Trotz der gemeinsamen Erklärung der G20-Länder »gegen Protektionismus« behält sich Washington einseitige »legitime Schutzmaßnahmen« in der Handelspolitik vor. Laura von Daniels über geeignete Reaktionen der Europäischen Union.
Kurz gesagt, 25.07.2017 ForschungsgebieteLaura von Daniels
Trotz der gemeinsamen Erklärung der G20-Länder »gegen Protektionismus« behält sich Washington einseitige »legitime Schutzmaßnahmen« in der Handelspolitik vor. Laura von Daniels über geeignete Reaktionen der Europäischen Union.
In diesen Tagen kann man sich hierzulande den Werbeanzeigen eines berühmten Whiskey-Produzenten aus Tennessee kaum entziehen. Dieser betreibt vorausschauendes Marketing oder beweist einfach nur guten Instinkt für die Weltwirtschaft. Denn im Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten erwägt die Europäische Kommission, die Einfuhr von Agrarprodukten zu beschränken, falls Washington mit den angedrohten Einfuhrzöllen auf europäischen Stahl Ernst macht. Betroffen wäre auch der Whiskey.
Zurzeit lässt US-Präsident Donald Trump vom US-Wirtschaftsministerium untersuchen, ob billige Stahlimporte aus China und anderen Teilen der Welt die »nationale Sicherheit« der USA gefährden könnten. Noch sind die Ergebnisse nicht öffentlich, aber die US-Regierung hat bereits an anderer Stelle erklärt, dass sie die eigene Stahlproduktion, insbesondere bei Rüstungsgütern, für gefährdet hält. Schuld am Rückgang der Stahlproduktion seien Stahlimporte zu Dumping-Preisen, vor allem aus China, aber auch aus Deutschland. Tatsächlich ist China mit 804 Millionen Tonnen im Jahr 2016 nicht nur der größte Produzent von Stahl (49,5 Prozent des weltweit hergestellten Stahls), sondern mit rund 108 Millionen Tonnen auch mit großem Abstand der größte Exporteur. Besorgniserregend, nicht nur aus Sicht der USA, ist vor allem die Wachstumsrate der chinesischen Stahlexporte, die für den Zeitraum seit 2009 bei 364 Prozent liegt. Deutsche Exporte stiegen in derselben Zeit nur um 20 Prozent an.
Auch die EU möchte gegen »Dumping-Stahl« vorgehen – aber anders als Trump
Die Überlegung Washingtons, gegen »Dumping-Stahl« vorzugehen, ist aus Sicht der Europäer also durchaus nachvollziehbar. Nicht verständlich ist hingegen, warum die Trump-Regierung erwägt, Stahlimporte mit einem flächendeckenden Zoll zu versehen. Damit würden die USA nicht nur China, sondern auch enge wirtschaftliche Partner und militärische Verbündete wie Kanada, Mexiko, Deutschland und andere Mitgliedsländer der EU oder Japan treffen. Und das, obwohl es mithilfe von Einfuhrquoten möglich wäre, differenzierter gegen Importe aus einzelnen Ländern vorzugehen. Für Irritation sorgten auch Äußerungen aus Trumps Umfeld Ende Juni, die US-Zölle könnten auf Aluminium, Halbleiter, Papier und Geräte wie Waschmaschinen ausgeweitet werden. Als Teilerfolg des Hamburger G20-Gipfels kann deshalb verbucht werden, dass sich dort alle großen Industrieländer darauf verständigten, gemeinsame Lösungen im Umgang mit der Überproduktion in der Stahlindustrie anzustreben. Das bei der OECD angesiedelte »Global Forum« soll hierzu bis November 2017 konkrete Vorschläge erarbeiten. Dennoch behält sich Washington vor, einseitig mit »legitimen Schutzmaßnahmen« gegen billige Importe vorzugehen. Donald Trump, der vor den Zwischenwahlen im US-Kongress im Herbst 2018 politische Erfolge vorweisen muss, wird beim Handel kaum leisere Töne anschlagen. Wahrscheinlicher ist, dass er dieses Politikfeld, in dem er weitgehend ohne den Kongress regieren kann, als Showbühne nutzt.
Mögliche Antworten der EU-Kommission
Die Europäische Kommission hat im Wesentlichen drei Antwortmöglichkeiten, sollte die US-Regierung aggressiv gegen EU-Importe vorgehen. Als erste Option kann sie darauf setzen, dass die Trump-Regierung hauptsächlich an einem symbolischen Sieg in einem abgesteckten Feld der Handelspolitik interessiert ist, und keine weiteren Schritte unternehmen. Dagegen spricht jedoch Einiges: Erstens bedeuten Importzölle auf europäischen Stahl reale Verluste für Unternehmen und können Arbeitsplätze gefährden. Allein in Deutschland, dem größten Einzellieferanten von Stahl in der EU, hängen am Stahlexport etwa 85.000 qualifizierte Arbeitsplätze. Zweitens könnte eine nachgiebige Politik der EU weitere Provokationen nach sich ziehen, wenn nämlich der Eindruck entstünde, dass die Union trotz ihres enormen wirtschaftlichen Gewichts politisch nicht in der Lage ist, schnell zu handeln, etwa aus interner Zerstrittenheit. Drittens würde eine solche »Vogel-Strauß-Politik« der EU die Kräfte in den USA schwächen, die derzeit – aus Sorge vor Gegenmaßnahmen und den negativen Auswirkungen eines Handelskrieges – Druck auf den Präsidenten ausüben, die Importzölle fallen zu lassen.
Die Kommission kann, zweitens, die USA als wichtigen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Partner »umklammern« und so die Gemeinsamkeiten betonen. In diese Richtung gehen Initiativen wie jene, die Verhandlungen über ein transatlantisches Handelsabkommen fortzusetzen, oder der Vorschlag, den Stahlstreit in einer Arbeitsgruppe der OECD zu schlichten. Auch die Einladung Trumps zu den Feierlichkeiten zum französischen Nationalfeiertrag am 14. Juli durch Präsident Emmanuel Macron geht in diese Richtung. Diese Initiativen sind wichtig, werden aber nicht ausreichen, um die selbsterklärten »Wirtschaftsnationalisten« in der Trump-Regierung auszuhebeln.
Die Europäische Kommission sollte daher zusätzlich auf die dritte Option setzen und eine Gegenstrategie formulieren, die auf wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie Gegenmaßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft setzt. Der Abschluss des Handels- und Investitionsabkommens mit Kanada (CETA) und auch die kurz vor dem G20-Gipfel öffentlich erklärte »grundsätzliche Einigung« zwischen Japan und der EU über ein gemeinsames Abkommen könnten den europäischen Unternehmen in Zukunft größere Unabhängigkeit vom Handelspartner USA ermöglichen. Es mehren sich auch die Nachrichten, die Europäische Kommission sei bereit, »innerhalb von Tagen« mit einer Beschränkung von Agrarimporten auf US-Stahlzölle zu reagieren. Generell hätten EU-Importbeschränkungen dort große Wirkung, wo sie die Gewinne von US-Unternehmen spürbar reduzieren. Im besten Fall sollten dabei die europäischen Konsumenten nicht zu Schaden kommen, etwa dadurch, dass Preise für schwer ersetzbare US-Produkte wie etwa Software oder Computer zu stark ansteigen. Größte Symbolkraft hätten EU-Gegenmaßnahmen, die eine große Anzahl von US-Arbeitsplätzen betreffen – für die Trump-Regierung ein wichtiger Faktor, wenn nicht der ausschlaggebende. Neben Zöllen und Einfuhrquoten könnte die Europäische Kommission auch mit anderen Einschränkungen der Wirtschaftsbeziehungen drohen, die sowohl den Handel mit Waren also auch mit Dienstleistungen treffen würden. In der Debatte über Ungleichgewichte im Handel fällt häufig unter den Tisch, dass die US-Wirtschaft bei Dienstleistungen – einschließlich des Finanzbereichs – einen Überschuss gegenüber der EU verzeichnet. Ihre Europageschäfte wickeln die US-Finanzdienstleister bisher weitgehend über den Finanzplatz London ab. Die Brexit-Entscheidung der Briten könnte der EU damit ein weiteres Pfund in schwierigen Verhandlungen mit den USA bescheren.
Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.
Die von den USA angedachte Grenzausgleichssteuer würde Waren aus dem Ausland deutlich teurer machen - zum Beispiel auch Autos aus Deutschland. Deutsche Unternehmen sind deshalb beunruhigt. Laura von Daniels von der Stiftung Wissenschaft und Politik riet im DLF dazu, abzuwarten. Noch gebe es keine konkreten Pläne.
Zum Umgang mit neuen Herausforderungen in den transatlantischen Beziehungen
Die US-Regierung erklärt in ihrer neuen Handelsstrategie, dass sie bereit ist, mit WTO-Regeln zu brechen und unilateral Strafzölle auf Waren aus China und anderen Ländern zu erheben. Aus Wahlkampfrhetorik könnte bald Ernst werden, meint Laura von Daniels.
Beitrag zu einer Sammelstudie 2017/S 01, 18.01.2017, 64 Seiten, S. 23–26