsordnung – und ver­fügt über Gestaltungsmöglichkeiten, die sich die Europäische Union und die Europäische Zentralbank allerdings bislang nur unvollständig erschlossen haben. Dies betrifft zum einen die Realisierung eines einheitlichen europäischen Kapitalmarktes, die zu­letzt Mario Draghi in seinem Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union dringlich angemahnt hat, um mit den USA gleich­ziehen und für den gewaltigen Investitionsbedarf in Europa bes­ser gewappnet zu sein.71 Zum anderen geht es um die genuin politische Gestaltung der Rolle, die der Euro auf den internationalen Finanzmärkten einnimmt und spielen kann. Wer übernimmt für den Euro die Funktion, die der Secretary of the Treasury der US-Regierung für den Dollar innehat? Hier klafft eine politische Leerstelle, die die Chefin der Europäischen Zentralbank alleine nicht ausfüllen kann.

Die Attraktivität des liberal­demokratischen Modells lässt sich in Einfluss übersetzen.

Die Relevanz der liberaldemokratischen Ordnung als Machtressource besteht in der Attraktivität dieses Modells für andere Staaten und Gesellschaften. Diese Attraktivität lässt sich – wenn auch nicht ohne Wei­teres und ohne spezifische Herausforderungen – in Einfluss übersetzen. Ein Beispiel für die Bedeutung dieser Form der Macht stellt das Modell der regierungs­unabhängigen Zentralbank dar: Der Erfolg der Bundesbank bei der Sicherung der Preisstabilität in den 1950er und 1960er Jahren des vorigen Jahrhunderts trug wesentlich dazu bei, dass sich dieses Modell seither weltweit durchsetzte. Dies wiederum hatte positive Rückwirkungen auf die internationale Ent­wicklung der Inflation und damit auch auf deutsche Wirtschaftsinteressen. Zwar ist die demokratische Legitimation unabhängiger Zentralbanken in der Regel indirekt, in einer autoritären oder totalitären politischen Ordnung sind sie als eigenständiges Macht­zentrum aber kaum vorstellbar.72

Neben der Vorbildfunktion war es die Fähigkeit der deutschen Außenpolitik, Vertrauen zu stiften, die eine wichtige Quelle von Einfluss darstellte. Welche Bedeutung ihr zukommt, zeigt im Umkehrschluss die – angesichts der Größe, der wirtschaft­lichen Erfolge und des betriebenen Aufwandes der Volks­republik China eher bescheidene – sanfte Macht Chinas: Trotz aller Anstrengungen der Volks­republik ist die Ein­stellung zu China in den Bevölkerungen des globalen Südens durchaus gemischt, zudem hat sie sich insgesamt nur wenig verbessert. Das Misstrauen gegenüber Chinas autoritärem bzw. neototalitärem politischem System spielt dabei eine gewichtige Rolle.73 Vertrauen begünstigt umgekehrt Kompromissbereitschaft und Zusammenarbeit sowohl zwischen Gesellschaften wie auch zwischen Regierungen.

Sanfte und wirtschaftliche Macht sind gewissermaßen die Paradedisziplinen liberaldemokratischer Machtpolitik. Diplomatie als Machtressource ist da­gegen generell die verbreitetste Form der Interaktion zwischen Staaten. Größe und Leistungsfähigkeit eines diplomatischen Apparates hängen auch, aber nicht nur von den verfügbaren finanziellen Ressourcen ab, die in dieses Instrumentarium fließen. Auch hier lassen sich mehr oder minder effektive und effiziente Formen feststellen – und auch hier ist es deshalb sinn­voll, über Möglichkeiten der Effizienzsteigerung in der Diplomatie nachzudenken.

Dabei hatte die (west-)deutsche Diplomatie in der Vergangenheit nach Auffassung sachkundiger Beob­achter eine bemerkenswerte Leistungsfähigkeit ent­wickelt.74 Daran gilt es heute wieder anzuknüpfen, denn in diesem Bereich waren ebenfalls Prozesse der Machterosion zu beobachten.75 Quantitative Indikatoren für die relative Leistungsfähigkeit eines diplomatischen Dienstes sind die Zahl der Vertretungen im Ausland, die jeweilige personelle Stärke und die Haus­haltsansätze. 2023 unterhielt die Bundesrepu­blik nach vergleichenden Zahlen des Lowy Institute76 insgesamt 217 Auslandsvertretungen, darunter 148 Botschaften, und nahm damit Platz acht bzw. sechs ein. Dies entsprach etwa der Stärke des diplomatischen Dienstes Großbritanniens, mit deutlichem Ab­stand zur Spitzengruppe (China und USA) mit ins­gesamt 274 bzw. 271 Vertretungen und 173 bzw. 168 Botschaften. Die diplomatischen Dienste der Türkei, Japans und Frankreichs folgen mit jeweils rund 250 Vertretungen.

Eine weitere Form sanfter (manchmal aber auch weniger sanfter) Machtressourcen lässt sich unter die Stichworte Öffentlichkeitsarbeit bzw. public diplomacy bzw. Propaganda und Subversion einordnen. Instru­mente deutscher Außenpolitik sind in diesem Zusam­menhang etwa die politischen Stiftungen, das Goethe-Institut oder der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD). Public diplomacy zielt auf die indirekte Beeinflussung anderer Regierungen über deren Bevöl­kerungen, die dem Ausgangsland gegenüber unter­stützend (und dessen Widersachern gegenüber ableh­nend und feindselig) gestimmt werden sollen. Die spezifischen Ressourcen und Möglichkeiten umfassen wiederum ein außerordentlich breites Spektrum, von der Verbreitung von Fakten und der Vermittlung von Kulturgütern über Bestechung und Korruption bis hin zu hybrider Kriegsführung und Sabotage.77 Liberale Demokratien sehen sich hier – wie schon im Um­gang mit Wirtschaftssanktionen – gewissen spezi­fischen Einschränkungen gegenüber, die sich einer­seits durch die Bindung staatlichen Handelns an das Recht, andererseits aus dem Einfluss partikularer Inter­essen auf politische Entscheidungen ergeben können. Gleichzeitig resultieren aus dem spezifischen Charakter liberaler Demokratien auch Einfluss­chancen, die autoritären Systemen nicht zur Verfü­gung stehen: Transparenz und Machtkontrolle sind für autoritäre bzw. neototalitäre Systeme unbequem, und public diplomacy kann, etwa durch Aufklärung über Medien wie die Deutsche Welle, dazu beitragen, derartige Systeme offensiv unter Druck zu setzen. Deutschland hat in dieser Dimension zweierlei ver­nachlässigt: sowohl eine effektive Verteidigung gegen hybride Formen der Kriegsführung insbesondere Russ­lands und Chinas, aber auch anderer Staaten, als auch demokratiekompatible Offensivmaßnahmen, wie sie etwa die US-Medien Radio Free Europe and Radio Free Asia betrieben. Die Deutsche Welle sendet weder in Russisch noch in Chinesisch. Durch die Mit­tel­kürzungen der gegenwärtigen US-Regierung für Radio Free Asia fällt das Defizit bei derartigen Offen­sivmaßnahmen noch stärker ins Gewicht: Hier könnte und sollte die Europäische Union in die Bresche springen.

Schließlich gehören auch militärische Mittel zu den relevanten Machtressourcen einer Zivilmacht. Auch in diesem Zusammenhang ist es die Art und Weise, wie militärische Macht organisiert und ein­gesetzt wird, die liberale Demokratien im Allgemeinen und Zivilmächte im Besonderen kennzeichnet: Die Zivilisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen, der sich Zivilmächte idealtypisch verschreiben, kann ohne militärische Macht ebenso wenig Bestand haben wie ein Staat ohne staatliches Gewaltmonopol. Allerdings unterliegt militärische Macht in Deutschland rechtlichen und politischen Einschränkungen, die durch das Grundgesetz und spezifische Gesetze geregelt sind.

Dazu, wie militärische Macht in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt wurde und den neuen Gegebenheiten der Weltpolitik an­gepasst werden könnte, liegen bereits ausführliche Analysen und Empfehlungen vor.78 Das Hauptziel militärischer Sicherheitspolitik ist die individuelle und kollektive Selbstverteidigung im Bündnis durch Abschreckung; daneben können militärische Mittel auch in Kontexten der Friedenssicherung und Frie­denserzwingung sowie in anderen Krisenszenarien relevant sein.

Es fehlt an einer abgewogenen, nüchternen Einstellung zu militärischer Macht.

Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und der außenpolitischen Kultur der Bundes­republik ist die Beschäftigung mit militärischen Macht­mitteln in Deutschland noch immer proble­matisch: Es fehlt an einer abgewogenen, nüchternen Einstellung zu militärischer Macht, die ihre Möglichkeiten und Notwendigkeiten, aber auch ihre Begren­zungen im jeweiligen Kontext angemessen reflektiert.79

Zu den Paradoxien militärischer Machtpolitik gehört, dass immer größere Zerstörungspotenziale mit erheblichen Schwierigkeiten einhergehen, mili­tärische Macht in Einfluss umzusetzen. Das legen etwa die Erfahrungen der Nato in Afghanistan, aber auch Russlands in der Ukraine nahe. Eine weitere Paradoxie betrifft die Strategie der militärischen Ab­schreckung: Da sie im Kern auf den (inter-)subjektiven Risikowahrnehmungen und -kalkülen von Entscheidungsträgern beruht, lässt sich ihre Effektivität ex ante niemals vollständig garantieren. Ein Restrisiko ist unvermeidlich. Dies gilt gleichfalls für die Gefahr der nuklearen Eskalation; beide – das Restrisiko und die Eskalationsgefahr – können nur nach besten Kräf­ten minimiert werden. Dazu bedarf es einer mög­lichst guten Kenntnis der Entscheidungsträger, die es abzuschrecken gilt, und ihres Umfeldes. Mit Blick auf die von Russland ausgehende Bedrohung bedeutet dies, Wladimir Putin und sein Regime abzuschrecken, nicht eine abstrakte, von Russland ausgehende Bedro­hung. Putin und sein Regime haben ihre eigene Ab­schreckungspolitik gegenüber Deutschland betrieben, die auf eine Mischung von Korruption, (nuklearen) Dro­hungen, Propaganda und Subversion setzte, um Deutschland einzuschüchtern und zu beeinflussen.80 Dies hat die deutsche Unterstützung für die Ukraine zwar nicht grundsätzlich verhindern, aber doch immer wieder verzögern und begrenzen können.

Wie die Erfolge Russlands in Deutschland belegen, ist Abschreckung also keineswegs eine ausschließlich auf defensive Maßnahmen beschränkte Strategie. Ziel der westlichen Abschreckungsstrategie muss es sein, Putin und seinem Regime, aber auch der chinesischen Führung möglichst glaubhaft anzudrohen, was sie beson­ders fürchten. Dazu gehört offenkundig die Angst vor einer Farbenrevolution in Russland sowie die Sorge um das persönliche Überleben. Da Moskau ohnehin behauptet (und möglicherweise auch glaubt), der Westen bedrohe die Stabilität des Regimes in Russ­land, ist Zurückhaltung bezüglich der Androhung und Anwendung offensiver Projektion militä­rischer, aber auch sanfter Macht (wie aufklärender Information oder der Unterstützung der Opposition) nicht angebracht. Russlands Drohungen mit Atomschlägen sind Teil der russischen Abschreckungs­strategie; ihre Anwendung wäre ein derart dramatischer Eskalationsschritt, dass es dafür auch aus der Sicht Moskaus keine vernünftigen Gründe geben kann. Gleichwohl besteht das Restrisiko der einsamen Entscheidung eines Alleinherrschers, dem niemand mehr in den Arm fällt.

Die Entwicklung und Stationierung militärischer Waffensysteme, die auf die Entscheidungsträger in Moskau abschreckend wirken können, sind demnach sicherheitspolitisch ebenso angebracht wie jene For­men der offensiven hybriden Kriegsführung, die für liberale Demokratien im Kontext des Rechts auf indi­viduelle und kollektive Selbstverteidigung verfügbar sind: Gegenangriffe etwa als Reaktion auf Cyber­attacken oder Aufklärung über Russlands innere Ver­hältnisse für die dortige Bevölkerung. Ähnliches gilt für die Selbstbehauptung gegenüber der Volksrepu­blik China. Auch dort werden freiwillige Zurück­haltung und Selbstbeschränkung im Umgang mit Macht nicht honoriert, sondern als Zeichen der Schwäche interpretiert.

Macht in Einfluss umsetzen

Diese knappe Skizze der verfügbaren Ressourcen im Macht-Portefeuille der Bundesrepublik zeigt Lücken und Defizite auf, aber auch beachtliche Potenziale. Ob und wie gut es gelingt, Letztere in Einfluss auf andere Akteure umzusetzen, hängt allerdings auch davon ab, wie sie eingesetzt werden. Schon die Viel­falt der verfügbaren Machtressourcen verweist darauf, dass ihre Koordination zwar chancenreich, aber an­spruchsvoll ist. Dafür braucht es Handlungs- und Stra­tegiefähigkeit über Ressortgrenzen hinweg. Hand­lungsfähigkeit beschreibt dabei die Möglichkeit, Machtressourcen systematisch und aufeinander bezo­gen einzusetzen, um definierte Ziele anzusteuern; Strategiefähigkeit beinhaltet die effektive Formulierung und Priorisierung von Zielsetzungen. Beides war in der Vergangenheit in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik keineswegs selbstverständlich: Durch Souveränitätsübertragungen wurden Zuständigkeiten in der militärischen Sicherheitspolitik an die Nato und in der Außenwirtschaftspolitik an die Europäische Union übertragen, mit entsprechenden Verlagerungen der Kompetenzen für die Formulierung und Umsetzung von Strategien.81 Aber auch innerhalb der Bundesregierung hatten Koalitions­regierungen, das Ressortprinzip und der Föderalismus problematische Rückwirkungen auf die Handlungs- und Strategiefähigkeit.

Auf beiden Ebenen – der nationalen wie der supra­nationalen – ist die Differenz zwischen der gegen­wärtigen Situation und dem Potenzial koordinierter Ressourcennutzung erheblich. In beiden Zusam­menhängen besteht Handlungsbedarf, um die verfügbaren Machtressourcen effektiver und effizien­ter als bisher einsetzen zu können. In der Nationalen Sicherheitsstrategie finden sich hierfür Anknüpfungs­punkte, insgesamt aber bleibt sie beim Thema der Machtentfaltung hinter dem Möglichen und Erforderlichen zurück.82 Mit dem neuen Nationalen Sicherheitsrat der Bundesregierung haben sich die institu­tionellen Voraussetzungen für effektive außen- und sicherheitspolitische Handlungs- und Strategiefähigkeit auf nationaler Ebene zwar verbessert. Seine Be­deu­tung wird in der Praxis aber wesentlich davon abhängen, wie dieses neue Instrument aufgebaut und angewendet wird.

Noch größer sind die Herausforderungen auf der supranationalen Ebene. Im Bereich der Sicherheits­politik ist die Zukunft der Nato aufgrund der disrup­tiven Rolle der USA unklar. Die europäischen Mit­glied­staaten haben zwar erkannt, dass sie mehr eigene Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Sicherheit angemessen zu gewährleisten, aber die Defizite, die sich durch die Unsicherheiten um den zukünftigen Beitrag der USA zur europäischen Sicherheit auftun, sind gewaltig.83 Sie sind zudem allein mit Geld nicht zu beheben: Es braucht dafür Zeit und massive Verbesserungen im Zusammen­wirken aller Beteiligten.84

Eine wesentliche Voraussetzung hierfür wäre die effektivere Nutzung bereits bestehender Strukturen in der Nato und in der Europäischen Union. Unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die Europäische Union wichtige Schritte in Richtung einer Europäischen Verteidigungsunion unternommen. Die Mitgliedsländer sollen beim Aufbau und der Transformation ihrer Streitkräfte unterstützt, die verfügbaren Ressourcen besser zusammengeführt und ein einheitlicher und gemeinsamer europäischer Rüstungsmarkt geschaffen werden. Dagegen sind die EU-Strukturen und -Institutionen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aufgrund des Einstim­migkeitsprinzips, das Staaten wie Ungarn Erpressungs- und Blockadepotenzial an die Hand gibt, sowie des Ausscheidens von Großbritannien nach dem Brexit für die gegenwärtige Situation ungeeignet, Sicherheit nach außen wirksam zu gewährleisten. Gleichzeitig benötigt eine effektive und effiziente Mobilisierung der europäischen Machtressourcen im Sinne gemein­samer Handlungsfähigkeit institutionelle Strukturen, vermutlich auch solche mit genuin supranationalen Elementen. Ronja Kempin und ich haben in diesem Zusammenhang schon vor etlichen Jahren den Vor­schlag eines »Vertrags im Vertrag« unterbreitet, der an die alte Idee einer Europäischen Verteidigungsunion und die Diskussionen über ein »Kerneuropa« anknüpft.85

Koalitionen schmieden, integrative supranationale Strukturen aufbauen

Eine große traditionelle Stärke der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, die allerdings in den letzten beiden Dekaden deutlich erodierte, war ihre Fähig­keit, Koalitionen zu schmieden. Damit gelang es ihr, Machtressourcen zwischenstaatlich zu bündeln und so ihre Effektivität und Effizienz zu erhöhen. Diese Fähigkeit ist gerade in supranationalen Zusammenhängen wie der Nato und der EU von großer Bedeu­tung: Um die bekannten Probleme kollektiven Han­delns (wie Trittbrettfahren, Einigung auf den klein­sten gemeinsamen Nenner und Umsetzungs­proble­me) zu überwinden und aus kollektivem Handeln Mehrwert für alle Beteiligten zu ziehen, braucht es kluge Führung und ständige Bemühungen um wirk­sames Gemeinschaftshandeln. Voraussetzungen hierfür sind Vertrauen und eine Reputation für Verlässlichkeit, Offenheit und Fairness.

Bündnisse und Koalitionen sind für Deutschland eine prioritäre Möglichkeit, Machtressourcen zu bündeln und überproportional Einfluss auszuüben.

Bündnisse und Koalitionen sind für Deutschland eine prioritäre Möglichkeit, Machtressourcen zu bün­deln und überproportional Einfluss auszuüben. Die Souveränitäts- und Autonomieeinbußen, die mit supranationalen Formen der Zusammenarbeit ver­bunden sind, sind demgegenüber zweitrangig, solange diese gute Ergebnisse zeitigen. Dies ist aller­dings keineswegs selbstverständlich, sondern eine beständige Herausforderung, um die politische und institutionelle Ausgestaltung dieser Zusammenarbeit zu optimieren.

Der Auf- und Ausbau der Machtgrundlagen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik muss unter den gegenwärtigen und zukünftig absehbaren Rah­menbedingungen höchste Priorität erhalten. Politisch verengt sich die Debatte häufig auf militärische Macht­mittel. So sinnvoll und notwendig dies ist: Es birgt die Gefahr einer einseitigen Ausrichtung auf einen Bereich, der nicht a priori zu den Stärken liberaldemokratischer Ordnungen zählt. Natürlich muss die Bundeswehr umfassend saniert und in die Lage ver­setzt werden, effektive Beiträge zur Landes- und Bündnisverteidigung und damit zu einer glaubwür­digen Abschreckung zu leisten. Aber die eigentliche Herausforderung für die deutsche Außen- und Sicher­heitspolitik besteht heute erneut darin, militärische Macht einzubetten in eine umfassende, langfristige Strategie der Transformation der internationalen Beziehungen. Dafür sollte Berlin die alten Stärken der bundesdeutschen Außenpolitik kultivieren und alle verfügbaren Register zivilisierter Machtpolitik ziehen.

Schlussfolgerungen und Ausblick

Auf welche Zwecke sollte sich die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in Zukunft ausrichten? Die Kategorie der »nationalen Interessen« ist hier wenig hilfreich. Nationale Interessen sind entweder zu all­gemein (wie etwa nachhaltige Sicherheit, wirtschaft­liche Prosperität, politische Selbstbestimmtheit), um konkrete Richtlinien für eine Strategie zu ermög­lichen, oder zu spezifisch: Nationale Interessen, die als Handlungsorientierungen taugen, sind, was die jeweilige Regierung dazu bestimmt. Dagegen liefert das Rollenkonzept der Zivilmacht Orientierungen, die auch für die Zukunft als Grundlagen einer grand strategy taugen. Der Kern dieses idealtypischen außen­politischen Rollenkonzepts besteht aus drei Kompo­nenten: Gestaltunganspruch (die Zivilmacht Deutschland ist entschlossen, die Zivilisierung der internationalen Bezie­hungen86 voranzutreiben); Bereitschaft zu »diffuser Reziprozität«87 und dazu, kurzfristige eigene Vorteile dem Interesse an der Aufrechterhaltung und Fortentwicklung einer leistungsfähigen internatio­nalen Ordnung unterzuordnen; schließlich die Bereit­schaft, Souveränität zu übertragen und zu vergemein­schaften.

Alle drei Komponenten erscheinen auch unter den gegenwärtigen Bedingungen sinnvoll und trag­fähig. Dies gilt ganz offensichtlich für den Gestaltungs­willen, der allerdings politisch erbracht und um­gesetzt sein will. Eigene Vorteile mit Blick auf die Zukunft und das größere Ganze einer funktionierenden liberalen internationalen Ordnung hintanzustellen und dies zugleich als Hebel zu benutzen, um andere zu beeinflussen, erscheint nach wie vor eine sinnvolle Maßgabe, die allerdings klug gehandhabt sein will. Bedeutsam ist sie nicht zuletzt in Verbindung mit der dritten Komponente, der Bereitschaft zur Souveränitätsübertragung an liberaldemokra­tische Gemeinschaften mit liberaldemokratischen Partnern. Dies zielt auf den Kernbereich der Partnerschaften mit anderen Staaten, insbesondere natürlich auf die europäische Integration. Vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen sollte diese Komponente allerdings stärker auf Vergemeinschaftung mit liberaldemokratischen Partnern und auf größere Vertiefungsschritte statt auf gemeinsame, aber eher marginale (Fort-?)Schritte mit allen 27 Mit­gliedsländern abheben.

Um Machtressourcen in Einfluss umzumünzen, bedarf es nicht nur ihrer geschickten Zusammen­führung im Rahmen einer klar formulierten Strate­gie, sondern auch einer übergeordneten Vorstellung vom anzustrebenden Idealzustand, also einer Vision der guten Weltordnung. Sie bildet die Grundlage eines außen- und sicherheitspolitischen Narrativs, das im Innern wie im außenpolitischen Umfeld Unter­stützung mobilisieren und so auch als Machtressource wirken kann.

Eine derartige Vision erscheint nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil eine elementare Konflikt­formation der gegenwärtigen Weltpolitik zwischen Ideologien verläuft, die die Gemeinschaft, das Kollek­tiv, und jenen, die die Rechte und die Würde des Indi­viduums in das Zentrum der Politik stellen. Der rus­sische Imperialismus Putins, der chinesische Traum von Xi Jinping, die MAGA-Ideologie der amerika­nischen Rechten, der islamische Fundamentalismus, aber auch der Zionismus von Benjamin Netanjahu laufen auf die Behauptung hinaus, die jeweilige Gemeinschaft und ihr Wohlergehen würden in den Mittel­punkt des eigenen Handelns gestellt. Genutzt werden diese Ideologien, um Andersdenkende als Feinde zu diskreditieren und so die Macht der Herr­schenden zu festigen. Die Europäische Union, die ihrer gesamten Verfassung und Konstruktion zufolge nur als supranationale liberale Demokratie existieren kann, zählt deshalb notwendig zu den Protagonisten einer alternativen Konzeption von politischer Ord­nung, und zwar einer, die die Rechte und die Würde des Einzelnen und damit nicht Macht, sondern das Recht ins Zentrum der Politik rückt. Diese Konzeption hat in einer Welt steigender Bildungschancen und Lebenserwartung an Unterstützung nichts eingebüßt, sie bleibt im Gegenteil attraktiv für viele Menschen weltweit und hat an Zuspruch eher noch gewonnen. Allerdings stellt sie in allen politischen Ordnungen Herrschaft unter Aufsicht und unterwirft sie dem Recht, und sie liefert einen anspruchsvollen Bewertungsmaßstab, an dem sich die Vertreter dieser Sicht­weise selber messen lassen müssen. Sie ist daher un­bequem.

Die Vorgaben des Grundgesetzes verpflichten die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik auf eine der­artige liberaldemokratische, europäisch-integratio­nis­tische Ausrichtung und somit implizit auch auf das Projekt einer Zivilisierung der Weltordnung. Die gesell­schaftlichen Umwälzungen, die durch die tech­nologischen Innovationen der letzten hundertfünfzig Jahre ausgelöst wurden und weiterhin werden, lassen dieses Projekt als unabweisbar und als beste Alter­na­tive erscheinen, um die Zukunftschancen der Mensch­heit zu erhalten. Dennoch erscheint seine Realisierung, erscheinen auch nur Fortschritte in dieser Rich­tung keineswegs sicher. Die in diesem Zusam­men­hang wohl wichtigste offene Frage betrifft die Zu­kunft der liberalen Demokratie in Amerika. Solange diese Frage offenbleibt und die Chance besteht, dass die amerikanische Demokratie die zweite Amtszeit des gegenwärtigen Präsidenten überdauert, sollten Deutschland und Europa Amerika als Partner nicht abschreiben, aber seine innere Entwicklung und sein außenpolitisches Agieren realistisch bewerten und einseitige Abhängigkeiten abbauen.

Fast unvermeidlich erscheint vor dem Hintergrund der inneren Zerrissenheit Amerikas und der katastro­phalen Defizite seiner gegenwärtigen Regierung, dass die USA in der Systemkonkurrenz mit der Volks­republik China zurückfallen werden. Dies wird die Kräfte, die die liberaldemokratische Weltordnung beibehalten und fortentwickeln wollen, schwächen – entweder, weil es Donald Trump und seiner MAGA-Gefolgschaft gelingt, die USA aus dem Westen heraus­zulösen, oder weil die Überwindung der MAGA-Ideo­logie in Amerika Zeit und viel politische Energie bean­spruchen wird. Dementsprechend werden das Gewicht und die Verantwortung Deutschlands in der Gemein­schaft der liberaldemokratischen Staaten wachsen. Um diesen Gegebenheiten gerecht zu werden, muss Deutschland seine Macht und seinen Einfluss in Europa und in der Weltpolitik optimieren, indem es die seiner außenpolitischen Rolle und Identität gemä­ßen machtpolitischen Ressourcen ausbaut und Koali­tionen schmiedet, um integrative, supranationale Strukturbildung in der Weltpolitik voranzutreiben.

Die daraus entstehenden neuen Allianzen sollten in Zukunft allerdings nicht geographisch, sondern normativ strukturiert werden: Den innersten Kern der konzentrischen Architektur aus supranationalen Gemeinschaften, internationalen Partnerschaften und Kooperationsverbünden würden damit nicht mehr axiomatisch Europa oder das transatlantische Bünd­nis darstellen, sondern Gemeinschaften auf der Basis der geteilten Werte und politischen Visionen liberaler Demokratien. Dazu zählen etwa Australien, Japan und Südkorea oder Brasilien, Indien und Südafrika. Vordringlich ist jedoch der Aufbau einer effektiven, supranationalen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft auf dieser Grundlage. Die militärische und sicherheitspolitische Integration wäre mit entsprechen­den innenpolitischen Voraussetzungen zu ver­knüpfen, um die liberaldemokratischen Ordnungen der beiden Ebenen – national und europäisch – wechselseitig zu stärken.

Aber auch jenseits des europäischen Kontinents sollte die Zusammenarbeit mit liberalen Demokratien Vorrang genießen. Denn wenngleich die Formen und Modalitäten der Globalisierung sich in Zukunft weiter verändern werden, wird die Realität einer global ver­netzten und zunehmend verwundbaren Welt beste­hen bleiben. Diese Realität beruht auf der Universalität von Wissenschaft und Technologie und politisch auf der großen Zahl mittlerer und kleinerer Staaten, denen an einer kollektivistischen Welt von Großmächten und Einflusssphären nicht gelegen sein kann. Chancen und Risiken ließen sich unter diesen Bedingungen der globalen Verwundbarkeit wohl nur durch eine effektive liberaldemokratische internationale Ordnung beherrschen; eine auf autoritären oder totalitären Strukturen errichtete internationale Ord­nung der Einflusssphären wäre dafür ungeeignet.

In dieser kommenden Phase der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik geht es zuvörderst darum, die liberale Demokratie in Deutschland selbst, in Europa und in der Gemeinschaft der liberalen Demokratien weltweit zu konsolidieren und zugleich eine liberal­demokratische Weltordnung zu verteidigen und fort­zuentwickeln – ausgerichtet am Kompass der uni­versalen Menschenrechte und Menschenwürde. Vor­aus­setzung dafür ist eine kluge Machtpolitik, die die spezifischen Machtressourcen, über die Deutschland verfügt, systematisch auf- und ausbaut, sie in der Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten bündelt und in supranational integrierte Strukturen überführen hilft. Die Hürden dafür sind derzeit gewaltig, die Partner aus eigenen innenpolitischen Gründen unzuverlässig und unberechenbar geworden, die zivilisierenden Insti­tutionen selbst in der Krise. Doch Resignation ist keine Option. Stattdessen muss sich die Bundesrepu­blik außen- und sicherheitspolitisch im alten Sinne als Zivilmacht neu erfinden.

Abkürzungen

AfD

Alternative für Deutschland

BIP

Bruttoinlandsprodukt

CAI

Comprehensive Agreement on Investment

CO2

Kohlendioxid

COP

Conference of the Parties

DAAD

Deutscher Akademischer Austauschdienst

EU

Europäische Union

G7

Gruppe der Sieben

G8

Gruppe der Acht

GIGA

German Institute of Global and Area Studies (Hamburg)

IISS

The International Institute for Strategic Studies (London)

IW

Institut der Deutschen Wirtschaft (Köln)

KFOR

Kosovo Force

MAGA

Make America Great Again

Nato

North Atlantic Treaty Organization

PiS

Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit; Partei; Polen)

SIPRI

Stockholm International Peace Research Institute (Solna)

UCDP

Uppsala Conflict Data Program

UNU

United Nations University (Tokyo)

VN

Vereinte Nationen

WIDER

World Institute for Development Economic Research (Helsinki; United Nations University)

Endnoten

1

 Hanns W. Maull, »Germany and Japan: The New Civilian Powers«, in: Foreign Affairs, 69 (Winter 1990/91) 5, S. 91–106; Alexandra Sakaki u. a., Reluctant Warriors. Germany, Japan and Their U.S. Alliance Dilemma, Washington, D.C., 2020.

2

 Die englische Version lautet: »never again; never alone; politics before force«. Vgl. Hanns W. Maull, »From Civilian Power‹ to ›Trading State‹?«, in: Sarah Colvin (Hg.), Routledge Handbook of German Politics and Culture, Abingdon 2014, S. 409–424.

3

 Gewaltverzicht beinhaltete allerdings keineswegs den Verzicht auf das Recht auf (auch gewaltsame) Selbstvertei­digung und auf sicherheitspolitische Vorkehrungen zur Abschreckung etwaiger Angriffe auf die Bundesrepublik oder das Bündnis der Nato.

4

 Hanns W. Maull, »Zivilmacht Deutschland«, in: Gunther Hellmann/Siegmar Schmidt/Reinhard Wolf (Hg.), Handbuch zur deutschen Außenpolitik, Opladen 2007, S. 73–84 (75f).

5

 Vgl. hierzu insbesondere Wolfram Hanrieder, Deutschland, Amerika, Europa. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland, 1949 bis 1994, Paderborn 1995, Teil I.

6

 Hanns W Maull, »Agency and Role Change. The Obama Factor in the Reconstitution of US Hegemony«, in: Cornelia Frank/Sebastian Harnisch/ders. (Hg.), Role Theory in International Relations, Abingdon 2011, Kap. 10.

7

 Beim ersten dieser Gipfeltreffen 1975 in Rambouillet waren es mit den USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien nur fünf, 1976 kamen Kanada und Italien dazu. 1998 wurde die G7 durch die Einbeziehung Russlands zur G8 erweitert; nach seiner Annexion der ukrainischen Krim 2014 wurde Russland nicht mehr eingeladen.

8

 Vgl. Hans-Peter Schwarz, Die gezähmten Deutschen. Von der Machtbesessenheit zur Machtvergessenheit, Stuttgart 1985.

9

 Vgl. Werner Weidenfeld, Außenpolitik für die deutsche Ein­heit. Die Entscheidungsjahre 1989/1990, Stuttgart 1998; Philip Zelikov/Condoleezza Rice, Germany United and Europe Trans­formed. A Study in Statecraft, 2. Aufl., Cambridge, MA, 1997.

10

 Vgl. hierzu Volker Rittberger (Hg.), German Foreign Policy since Unification. Theories and Case Studies, Manchester 2001; Klaus Brummer/Friedrich Kießling (Hg.), Zivilmacht Bundes­republik? Bundesdeutsche außenpolitische Rollen vor und nach 1989 aus politik- und geschichtswissenschaftlichen Perspektiven, Baden-Baden 2019.

11

 Vgl. hierzu jetzt die definitive Studie von William Glenn Gray, Trading Power. West Germany’s Rise to Global Influence, 1963–1975, Cambridge, UK, 2024.

12

 Als »national« bezeichne ich diese Interessen, weil es dabei nicht selten um recht spezifische Interessen ging – etwa jene der deutschen Automobil- oder Energieindustrie oder einer anderen Klientel einer der Regierungsparteien. Anders formuliert: Es ging um Interessen, die von der jewei­ligen Regierung explizit oder implizit als »nationale Inter­essen« definiert und behandelt wurden.

13

 Hugo von Essen/Andreas Umland, »Russlands diktierter Nicht-Frieden im Donbas 2014–2022: Warum die Minsker Ab­kommen von Anbeginn zum Scheitern verurteilt waren«, in: Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen, 6 (2022) 3, S. 282–292.

14

 Hanns W. Maull, Deutsche Außenpolitik: Zwischen Selbst­überschätzung und Wegducken, Hamburg: German Institute of Global and Area Studies (GIGA), 2014 (GIGA Focus Global, 1/2014), <https://www.giga-hamburg.de/tracked/assets/ pure/24426405/gf_global_1401_0.pdf> (Zugriff 18.9.2025); ders., Lehren aus der Ukrainekrise: Der Stellenwert des Militärischen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, 22.5.2014 (SWP Kurz gesagt), https://www.swp-berlin.org/publikation/lehren-aus-der-ukrainekrise-der-stellenwert-des-militaerischen (Zugriff 18.9.2025).

15

 Siehe hierzu etwa Thomas Bagger, »The World Accord­ing to Germany: Reassessing 1989«, in: The Washington Quar­terly, 41 (2019) 4, S. 53–63; Bastian Giegerich/Maximilian Terhalle, The Responsibility to Defend. Rethinking Germany’s Stra­tegic Culture, London: Routledge for IISS, 2021 (Adelphi Paper 477), sowie zur deutschen Chinapolitik Andreas Fulda, Ger­many and China. How Entanglement Undermines Freedom, Pros­perity and Security, London 2024.

16

 »Bundeswehr: ›Wir haben einen riesigen Aufholbedarf‹«, Interview von Mike Szymanski mit Heeresinspekteur Alfons Mais, in: Süddeutsche Zeitung, 11.11.2022, <https://www.sued deutsche.de/politik/bundeswehr-interview-heeresinspekteur-alfons-mais-1.5693218?reduced=true> (Zugriff 13.2.2025).

17

 Die Zahlen basieren auf konstanten US-Dollar von 2023. Den relativen Tiefpunkt erreichten die Verteidigungsaufwen­dungen mit einem Anteil von 1,07 Prozent des BIP im Jahr 2005. Vgl. SIPRI Database, Military Expenditure by Country, <https://milex.sipri.org/sipri> (Zugriff 8.8.2025).

18

 Rainer Meyer zum Felde, »Deutsche Verteidigungs­politik – Versäumnisse und nicht eingehaltene Versprechen«, in: Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen, 4 (2020) 3, S. 315–332.

19

 Die Jahresberichte der Wehrbeauftragten des Bundes­tags dokumentieren diese Entwicklung autoritativ, vgl. etwa Deutscher Bundestag, 20.Wahlperiode, Unterrichtung durch die Wehrbeauftragte. Jahresbericht 2023 (Bundestags-Drucksache 20/10500 vom 12.3.2024), <https://dserver.bundestag.de/btd/ 20/105/2010500.pdf> (Zugriff 17.9.2025).

20

 Thomas Jäger, »Handlungsspielräume deutscher Sicher­heitspolitik nach Russlands Angriff auf die Ukraine 2022«, in: Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen, 8 (2024) 2, S. 119–142 (119 und passim).

21

 An zutreffenden Lageanalysen und warnenden Aufforderungen fehlte es nicht. Vgl. etwa Bundesregierung, Weiß­buch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr, Berlin: Bundesministerium der Verteidigung, 2016, insbes. S. 27–33 (hier wird Moskaus expansiver Militarismus deutlich an­gesprochen, allerdings taucht Russland im folgenden Kapitel nicht mehr als Herausforderung auf).

22

 Vgl. die Festrede des Bundespräsidenten Christian Wulff zu Ehren von Außenminister a. D. Klaus Kinkel anlässlich eines Abendessens zu dessen 75. Geburtstag am 10.1.2012, <https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/ Christian-Wulff/Reden/2012/01/120110-Abendessen-Kinkel. html> (Zugriff 8.9.2025).

23

 Nina Philippi, Bundeswehr-Auslandseinsätze als außen- und sicherheitspolitisches Problem des geeinten Deutschland, Frankfurt a.M. 1996 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 31, Bd. 318).

24

 Peter Rudolf, »The Myth of the ›German Way‹: German Foreign Policy and Transatlantic Relations«, in: Survival, 47 (Frühjahr 2005) 1, S. 133–152.

25

 Reinhard Mutz (Hg.), Schießen wie die anderen?, Baden-Baden 2019, S. 340–345.

26

 Falk Tettweiler, Lernen in Interventionen? Evaluation am Beispiel der deutschen Afghanistan-Mission, Berlin: Stiftung Wis­senschaft und Politik, September 2011 (SWP-Studie 22/2011), <https://www.swp-berlin.org/publikation/afghanistan-mission-lernen-in-interventionen> (Zugriff 17.9.2025); Ulf von Krause, Die Afghanistaneinsätze der Bundeswehr. Politischer Entscheidungsprozess mit Eskalationsdynamik, Wiesbaden 2011.

27

 Ulrich Krotz/Joachim Schild, »Back to the Future? Franco-German Bilateralism in Europe’s Post-Brexit Union«, in: Journal of European Public Policy, 25 (2018) 8, S. 1174–1193; dies., Shaping Europe: France, Germany and Embedded Liberalism from the Elysée Treaty to Twenty-First Century Politics, Oxford 2013.

28

 »President Macron Gives Speech on New Initiative for Europe«, Paris: Élysée, 26.9.2017, <https://www.elysee.fr/en/ emmanuel-macron/2017/09/26/president-macron-gives-speech-on-new-initiative-for-europe> (Zugriff 25.2.2025).

29

 Ronja Kempin (Hg.), Frankreichs Außen- und Sicherheits­politik unter Präsident Macron. Konsequenzen für die deutsch-fran­zösische Zusammenarbeit, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, März 2021 (SWP-Studie 4/2021), doi: 10.18449/ 2021S04.

30

 Kai-Olaf Lang, Die Welt der PiS. Weltanschauliche Basis und programmatische Leitlinien der polnischen Partei »Recht und Gerech­tigkeit«, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2023 (SWP-Studie 12/2023), S. 28–30, doi: 10.18449/2023S12.

31

 Ders., Warschaus konfrontative Deutschlandpolitik. Im bilateralen Verhältnis ist derzeit Konsolidierung, nicht Weiterentwicklung gefragt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, No­vem­ber 2022 (SWP-Aktuell 68/2022), doi: 10.18449/2022A68.

32

 Peter Rudolf, Nicht allein Trump ist das Problem. Zum Um­gang Deutschlands mit den USA, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2018 (SWP-Aktuell 57/2018); Markus Kaim/Ronja Kempin, Die Neuvermessung der europäisch-ameri­kanischen Sicherheitsbeziehungen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2024 (SWP-Studie 15/2024), doi: 10.18449/ 2024S15.

33

 »Merkel nach Gipfel mit Trump. ›Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, sind ein Stück vorbei‹«, in: Spiegel online, 28.5.2017, <https://www.spiegel.de/ politik/deutschland/angela-merkel-zeigt-sich-nach-g7-gipfel-enttaeuscht-von-donald-trump-a-1149588.html> (Zugriff 24.2.2025).

34

 Reinhard Bingener/Markus Wehner, Die Moskau-Connec­tion. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands Weg in die Abhängigkeit, München 2023; Steffen Dobbert/Ulrich Thiele, Nord Stream. Wie Deutschland Putins Krieg bezahlt, Stuttgart 2025.

35

 Putin hatte sich bereits in seiner Dissertation mit den Möglichkeiten der politischen Instrumentalisierung von Energieabhängigkeiten beschäftigt.

36

 Wolfgang Münchau, Kaput: The End of the German Miracle, London 2025.

37

 Ebd.; vgl. auch Fulda, Germany and China [wie Fn. 15].

38

 So konnte Deutschland zeitweilig negative Zinsen auf seine Schuldscheine erheben; generell führte die Eurokrise zu einer langen Phase äußerst niedriger Zinssätze für deutsche Staatsanleihen. Investitionen hätten deshalb zu recht geringen Kosten getätigt werden können.

39

 Münchau, Kaput [wie Fn. 36]; Sebastian Dullien u. a., Herausforderungen für die Schuldenbremse. Investitionsbedarfe in der Infrastruktur und für die Transformation, Köln: Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), 2024 (IW-Policy Paper 2/2024).

40

 Meyer zum Felde, »Deutsche Verteidigungspolitik« [wie Fn. 18], S. 325.

41

 Simon Bulmer/William E. Paterson, Germany and the Euro­pean Union: Europe’s Reluctant Hegemon?, London 2018.

42

 David Marsh, Europe’s Deadlock: How the Euro Crisis Could Be Solved and Why It Still Won’t Happen, New Haven, CT/London 2016; Jeroen Dijsselbloom, The Euro Crisis. The Inside Story, Amsterdam 2018.

43

 Douglas Webber, European Disintegration? The Politics of Crisis in the European Union, London 2019, S. 135–176.

44

 »EU beschließt weitgehendes Verbrenner-Aus«, in: Tages­schau, 28.3.2023, <https://www.tagesschau.de/wirtschaft/eu-beschliesst-verbrenner-kompromiss-101.html> (Zugriff 9.9.2025).

45

 Hanns W. Maull, »Die internationale Ordnung: Bestands­aufnahme und Ausblick«, in: Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen, 4 (2020) 1, S. 3–23.

46

 Kaim/Kempin, Die Neuvermessung der europäisch-amerika­nischen Sicherheitsbeziehungen [wie Fn. 32], S. 24–27.

47

 Giegerich/Terhalle, The Responsibility to Defend [wie Fn. 15].

48

 Maull, »Die internationale Ordnung« [wie Fn. 45]; ders. (Hg.), The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order, Oxford u. a. 2018.

49

 Olaf Scholz, »The Global Zeitenwende. How to Avoid a New Cold War in a Multipolar Era«, in: Foreign Affairs, (Januar/Februar 2023), <https://www.foreignaffairs.com/ germany/olaf-scholz-global-zeitenwende-how-avoid-new-cold-war> (Zugriff 9.9.2025); Michael Kimmage/Sudha David-Wilp, »The Zeitenwende Is Real This Time. Germany’s Defense Upgrade Is Necessary But Could Upset Europe’s Balance of Power«, in: Foreign Affairs, 11.4.2025, <https:// www.foreignaffairs.com/germany/zeitenwende-real-time> (Zugriff 9.9.2025).

50

 Maull (Hg.), The Rise and Decline of the Post-Cold War Inter­national Order [wie Fn. 48]; vgl. auch ders., »The Once and Future International Order«, in: Survival, 61 (April/Mai 2019) 2, S. 7–32, sowie ders., »Die internationale Ordnung« [wie Fn. 45].

51

 World Inequality Lab, World Inequality Report 2022, o. O. 2021, S. 13, <https://wid.world/news-article/world-inequality-report-2022/> (Zugriff 6.8.2025).

52

 UN Department of Economic and Social Affairs/UNU/ WIDER, World Social Report 2025. A New Policy Consensus to Accelerate Social Progress, o. O. 2025, S. 41–45; <https://social. desa.un.org/issues/world-social-report> (Zugriff 6.8.2025); World Inequality Lab, World Inequality Report 2022 [wie Fn. 51], Kap. 1, 2 und 4.

53

 World Inequality Lab, World Inequality Report 2022 [wie Fn. 51], S. 15.

54

 Rush Doshi, The Long Game – China’s Grand Strategy to Dis­place American Order, Oxford 2021; Øystein Tunsjø, The Return of Bipolarity in World Politics. China, the United States, and Geostructural Realism, New York 2018.

55

 Amitav Acharya, »Can Asia Lead? Power Ambitions and Global Governance in the Twenty-first Century«, in: Inter­national Affairs, 87 (2011) 4, S. 851–869; ders., The End of American World Order, 2. Aufl., Cambridge, UK, 2018; Fareed Zakaria, Der Aufstieg der Anderen. Das postamerikanische Zeitalter, München 2009.

56

 Hannes Adomeit, »Müssen wir Russland besser verstehen lernen? Eine kritische Auseinandersetzung mit den Argumenten für eine neue Russlandpolitik«, in: Sirius. Zeitschrift für Strategische Analysen, 3 (2019) 3, S. 224–241.

57

 Vgl. Doshi, The Long Game [wie Fn. 54].

58

 Clive Hamilton/Mareike Ohlberg, Die lautlose Eroberung. Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet, München 2020.

59

 Adam Tooze, Crashed: How a Decade of Financial Crises Changed the World, London 2019.

60

 Joyeeta Gupta, »Climate Change and the Future of Inter­national Order«, in: Maull (Hg.), The Rise and Decline of the Post-Cold War International Order [wie Fn. 48], S. 44–63.

61

 Ernest Gellner, Nations and Nationalism, Oxford 1983; Eric J. Hobsbawm, Nations and Nationalism since 1780. Programme, Myth, Reality, 2. Aufl., Cambridge, UK, 1992; Anthony D. Smith, Nationalism. Theory, Ideology, History, Cambridge, UK, 2010; für Russland siehe auch Andrey Gurkov, Für Russland ist Europa der Feind. Warum meine Heimat mit dem Westen gebrochen hat, Köln 2025; für China Zheng Wang, Never Forget National Hu­miliation. Historical Memory in Chinese Politics and Foreign Relations, New York 2012.

62

 Leslie Vinjamuri (Hg.), Competing Visions of International Order. Responses to US Power in a Fracturing World, London: Chatham House, März 2025 (Research Paper, US and the Americas Programme), <https://www.chathamhouse.org/sites/ default/files/2025-03/2025-03-27-competing-visions-inter national-order-vinjamuri-et-al.pdf> (Zugriff 8.8.2025).

63

 Ebd. Für China siehe auch Andrew Small, No Limits. The Inside Story of China’s War with the West, Brooklyn/London 2022.

64

 Siehe »The 19th Century Is a Terrible Guide to Modern Statecraft«, in: The Economist, 8.7.2025, <https://www. economist.com/international/2025/07/08/the-19th-century-is-a-terrible-guide-to-modern-statecraft> (Zugriff 8.8.2025).

65

 Asle Toje, After the Post-Cold War. The European Union as a Small Power, Basingstoke 2010.

66

 Uppsala Conflict Data Program (UCDP), <https://ucdp. uu.se/encyclopedia> (Zugriff 25.7.2025). Das UCDP erfasst sowohl inner- als auch zwischenstaatliche Konflikte sowie einseitige Gewaltanwendungen des Staates gegen Zivilisten, jeweils mit mehr als 25 Toten.

67

 Zu Einzelheiten vgl. The International Institute for Stra­tegic Studies (IISS) (Hg.), The Armed Conflict Survey 2024, Abing­don: Routledge for IISS, 2024.

68

 Vgl. Verantwortung für Deutschland. Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD. 21. Legislaturperiode, o. O. o. J. [2025], <https://www.koalitionsvertrag2025.de/sites/www.koalitions vertrag2025.de/files/koav_2025.pdf> (Zugriff 9.9.2025), S. 125–140. Dort heißt es etwa: »Zu unserer Sicherheit gehö­ren die Bewahrung und Weiterentwicklung der regelbasier­ten internationalen Ordnung auf der Basis des Völkerrechts, der universellen Geltung der Menschenrechte und der Charta der Vereinten Nationen. Wir werden uns weiterhin weltweit für die Bekämpfung von Armut, Hunger und Un­gleichheit engagieren und für die Erreichung der internatio­nalen Nachhaltigkeitsziele sowie des Pariser Klimaschutz­abkommens einsetzen« (S. 125f).

69

 Vgl. hierzu etwa Mustafa Suleyman/Michael Bhaskar, The Coming Wave. Künstliche Intelligenz, Macht und das größte Dilemma des 21. Jahrhunderts, München 2024.

70

 Angelehnt an Ernst-Otto Czempiel, Kluge Macht. Außen­politik für das 21. Jahrhundert, München 1999.

71

 The Future of European Competitiveness, Part A: A Competitive­ness Strategy for Europe (Brüssel, September 2024), Luxemburg: Publications Office of the European Union, 2025, S. 63–66 (Draghi-Bericht an die EU-Kommission), <https://commission. europa.eu/document/download/97e481fd-2dc3-412d-be4c-f152a8232961_en?filename=The%20future%20of%20European%20competitiveness%20_%20A%20competitiveness%20 strategy%20for%20Europe.pdf> (Zugriff 23.6.2025).

72

 Vgl. hierzu die Bemühungen von Donald Trump, den von ihm selbst in seiner ersten Amtszeit eingesetzten Prä­sidenten der Federal Reserve aus dem Amt zu mobben.

73

 Asia Society Policy Institute, »Public Opinion on China in the Global South. Is There Really a North-South Split on China?«, New York/Washington, D.C., o. D., <https://asia society.org/policy-institute/global-public-opinion-china/ public-opinion-china-global-south> (Zugriff 18.6.2025).

74

 Rudolf Smyser, How Germans Negotiate. Logical Goals, Prac­tical Solutions, Washington, D.C.: US Institute for Peace Press, 2003. Vgl. auch Volker Stanzel, Die ratlose Außenpolitik und warum sie den Rückhalt der Gesellschaft braucht, Bonn 2019.

75

 Bulmer/Paterson, Germany and the European Union [wie Fn. 41].

76

 Lowy Institute Global Diplomacy Index, <https://global diplomacyindex.lowyinstitute.org/country_ranking> (Zugriff 18.6.2025).

77

 Zu den entsprechenden Aktivitäten der Russischen Föderation in Deutschland vgl. Arndt Freytag von Loring­hoven/Leon Erlenhorst, Putins Angriff auf Deutschland. Desinformation, Propaganda, Cyberattacken, Berlin 2024.

78

 Vgl. etwa John R. Allen/Frederick Ben Hodges/Julian Lindley-French, Future War and the Defence of Europe, Oxford u. a. 2021; Giegerich/Terhalle, The Responsibility to Defend [wie Fn. 15]. Christian Mölling, Fragile Sicherheit. Das Ende des Friedens und die neue Konfliktordnung, Freiburg/Basel/Wien 2023, bietet aus meiner Sicht die überzeugendsten Schlussfolgerungen, wie diese Defizite überwunden werden könnten.

79

 Giegerich/Terhalle, The Responsibility to Defend [wie Fn. 15]. Vgl. hierzu etwa SPD-Friedens­kreise, Manifest Friedenssicherung durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung, 11.6.2025, <https://augengeradeaus.net/wp-content/uploads/ 2025/06/20250611_Manifest_SPD-Friedenskreise_Friedens sicherung_in_Europa.pdf> (Zugriff 18.6.2025). Dieses Mani­fest interpretiert die gegenwärtige sicherheitspolitische Lage Deutschlands durch die Brille des Ost-West-Konfliktes im vorigen Jahrhundert und verkennt dabei die fundamentalen Unterschiede zwischen den Regimen der Sowjetunion und der heutigen Russischen Föderation unter Wladimir Putin.

80

 Bingener/Wehner, Die Moskau-Connection [wie Fn. 34]; Freytag von Loringhoven/Erlenhorst, Putins Angriff auf Deutsch­land [wie Fn. 77].

81

 Dies ist nicht per se problematisch, sondern im Gegenteil sogar sinnvoll und erwünscht, setzt aber eine entspre­chende Strategie und Handlungsfähigkeit auf der übergeord­neten Ebene voraus. Dafür Sorge zu tragen bzw. sich dafür einzusetzen ist wiederum Aufgabe der Bundesregierung.

82

 Vgl. Bundesregierung, Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig. Integrierte Sicherheit für Deutschland. Nationale Sicherheitsstrategie, Berlin 2023, insbes. S. 30–45, <https://www.nationale sicherheitsstrategie.de/Sicherheitsstrategie-DE.pdf> (Zugriff 18.9.2025).

83

 Alex Burilkov u. a., Fit for War by 2030? European Rearma­ment Efforts vis-à-vis Russia, Kiel: Kiel Institute for the World Economy, Juni 2025 (Kiel Report Nr. 3), <https://www.ifw-kiel.de/fileadmin/Dateiverwaltung/IfW-Publications/fis-import/e880656a-f9f2-47d4-845c-136cea3e4b11-Kiel_Report_ no3.pdf> (Zugriff 21.6.2025).

84

 Sophia Besch, How Must Europe Reorganize Its Conventional Defense?, Washington, D.C.: Brookings, 17.6.2025, <https:// www.brookings.edu/articles/how-must-europe-reorganize-its-conventional-defense/> (Zugriff 21.6.2025).

85

 Ronja Kempin/Hanns W. Maull, »Weniger und besser ist mehr. Plädoyer für eine grunderneuerte Europäische Union«, in: Internationale Politik, 71 (November/Dezember 2016) 6, S. 80–87.

86

 Das Konzept einer »Zivilisierung der internationalen Beziehungen« orientiert sich an den Arbeiten des deutschen Soziologen Norbert Elias (Über den Prozeß der Zivilisation, Frank­furt a. M. 1976) und ihrer Anwendung auf den Kontext der internationalen Beziehungen durch Dieter Senghaas (Zum irdischen Frieden. Erkenntnisse und Vermutungen, Frankfurt a. M. 2004).

87

 Diffuse Reziprozität bedeutet, dass ein Staat bereit ist, politische Vorleistungen in der Erwartung zu erbringen, dass dies zwar kein unmittelbares Quidproquo nach sich ziehen, auf längere Sicht aber zu Entgegenkommen der anderen Seite führen wird.

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