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Aktuelle Vorschläge zur Reform der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik

Arbeitspapier, 15.07.2002
6. Fazit

Die Sichtung der aktuellen Vorschläge in der Diskussion um die Verbesserung der europäischen Außenpolitik zeigt, dass im Europäischen Konvent und in der anschließenden Regierungskonferenz für die europäische Außenpolitik eine integrationspolitische Richtungsentscheidung anstehen könnte:

  1. Vergemeinschaftung der Außenpolitik,
  2. Ausbau der intergouvernenementalen europäischen Außenpolitik oder
  3. Weiterentwicklung des "dritten Wegs" für die europäische Außenpolitik: Fortsetzung der Verzahnung

In der Diskussion ist erkennbar, dass gegen die weitere Vergemeinschaftung beträchtliche Widerstände aus den Regierungen wichtiger Mitgliedsländer, insbesondere Großbritanniens und Frankreichs, bestehen. Ebenso erkennbar ist, dass im Europäischen Konvent die Forderung für eine weitgehende Vergemeinschaftung der europäischen Außenpolitik erhoben wird. Neben der EU-Kommission, die sich pro domo für eine Vergemeinschaftung der europäischen Außenpolitik stark macht, ist auch in der deutschen europapolitischen Debatte eine Unterstützung für die weitere Vergemeinschaftung europäischer Außenpolitik erkennbar. Zu erwarten ist daher, dass sich in der weiteren Diskussion ein Kompromiss herausbilden wird, der eine Weiterentwicklung des "dritten Wegs", also die Fortsetzung der Verzahnung von supranationalen und intergouvernementalen Elementen europäischer Außenpolitik bedeutet.

Wichtig für die weitere Diskussion ist daher die Frage, inwiefern die unterbreiteten Vorschläge überhaupt kompromißfähig sind und welche Bedeutung die jeweiligen Vorschläge für die interinstitutionelle Balance in der EU haben. Von besonderer Brisanz sind hier vor allem die Vorschläge zur Fusion von Hohem Repräsentanten und EU-Außenkommissar und die Vorschläge zur Schaffung eines EU-Präsidenten, der vornehmlich die Außenvertretung der EU wahrnimmt. Ungeklärt ist in allen Vorschlägen zur Fusion von Hohem Repräsentanten und EU-Kommissar, ob das Amt des Hohen Repräsentanten auch weiterhin verbunden sein wird mit der Funktion des Generalsekretärs des Rates. Aus der Fusion ergeben sich Loyalitätskonflikte, die bisher lediglich die Kommission in ihrem Vorschlag ausgeräumt hat, weil sie eine "freundliche Übernahme" anstrebt. Die Verzahnung führt zu einer Doppelhutkonstruktion, die eine Sonderstellung im institutionellen Gefüge schafft. Besonderes Augenmerk muss sich deshalb auf das Verfahren der Ernennung richten, aber auch auf die Regelung der doppelten Loyalitäten gegenüber der Kommission und dem Rat. Dem Kommissionspräsidenten wird mit dem fusionierten Amt des Hohen Repräsentanten und des EU-Außenkommissars ein starker Vizepräsident erwachsen, der als eine Art "trojanisches Pferd" des Rates in die Kommission eindringen kann.

Eine ernsthafte Konkurrenz zum Kommissionspräsidenten ist aber vor allem der vorgeschlagene EU-Präsident. Kommentatoren weisen zurecht darauf hin, dass damit das französische Regierungsmodell auf die EU übertragen würde: ein EU-Präsident, der die großen Linien bestimmt und die außenpolitische Prärogative hat und - ergänzend - ein Kommissionspräsident, der die Regierungsgeschäfte führt. Raum für Kompromisse zwischen dem Präsidentenmodell und dem Fusionsmodell ist also kaum vorhanden. Europäischer Konvent und die Regierungskonferenz müssen sich für eine der Reformrichtungen entscheiden. Jedoch ist bisher im Rahmen der Konventsstruktur die intensivere Befassung mit diesem Thema schwierig, denn von den bisher eingerichteten sechs Arbeitsgruppen befasst sich keine mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Wenn also keine Arbeitsgruppe "GASP/ESVP" eingerichtet wird, würde dem Konvent zumindest für die Zeit von Juli bis September 2002 die notwendige Arena in diesem Bereich fehlen und die Debatte um die zukünftige Ausgestaltung der Außenpolitik der EU könnte in den Hintergrund geraten.