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Elektrolyseure für die Wasserstoff­revolution

Herausforderungen, Abhängigkeiten und Lösungsansätze

SWP-Aktuell 2022/A 58, 19.09.2022, 8 Seiten

doi:10.18449/2022A58

Forschungsgebiete

Angesichts der Gaskrise und der russischen Invasion der Ukraine ist der Markthochlauf von Wasserstoff noch dringlicher geworden für die europäische und die deut­sche Energiepolitik. Die ehrgeizigen Ziele für grünen Wasserstoff stellen die Europäische Union (EU) und die junge Was­serstoffökonomie allerdings vor enorme Probleme. Abgesehen vom Strombedarf fehlen vor allem Produktionskapazitäten für Elektrolyseure. Die an­visierte Pro­duktionsskalierung von Elektrolyseuren ist kaum zu schaffen, außerdem steht sie im Konflikt zu Importbestrebungen und zementiert neue Ab­hängig­keiten von Lieferanten wich­tiger Rohstoffe und kritischer Komponenten. Wäh­rend eine Ent­koppelung von Russ­lands Rohstofflieferungen zumindest möglich ist, führt an China kein Weg vorbei, will die EU ihre Ziele erreichen. Nebst erleichter­ten Regularien, einem aktiven Rohstoffmanagement und neuen Partnerschaften sollte Europa auch die einseitige Beschränkung auf grünen Wasserstoff überdenken.

Wasserstoff spielt eine immer zentralere Rolle in den klima- und energiepolitischen Plänen der EU, nicht zuletzt infolge der russischen Invasion der Ukraine und der Energieversorgungs­krise. Schon 2020 hatte sich die EU im Rah­men ihrer Wasserstoff­strategie ehr­gei­zige Ziele gesetzt. Der jüngste Vorschlag der Euro­päischen Kommis­sion (EK), REPowerEU, prä­zisiert und erhöht diese nun dramatisch. Zum einen sollen bis 2030 zu den ursprüng­lichen jährlichen 10 Mil­lio­nen Tonnen (Mt) Wasserstoff aus heimischer Produktion weitere 10 Mt jährlich durch Importe hin­zu­kom­men. Zum ande­ren kor­ri­giert der Vor­schlag die Schätzung der be­nötigten heimi­schen Kapazitätsziele: Nicht 40 Giga­watt (GW), sondern 120 GW Kapa­zität wer­den erforderlich sein, um 10 Mt Was­serstoff in Europa herzustellen. Diese revi­dierten Vor­gaben sollen bewirken, dass die EU ihre »Fit for 55«-Emis­sionsziele er­füllen kann und dass sie unab­hängig(er) von russischen Energie­liefe­run­gen wird.

Dabei setzt die EK ausschließlich auf grü­nen Wasserstoff. Er wird gewonnen, indem Wasser (H2O) mithilfe von Elektrolyseuren und erneuerbarem Strom in Wasserstoff (H2) und Sauer­stoff (O2) gespalten wird – ohne direkte Kohlendioxid(CO2)-Emis­sionen. Es gibt jedoch auch andere klima­freund­liche Ver­fah­ren für die Pro­duk­tion von Wasserstoff, wie die Dampf­reformierung mit Erd­gas einschließ­lich CO2-Abscheidung (sog. blauer Wasserstoff).

Nun stellt sich die Frage, ob die ambitionierten Ziele der EU bei gleichzeitiger Fest­legung auf nur eine Technologie überhaupt realisierbar sind. Allein der zusätz­lich für die Gewin­nung von jährlich 10 Mt Wasser­stoff benö­tigte er­neuer­bare Strom ent­spräche beinahe der gesam­ten Strom­produk­tion der EU-27 aus Wind- und Sonnenkraft im Jahre 2021. Noch an­spruchs­voller wird die Her­stellung der Elek­trolyseure: Die in der EU instal­lierte Elektrolysekapazität müsste sich binnen acht Jahren um fast das 900-Fache erhöhen. Europa steht vor der dop­pel­ten Aufgabe, die notwendige Elektro­ly­se­kapa­zität zu in­stallieren und sich eigene Markt­anteile in der Elektrolyseurproduk­tion zu sichern.

In der neuen technologiebasierten Ener­gie­welt und bei dem sich verschärfenden ökonomischen und geopolitischen Wett­bewerb können der schnelle Ausbau von Kapazitäten in der Elektrolyse sowie der dafür notwendigen Anlagenproduktion zu einem entscheidenden Faktor für den In­dus­t­rie­standort werden. Gegenwärtig ist Euro­pas Stel­lung im Markt noch stark. Zudem bemüht sich die EU, ihre industrie- und energiepolitische Souveränität zu beto­nen. Beispielsweise fordern der Green Deal und die europäische Industriestrategie, dass strate­gische Wertschöpfungsketten rund um Tech­nologien für erneuerbare Energien geschaffen werden müssen. Mit der Clean Hydrogen Alliance versucht die EU, private Pilotprojekte zu fördern und die Wasserstoff­produktion schnell zu steigern. Auch die Frage resilienter Rohstofflieferketten ge­winnt für die EU zunehmend an Bedeutung.

Generell ist aber festzustellen, dass gerade mit Blick auf Elektrolyseure geo-, indust­rie- und ressourcenpolitische Aspekte in den aktuel­len Plänen kaum berücksichtigt sind. Vor dem Hin­ter­grund der drohenden Frag­mentierung der Weltwirtschaft sowie der Entstehung einer merkantilistisch geprägten Glo­ba­li­sierung gilt es daher, als Erstes mög­liche Abhängigkeiten und Ver­wund­bar­keiten für die europäische Elektro­lyseur­indust­rie ge­nauer zu identifizieren, um (geopolitischen) Risiken vorzubeugen. Zu betrachten sind dabei vor­ge­lagerte Rohstoffliefer­ketten und der Bezug kritischer Kompo­nen­ten sowie die zunehmende Markt­domi­nanz Dritter in der Elektrolyseur­produktion.

Welche Elektrolyseure für Europa?

Nur zwei Technologien weisen derzeit eine hohe Marktreife auf und werden in den nächsten Jahrzenten wohl den Löwen­anteil der Kapazitäten ausmachen: Alkali­sche Elek­tro­lyseure (AEL-Anlagen) und Poly­mer-Elektrolyt-Membran-Elektrolyseure (PEM).

AEL ist die älteste, am besten ausgereifte und mit 61 Prozent der weltweit instal­lier­ten Kapazität die am weitesten verbreitete Technologie. Ihre Vorteile liegen im relativ simplen Design des Elektrolyseurs und, damit einhergehend, einer vergleichsweise simplen Pro­duktion. AEL-Anlagen sind durchaus flexibel genug, um ausreichend schnell auf die Fluktuation von Sonnen- und Windenergie reagieren zu können. Die Kaltstartzeit ist mit etwas über 50 Minuten jedoch relativ lang, sodass sich diese Tech­no­logie eher für den Basis- als für den Spit­zen­betrieb eignet.

PEM-Elektrolyseure sind jünger als AEL-Anlagen. Ihr weltweiter Marktanteil liegt zurzeit bei knapp 31 Prozent; er wächst aber stark. Die PEM-Technologie zeichnet sich vor allem durch eine sehr schnelle Kalt­startzeit von etwa 10 bis 20 Minuten aus sowie durch eine noch schnellere Reaktions­zeit auf schwankende Stromproduktion. PEM-Anla­gen sind daher besonders geeignet für Spit­zenstun­den in Strom­netzen mit hohen Anteilen er­neu­er­barer Energien, die eine rasche Reaktion erfordern. Sie sind jedoch technisch weni­ger ausgereift und gelten im Allgemeinen als teurer als AEL-Modelle, da für ihre Her­stellung seltene Metalle gebraucht werden.

Zwar hat sich Europa auf grünen Wasser­stoff festgelegt – bei der Wahl der Elektro­lyseure zeigt es sich aber techno­lo­gie­offen. Das ist zu begrüßen, da jedwede Elektrolysekapazität hilft, um die Wasserstoffproduktion wie gewünscht zu skalieren.

Grafik

Quellen: U. S. Geological Survey, Mineral Commodity Summaries 2022, Reston, VA, 2022; Gian Andrea Blengini et al., Study on the EU’s List of
Critical Raw Materials (2020). Final Report
, Luxembourg: Publications Office of the European Union, 2020.

Rohstoffe und Kompo­nenten

Der massive Ausbau von Europas Elektro­lyseurflotte macht es notwendig, einen kritischen Blick auf die Wertschöpfungs­kette beider Elektrolysetechnologien zu werfen. Dabei ist zu unterscheiden zwi­schen vorgelagerten Rohstofflieferketten und kri­ti­schen Komponenten (also in­dustriell her­gestellten Anlageteilen).

Nickel und Platin: Indonesien und Südafrika sind (k)eine Alternative zu Russland und China

Für AEL-Anlagen werden keine seltenen Metalle benötigt; lediglich Nickel und (nickel­beschichteter) Edelstahl müssen näher be­trachtet werden. Zwar sind Nickelvorkom­men weder selten noch geographisch kon­zentriert, die Versorgung mit Nickel ist aber problem­behaftet. Bislang stammen zwi­schen 35 und knapp 50 Prozent der Importe nach Deutsch­land bzw. in die gesamte EU aus Russland, gemessen am Handelswert oder Gewicht. Russ­land nimmt weltweit den vier­ten Rang bei den Nickelreserven ein und ist daher ebenfalls ein relevanter Akteur sowohl für unraffinierten als auch für raffi­nierten Nickel (vgl. Grafik).

Andere Länder wie Indo­nesien (22 %), die Philippinen (5 %) und Australien (22 %) ver­fügen zusam­men über fast die Hälfte der glo­balen Nickelreserven und weisen einen ähn­lichen Anteil bei der globalen Bergwerk­förderung von Nickelerzen auf. Sie stellen somit eine Alter­native zu Russ­land dar. Allerdings hat Indonesien 2020 einen Ex­port­stopp für Nickel­erze be­schlos­sen, um die Wertschöpfung im eige­nen Land zu halten – was für die EU An­lass war für eine Beschwerde bei der Welt­handels­orga­ni­sation. Andererseits decken Aust­raliens Raffinierungskapazitäten gerade einmal 7 Prozent des globalen Marktes.

Insbesondere im Verhüt­tungswesen, einer wichtigen Vorstufe zur Raffination, und im Raffinierungswesen ist trotz indo­ne­sischer (und längerfristig philippinischer) Ambitionen China ein Schlüssel­akteur: Das Land hat zwar keine großen Nickelreserven, stellt aber laut Schät­zungen über drei Viertel der Schmelzöfen für die Verhüttung sowie ein Drittel der welt­weiten Raffinadepro­duktion. Unter den aktuellen Bedingungen müsste die EU also entweder bereits ver­hütte­ten Nickel aus Indonesien erwerben und dabei mit China konkurrieren oder bei­spielsweise von Australien und den Philippinen Nickel­erze beziehen, die aber bislang weitest­gehend in China ver­hüttet werden. – Kos­ten und Risiken einer Loslösung aus der Ab­hän­gigkeit von Russland sind signifikant.

Deutlich schwieriger noch ist die Lage bei PEM-Elektrolyseuren. Hier basiert die Kathode meist auf Platin und die Anode auf Iridium – zwei der seltensten, emissionsreichsten und teuersten Metalle. Sie gehö­ren zu den Platingruppen­metallen (PGM). Für Iridium in PEM-Elektrolyseuren sind keine Alternativen bekannt. Europas Im­port­abhängigkeit für Platin liegt bei 98, dieje­nige für Iridium bei 100 Prozent.

Die Vorkommen sind stark in Süd­afrika konzentriert, das Land ist der welt­weit größte Platin- und Iridium­lieferant (vgl. Grafik). Die derzei­ti­gen Abbau­raten von Iridium und Platin reichen vor­aussichtlich nur, um die PEM-Elektro­lyse­-Kapa­zitäten jähr­lich um 3 bis 7,5 GW zu er­höhen. Es wird aber er­wartet, dass der Bedarf bis 2030 massiv steigt. Dies würde eine enorme Zu­nahme der Minenaktivität bedeuten.

Versorgungsschwierigkeiten für Iridium ergeben sich nicht primär aus der geologischen Knappheit, sondern aus den sozialen und ökonomischen Voraussetzungen für die zu steigernde Exploration. 2013 etwa führ­ten blutig niedergeschlagene Pro­teste gegen die Arbeitsbedingungen in süd­afri­ka­nischen Platinminen zu einem zeit­wei­li­gen Exportstopp und hohen Preisspitzen.

Russland ist mit 13 Prozent der zweit­wich­tigste Platinlieferant weltweit – und ebenso für Europa. Die Ent­koppe­lung von Russland wird Europas Import­abhän­gig­keit von Süd­afrika mithin weiter ver­festigen. Eine echte Diver­sifizierung scheint un­mög­lich, denn Süd­afrika verfügt mit 90 Prozent auch über die mit Abstand größ­ten Reser­ven an PGM. Sta­bile Abbauländer wie die USA oder Kanada werden wiederum selbst einen Nach­frage­anstieg zu verzeichnen haben – na­ment­lich Firmen aus den USA setzen auf die Pro­duktion von PEM-Elektro­ly­seuren. Um ihren eigenen steigenden Be­darf an PGM zu decken, versuchen die USA, mit­hilfe des Defense Produc­tion Act die heimische Pro­duktion zu fördern, um einer sich abzeichnenden Importabhängigkeit vorzubeugen. Die USA könnten also als be­ste­hen­der Liefe­rant am Weltmarkt (Platin: 2 %) ausfallen.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die Probleme hinsichtlich der Diver­si­fizierung der Nickelversorgung weg von Russ­land erheblich, aber trotz allem lös­bar sind. Allerdings wächst damit die Abhängig­keit Europas von der Nickel-Verhüt­tung in China sowie von PGM aus Südafrika.

Abhängigkeiten bei kritischen Komponenten für PEM‑Anlagen

Für die Produktion von AEL-Anlagen gibt es keine Komponenten, die im Hinblick auf die Ver­sor­gungssicherheit Probleme berei­ten. Sämt­liche Komponenten sind Standard­materialien in der Industrie und können von innerhalb Europas bezogen werden.

Die Lieferketten bei PEM-Elektrolyseuren weisen zwar Ähnlichkeiten mit denjenigen von AEL-Anlagen auf, jedoch bestehen bei Kom­ponenten für die Herstellung von PEM-Elektrolyseuren durchaus Abhängigkeiten, und zwar vor­wiegend von den USA, Japan und dem Vereinigten König­reich (VK) (vgl. Grafik). Sie stellen voraus­sichtlich kein geopolitisches Risiko dar; wohl aber kann die Marktkonzentra­tion Preis­risiken und logistische Abhängigkeiten verursachen.

Insbesondere drei Komponenten für die Herstellung von PEM-Elektrolyseuren wer­den als besonders kritisch erachtet: Poly­mer-Elek­trolyt-Membranen, Trägerkatalysatoren und die Membran-Elektroden-Einheit.

Polymer-Elektrolyt-Membranen ersetzen den flüssigen Elektrolyten, wie er in AEL-Modellen vor­kommt, und sind entscheidend für die Leistung von PEM-Elektroly­seuren und die Reinheit des Wasserstoffs. Zwar gibt es in Europa einen Produzenten für das Memb­ran­rohmaterial, weshalb die Abhängigkeiten gering gehalten werden können; die Membranen selbst müssen aber aus dem VK, den USA oder Japan importiert werden. Dadurch können diese drei Länder ihre beste­henden Vorteile in Technologie und Skalie­rung aufrechterhalten.

Trägerkatalysatoren in PEM-Elektroly­seuren verstärken die elektrochemischen Reaktionen der Zelle. Zwei der führenden Unternehmen auf diesem Markt sind in der EU bzw. dem VK beheimatet, das dritte in Japan. Auch hier gilt: Technologie­vor­sprung stellt eine große Eintritts­barriere für andere dar.

Die Membran-Elektroden-Einheit, ein opti­mal aufeinander abgestimmter und zu­sam­mengesetzter Stapel von Protonen-Aus­tausch-Membranen, Katalysatoren und Elek­troden, ist essentiell für die Leistung von PEM-Elek­tro­lyseuren. Einer der führen­den Produzenten hat seinen Sitz im VK; Hersteller in China arbeiten jedoch ebenfalls an Manu­fakturkapazitäten.

Skalierung der Elektrolyseur­produktion

Europa mit starker Position, aber Skalierungshindernissen

Die (fehlenden) Produktionskapazitäten für Elektrolyseure sind ein weiterer Hindernisfaktor für die Reali­sie­rung der Vorhaben der EU. Allein um die Ziele des REPowerEU-Plans hinsichtlich heimischer Wasserstoffproduktion zu erreichen, wer­den laut Euro­päischer Kommission 120 GW an Elektrolyse­kapazi­tät benötigt – die in der EU in­stal­lierte Kapazität lag 2021 aber gerade einmal bei 0,135 GW und die welt­weite Manufaktur­kapazität betrug 2020 nur etwa 2 GW pro Jahr. Bereits bis 2030 sind zwar 118 GW Elektrolysekapazität in der EU angekündigt (73 GW davon in Spanien), finale Investitions­entscheidungen stehen allerdings meist noch aus. Von den 750 Pilotprojekten im Rahmen der Clean Hydro­gen Alliance be­tref­fen lediglich 64 die Elektrolyseurproduk­tion.

Europa kann schon heute auf heimische Elek­trolyseurhersteller mit Expertise in allen technologischen Varianten verweisen. Dies umfasst gleichermaßen große indus­trielle Player, wie thyssenkrupp und Siemens, sowie kleinere Unternehmen, die sich häu­fig auf noch unausgereifte Ver­fah­ren kon­zentrieren. Derzeit liegen 60 Pro­zent der weltweiten Produk­tions­kapazität für Elek­tro­lyseure und 40 Prozent des Elektro­ly­seur­bestandes in der EU; auch mit etwa 40 Pro­zent der relevanten Patente ist sie vorn dabei. Insbesondere bei den PEM-Modellen ist ihre Technologieführer­schaft aus­geprägt.

Elektrolyseurhersteller beklagen indes, dass Abnehmer bislang kaum verbind­liche Investitionsentscheidungen getroffen haben und somit keine Produktionskapa­zitäten aufgebaut werden können – die Abnehmer bemängeln ihrerseits die hohen rechtlichen Anforderungen in den Entwür­fen des dele­gierten Rechtsaktes der EK. Die­ser ist maß­geblich für die Definition von grünem Wasserstoff und die für seine Pro­duktion geforderten Bedingungen.

Der ursprüngliche Entwurf verlangte, erstens, »Zusätzlich­keit«: Ab Ende 2026 sollte für die Elektrolyse nur noch Strom aus neu erbauten und nicht subventionierten Solar- und Wind­parks verwendet wer­den. Zweitens sah er räum­liche und zeit­liche Kor­relation vor: Ein Elek­trolyseur sollte ab 2027 nur solchen Strom nutzen dürfen, der in derselben Stunde und in derselben Strom­gebotszone von An­lagen erzeugt wird, die mit dem Elektrolyseur direkt verbunden sind. Diese strikte Regulierung stand aber der Tatsache gegen­über, dass Elektrolyseure mindestens 4.000 Stun­den im Jahr betrie­ben werden müssen, um kosteneffizient zu produzieren. Aus diesem Grund hat das Europäische Parlament mit seiner jüngsten Abstimmung diesen beiden strengen Regeln eine Absage erteilt. Für einen schnellen Markt­hochlauf bedarf es aber weiterer Dis­kussionen und wegweisen­der Entscheidungen, angefangen mit der Definition von sauberem Wasserstoff.

China auf dem Weg zur Markt­führerschaft

Neben regulatorischen Hindernissen sieht sich die europäische Elektrolyseurindus­trie auch mit anderen Konkurrenten konfrontiert – allen voran China. Zur­zeit hält die Volksrepublik etwa 35 Prozent der welt­weiten Produktionskapazität für Elektrolyseure. Obwohl dies unter derjenigen Euro­pas liegt, ist China bereits zum weltgrößten Her­steller von Elektrolyseuren geworden. Dafür sorgen vor allem deut­lich niedri­gere Kosten: Sie betragen trotz zu­neh­mend ähn­licher Effizienz und Qua­li­tät der An­lagen nur ein Fünftel der Kosten europäischer Modelle. Chinas Fokus lag bis­her auf AEL-Anlagen, für die es die Hälfte der glo­balen Produktion stellt.

Die Tendenz ist weiter steigend: Für das Jahr 2022 wird von einer Verfünf­fachung der chinesischen Manufakturkapazität auf 2,5 GW jährlich ausgegangen. Diese Ent­wicklung treiben Staat und Industrie aktiv voran. Der 14. Fünfjahresplan Chi­nas (2021–2025) erklärt die Wasserstoffindustrie zu einer von sechs industriellen Prio­ri­täten. Führende Hersteller von Solaranlagen eben­so wie Staatsunternehmen sind in den Markt eingestiegen und verfolgen die gleiche Stra­tegie, die bereits in anderen Sek­toren wie der Solarbranche in die Markt­domi­nanz mündete: massive Skalierung der Produk­tion, damit verbundene Senkung der Stück­kosten und rasche Weiterentwicklung der Technologie. Bislang hat China nur den hei­mischen Markt versorgt; zuneh­mend stellt sich die Industrie jedoch auch (zu höhe­ren Preisen) auf internationale Kunden ein – zum Beispiel in den arabi­schen Golf­staaten.

Globaler Wettbewerb um Markt­anteile … und Elektrolyseure

Ob die europäische Elektrolyseurindustrie dasselbe Schicksal wie die einstmalige hei­mische Solarindustrie erfährt, bleibt eine offene Frage, denn die Branchen unterschei­den sich deutlich: Modulare Solaranlagen sind kleinteilig und im Nachhinein gut transportabel, ihre Herstellung standardisiert. Im Gegensatz dazu sind Elek­troly­seure klobigere Anlagen. Überdies dominier­ten die europäische Solarindustrie hauptsächlich junge Unternehmen, wäh­rend es in der Elektrolyse oft europäische multi­nationale Konzerne sind. In jedem Fall aber zeigt der Aufstieg Chinas zum führenden Produ­zen­ten von AEL-Anlagen, dass Europas technologischer Vor­sprung mehr und mehr dahinschmilzt. Selbst in der PEM-Technologie fasst China allmählich Fuß. Auch die USA sind zuneh­mend an die­sem Markt inter­essiert und ein ernst­hafter Kon­kurrent für PEM-Elektro­lyseure geworden.

Elektrolyseure selbst könnten sich also als globaler Flaschenhals herausstellen. Trotz der erwarteten fünffachen Steigerung der europäischen Produktionskapazitäten bis 2023 werden diese voraussichtlich nicht ausreichen, um die europäischen Ambitionen zu erfüllen. Die Verwirklichung der EU-Pläne würde einen für Energietechnologien beispiellosen Fort­schritt in der Produk­tion und Installation von Elektrolyseuren erforderlich machen – was vermutlich nur mit einer zentralen Steuerung von Ressour­cen wie in Kriegszeiten möglich wäre. Dem­entsprechend wahr­scheinlich ist es, dass Europa auf die wachsende chinesische Elek­trolyseurindustrie zurückgreifen muss – neue Abhängigkeiten inbegriffen.

Wohlgemerkt zielt REPowerEU nicht nur darauf ab, grünen Was­serstoff in der EU her­zustellen, sondern ebenso auf den Im­port derselben Menge – für deren Herstel­lung wiederum Elek­tro­lyseure gebraucht wer­den. Das par­allele Hochfahren von Im­por­ten und hei­mischer Produktion könnte dem­nach, bedingt durch die begrenz­ten Kapa­zi­täten, einen Zielkonflikt herauf­beschwören. Zu­dem exis­tieren auch außer­halb Europas Pläne für die Was­serstoff­pro­duktion und ‑nut­zung. China selbst zielt mit der China Hydrogen Alli­ance auf eine ähn­liche Größenordnung ab wie die EK: 100 GW bis 2030. Je nach Geschwindigkeit des (glo­ba­len) Ausbaus der Produktionskapazitäten für Elektrolyseure bergen also die hohen Installationsziele die Gefahr, neue Abhän­gig­keiten zu schaffen und / oder die Preise für Elektrolyseure massiv nach oben zu treiben.

Handlungsempfehlungen: Realistisch bleiben, pragmatisch und strategisch handeln

Elektrolyseure sind das Herzstück der ent­stehenden grünen Wasserstoffwelt. Die Her­ausforderungen, die mit einer Produktionsskalierung einher­gehen, werden aber oft über­sehen.

Die REPowerEU-Pläne sind in ihrem Aus­maß kaum zu verwirklichen. Ihnen liegen fast unrealistische Zuwächse in Bergbau, Metallurgie, Anlagenbau und Stromproduktion zugrunde. Darüber hinaus soll der be­schleunigte Markthochlauf dazu dienen, von russischen Energieimporten unabhängig zu werden – dabei verursachen die Elek­tro­ly­seure selbst neue Abhängigkeiten. Ein glo­ba­les Nadel­öhr könnte den Wett­bewerb um Elektrolyseure an­heizen und da­mit grünen Wasserstoff noch teurer machen.

Trotz dieser ungünstigen Bedingungen können die EU, ihre Mitgliedstaaten und deren Unternehmen den Problemen zu­min­dest entgegenwirken. Sechs Maßnahmen bilden die Basis dafür:

Erstens sollten EU, Mitgliedstaaten und Unternehmen den Risiken von Ab­hängig­keiten in der Rohstofflieferkette für Elek­trolyseure durch einen Mix aus tech­no­logischen Innovationen und staat­licher Flan­kierung begegnen. Da eine Diver­si­fizierung der PGM-Lieferanten wenig bis gar nicht mach­bar erscheint, gilt es, zum einen zügig eine Recyclinginfrastruktur aufzubauen, zum anderen, insbesondere den Iridium­gehalt in PEM-Elektrolyseuren zu reduzieren.

Überdies muss Rohstofflieferanten klar kommuniziert werden, wie hoch der Bedarf an diesen Metallen sein wird, sodass Pla­nungs- und Investitionssicherheit für neue Minenprojekte gewährleistet ist. Zwar haben die meis­ten EU-Staaten keine eigenen inter­nationalen Bergbauunternehmen. Das Bei­spiel der staatlichen japanischen Agentur JOGMEC aber zeigt, dass durch Kredite, In­ves­titionen und Garantien Bergbauprojekte gezielt ge­fördert werden können. Die EU sollte ein ähnliches Instrument zur För­de­rung auch ausländischer privater Berg­bau­aktivitäten entwickeln und zusätz­lich die Gründung eines europäischen Champions im Berg­bausektor erwägen.

Zweitens ist wichtig, den Nachhaltigkeitsaspekt in Rohstofflieferketten mitzudenken – wie der Fall der Minenproteste in Süd­afrika vor Augen geführt hat, beeinflusst er ebenfalls die Versorgungssicherheit. Die Stärkung von Public-Private-Partner­schaften und Kapa­zitäten öffent­licher Institutionen in Abbau­ländern könnte dafür sorgen, dass neben der Wirtschaftlichkeit auch Umwelt- und Sozialkriterien stärker berücksichtigt werden und damit Unruhen und Lieferausfällen vorgebeugt wird.

Drittens sollten auf dieser Basis für bestimmte Rohstoffe wie Nickel oder PGM gezielte bilaterale Rohstoffpartnerschaften (insbesondere mit Indonesien, den Philip­pinen, Australien und Südafrika) ausgehan­delt bzw. ausgebaut sowie Raffinierungs­prozesse vor Ort mit Krediten und Investi­tionen geför­dert werden. Angesichts der potenziellen Rolle Indonesiens und der Philippinen als alternative Lieferanten zu China und Russ­land wäre ferner sinnvoll, in das zurzeit verhandelte EU-ASEAN-Frei­handels­abkommen eine Rohstoffkomponente zu integrieren.

Viertens müssen europäische Elektrolyseur­hersteller beim zügigen Ausbau der Pro­duktionskapazitäten aktiv unterstützt werden. Staatliche Zusagen für die Pro­duktionsskalierung, geeignete Kredite und eine garantierte Nachfrage dürften aus­rei­chende Anreize für Projektentwickler geben. Die EK hat unlängst die Schaffung einer EU-Wasserstoffbank vorgeschlagen, die als Abnehmer für 10 Mt Wasserstoff fungieren soll. Unklar bleibt aber, ob diese Bank die Nachfrage ebenso für Importe garan­tieren wird. Auch eine tech­nologie­neutrale Definition von Wasserstoff, die als Krite­ri­um den CO2-Fußabdruck aufführt, der bei seiner Produktion anfällt, und nicht das angewandte Verfahren, scheint unab­dingbar zu sein.

Darüber hinaus gilt es, die Konkurrenz im Auge zu behalten: Der europäische Branchenverband der Wasserstoffindustrie, Hydrogen Europe, warnt bereits vor einem »Massenexodus« der europäischen grünen Wasserstoffindustrie in Richtung USA, sollte die EK die finale Fassung ihrer Regu­la­rien für die Herstel­lung von Wasserstoff nicht ähnlich einfach und großzügig gestal­ten wie der Konkurrent. Das neue US-Klima­schutzgesetz sieht umfassende Steuergutschriften für die Wasserstoffproduktion vor. Gepaart mit einfacheren Regeln für die Pro­duktion, könnten diese eine massive Ver­lage­rung von Kapitalflüssen und Unter­neh­men der Wasserstoffindustrie in die USA bewirken, wenn Europa nicht nachzieht. Die jüngste Abstimmung des EU-Parlaments ist ein wichtiger, aber dennoch nicht hin­reichender Schritt, um eine Abwanderung zu verhindern.

Fünftens kommt es im Umgang mit China darauf an, abzuwägen zwischen dem Be­stre­ben nach Souveränität einerseits und der Aufrechterhaltung notwendiger Liefer­ketten andererseits. An China führt kein Weg vorbei: falls nicht bereits für den inner­europäischen Ausbau der Elek­troly­seur­flotte, dann spätestens für Anlagen in Drittländern, von denen Europa grünen Was­serstoff beziehen möchte. Auch muss Europa zunehmend um seine Techno­logie­führerschaft im Bereich Elektrolyseure bangen. Obwohl es bei Patenten und Pro­duktionskapazitäten noch eine Spitzenposition innehat, hat China es hinsichtlich Markt­anteilen bereits überholt. Das be­deu­tet für die EU und Deutschland einen Ziel­konflikt, weil das rasche Skalieren der welt­weiten Produktionskapazitäten für Elek­tro­lyseure ohne China kaum zu schaffen ist.

Sechstens sollte blauer Wasserstoff in die europäischen Wasserstoffpläne miteinbezogen werden. Statt sich auf eine Technologie zu beschränken, sollte schlicht der bei der Wasserstoffproduktion oder -einfuhr ent­stehende CO2-Fußabdruck bilanziell an­ge­rechnet, also mit dem CO2-Preis belegt wer­den. Dies ergäbe ohne­hin einen Len­kungs­effekt zugunsten des klima­neutralen, grü­nen Wasserstoffs. In Europa machen Geneh­mi­gungsschwierigkeiten und Gas­krise blauen Wasserstoff zwar unwirt­schaftlich – grüner Was­ser­stoff ist hier vorzeitig zum günstigsten geworden –, in Regionen mit niedrigen Gaspreisen (etwa den Golfstaaten) ist blauer Wasserstoff je­doch weiterhin günstiger. Zu prüfen wäre, welche Maßnah­men (wie Lang­fristverträge, spezialisierte Infrastruktur) sicher­stellen, dass Exporteure mittelfristig Flüssig­gas durch blauen Wasserstoff er­setzen.

Schon die fehlenden Elektro­lyseure ver­deutlichen, dass die EU ihre proklamierten Ziele ausschließlich mit grünem Wasserstoff kaum erreichen dürfte. Im­porte blauen Wasserstoffs würden den Zielkonflikt ent­schärfen, der sich aus dem gleichzeitigen Ausbau der heimischen und ausländischer Elektrolyseurflotten ergibt. Durch eine bilan­zielle Anrechnung des CO2-Fuß­abdrucks kann weitgehend vermieden wer­den, dass regulierte euro­päische Wasser­stoffhersteller gegenüber ausländischen benachteiligt werden. Ebenso würde der Aufbau eines globalen, harmonisierten Zertifizierungs- und Regelwerks erleichtert.

Unter den gegenwärtigen globalen ener­gie- und geopolitischen Bedingungen muss die EU das Hochfahren der Elektrolyse­kapa­zitäten zweifelsohne forcieren. Dabei muss der Hochlauf des Wasserstoffmarktes Prio­rität haben gegenüber Vor­lieben für be­stimmte Technologien. Eminent wichtig bei all dem ist, dass die EU realistisch plant sowie pragmatisch und strategisch handelt.

Dr. Dawud Ansari und Dr. Jacopo Pepe sind Wissenschaftler, Julian Grinschgl ist Forschungsassistent in der Forschungsgruppe Globale Fragen. Dieses SWP-Aktuell entstand im Rahmen des Projekts »Geopolitik der Energiewende – Wasserstoff«, das vom Auswärtigen Amt finanziert wird.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2022

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