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Konturen einer Allianzstrategie der EU

Wie die europäische Sicherheit mit Partnern jenseits der USA gestärkt werden soll

SWP-Aktuell 2025/A 28, 10.06.2025, 8 Seiten

doi:10.18449/2025A28

Forschungsgebiete

Europa muss seine Verteidigungsfähigkeit neu aufstellen, angesichts der Volten in Washington notfalls auch ohne die USA. Im März 2025 hat die EU eine Reihe von Initiativen auf den Weg gebracht, um die Rüstungsindustrie und die rüstungspolitische Zusammenarbeit zu stärken. Durch diese Vorhaben könnte sie auch ihre Part­nerschaftsstrategie neu ordnen. Frühere Brüsseler Formate zur Kooperation im Rüstungsbereich standen ausschließlich Mitgliedern von EU und Europäischem Wirt­schaftsraum (EWR) offen. Das im Mai 2025 von der EU verabschiedete SAFE-Instru­ment sieht hingegen für die Ukraine ein Level an Integration auf diesem Sektor vor, das dem eines EU-Staates nahekommt. Mit dem Vereinigten Königreich hat die EU hier über ein Sicherheitspartnerschaftsabkommen erstmals nach dem Brexit neue Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen. Auch Ländern wie Kanada, der Türkei, Japan, Südkorea oder sogar Indien will die EU über Partnerschaftsabkommen Anknüpfungs­punkte bieten. Dies könnte der Beginn einer neuen Allianzstrategie werden.

Seit die USA unter Präsident Donald Trump einen Strategiewechsel in der Ukraine-Poli­tik vollzogen haben und direkte Verhand­lungen mit Russland ohne die Euro­päer führen, befindet sich die europäische Sicherheitsordnung in einer Phase der Neu­orientierung. Alte Gewissheiten lösen sich auf, insbesondere der feste Glaube an die amerikanische Sicherheitsgarantie. Die Europäer, so der neue Grundtenor, müssen schnellstmöglich mehr Verantwortung für die eigene Sicherheit übernehmen und dabei massiv in ihre Verteidigung und Rüs­tungsindustrie investieren.

Dabei bleibt die institutionelle Komponente dieser Neuordnung komplex, ebenso die Frage, wer genau zu »Europa« gehört. Die Nato bildet weiterhin den zentralen Rahmen für die gemeinsame Verteidigung – mit einem stärkeren Fokus auf ihrem europäischen Pfeiler –, während Frankreich und Großbritannien eine Koalition der Willigen für eine mögliche Mission in der Ukraine schmieden. Die EU indes zielt darauf ab, die rüstungsindustriellen und fiskalischen Grundlagen für eine autonome europäische Verteidigungsfähigkeit zu ver­bessern.

Hierzu hat die EU unter dem Titel »Readi­ness 2030« ein Weißbuch zur Verteidigung veröffentlicht und eine Reihe von Instru­menten auf den Weg gebracht, um die Mit­gliedstaaten im Rüstungsbereich zu unter­stützen und die entsprechende Zusammen­arbeit zu verstärken. Dazu gehört das im Mai verabschiedete Instrument »Security Action For Europe« (SAFE), mit dem die EU 150 Milliarden Euro aufnehmen und den Mitgliedstaaten als Kredite zur Verfügung stellen will. Weitere Instrumente sind die zunächst auf vier Jahre angelegte und potentiell dauerhafte Herausnahme natio­naler Verteidigungsausgaben aus den EU-Fiskalregeln, die Mobilisierung von priva­tem Kapital sowie Verfahren und Anreize für eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung.

Öffnung für Partner der EU

Es ist dieser Bereich von gemeinsamer Be­schaffung und gemeinsamen Investitionen in die europäische Rüstungsindustrie, für den EU-Staaten auf Vorschlag der Kommission einen neuen Umgang mit Partnern der Union in der Sicherheits- und Verteidigungs­politik vereinbart haben. Die EU-Kommis­sion baut dabei auf dem Strategischen Kom­pass von 2022 auf, nach dem Sicherheitspartnerschaften eine der Säulen der EU-Außen- und Sicherheitspolitik bilden sollen (siehe SWP-Aktuell 1/2022).

Neu ist aber die Rüstungskomponente. Bislang spielt die EU auf diesem Politikfeld nur eine untergeordnete Rolle. Die militä­rische Beschaffung ist von den regulären Regeln des Binnenmarkts weitgehend aus­genommen (siehe Art. 346 AEUV). Instrumente wie der EU-Verteidigungsfonds (EDF) hatten einen Umfang, der sie für entsprechende Entscheidungen von Mitgliedstaaten wenig relevant machte. Ändern soll sich das nun mit SAFE, mit einer Plattform für gemeinsame Beschaffung und mit weiteren Initiativen.

Bei ihren bisherigen Instrumenten zur Rüstungszusammenarbeit war die EU sehr restriktiv, was die Beteiligung befreundeter Drittstaaten anging. Dabei hat sie kein übergeordnetes Regelwerk für solche Fälle, sondern jeweils leicht unterschiedliche Vorgaben etwa für die Zusammenarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), die Einbindung in ausgewählte Pro­jekte unter der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SSZ) oder die Beteiligung am EDF (siehe SWP Working Paper, Research Division EU/Europe 2/2025). So haben etwa über 20 Staaten Abkommen geschlossen, um an EU-Operationen teilzunehmen. Die USA, Kanada und perspektivisch das Ver­einigte Königreich beteiligen sich am SSZ-Projekt zur militärischen Mobilität. Eine klare Grenze hatte die EU bisher jedoch gezogen: Rüstungsindustrielle Kooperationen standen bis auf wenige Ausnahmen nur EU-Mitgliedern und solchen Staaten offen, die über den EWR an den EU-Binnen­markt angebunden sind – Letzteres betrifft insbesondere Norwegen. Das Land ist daher bisher von allen Nicht-EU-Staaten am eng­sten in Instrumente der Brüsseler Verteidigungspolitik eingebunden, in Teilen sogar stärker als manche EU-Staaten wie Malta, Irland oder Österreich. Dies gilt etwa für SSZ-Projekte, die Beteiligung am EDF und an EU-Opera­tionen sowie die Assoziierung mit der EDA.

Anderen Nato-, aber Nicht-EU-Staaten wie dem Vereinigten Königreich oder auch der Türkei blieb eine Beteiligung verwehrt. Das Verteidigungsweißbuch und die SAFE-Verordnung nehmen hier eine potentielle Neuordnung der Partnerschaften vor. Zwar sind die SAFE-Kredite ausschließlich EU-Mitgliedstaaten vorbehalten. Die gemeinsame Beschaffung soll aber nicht mehr über eine reine Integrationslogik erfolgen und damit die Mitgliedschaft im Binnenmarkt voraussetzen; vielmehr soll sie ausgewählten Partner offenstehen, mit denen eine Sicherheitspartnerschaft abgeschlossen wird. Gleichzeitig soll diese Beschaffung primär (zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent) auf europäische Rüstungs­firmen entfallen, potentiell einschließlich der Firmen aus Partnerstaaten. Parallel haben die EU-Spitzen im März 2025 begon­nen, jeweils am Tag nach dem Europäischen Rat »like-minded« Partner zu kon­sultieren. Die nachfolgend thematisierten Länder stehen dabei im Vordergrund.

Karte 1

Karte 1: EU-Allianzstrategie

Sonderrolle für die Ukraine

Eine bemerkenswert herausgehobene Rolle nimmt zunächst die Ukraine ein. Bei SAFE wird sie – analog zu den EWR-Staaten – auf derselben Stufe behandelt wie EU-Mit­glieder. Dies ist insofern erstaunlich, als die Ukraine anders als die EWR-Mitglieder nicht am EU-Binnenmarkt teilnimmt. Kom­missionspräsidentin Ursula von der Leyen strebt dennoch eine enge Integration der ukrainischen Rüstungsindustrie an, die sich unter dem Druck des Krieges schnell fortentwickelt, etwa bei Drohnen und KI-Technik.

Die Sonderstellung der Ukraine geht noch weiter. So sollen EU-Mitgliedstaaten, welche SAFE-Kredite beantragen wollen, der EU-Kommission einen »Rüstungsindustrie-Investitionsplan« vorlegen. Darin sollen nicht nur die geplanten Anschaffungen be­nannt, sondern auch eigene Schritte zur Unterstützung der Ukraine sowie deren Beteiligung an gemeinsamer Beschaffung hervorgehoben werden (Art. 7 Abs. 2 SAFE-Verordnung).

Die 65-Prozent-Vorgabe soll dabei für all jene Firmen gelten, die in der EU, dem EWR oder der Ukraine angesiedelt sind – ohne dass Kyjiw dafür ein Partnerschaftsabkommen abschließen muss. Dies soll die Ver­netzung zwischen ukrainischer und EU-europäischer Rüstungsindustrie beschleunigen, stellt aber auch ein bemerkenswertes Beispiel gradueller Integration in die EU lange vor der angestrebten Vollmitgliedschaft dar. Nicht zuletzt war der ukrainische Präsident bei den meisten Treffen des Europäischen Rates seit 2022 als Gast für einzelne Agendapunkte dabei – ob persön­lich oder per Video zugeschaltet.

Neue Sicherheitspartnerschaft mit dem Vereinigten Königreich

Neue Möglichkeiten hat die EU explizit auch für das Vereinigte Königreich (UK) ge­schaffen. Zwar hat sich London durch den Brexit aus jeglicher institutionalisierten Kooperation mit der EU in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zurückgezogen. Schon seit der russischen Vollinvasion in der Ukraine 2022 jedoch findet eine Wie­derannäherung statt; die amtierende Labour-Regierung strebte hierfür einen EU-UK-Sicherheitspakt an (siehe SWP-Aktuell 32/2024). Die bisherigen Drittstaatenregeln, mit denen Länder jenseits des EU-Binnen­markts bei rüstungsindustrieller Koopera­tion klar ausgegrenzt werden, hätten die Reichweite eine solchen Sicherheitspakts aber stark beschränkt.

Die SAFE-Verordnung und das Verteidigungsweißbuch sehen nun vor, dass die gemeinsame Beschaffung und die Herkunftsmodalitäten über EU- und EWR-Mitglieder sowie die Ukraine hinaus auf »like-minded« Staaten ausgeweitet werden können, die ein Sicherheitspartnerschaftsabkommen mit der EU ausgehandelt haben. Zu diesen »like-minded« Staaten zählt die EU-Führung explizit auch das Vereinigte Königreich – und hat mit diesem im Mai 2025 auf dem ersten EU-UK-Gipfel seit dem Brexit ein Sicherheitspartnerschaftsabkom­men geschlossen.

Mit diesem Abkommen werden die Weichen unter vier Aspekten neu gestellt. Erstens wird eine der Lücken des Handels- und Kooperationsabkommens geschlossen, das nach dem Brexit in einer Phase verein­bart wurde, als die Briten unter Premier Boris Johnson eine strukturelle Zusammenarbeit mit der EU in der Außen- und Sicher­heitspolitik noch explizit ausschlossen. Dagegen werden nun regelmäßige Formate zum Austausch zwischen der Hohen Vertre­terin und dem britischen Außen- wie Ver­teidigungsminister geschaffen, sowie auf Arbeitsebene zwischen dem Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) und den entspre­chenden britischen Ministerien.

Zweitens legt das Abkommen – in Kombination mit der zeitgleich verhandelten SAFE-Verordnung – die Grundlage dafür, dass sich das Vereinigte Königreich an gemeinsamer Beschaffung in der EU be­teiligen kann, ohne dafür im Binnenmarkt zu sein. Um dies zu verwirklichen und um festzulegen, unter welchen Konditionen britische Rüstungsunternehmen unter die 65 Prozent interner Beschaffung von SAFE fallen, ist jedoch noch eine weitere Verein­barung nötig, über die nun verhandelt wird. Darüber hinaus enthält das Partnerschaftsabkommen – drittens – eine Reihe von Absichtsbekundungen für eine Vertie­fung der EU-UK-Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Vor­gesehen sind unter anderem ein Rahmenabkommen für die britische Beteiligung an zivilen und militärischen EU-Operationen, ein Abkommen zur administrativen Zusam­menarbeit mit der Europäischen Verteidigungsagentur sowie die Kooperation bei militärischen Übungen bis hin zum Aus­tausch von Personal zwischen EU und briti­schen Institutionen.

Viertens schließlich wurde eine breite Palette an Themen festgelegt, bei denen man die Zusammenarbeit intensivieren möchte. Dazu gehören regionale Sicherheit (wie etwa zu Ukraine, dem Westlichen Balkan, der Arktis oder dem Indo-Pazifik), die Koordination von Sanktionen, maritime Sicherheit, rüstungspolitische Initiativen, Cyber-Sicherheit, die Abstimmung in inter­nationalen Organisationen, externe Wirt­schaftssicherheit, Migration, der Nexus von Klima und Sicherheit sowie globale Gesund­heit. Neben Norwegen steigt das Vereinigte Königreich damit – potentiell, wenn die Absichtserklärungen tatsächlich verfolgt werden – zum engsten Sicherheitspartner der EU auf.

Balanceakt mit der Türkei

Andere Herausforderungen stellt die Ein­bindung der Türkei. Auf der einen Seite ver­fügt das Land über die zweitgrößten Streit­kräfte der Nato; es hat eine substantielle Rüstungsindustrie etwa im Bereich von Drohnen aufgebaut und unterhält bereits Rüstungsvereinbarungen mit einzelnen EU-bzw. Nato-Staaten wie Polen, Spanien oder Italien. Zudem ist die strategische Bedeutung des Landes für die Region am Schwar­zen Meer, für den Südkaukasus und den Nahen Osten noch gestiegen. Auf der ande­ren Seite sind die Sicherheitsbeziehungen zwischen EU und Ankara wegen des Zypern-Konflikts seit 2004 de facto blockiert. Zwar hat sich die Türkei an früheren militärischen Operationen im Rahmen der Gemein­samen Sicherheits- und Verteidigungs­politik (GSVP) beteiligt, doch war sie bisher von allen rüstungspolitischen Initiativen wie der SSZ, dem EDF oder der EDA ausge­schlossen. In Regionen mit starker türki­scher Präsenz tritt Ankara zudem durchaus als strategischer Rivale zu (Teilen) der EU auf, etwa im Falle Syriens. Nicht zuletzt hat sich der Trend hin zur Autokratisierung der Türkei in jüngster Zeit beschleunigt. Auffäl­lig war hier insbesondere, dass die Festnah­me des Istanbuler Bürgermeisters und Erdoğan-Konkurrenten Ekrem İmamoğlu im März 2025 kurz nach der Einladung zum strategischen Austausch mit der EU erfolgte. Entsprechend vorsichtig fiel die offizielle Kritik von Brüsseler Seite aus.

Angesichts dieses nicht neuen Balanceakts ist es umso bemerkenswerter, dass sich die EU stärker dafür öffnet, Ankara sicher­heitspolitisch einzubinden. Bei den Konsul­tationen mit »like-minded« Partnern nach Treffen des Europäischen Rates war die Tür­kei jeweils eingeladen. Auch beim britisch-französischen Strang der Koalition der Wil­ligen war sie ab dem Londoner Treffen vom 2. März 2025 jeweils vertreten; öffent­lich hat sie in Aussicht gestellt, sich an einer potentiellen militärischen Präsenz in der Ukraine zu beteiligen.

Die EU-Kommission hat ihrerseits mit der SAFE-Verordnung vorgeschlagen, dass sich alle Beitrittskandidaten – einschließlich der Türkei – an gemeinsamen Beschaffungsvorhaben beteiligen können. Umgekehrt zählen Rüstungsprodukte aus der Türkei und anderen Kandidatenländern aber nicht automatisch zum »europäischen« Anteil, anders als Güter aus der Ukraine. Die (wenn auch vorsichtige) Annäherung an die Türkei zeigt sich besonders im Kontrast zum Um­gang mit anderen Beitrittskandidaten jen­seits der Ukraine, die jeweils nicht bei den nun zweimal durchgeführten Austauschformaten nach den Europäischen Räten im März 2025 dabei waren. Dies betrifft auch die bereits der Nato beigetretenen Staaten Montenegro, Albanien und Nordmazedo­nien. Mit letzteren beiden hat die EU jedoch schon Sicherheitspartnerschaften geschlossen. Fragezeichen stehen auch über dem Umgang mit Georgien: Zwar wäre dessen Beitrittskandidatur rechtlich zulässig, bis 2024 hat die EU mit Georgien außerdem einen regelmäßigen Sicherheitsdialog ge­führt. Seitdem sich die georgische Regierung in jüngerer Zeit aber Russland zu­gewandt hat, ist der Beitrittsprozess de facto eingefroren und eine konkrete Einbindung unwahrscheinlich, solange sich die politi­schen Verhältnisse in Georgien nicht wie­der ändern.

Verstärkung globaler Partnerschaften

Über die direkte EU-Nachbarschaft hinaus will die EU ebenfalls weitere Sicherheitspartnerschaften schließen. Von besonderer Bedeutung ist nunmehr Kanada, das von der Trump-Administration mit besonders hohen Zöllen belegt wurde und dem der Präsident regelmäßig droht, es zum »51. Bundesstaat« der USA zu machen. In der Folge stimmt sich die EU in Handelsfragen eng mit Kana­da ab, und sie hat bereits Verhandlungen über ein Sicherheitsabkommen begonnen. Letzteres soll ausdrücklich auch eine rüs­tungsindustrielle Komponente enthalten, damit sich das Land an gemeinsamer Be­schaffung beteiligen kann und kanadische Produkte in den »europäischen« Anteil ein­gerechnet werden. Anders als üblich ist Kanadas neuer Premierminister Mark Car­ney zu seinem ersten Auslandsbesuch nicht in die USA gereist, sondern nach Frankreich und Großbritannien. Der kommende EU-Kanada-Gipfel, den beide Seiten am Vor­abend des Nato-Treffens Ende Juni 2025 pla­nen, soll ebenfalls einen starken Fokus auf die sicherheits- und verteidigungspolitische Zusammenarbeit legen. Einen Sicherheitsdialog hat die EU seit 2023 auch mit dem Nato-Staat Island.

Herausgehobene globale Partner der EU sind zudem Japan und Südkorea. Mit beiden Ländern unterhält sie bereits seit längerem tiefe Freihandelsabkommen, seit Ende 2024 jeweils auch ein Sicherheitsabkommen. Für einzelne Mitgliedstaaten ist Südkorea mitt­lerweile zu einem wichtigen Rüstungslieferanten geworden, etwa für Polen (siehe SWP Research Paper 2/2023). Beide Länder haben die Ukraine finanziell und mit Waf­fenlieferungen unterstützt, auch als Signal an China mit Blick auf Taiwan. Im Verhält­nis zu Australien, mit dem die EU über ein Freihandelsabkommen verhandelt, und zu Neuseeland, mit dem ein solches Abkommen seit 2024 in Kraft ist, soll ebenfalls eine sicherheitspolitische Kooperation eruiert werden.

Als potentiellen Partner hebt die EU auch Indien hervor (siehe SWP-Studie 23/2024), mit dem sie bereits in den vergan­genen Jahren regelmäßig Konsultationen durch­geführt hat. Ein EU-Indien-Freihandels­abkommen wird ebenfalls angestrebt, ob­wohl sich die Verhandlungen hierzu kom­plex gestalten. Im Februar 2025 besuchte die gesamte Kommission von der Leyen das Land – als erste außereuropäische Reise der neuen Amtszeit. In Neu-Delhi wurde unter anderem vereinbart, ein mögliches Sicherheitspartnerschaftsabkommen zu prüfen. Mit Singapur will die EU einen Sicherheitsdialog schaffen.

Kernaspekte der bestehenden Sicherheitspartnerschaften

Das Interesse der EU an eigenen Sicherheitspartnerschaften ist nicht völlig neu. Schon vor dem neuen Abkommen mit dem Vereinigten Königreich hat sie 2024 eine ganze Serie davon geschlossen, und zwar (in der Reihenfolge der Unterzeichnung) mit der Republik Moldau, Norwegen, der Ukraine, Japan, Südkorea, Albanien und Nordmazedonien. Diese ersten Partnerschaftsabkommen verbindet, dass sie die gemeinsame Wertebasis betonen und ihre Bedrohungsanalyse sich auf dieselben Gefahren richtet – wie hybride Angriffe, Cyber-Attacken, internationalen Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen oder die Bedrohung interna­tionaler Organisationen. Sie sind zwar keine gegenseitigen Beistandsabkommen. Alle sechs Vereinbarungen erwähnen aber die Beteiligung an EU-Missionen und ‑Ope­rationen, den strukturierten Dialog zu Sicherheitsfragen und die potentielle Ab­stimmung in internationalen Foren. Hierfür wird jeweils auch ein institutioneller Rah­men geschaffen; dazu gehören etwa jähr­liche Gipfel der EU mit Japan und Süd­korea sowie strategische Dialogformate auf Arbeits- und Ministerebene.

Die Unterschiede zwischen den Abkommen liegen vor allem in der Tiefe der Zu­sammenarbeit und einzelnen abweichenden Prioritäten. So ist, analog zur bishe­rigen Kooperation, das Abkommen mit Norwegen (und nunmehr das mit Großbritannien) am tiefsten und konkretesten. Ein erwartbarer Unterschied der Sicherheitspartnerschaften mit Japan und Südkorea ist, dass die betreffenden Abkommen nicht die Unterstützung der Ukraine oder die Zusammenarbeit beim Grenzschutz erwäh­nen, dafür aber einen größeren Fokus auf maritime Sicherheit und den Schutz von Handelswegen legen. Diese beiden Verein­barungen enthalten auch eine Absichts­erklärung für ein Abkommen über die Sicherheit von Verschlusssachen, wie es die EU mit den anderen vier Staaten bereits unterhält, ebenso wie etwa dem Vereinigten Königreich, Kanada oder den USA.

In ihrer bisherigen Form sind die Sicherheitspartnerschaftsabkommen daher vor allem symbolisch und auf eine Verstärkung der Koordination ausgerichtet; wechsel­seitige Beistandszusagen finden sich dagegen nicht. Vieles, wie etwa gemeinsame Übun­gen oder die Beteiligung an GSVP-Operatio­nen, verbleibt zunächst auf der Ebene von Absichtserklärungen. Was die Rüstungs­industrie angeht, werden jeweils nur Kon­sultationen in Aussicht gestellt; eine Rege­lung zur Beteiligung an GSVP-Instrumenten enthalten die bisherigen Abkommen aber noch nicht. Auf Grundlage von SAFE wäre nun bei den betreffenden Staaten denkbar, sie in die gemeinsame Beschaffung einzu­binden. Um umfangreicher von dem neuen Instrument profitieren und mit der eigenen Rüstungsindustrie zu den mindestens 65 Prozent Eigenanteil zählen zu können, müssten die Staaten jedoch – wie auch das Vereinigte Königreich oder die Beitritts­kandidaten – noch eine separate Verein­barung mit der EU zu SAFE schließen.

Partnerschaften auf drei Ebenen

Perspektivisch will die EU mit ihren Initia­tiven in der Verteidigungs- und Rüstungspolitik nicht nur die europäische Wehrhaftigkeit und Industrie stärken, sondern auch ein neues Netz an Partnerschaften schaffen. Folgt man der Liste bestehender und poten­tieller Partner, so lassen sich auf drei Ebe­nen die Konturen einer EU-Allianzstrategie erkennen.

Erstens werden wie bisher die Mitglieder des EWR am engsten ein- und angebunden. Dies betrifft insbesondere Norwegen, das in weiten Teilen stärker in die GSVP-Struk­tu­ren integriert ist als manche EU-Staaten. Neu ist aber, dass bei SAFE die Ukraine größtenteils wie ein EU-Mitglied behandelt wird und EU-Staaten, die das Instrument nutzen, von einer Zusammenarbeit mit Kyjiw besonders profitieren.

Auf zweiter Ebene stehen »like-minded« Nato-Partner jenseits der EU, mit denen die Brüsseler Führung nun schon mehrmals Konsultationen jeweils nach dem Europäischen Rat durchgeführt hat. Von besonderer Bedeutung ist hier das Vereinigte König­reich. Das Sicherheitspartnerschaftsabkom­men mit London eröffnet nun die Aussicht auf eine verteidigungspolitische und rüs­tungsindustrielle Zusammenarbeit, die auch eine britische Beteiligung an der ge­meinsamen Beschaffung umfassen könnte – Details, einschließlich die Modalitäten der SAFE-Beteiligung, müssen aber noch ausgehandelt werden. Das wird von beiden Seiten erfordern, alte Brexit-Traumata zu überwinden. Auch Kanada wendet sich, angesichts konstanter Drohungen aus Washington, der EU und den Europäern zu. Das Verhältnis mit der Türkei bleibt kompliziert, könnte aber ebenfalls in eine Sicherheitspartnerschaft münden.

Auf der dritten Ebene angesiedelt sind globale Partner. Unter diesen hat die EU bereits mit Japan und Südkorea Sicherheitspartnerschaften abgeschlossen, die aber bisher vor allem Absichtserklärungen, Abstimmungsformate und diplomatische Freundlichkeiten beinhalten. Weitere potentielle Partner sind Australien und Neuseeland, ebenso Indien und Singapur.

Mit eigener Attraktivität zum Erfolg führen

Wichtigste Voraussetzung für den Erfolg dieser Allianzstrategie ist zunächst, dass die EU selbst attraktiv wird. Nur eine EU, in der umfassend in Sicherheit und Verteidigung investiert wird und in der solche Investitionen großteils der eigenen Industrie und derjenigen ausgewählter Partner zufließen, kann wertvolle Sicherheitsabkommen an­bieten. SAFE braucht eine breitflächige Nutzung seitens der Mitgliedstaaten, um da erfolgreich zu sein, wo bisherige EU-Initia­tiven gescheitert sind: beim Aufbau von ge­meinsamer Beschaffung, von Finanzierung und Zusammenarbeit bei der Wiederbe­waffnung Europas. Die neue Bundesregie­rung sollte hier mit gutem Beispiel voran­schreiten. Dann kann die EU mit aussichts­reichen Angeboten auf die Partner zugehen.

Klug ausgestaltete Partnerschaften der EU sollten dabei die komplexe europäische Sicherheitsarchitektur vereinfachen oder zumindest nicht weiter verkomplizieren. Inkompatibilitäten mit Nato-Initiativen sind deshalb strikt zu vermeiden. Umgekehrt können EU-Projekte durch eine enge Anbindung von Nato-Partnern den euro­päischen Pfeiler der Allianz stärken; dies be­trifft Länder wie das Vereinigte Königreich, Norwegen, Kanada oder (mit Augen­maß) auch die Türkei.

Um eine echte Allianzstrategie zu verwirklichen, sollten Deutschland und die EU perspektivisch daran arbeiten, die Sicherheitspartnerschaften wo möglich mit brei­terer Kooperation zu verknüpfen – in der Handelspolitik, bei der Verteidigung der regelbasierten Ordnung und im geostrategischen Wettbewerb. Mit wichtigen der ge­nannten Partner verfügt die EU bereits über weitreichende Handelsverträge, von der EWR-Mitgliedschaft Norwegens über die Assoziationsabkommen mit der Ukraine sowie weiteren Beitrittskandidaten und das Handels- und Kooperationsabkommen mit Großbritannien bis hin zu den Freihandelsabkommen mit Kanada, Japan und Süd­korea. Die aggressive und unberechenbare Zollpolitik der US-Administration erfordert neue Partnerschaften, die mit Sicherheitskooperationen gekoppelt werden könnten. Dafür gäbe es eine Reihe an Optionen. So ließen sich mit Partnern etwa Konsulta­tionsmechanismen für den Fall von – wirt­schaftlichen oder militärischen – Zwängen durch Dritte einrichten, Dialoge zur militä­rischen Sicherheit mit solchen zur wirt­schaftlichen zusammenlegen oder gemein­same Maßnahmen zu sicherheitsrelevanten Themen vereinbaren, wie Zugang zu kriti­schen Rohstoffen oder Schutz von Liefer­ketten und kritischer Infrastruktur. Dies erfordert auch innerhalb der EU mehr Synergien zwischen wirtschaftlicher und militärischer Sicherheit, insbesondere durch Koordination innerhalb der Kom­mission und mit dem EAD.

Wollen die Europäer verhindern, dass sie in einer zunehmend von Interessensphären geprägten Welt zum Spielball fremder Mächte werden, müssen sie die Kraft auf­bringen, ein eigener Pol zu werden. Nicht alle Schritte dafür müssen im EU-Rahmen erfolgen, wie etwa die britisch-französische Initiative zur Unterstützung der Ukraine zeigt. Doch attraktive Sicherheitspartnerschaften der EU, aufbauend auf gemeinsamen Investitionen und einer Stärkung der eigenen Rüstungsindustrie sowie gekoppelt an den Ausbau von Handelsbeziehungen, können als wirkmächtiges Instrument die­nen. Damit sollte es auch möglich sein, dass die EU und der europäische Pfeiler der Nato in Europas Sicherheitsarchitektur nicht gegeneinander ausgespielt werden. Anzu­streben ist vielmehr, dass die EU ihre Stärke im Binnenmarkt mit effektiven Sicherheits­partnerschaften verbindet.

Dr. Nicolai von Ondarza ist Leiter der Forschungsgruppe EU / Europa.

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