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Aktuelle Vorschläge zur Reform der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik

Arbeitspapier, 15.07.2002
3. Vorschläge zur Stärkung der intergouvernementalen Zusammenarbeit

In der aktuellen Diskussion finden sich verschiedene Vorschläge zur Verbesserung der außenpolitischen Handlungsfähigkeit, die bei der Stärkung der intergouvernementalen Zusammenarbeit ansetzen. Die Vorschläge betreffen

Die britische Regierung hat am 15. Mai 2002 die Schaffung eines ständigen Ratspräsidenten gefordert. Sie hat die Einrichtung des Amtes eines EU-Präsidenten ab dem Jahr 2005/2006 vorgeschlagen, der dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs für die Dauer von fünf Jahren vorsitzen soll. Dieses Amt soll von einem ehemaligen Staats- oder Regierungchef wahrgenommen werden. In der britischen Presse wurde berichtet, dass der britische Premierminister Tony Blair Interesse an diesem Amt habe, das er nach dem Ablauf seiner zweiten Amtsperiode übernehmen könnte. Auch der spanische Ministerpräsident Aznar wird als ein möglicher Kandidat genannt. Vornehmliche Aufgabe dieses Ratspräsidenten soll die Vertretung der Europäischen Union nach außen sein. Mit der Abschaffung der rotierenden Präsidentschaft soll die außenpolitische Kontinuität und Sichtbarkeit der Europäischen Union erhöht werden. Dieser Vorschlag deckt sich mit dem Vorschlag Jacques Chiracs vom März 2002 in Straßburg. Auch Chirac hatte einen ständigen Ratspräsidenten gefordert, der insbesondere die EU-Vertretung nach außen warnehmen soll. Im Kern wird damit die alte französische Idee aus den Vertragsverhandlungen zum Amsterdamer Vertrag 1996/97 eines "Monsieur PESC" als herausragender Persönlichkeit wiederbelebt. Der britische Vorschlag wird neben Frankreich auch von Spanien, Italien und vom Präsidenten des Konvents, Giscard d'Éstaing, unterstützt. Keine Unterstützung, aber auch keine offizielle Ablehnung findet er bislang in Deutschland, wo Regierung und Opposition sich für eine stärkere Vergemeinschaftung der europäischen Außenpolitik einsetzen.

Der Generalsekretär des Rates schlug in seinem Bericht "Preparing the council for enlargement" vom 11. März 2002 vor, den Präsidenten des Europäischen Rates für 2 1/2 Jahre zu wählen. Die jeweiligen Präsidentschaften der Räte sollten ebenfalls länger als sechs Monate im Amt bleiben. Sie sollen entweder gewählt oder nach einem Gruppen-Rotationsprinzip bestellt werden. In diesem Bericht berief sich Solana ausdrücklich auf den deutschen Bundeskanzler und den britischen Premierminister, die einen gemeinsamen Reformvorschlag für den Europäischen Rat am 25. Februar 2002 vorgelegt hatten.

Der von Bundeskanzler Schröder in die Diskussion gebrachte Vorschlag zur Schaffung eines Rates der Europaminister soll durch die geplante Umstrukturierung der Ministerräte zu einer Verbesserung der intergouvernementalen Zusammenarbeit im Bereich der Außenpolitik beitragen. Bisher setzt sich der Allgemeine Rat aus den Außenministern der Mitgliedsländer zusammen, die zugleich auch als Außenministerrat tagen. Durch die umfangreiche Agenda des Allgemeinen Rates und den damit verbundenen Koordinierungsaufgaben verbleibt für die außenpolitische Agenda immer weniger Zeit. Durch die Trennung des Allgemeinen Rates und des Außenministerrates könnte eine Konzentration auf außen- und sicherheitspolitische Fragen erfolgen, die eine vertiefte Beratung der europäischen Außenpolitik ermöglicht. Dieser Vorschlag findet sich auch im Bericht des Generalsekretärs des Rates der Europäischen Union "Preparing the council for enlargement" vom 11. März 2002. In der deutschen Regierungskoalition war der Vorschlag lange umstritten, wird nun aber von beiden Regierungsparteien getragen. Die Trennung von Allgemeinem Rat und Rat für Außenbeziehungen ist - neben anderen Reformschritten - auf dem Europäischen Rat in Sevilla vom 21./22. Juni 2002 erfolgt. Die zunehmende Praxis der Einrichtung von eigenen Europaministern in den anderen Mitgliedsländern würde die von Schröder und Solana vorgeschlagene Konstruktion eines Rates der Europaminister als Allgemeiner Rat unterstützen.

Die außenpolitische Effizienz soll durch die Ausweitung der qualifizierten Mehrheitsregel in außenpolitischen Fragen verbessert werden. Damit sollen Entscheidungsblockaden verringert werden, die durch die jetzige Praxis der Einstimmigkeit entstehen können. Diese Forderung zur Veränderung des Abstimmungsmodus im Rat der Außenminister wurde in den ersten Plenarsitzungen des Europäischen Konventes häufig erhoben. In Deutschland fordern Regierung und Opposition gleichermaßen die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel. Allerdings macht die CDU/CSU-Opposition Einschränkungen zu dieser Forderung. Im Schäuble-Bocklet-Papier fordert sie für die Zeit der intergouvernementalen Ordnung des außenpolitischen Politikfeldes die Einstimmigkeit im Europäischen Rat und die Mehrheitsentscheidung im Ministerrat. Im Umfeld des Hohen Repräsentanten für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik finden sich ebenfalls Befürworter der qualifizierten Mehrheitsregel.

Die Einführung der qualifizierten Mehrheitsregel unterstreicht das unterschiedliche Gewicht von großen und kleinen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union. Noch stärker würde dieser Unterschied durch die Einrichtung eines Direktoriums oder einer Art Sicherheitsrat der Europäischen Union mit ständigen und nichtständigen Mitgliedern. Im Januar 2001 wurde der britischen Regierung von der Financial Times ein solcher Vorschlag zugeschrieben, der allerdings umgehend dementiert wurde, nachdem er heftig von der Kommission kritisiert worden war. Danach sollte ein Gremium geschaffen werden, das die ständige Arbeitsfähigkeit des Rates auch nach einer Erweiterung auf 25 Mitglieder sicherstellen soll. Der dem VN-Sicherheitsrat nachgebildete "super council" sollte die Möglichkeit erhalten, auch außerhalb der regulären Ratstreffen mit 25 Mitgliedsländern exekutive Entscheidungen zu treffen. Als Mitglieder in einem solchen Rat wären die drei großen Mitgliedsländer ständig vertreten, während die anderen Mitgliedsländer nach dem Rotationsprinzip teilnehmen würden. Damit erhielten die drei großen Mitgliedsländer Deutschland, Großbritannien und Frankreich eine besonders herausgehobene Position gegenüber den übrigen Mitgliedsländern. Diese Festschreibung eines Direktoriums oder einer konsortialen Führung ist höchst umstritten und dürfte kaum Aussicht auf Verwirklichung haben. Der Vorschlag kann als Testballon der britischen Regierung gelten. Er wurde seither auch nicht weiter verfolgt, statt dessen lancierte London am 15. Mai 2002 den Vorschlag zur Schaffung eines ständigen EU-Präsidenten.