Zum 50. Jahrestag des Elysée-Vertrages im Januar suchen Paris und Berlin nach Ideen zur Belebung ihrer Zusammenarbeit. Christian Mölling und Claudia Major schlagen die Bildung einer deutsch-französischen Luftwaffe vor.
Kurz gesagt, 15.11.2012 ForschungsgebieteClaudia Major
Zum 50. Jahrestag des Elysée-Vertrages im Januar suchen Paris und Berlin nach Ideen zur Belebung ihrer Zusammenarbeit. Christian Mölling und Claudia Major schlagen die Bildung einer deutsch-französischen Luftwaffe vor.
Derzeit nehmen die Beschwörungen und Hoffnungen bezüglich der deutsch-französischen Kooperation im Verteidigungsbereich nahezu religiöse Formen an. Mit viel Pathos wird versucht, den alten Motor Europas wieder zum Laufen zu bringen. Der 50. Jahrestag des Elysée-Vertrags, der im Januar 2013 begangen wird, soll dies mit neuer Symbolkraft befördern.
Es ist aber fraglich, ob die zu unterzeichnenden Absichtserklärungen greifbare Ergebnisse über das Jubiläum hinaus zeitigen werden. Der deutsch-französischen Verteidigungskooperation gehen derzeit die Ideen aus. Was auf dem Tisch liegt, ist mehrheitlich nicht neu, oft wenig konkret und hat vor allem einen binationalen Horizont. Es vergrößert so nur den ineffizienten Flickenteppich europäischer Kooperationen.
Dabei wären angesichts des Verfalls der militärischen Handlungsfähigkeit und der sicherheitspolitischen Solidarität in Europa gerade die beiden größten Staaten gefordert, Führung zu übernehmen. Sie sollten klare Signale setzen und konkrete Angebote für sicherheitspolitische Kooperationen machen. Doch die verteidigungspolitischen Standpunkte Frankreichs und Deutschlands bleiben grundlegend verschieden. So entstehen derzeit weder innovative Ideen noch kommt die notwendige politische Unterstützung zustande, um die Blockade der Verteidigungsbürokratien zu umgehen und Europa verteidigungspolitisch voranzubringen.
Eine auf Langfristigkeit und Ergebnisse angelegte deutsch-französische Kooperation müsste vor allem den Rüstungsbereich beinhalten. Die beiden Verteidigungsministerien haben ihre Kooperation in diesem Bereich am 14. Juni 2012 sogar zum "Rückgrat der Entwicklung des Europäischen Rüstungssektors" erklärt. Doch gerade hier kamen von Seine und Spree verheerende Signale. Die verhinderte Fusion von EADS und BAE im Oktober 2012 hat gezeigt, dass konkrete Integration im Rüstungssektor mit Paris und Berlin derzeit nicht machbar ist. Dabei hätte es sich hier um einen denkbar einfach zu integrierenden Bereich gehandelt, ist doch die Luftfahrtindustrie schon weitgehend transnationalisiert.
Die Luftwaffe eignet sich für die deutsch-französische Kooperation
In Anbetracht dieser Blockade sollten sich neue Kooperationen mit Nachhaltigkeitspotential auf Bereiche konzentrieren, die mit der bestehenden militärischen, industriellen und politischen Heterogenität vereinbar sind.
Hier bietet sich eine stärkere Integration der Luftwaffen an. Eine deutsch-französische Luftwaffe könnte politisch, militärisch und rüstungsindustriell Meilensteine in der europäischen Kooperation setzen. Mit ihr würde die deutsch-französische Achse im Verteidigungsbereich, die vor allem politisch existiert, in der Praxis Niederschlag finden.
Deutsche und französische Jagdflugzeuge - Eurofighter und Rafale - könnten halb und halb die zwei Staffeln eines Jagdflugzeuggeschwaders formen. Ein solcher gemischter Verband würde erstens die Realität im Einsatz abbilden: in Libyen sind kleine Zahlen unterschiedlicher Typen zum Einsatz zusammengezogen worden, die logistisch und militärisch eingebunden werden mussten. Ein gemeinsames Geschwader würde lernen, diese Herausforderung im Alltag zu bewältigen, und damit wichtige Lehren für andere in Europa bereithalten.
Zweitens würde diese Integration die Kooperation zwischen Fliegern und technischen Unterstützern im Alltag forcieren und so die logistische Harmonisierung erleichtern.
Im Unterschied zu bereits bestehenden Formationen, wie der Deutsch-Französischen Brigade, erhielte dieser Verband von Beginn an, also auch in Friedenszeiten, eine permanente Aufgabe: Während die eine deutsch-französische Staffel gemeinsam übt, sichert die andere den europäischen Luftraum. Mittelfristig könnten die Aufgaben des Verbandes erweitert werden.
Die bilateralen Staffeln können bei Bedarf wieder nationalisiert werden. Wenn also Frankreich seine Rafale in einen Einsatz senden möchte, den Deutschland nicht mitträgt, dann könnten die deutschen Eurofighter die Lücken in der Luftraumüberwachung schließen, die durch den Abzug der französischen Rafale entstehen würden. Die deutschen Flugzeuge übernähmen also zwischenzeitlich die Routineaufgaben des Verbandes.
Wenn Deutschland und Frankreich das gemeinsame Geschwader von Beginn als inklusive Initiative mit deutsch-französischem Nukleus anlegten, würde dies ihr Verantwortungsbewusstsein als Führungsstaaten im Europa der Verteidigung beweisen. Dies müsste politisch entsprechend kommuniziert und mit Angeboten zur Teilnahme unterfüttert werden: etwa in Richtung Großbritannien oder nach Polen, um das Weimarer Dreieck wiederzubeleben. Militärisch wäre es sinnvoll, vor allem die kleinen Nationen, die sich schon heute eigentlich keine Flugzeuge mehr leisten können, an diesem Verband zu beteiligen. Das könnte durch Leasing oder Überlassung vorhandener Maschinen geschehen.
Ferner könnte der Fliegerverband neue militärische und rüstungsindustrielle Maßstäbe setzen. Die gemeinsamen Erfahrungen aus Training und Einsätzen flössen in die gemeinschaftliche Definition militärischer Anforderungen ein, z.B. für die nächste Generation von Kampfflugzeugen. Auf diese Weise könnte auch die Typenvielfalt in Europa bereinigt werden.
Die Widerstände gegen einen solchen Vorschlag werden erheblich sein - gerade, weil er an dem Stillstand rüttelt, in dem sich Paris und Berlin eingerichtet haben. Führt man den politischen Lenkern aber die marode Lage ihrer Verteidigungsapparate und industrien vor Augen, sollten sie die Frage nach Alternativen glaubwürdig beantworten.
Der Text ist auch auf EurActiv.de und Tagesspiegel.de erschienen.
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