Der Terroranschlag in Pahalgam, bei dem am 22. April insgesamt 26 Menschen ermordet wurden, hat den Kaschmir-Konflikt zwischen Indien und Pakistan zurück auf die internationale Bühne gebracht. Die militärischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern und die diplomatische Intervention der USA haben eine Reihe von Dilemmata Indiens im Umgang mit Pakistan offenkundig werden lassen. Auf nationaler Ebene gelingt es Indien nicht, den Terror in Jammu und Kaschmir dauerhaft einzudämmen. Im regionalen Kontext ist das Land trotz seiner konventionellen Überlegenheit nicht imstande, eine wirksame Abschreckung gegenüber Pakistan aufzubauen. Auf internationaler Ebene ist die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, im Kaschmir-Konflikt zu vermitteln, für Indien ein herber diplomatischer Rückschlag.
Der Anschlag in Pahalgam im indischen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir war gemessen an der Zahl der zivilen Opfer der schwerste Terrorangriff seit dem Anschlag in Mumbai 2008. In beiden Fällen gilt die Terrorgruppe Lashkar-e-Toiba (LeT) als Drahtzieher. Zu dem Anschlag in Pahalgam hat sich zunächst die Gruppe »Die Widerstandsfront« (The Resistance Front) bekannt. Die Widerstandsfront tötete bei dem Angriff gezielt Hindus. Sie rechtfertigte ihre Aktion mit dem demografischen Wandel, der seit den Änderungen des Status von Kaschmir im Jahr 2019 durch eine wachsende Zahl von Hindus in der Region stattgefunden habe. Wenige Tage später widerrief die Gruppierung allerdings ihr Bekenntnis. Indischen Sicherheitsexperten gilt die Widerstandsfront als lokaler Ableger der LeT. Die verbotene Terrorgruppe hat wiederum Verbindungen zum pakistanischen Geheimdienst Inter-Services Intelligence (ISI). Im Jahr 2016 hatte der frühere pakistanische Präsident und Chef des Generalstabs Musharraf erklärt, dass der ISI die LeT trainiere.
Der Angriff in Pahalgam reiht sich ein in eine Reihe ähnlicher Anschläge, zu deren Zielen es unter anderem gehört, eine regionale Krise zwischen Indien und Pakistan heraufzubeschwören, die dann zu einer internationalen Vermittlung in der Kaschmir-Frage führen soll. Im Unterschied zu früheren Krisen, wie zum Beispiel 1999, 2001/02 oder 2019, scheint der Plan dieses Mal aufgegangen zu sein. Der Ausgang der Krise offenbart die Probleme Indiens im Umgang mit Pakistan auf nationaler, bilateraler und internationaler Ebene.
Die nationale Ebene: keine Normalisierung in Kaschmir
Im August 2019 setzte die hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) von Premierminister Narendra Modi ein langjähriges Wahlversprechen um. Sie teilte den mehrheitlich muslimischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir in zwei neue Unionsterritorien, Jammu und Kaschmir sowie Ladakh. Beide werden nun direkt von Neu-Delhi aus verwaltet und verlieren eine Reihe von Sonderrechten. Dieser Schritt löste heftige Proteste in Pakistan aus, das darin eine Verletzung der Resolutionen der Vereinten Nationen sah.
Die indische Regierung hat sich seit 2019 um eine Normalisierung der Situation im neuen Unionsterritorium Jammu und Kaschmir bemüht. Die Wirtschaft der Region profitierte von einer Erholung der Tourismuszahlen und der Eröffnung einer Eisenbahnverbindung mit Neu-Delhi, die die Integration mit Indien vertiefte. Was die politische Entwicklung betrifft, so war die Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen 2024 mit über 60 Prozent trotz aller Proteste vergleichsweise hoch. Die Hurriyat-Konferenz, ein loser Zusammenschluss pro-pakistanischer Parteien und Gruppen im indischen Kaschmir, die teilweise auch Kontakte zu Terrorgruppen unterhielten, hat nicht zuletzt auch auf Druck Indiens in den letzten Jahren an Einfluss verloren. Auch die Sicherheitslage in dem Gebiet hatte sich zunächst verbessert, bevor sie sich 2024 wieder verschlechterte. Indische Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass 2024 im Kaschmir-Tal circa 80 ausländische, das heißt vor allem aus Pakistan stammende Terroristen aktiv waren. Die pro-indischen Parteien in Kaschmir wiederum hatten 2019 zwar vehement gegen die Auflösung des Bundesstaats protestiert, kritisierten aber ebenfalls den Terroranschlag in Pahalgam, der den Tourismus, die Haupteinnahmequelle der Region, traf.
Der Anschlag in Pahalgam unterstreicht, dass Indien auch weiterhin nicht in der Lage ist, in Jammu und Kaschmir Sicherheit zu gewährleisten. Trotz einer verstärkten Überwachung gelingt es der Regierung in Neu-Delhi nicht, die Infiltration von Kämpfern aus Pakistan zu unterbinden. Kaschmir ist somit weit entfernt von einer Normalisierung, wie sie die Regierung Modi propagiert hat. Die indischen Sicherheitskräfte verhafteten zwar rund 1.500 Personen und zerstörten Häuser von Familien von Verdächtigen. Es gelang ihnen allerdings nicht, die Attentäter aufzuspüren und festzunehmen. Experten wiesen darauf hin, dass sich die Verhaftungen und Zerstörungen als kontraproduktiv erweisen könnten, da sie die Verärgerung über die Sicherheitskräfte neu anheizen und es diesen weiter erschweren könnten, im Kampf gegen den Terrorismus verwertbare Informationen aus der Bevölkerung zu beziehen.
Die bilaterale Ebene: die begrenzte Abschreckung
Als Reaktion auf den Anschlag startete Indien am 7. Mai die Operation Sindoor und führte zunächst Luftschläge auf eine Reihe von Einrichtungen terroristischer Gruppen in Pakistan durch. Premierminister Modi etablierte damit ein neues »Normal« als Reaktion auf Terroranschläge. Im Unterschied zu früheren Operationen 2016 und 2019 attackierte Indien nun auch gezielt das Hauptquartier der LeT in Muridke und das der Organisation Jaish-e-Mohammed (JeM) in Bahawalpur, die unter anderem für den Anschlag in Pulwama 2019 verantwortlich zeichnete. Erstmals seit dem Krieg 1971 griff Indien damit jenseits der internationalen Grenze Orte in Pakistan in der Provinz Punjab an. Pakistan reagierte mit Raketen- und Drohnenangriffen auf Militäranlagen in Indien, was eine Eskalation in Gang setzte. Aufgrund der Pressezensur auf beiden Seiten gibt es keine verifizierbaren Informationen über Schäden und Verluste. Pakistan behauptete, sechs indische Kampfjets abgeschossen zu haben, während indische Medien zunächst den Absturz von drei Flugzeugen meldeten. Der amerikanische Nachrichtensender CNN berichtete mit Verweis auf eine französische Quelle über den Verlust eines Rafale-Kampfjets.
Die militärischen Konfrontationen zeigten, dass die indische Luftwaffe offensichtlich nicht die Überlegenheit hatte, von der sie ausgegangen war. Pakistan hat in den letzten Jahren mit Hilfe Chinas seine Fähigkeiten in der Luftverteidigung verbessert. Die indischen Verluste wurden vermutlich durch chinesische Kampfjets und Raketen der pakistanischen Luftwaffe verursacht. Sofern sich der Abschuss eines Rafale-Kampfjets bestätigt, dürfte dies für Indien ein herber Rückschlag sein, gilt doch dieses Flugzeug als Symbol für die Modernisierung der indischen Luftwaffe. Die indische Armeeführung gestand indirekt Verluste ein, betonte aber, dass sie ihre Ziele, die Zerstörung terroristischer Basen, erreicht habe.
Die indischen Streitkräfte haben zwar unter Beweis gestellt, dass sie terroristische Infrastruktur in Pakistan angreifen können, stehen aber vor dem Dilemma, dass sie trotz ihrer quantitativen Überlegenheit keine dauerhafte Abschreckung gegenüber Pakistan herstellen können.
Die internationale Ebene: Die USA als ungeliebter Vermittler
Die USA gelten bei Krisen zwischen Indien und Pakistan als der klassische Vermittler hinter den Kulissen, wie zum Beispiel 1999, 2001/02 und 2019. Die neue Trump-Administration zeigte sich anfangs zurückhaltend gegenüber einer möglichen Intervention in den Konflikt. Presseberichten zufolge rief der indische Angriff auf eine Militärbasis in Rawalpindi, dem Hauptquartier der pakistanischen Streitkräfte, das Eingreifen der USA auf den Plan. Denn in der Nähe dieses Ziels befindet sich auch die Abteilung für Strategische Planungen (Strategic Plans Division, SPD), die für den Einsatz von Nuklearwaffen zuständig ist.
Am 10. Mai vermeldete Präsident Trump auf seiner Plattform Truth Social einen von den USA arrangierten Waffenstillstand zwischen Indien und Pakistan. Zugleich kündigte er an, zwischen beiden Staaten im Kaschmir-Konflikt zu vermitteln. Während dieser Tweet in Pakistan als diplomatischer Erfolg gefeiert wurde, war die Nachricht für Indien ein schwerer Rückschlag.
Indien lehnt seit dem Friedensvertrag von Simla 1972 eine externe Vermittlung in der Kaschmir-Frage ab. Seitdem hat es eine Reihe von bilateralen Verhandlungen gegeben, die allerdings ohne Erfolg blieben. Nach den Terroranschlägen von 2016 hat die Regierung Modi deutlich gemacht, dass Gespräche mit Pakistan erst stattfinden können, wenn das Land seine Unterstützung für Terrorgruppen beendet.
Das Vermittlungsangebot von Präsident Trump in der Kaschmir-Frage war deshalb ein herber außenpolitischer Dämpfer für Indien und dürfte die Beziehungen zu den USA für einige Zeit belasten. Indien gilt in der amerikanischen Indo-Pazifik-Strategie als einer der wichtigsten Partner, um dem Aufstieg Chinas in der Region zu begegnen.
Für Premierminister Modi ist das amerikanische Vorgehen eine empfindliche Schlappe. Modi gilt als Meister der öffentlichen Diplomatie und inszeniert sich gerne als starker Mann. Ausdruck dieses Selbstverständnisses ist nicht zuletzt auch das militärische Vorgehen gegen Pakistan. Dass Präsident Trump den Waffenstillstand als Erster bekanntgab, ließ in Indien den Eindruck entstehen, man sei nicht in der Lage gewesen, ein Ende der Kampfhandlungen herbeizuführen. Demgegenüber lautet das offizielle indische Narrativ, dass Pakistan über die Hotline zwischen den beiden DGMOs (Director General Military Operations) um einen Waffenstillstand nachgesucht habe.
Modi sah sich nun mit dem Protest hindu-nationalistischer Gruppen konfrontiert, die den Waffenstillstand kritisierten und eine Fortführung der Militärschläge forderten. Die Diskussion über die Internationalisierung Kaschmirs ist auch ein Rückschlag für Modis Ambitionen, Indien als Großmacht und Pol in einer multipolaren Welt zu präsentieren. Die indische Regierung wollte mit der Operation Sindoor auch unter Beweis stellen, dass Indien wie andere Großmächte eigenständig gegen terroristische Bedrohungen vorgehen kann. Die öffentliche Intervention der USA und die Internationalisierung des Kaschmir-Konflikts bergen aber jetzt die Gefahr, dass Indien wieder auf einer Stufe mit Pakistan gesehen wird, eine Rangzuordnung, der das Land seit Jahren zu entrinnen versucht. Schließlich wird der Trump-Tweet auch jenen Stimmen im außenpolitischen Establishment in Neu-Delhi Auftrieb geben, die die USA aufgrund historischer Erfahrungen, im Unterschied zu Russland, als unzuverlässigen Partner sehen.
Ausblick: Indiens künftige Pakistan-Politik
Nach den kriegerischen Auseinandersetzungen vom Mai 2025 befinden sich die Beziehungen der beiden Länder auf einem historischen Tiefpunkt. Indiens Reaktion auf den Anschlag in Pahalgam hat einige grundlegende Dilemmata im Umgang mit Pakistan offengelegt. Die Normalisierung der Situation in Kaschmir ist brüchig, die Abschreckung gegenüber dem Nachbarn funktioniert nur begrenzt und international kann die Regierung in Islamabad durch den Trump-Tweet einen unerwarteten diplomatischen Erfolg verbuchen.
Indien hat mit seinen Sanktionen die letzten politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kommunikationskanäle mit Pakistan gekappt. Dabei könnte sich die Aussetzung des Indus-Wasservertrags, der seit 1960 die Wasserverteilung des Indus und seiner Nebenflüsse zwischen beiden Ländern regelt, für Indien als zweischneidiges Schwert erweisen. So könnte Pakistan den seit über siebzig Jahren schwelenden Territorialstreit künftig als Ressourcenkonflikt thematisieren und damit einen größeren internationalen Beistand erhalten. Die Aussetzung des Vertrags spielt indirekt auch islamistischen Hardlinern in Pakistan in die Hände. So rief Hafiz Saeed, der Anführer der mittlerweile verbotenen LeT, bereits in der Vergangenheit zu einem heiligen Krieg um Wasser (Water Jihad) gegen Indien auf. Langfristig stellt sich die Frage, ob die Konzentration auf rein militärische Maßnahmen genügt, um Pakistan von seiner Unterstützung für terroristische Gruppen abzubringen. Die Regierung von Premierminister Modi hat sich damit auch unter Zugzwang gesetzt, auf den nächsten Terroranschlag militärisch noch massiver zu reagieren, was entsprechende pakistanische Gegenmaßnahmen zur Folge haben wird.
Zugleich könnte sich auch das hybride Kriegsszenario zwischen beiden Staaten ausweiten. So hat Pakistan bereits seine Beziehungen zu Bangladesch nach dem Umsturz 2024 ausgebaut. Sofern in Dhaka nach den Wahlen eine indienkritische Regierung an die Macht käme, könnte Pakistan Aufstandsbewegungen im Nordosten Indiens unterstützen, was bereits früher der Fall gewesen sein soll. Um Indiens Terrorismusvorwürfen zu kontern, beschuldigt Pakistan Indien wiederum, separatistische Gruppen in Balutschistan und die aus Afghanistan heraus operierenden pakistanischen Taliban zu unterstützen, die für eine Reihe schwerer Anschläge verantwortlich sind. Darüber hinaus sind in den letzten Jahren eine Reihe von LeT-Führern in Pakistan Anschlägen zum Opfer gefallen, die dem indischen Geheimdienst Research and Analysis Wing (R&AW) zugeschrieben werden.
Deutschland und Europa haben in den letzten Jahren ihre Beziehungen zu Indien deutlich ausgebaut. Sie sollten weiterhin auf eine friedliche Lösung des Kaschmir-Konflikts zwischen Indien und Pakistan hinwirken. Die Resolutionen der Vereinten Nationen haben ihre Bedeutung verloren, unter anderem weil China durch seine territorialen Ansprüche seit den 1960er Jahren zu einem Teil des Konflikts geworden ist, der keine Berücksichtigung in den Resolutionen findet.
Der amerikanische Präsident Bill Clinton bezeichnete Kaschmir im Jahr 2000 als den gefährlichsten Ort der Welt. Es bleibt zu hoffen, dass die militärische Konfrontation vom Mai 2025 nicht der Auftakt zu einem neuen Krisenzyklus in Südasien wird.
Dr. habil. Christian Wagner ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Asien.
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DOI: 10.18449/2025A25