Direkt zum Seiteninhalt springen

Chinas Weg zur Geopolitik

Fallstudie zur chinesischen Iran-Politik an der Schnittstelle zwischen regionalen Interessen und globaler Machtrivalität

SWP-Studie 2021/S 26, 21.12.2021, 36 Seiten

doi:10.18449/2021S26

Forschungsgebiete
  • Die chinesische Außenpolitik befindet sich im Nahen und Mittleren Osten, insbesondere im Iran, an der Schnittstelle zwischen regionalen Interessen und globaler Machtrivalität.

  • Chinas Interessen kollidieren im Nahen und Mittleren Osten immer mehr mit denen der USA, weswegen sich die Ausrichtung der chinesischen Außen­politik hinsichtlich dieser Region deutlich verändert hat. Peking geht es zunehmend darum, den US-Einfluss in der Region auszugleichen.

  • Die Beziehungen zum Iran bieten China verschiedene Möglichkeiten, den US-Ein­fluss auszubalancieren. Maßgeblich für die chinesische Iran-Politik sind ordnungspolitische Vorstellungen eines gleich oder ungleich gewichteten Einflusses globaler Großmächte in einer gegebenen Region, hier dem Nahen und Mittleren Osten.

  • Der chinesische Diskurs unterlegt die Verschiebungen in der chinesischen Außenpolitik, in der ein »hartes« oder »weiches Balancing« zunehmend Merkmal einer »geopolitisierten« Regionalpolitik wird. Diese geostrate­gische Regionalpolitik im Hinblick auf den Iran zeigt, dass China dort auf Kosten der USA an Einfluss gewinnt.

  • Deutsche und europäische Akteure benötigen ein tiefergehendes Ver­ständ­nis der chinesischen »Gleichgewichtspolitik«. Dadurch könnten Deutschland und die EU die Rhetorik der chinesischen Führung richtig einschätzen und auch hinterfragen.

  • Auf dieser Basis sollten Deutschland und die EU ihr Engagement im Iran anpassen, vor allem was die iranische Atomwaffenfrage betrifft. Zudem gilt für die neue deutsche Bundesregierung, dass sie außenpolitisches Han­deln in Drittstaaten mit dem Ziel, den Herausforderungen durch China zu begegnen, innerhalb der EU umfassend und koordiniert angehen sollte. Eine solche Koordination muss ebenso im transatlantischen Rahmen stattfinden.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

Die Außenpolitik der Volksrepublik China (VRCh) stellt sich traditionell als interessengeleitete Politik gegenüber einem Land oder einer Region dar. Dabei stehen wirtschaftliche Interessen prototypisch im Vor­dergrund. Mit der Machtübernahme des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping im Jahr 2012 hat sich das geändert; seitdem gehen die chinesischen Interessen deutlich über wirtschaftliche Themen hin­aus. Insbesondere arbeitet Peking daran, China als selbstbewusste Weltmacht zu positionieren – und nicht mehr nur als den USA widerstrebende Regional­macht. Die chinesische Außenpolitik, die den von Xi Jinping vorgegebenen Aufstieg Chinas zu einer Welt­macht realisieren soll, gewinnt angesichts eige­ner welt­politischer Ambitionen und des Systemwett­bewerbs mit den USA stetig an Profil.

Pekings Anspruch eines »friedlichen Aufstiegs« gerät dabei zunehmend in den Verdacht, die gegen­wärtige Weltordnung und das Machtgleichgewicht bewusst herauszufordern. Zweifellos tritt China als die Macht mit dem größten Potential auf, in den nächs­ten Jahrzehnten den US-Primat zu ändern. Dass der Aufstieg Chinas andere Staaten und internatio­nale Organisationen vor neue Herausforderungen stellt, da er regional wie global etablierte Machtverhältnisse hinterfragt und weltanschauliche Alternativen zu westlichen Ordnungsvorstellungen stärkt, ist an sich nichts Neues. Interessant ist aber, dass sich die chine­sische Außenpolitik, auch über die asiatisch-pazi­fische Region hinaus, inzwischen an der Schnittstelle zwischen regionalen Interessen und globaler Macht­rivalität befindet.

So auch im Nahen und Mittleren Osten (NMO), der in den letzten Jahren immer wichtiger für China ge­worden ist, wirtschaftlich, politisch – und geostrategisch. Die Frage, die sich dieser Entwicklung anschließt, ist, wie weit die geostrategische Regionalpolitik der VRCh tatsächlich geht. Welche Instrumente, Mittel und Strategien setzt China in Regionen ein, die tradi­tionell außerhalb seines geopolitischen Einfluss­gebietes liegen, um gegenüber den USA eigene Ziele durchzusetzen?

Vornehmlich die chinesische Iran-Politik sticht hier hervor. Vor allem im Iran kollidieren Chinas Interessen immer mehr mit denen der USA, allein aufgrund der weiterhin dominanten Stellung der USA in dieser Region. Wie die folgende Analyse darlegen wird, findet die chinesische Iran-Politik unter beson­de­rer Berücksichtigung der geopolitischen Rivalität zwischen Peking und Washington statt.

Daher bietet sich der Iran an als Fallstudie für eine »geopolitisierte« chinesische Regionalpolitik. Hier zeigt sich, erstens, dass der chinesische Diskurs sich den Forschungsgegenstand der westlichen »Balance of Power«-Theorie längst angeeignet hat und, noch viel wichtiger, zweitens, sich auf die chinesische Politikgestaltung übertragen hat. Ziel der chinesischen Poli­tik ist es, sowohl mit »weichen« als auch mit »(begrenzten) harten« Mitteln den geostrategischen Einfluss der USA im NMO auszugleichen. Indem China den Iran etwa mithilfe wirtschaftlicher Anreize oder einer Sicher­heitskooperation unterstützt, hat es verhindert, dass er durch die USA isoliert wurde. Maßgeblich für diese Politik Chinas sind also ordnungspolitische Vor­stellungen, die gleichgewichtigen Einfluss globaler Großmächte in einer gegebenen Region anstreben, in diesem Fall dem Nahen und Mittleren Osten.

Chinas geostrategische Regionalpolitik im Iran hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Interessen Deutsch­lands und der Europäischen Union (EU) in dem Land und der Region. Oberste Priorität in den Beziehungen zum Iran hat für Deutschland und die EU die Erhal­tung – und Einhaltung! – des im Juli 2015 in Wien unterzeichneten Atomabkommens, des Gemeinsamen umfassenden Aktionsplans (JCPOA). Insofern ist die chinesisch-iranische Zusammenarbeit für Deutschland und die EU auch in militärischer Hinsicht rele­vant. Darüber hinaus ermöglicht ein besseres Ver­ständ­nis der chinesischen Gleichgewichtspolitik es Deutsch­land und der EU, die Rhetorik der chinesischen Füh­rung richtig einzuschätzen und zu hinterfragen.

Historie und Interessen der chinesischen Außenpolitik im Nahen und Mittleren Osten

Selbst wenn Chinas außenpolitische Schwerpunkte immer noch in anderen Regionen liegen, spielt das Land im Nahen und Mittleren Osten eine zunehmend aktive Rolle. Dass der NMO lange Zeit keine Priorität für die chinesische Außenpolitik hatte, liegt daran, dass ihr Interesse an der Region lange darauf be­schränkt war, die Energieversorgung Chinas zu sichern. In der Vergangenheit nahm deshalb die chinesische Führung die Region nicht primär aus strategischer Sicht wahr. Der NMO wurde geostrategisch den USA überlassen, weshalb China oft als »Freerider« (wie etwa auch in Afghanistan) bezeichnet wurde. Peking verlässt sich zum Schutz seiner Ölimporte noch immer auf die bestehende Sicherheitsstruktur am Golf, die auf einer jahrzehntelangen Partnerschaft zwischen den Staaten des Golf-Kooperationsrats (GCC) und den USA basiert.

Unterdessen hat die Region für China stetig an Bedeutung gewonnen, wirtschaftlich wie politisch. In jüngster Zeit nimmt die chinesische Außenpolitik im NMO zunehmend strategische Elemente auf, die sicher­heitspolitisches Engagement miteinschließen. Das illustrieren nicht zuletzt die ausgedehnten Besuche von Außenminister Wang Yi in der Region, auch in diesem Jahr.1 Über die wirtschaftlichen Interessen Chinas in der Region hinaus fügt sich Letztere fast passgenau in die sich verändernde chinesische Außen­politik ein, besser gesagt: in die außenpolitische Vision des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die vorsieht, China als selbstbewusste Weltmacht zu positionieren.2 In diesem Kontext muss auch das chinesische Engagement im NMO betrachtet werden.

Laut einem der führenden chinesischen Nahost-Experten, Sun Degang, Professor an der Fudan Univer­sität in Shanghai, wird der NMO in strategischer Hin­sicht für Peking eher noch wichtiger als für Washington sein, denn die Region sei der Kern, von dem aus China strategisch mit anderen Großmächten koope­rie­ren und konkurrieren könne.3 Die Führung in Peking erfasse heute die Rolle, die der NMO bei der Erweiterung der strategischen Ziele Chinas spielen könnte.

Chinas Kerninteressen im Nahen und Mittleren Osten

Xi Jinping fasste 2014 Chinas Kerninteressen im NMO zusammen: in einer Grundsatzrede während des Chinesisch-Arabischen Kooperationsforums (CASCF) in einem »1+2+3«-Kooperationsrahmen (hezuo geju), der als chinesische Strategie gesehen werden kann, um die Kooperation mit NMO-Staaten in drei Kern­bereichen (»1+2+3«) zu vertiefen.4 Darin erhält das Thema Energieversorgung Priorität bei der Zusammen­arbeit (1), gefolgt von Infrastruktur, Handel und Fi­nan­zen (2) sowie neuen High-Tech-Industrien, Nuklear­technologie, Raumfahrt und erneuerbaren Energien (3). Chinas Strategiepapier für die Beziehungen mit den arabischen Staaten von 2016, das bislang rele­van­teste offizielle chinesische Dokument, das die Leit­linien für Chinas Politik in der Region festlegt, wieder­holt diese drei Kooperationsziele.5

Chinas erstes Kerninteresse in der Region ist demnach die eigene sichere Energieversorgung. Der Öl­bedarf des Landes ist enorm und wird wesentlich mit Öl aus dem NMO abgedeckt – bis zu der Hälfte des von China importierten Rohöls stammt von dort. Im Jahr 2019 lieferten insgesamt 43 Länder Rohöl an die VRCh, davon neun NMO-Staaten, die 44,8 Prozent der chinesischen Rohöl-Importe bereitstellten.6 Das zweite Kerninteresse sind Exportmärkte für die chine­sische Wirtschaft. Dementsprechend hat China den Handel mit der NMO-Region ausgebaut und sich zu einem bedeutenden Wirtschaftspartner und Investor entwickelt. Der Direction of Trade Statistics (DOTS) des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge waren 2020 Chinas größte Handelspartner (Importe und Exporte) im NMO Saudi-Arabien mit über 67 Milliar­den US-Dollar (das entspricht 1,4 %), die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit knapp 49,3 Milliarden US-Dollar (1,1 %) und der Irak mit über 30 Milliarden US-Dollar (0,6 %). Die Handelsbilanz mit dem Iran belief sich nur auf knapp 15 Milliarden US-Dollar (siehe Grafik 1, Seite 9).

Im Mittelpunkt der wachsenden wirtschaftlichen Präsenz Chinas in der Region steht die chinesische »Seidenstraßeninitiative« (Belt and Road Initiative, BRI), die in erster Linie darauf abzielt, lokale Märkte für chinesische Handelsakteure zu öffnen und eine diversifizierte Ölversorgung zu sichern.7 Bis dato hat China mit 17 Staaten im NMO Absichtserklärungen zur Zusammenarbeit im Rahmen der BRI vereinbart. Seit der Gründung der BRI 2013 hat Peking mindestens 123 Milliarden US-Dollar für die Finanzierung BRI-bezogener Projekte im NMO bereitgestellt – ver­glichen mit geschätzten 500 Milliarden US-Dollar, die China bis 2018 in 50 anderen Staaten investiert hat.8 Darüber hinaus investiert das Land, seinem dritten Kerninteresse folgend, zunehmend in neue Branchen, etwa in die »Digitale Seidenstraße« (DSR), die zur BRI gehört.9 China hat bereits mit den sechs Ländern des Golf-Kooperationsrats 5G-Abkommen unterzeichnet, das chinesische BeiDou-Satellitensystem stellt der ara­bischen Welt Navigationsdienste zur Verfügung und chinesische Firmen für Informations- und Kom­muni­ka­tionstechnologie, wie Huawei Technologies Company, werden immer aktiver im Bereich der erneuerbaren Energien.

Mit all diesen Aktivitäten wird die regionale Sicher­heit und Stabilität für die chinesische Führung stetig wichtiger, will sie die Kerninteressen ihres Landes auch künftig wahren.10 Das prominenteste Beispiel für das chinesische Interesse an der Sicherheit in der Region ist die erste chinesische Militärbasis im Aus­land, der Hafen von Djibouti. Sie soll in der Haupt­sache der chinesischen Armee ermöglichen, Chinas in der Region lebende Bürger im Falle einer Krisensituation zu beschützen und gegebenenfalls zu evakuieren.11 China zeigt heute deutliches Interesse an einer politischen und sicherheitspolitischen Vertiefung seiner Aktivitäten im NMO, die sich zwar noch be­schei­den ausnehmen im Vergleich zu denen anderer Mächte wie der USA und Russland, aber rasch wach­sen. In diesem Kontext sind auch Chinas Bemühungen zur

Grafik 1

Quelle: Internationaler Währungsfonds (IWF), Direction of Trade Statistics (DOTS),
<https://data.imf.org/?sk=9D6028D4-F14A-464C-A2F2-59B2CD424B85> (Zugriff am 3.6.2021).

Lösung der iranischen Atomwaffenfrage zu sehen, die 2015 in der Unterzeichnung des iranischen Atom­abkommens (JCPOA) resultierten: zum einen seine Beteiligung an den Verhandlungen im Rahmen der E3+3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien + USA, Russland, China), zum anderen seine Unterstützung der Sanktionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (UNSR).

Ein solches sicherheitspolitisches Engagement ent­spricht dem Ziel Chinas, sich als selbstbewusste Welt­macht zu positionieren, genauer als Weltmacht, die (mindestens) auf Augenhöhe mit den USA steht und sogar eine »bessere« Politik verfolgt. Diesen Anspruch formuliert Peking mit dem 2014 ins Leben gerufenen Konzept einer sogenannten »Großmacht-Diplomatie mit chinesischem Charakter« (zhongguo tese daguo waijiao), die anstrebt, »Beziehungen unter den Groß­mächten« für China vorteilhafter zu gestalten.

Aus chinesischer Perspektive manifestiert sich der chinesisch-amerikanische Wettbewerb zwar hauptsächlich im indopazifischen Raum, doch versuchten die USA zunehmend, den Wettbewerb mit China in der NMO-Region zu intensivieren.12 Je mehr China in Infrastruktur für die (eigene) Energieversorgung, in Exportmärkte und Sicherheit im NMO investiert, desto mehr kollidieren seine Interessen mit denen der USA, allein aufgrund von deren weiterhin dominanter Stellung in der Region. Aus chinesischer Sicht etwa wollen die USA den NMO dominieren, um die Energie­ressourcen des Golfs zu kontrollieren. Pekings außen­politische Strategie dagegen sieht vor, dass China seine Ziele in der Region zu erreichen strebt, indem es seine eigenen Interessen in Einklang bringt mit denjenigen der NMO-Länder, mit denen es ein gleich­gewichtiges Verhältnis herstellen will – und indem es zugleich den US-Einfluss in der Region auszu­balancieren sucht.

Der Iran als Fallstudie für eine geo­strategische chinesische Regional­politik

Chinas wirtschaftliche Beziehungen zum Iran sind bei weitem nicht so ausgeprägt wie diejenigen zu anderen Staaten im NMO (siehe Grafik 1, Seite 9). Dennoch hat das Verhältnis zum Iran hohe politische Bedeutung, denn dieser beeinflusst maßgeblich die regionale Stabilität. Ein Konflikt zwischen dem Iran und einem seiner Nachbarn könnte die regionale Stabilität und damit auch Chinas Investitionen in der Region gefährden. Schon allein deshalb dürfte die VRCh kein Interesse daran haben, dass der Iran sich zu einer Nuklearmacht entwickelt. Noch wichtiger dürfte für die chinesische Führung sein, dass der Iran nicht zu einem Konkurrenten als Nuklearmacht wird. Zugleich spielt der Iran aufgrund dieser potentiellen Gefährdung für die Region und das globale Sicherheitsgefüge eine große Rolle in der amerikanischen Außenpolitik. Aus Sicht Chinas hat dies dazu beige­tragen, dass die USA von der asiatisch-pazifischen Region abgelenkt sind. China würde es wohl begrü­ßen, wenn dieser Zustand anhielte – zur Not mit chine­sischer Unterstützung.

Diese Zwiespältigkeit illustriert das gegen den Iran wegen seines Nuklearwaffenprogramms verhängte Sanktionsregime. China hat die diplomatischen Be­mü­hungen der E3+3 zur Lösung der iranischen Atom­waffenfrage unterstützt, die 2015 zur Unterzeichnung des JCPOA geführt haben, und anschließend die schritt­weise Lockerung der internationalen Sanktionen gegen den Iran mitgetragen. Chinas Interessen waren also mit denen der USA und der EU gleichgelagert. Sein Kalkül, sich an den JCPOA-Verhandlungen zu be­tei­li­gen, gründete schon allein darauf, dass es seinen Ver­pflichtungen und seinem Status als ständi­gem Mit­glied (P5) des UNSR gerecht werden musste. Als P5-Macht war es unabdingbar für China, bei solch wich­tigen Verhandlungen in dem damals neuen Format E3+3 eine Rolle zu spielen. Fortan hat es diesen seinen Beitrag genutzt, um darauf zu verweisen, dass es einer verantwortungsvollen Weltmacht entsprechend gehandelt habe. Ein weiterer Beweggrund dürfte ge­wesen sein, in den Verhandlungen einen möglichen Schaden für seine wirtschaftlichen Interessen im Iran abzuwenden.

Gleichzeitig untergrub China die Sanktionsmaßnahmen der USA und ihrer Verbündeten – wie es sie heute unter anderen Bedingungen untergräbt (vgl. Seite 23 und Seite 28ff). Hintergrund dafür sind mit­nichten nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch geopolitische Überlegungen. China scheint einen Balanceakt zu verfolgen, der vermutlich die Beziehungen zu Teheran verbessern soll, ohne die USA herauszufordern. Dabei will China zugleich auf Kos­ten der USA im Iran an Einfluss gewinnen.

So lohnt, erstens, eine genauere Betrachtung des Diskurses chinesischer Regio­nalexperten und Mei­nungs­bildner. Chinesische Regionalexperten dürfen nur in den seltensten Fällen von der offiziellen Partei­linie abweichen; schon aus diesem Grund sind ihre Darlegungen aufschlussreich. Hier zeigt sich, dass die Diskussion zur westlichen »Balance of Power«-Theorie Eingang in den chinesischen Diskurs gefunden hat. Dieser Diskurs macht deutlich, dass sich China so­wohl mit den geostrategischen Konsequenzen seines raschen Aufstiegs auseinandersetzt als auch mit der amerikanischen diskursiven Reaktion auf die sich ver­ändernde Weltlage.

Auf reges Interesse stieß in China insbesondere die Erweiterung des Kern­begriffs der Gleichgewichtstheorie (vgl. Seite 10ff) durch die Unter­scheidung in »hartes« Ausbalancieren (hard balanc­ing) von Macht, um ein »hartes« Kräfteverhältnis, eine »harte Balance«, herbei­zuführen, und »weiches« Aus­balancieren von Macht (soft balanc­ing), um ein »wei­ches« Gleichgewicht zu er­reichen.13 Diese Konzept­erweiterung wirkte sich auf die Vorstellungen aus, wie chinesische Außen­politik ge­staltet werden könne (vgl. Seite 15ff). Der chinesische Diskurs unterlegt die Verschiebungen in der Außen­politik des Landes, in der ein »hartes« oder »weiches Balancing« zunehmend Merkmal einer geo­strate­gi­schen Regionalpolitik wird.

Zweitens hat sich dieser Diskurs bereits auf die chi­nesische Politikgestaltung übertragen (vgl. Seite 20ff und Seite 26ff). Die chinesische Gleich­gewichtspolitik kann anhand der Analyse zur chine­sischen Iran-Poli­tik empirisch belegt werden, denn hier finden sich ebendiese Elemente des »weichen« und des wohl­kalib­rierten »harten Balancing« als konstituierender Bestand­teil der chinesischen außenpolitischen Strate­gie gegen­über den USA. Diese außenpolitische Strate­gie berührt indirekt auch die Politik europäischer Staaten im NMO.

Gleichgewichtspolitik im chinesischen Diskurs und in der chinesischen Außen­politik

Das theoretische Denken über die internationalen Beziehungen stand in der chinesischen Politikwissenschaft bis weit in die 1980er Jahre hinein unter den Vorgaben der Vorstellungen Mao Zedongs, die leninis­tisch-trotzkistisch beeinflusst waren und sich wesent­lich an Strategien der bewaffneten Auseinandersetzung orientierten.14 Erst mit der wirtschaftlichen und im Folgenden auch wissenschaftlichen Öffnung des Landes ab Mitte der 1980er Jahre begann eine ernst­hafte Rezeption westlicher politikwissenschaftlicher Ideen. Mit dem raschen, auch politischen Aufstieg Chinas orientierten sich chinesische Politik­wissen­schaftler an den Arbeiten vornehmlich ameri­ka­nischer Theoretiker.

Die (westliche) Vorstellung, dass in einem Mehrstaatensystem Hegemonie­bildung unerreichbar ist, war und ist für chinesische Theoretiker höchst attraktiv.

Solange sich China seiner neuen Position in der Welt nicht sicher war, übte die klas­sische Gleich­gewichtspolitik im Sinne von »balance of power« und »balancing« mit ihrer zentralen Stellung in der realis­tischen Denk- und Theorieschule größte Anziehungskraft auf chinesische Theoretiker aus. Sie geht davon aus, dass eine Hegemoniebildung in einem Mehr­staatensystem unerreichbar ist, weil Hege­monie von anderen Staaten als Bedrohung wahr­ge­nommen wird und diese dazu veranlasst, die Macht eines potentiellen Hegemonen auszubalancieren. Nach Raymond Aron gehorcht die Gleichgewichts­politik »der Klug­heit, die für die Staaten notwendig ist, welche ihre Unabhängigkeit bewahren und nicht der Willkür eines anderen Staates ausgesetzt sein möchten, der über unwiderstehliche Mittel verfügt«.15 Dieser Ge­danke entsprach auch den Wünschen der sich all­mäh­lich auf der internationalen Bühne neu ein­rich­tenden Volksrepublik.

Amerikanische Befürworter der Strategie der »primacy« traten in den 1990er Jahren für einen mög­lichst großen Machtvorsprung der USA vor allen poten­tiellen Rivalen ein. Dies traf auf eine Lage in China, in der das Land sich darauf vorbereitete, die USA als sein direktes Gegenüber zu betrachten, so­wohl in fried­licher wie in kompetitiver Hinsicht. Zu diesem Zeit­punkt gingen viele Vertreter der neorealistischen Theorieschule ohnehin davon aus, dass die Vor­macht­stellung der USA früher oder später von der­jeni­gen eines anderen Akteurs abgelöst werden würde.16

In der chinesischen Literatur findet man die Begriffe »weiche Balance« (ruan zhiheng) und »harte Balance« (ying zhiheng) schon recht früh. Der chinesische Wissen­schaftler Liu Feng etwa behandelt in seinem Auf­satz über Konzepte und Theorien der internationalen Beziehungen von 2014 die Rolle der »soft power« und »hard power« in der Gleichgewichtspolitik.17 Im Kern seiner Ana­lyse kritisiert Liu Feng, dass die Kon­zepte der »weichen« und »harten Balance« ebenso wie institutionelles Gleichgewicht (zhidu zhiheng) die ursprüngliche Bedeutung der Gleichgewichtspolitik erweitert haben. Dies sei aber lediglich eine Ad-hoc-Modifikation, die der Grundannahme, Argumentation und Logik der Gleichgewichtspolitik nicht gerecht werde. »Weiches Balancing« gleiche, so Liu, die Macht der Hegemonie nicht durch Stärkung der eigenen Machtposition aus und verändere dementsprechend weder das Verhalten eines Hegemonen noch die existierende Machtstruktur.

Der chinesische Politikwissenschaftler Qi Huaigao analysierte bereits 2011 anhand des institutionellen Gleichgewichts das Machtgleichgewicht zwischen China und den Vereinigten Staaten in der asiatisch-pazifischen Region.18 Qi zufolge haben China und die USA im Rahmen der Vertiefung ihrer wirtschaftlichen Interdependenz institutionelle Kontrollen eingeführt und damit über das internationale System ein Gleich­gewicht geschaffen. So habe die institutionelle Macht sowohl Chinas als auch der Vereinigten Staa­ten zu­genommen. Qi warnt davor, dass China und die USA ein »hartes« Kräfteverhältnis wählen könnten, um sich gegenseitig zu kontrollieren und ihre Macht aus­zugleichen; daher müsse China bei der chinesisch-amerikanischen Konfrontation vorsichtig sein und die Strategie des Machtgleichgewichts zwar weiter um­setzen und verbessern, dies aber nur im Rahmen des institutionellen Ausgleichs.

Xie Lichen und Qi Shujie stellen in ihrem Artikel von 2015 fest, dass China mit einer Politik der »wei­chen Balance« gegenüber den USA begonnen habe. Dies habe sich beispielsweise im UNSR gezeigt, als China an der Seite Russlands in der Syrienfrage gegen die Präferenzen der Vereinigten Staaten ge­stimmt habe. Eine Entwicklung hin zu einer »harten Balance« konnten die beiden Autoren nicht aus­machen, wei­sen jedoch darauf hin, dass es von zwei Faktoren abhänge, ob Chinas Außenpolitik sich in Richtung eines »harten Balancing« entwickeln werde: zum einen von den Veränderungen im Machtverhältnis zwischen Ländern wie China oder Russland auf der einen Seite und den Vereinigten Staaten auf der anderen Seite, zum anderen von der Legitimität der US-Hegemonie.19

Heute kann die VRCh als Großmacht angesehen werden, die nicht mehr in die Kategorie des »soft balancing« passt. Dennoch hat China seine militärische Macht bislang nur selten eingesetzt (wie etwa im Grenzkrieg mit Indien 1962), um die militärische Macht eines anderen Staates direkt herauszufordern. Vielmehr setzt China durchaus auf einen »weichen« Ausgleich, um die Macht eines mächtigeren Staates – und das sind heute nur noch die USA – auszubalancieren. Selbst wenn China die USA noch nicht militä­risch herausgefordert hat, tritt es als Macht mit dem größten Potential auf, in den nächsten Jahrzehnten das vom US-Primat bestimmte Machtgefüge zu ändern.

Laut dem englischen Politikwissenschaftler Stephan Gill verfolgt China vornehmlich eine Strategie der »weichen Balance« gegenüber den USA und war da­mit bisher auf zwei Weisen erfolgreich: Erstens hat es multilaterale Institutionen gefördert, die die USA ausschließen, wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), ein regionales Kooperationsforum für China, Russland und Zentralasien, das inzwischen aus neun Mitgliedern besteht (weitere Staaten haben Beobachterstatus, sind Dialogpartner oder Gastteilnehmer). Ein solches Vorgehen wird in der Literatur als »institutionelle Balance« beschrieben und meint die Abwehr von Druck oder Bedrohung, indem man multilaterale Institutionen ins Leben ruft, nutzt und beherrscht.20 Zweitens hat China seine bi­late­ralen Beziehungen zu Ländern gestärkt, die ent­weder nur schwache Beziehungen zu den USA unter­halten oder aus chinesischer Sicht das Potential oder den Wunsch haben, sich vom Einfluss der USA zu lösen.21 Beispiele sind in Asien die Philippinen und Sri Lanka, in Afrika Djibouti und Tansania, in Latein­amerika Brasilien und Venezuela.

So ist es aus chinesischer Perspektive nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, die Beziehungen zu den NMO-Staaten zu vertiefen, sondern auch aus politischen, da der Einfluss der chinesischen Regie­rung in der Region ausgeweitet werden könne, wäh­rend der amerikanische verringert würde. Wächst der chinesische Einfluss, so das Kalkül, wird es weniger wahrscheinlich, dass die Länder des NMO mit den USA kooperieren, was die Fähigkeit der USA, einseitig zu handeln, einschränken würde. Das heißt, im NMO geht es China zunächst darum, den US-Einfluss zurück­zudrängen. Es geht (noch) nicht darum, den Einfluss der USA mit »harten« Mitteln auszugleichen, bei­spiels­weise in Gestalt einer militärischen Allianz oder Blockbildung.

Je mächtiger China aber wird und je mehr es ver­sucht, sich als Weltmacht zu positionieren, desto mehr wird auch ein »harter« Ausgleich Teil der chine­sischen Außenpolitik (werden). Zum Beispiel enthält Chinas strategische Partnerschaft mit Pakistan einige »hart« zu nennende Ausgleichskomponenten gegen­über Indien. Dazu zählt an erster Stelle die nunmehr seit einem halben Jahrhundert andauernde militä­ri­sche Unterstützung Pakistans durch China, ein­schließ­lich des pakistanischen Nuklearwaffenprogramms.22 Ein »hartes« Ausbalancieren beinhaltet ferner den Aufbau eigener militärischer Fähigkeiten – gut zu sehen im Fall der Präsenz der chinesischen Marine im

Grafik 2

Quelle: Berechnung basierend auf SIPRI Arms Transfers Database, Importer/Exporter TIV Tables, Stockholm:
Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), <http://armstrade.sipri.org/armstrade/page/values.php> (Zugriff am 15.3.2021).

Südchinesischen Meer. Auch Chinas Gleichgewichtspolitik im NMO weist zunehmend »harte« Elemente auf, etwa in Form engerer militärischer Beziehungen zu Staaten wie Saudi-Arabien oder chinesischer Waffen­verkäufe an den Iran, an Saudi-Arabien oder Syrien. Zwischen 2016 und 2020 hat China beispielsweise seine Waffentransfers nach Saudi-Arabien um 386 Prozent und in die VAE um 169 Prozent gesteigert im Vergleich zum Zeitraum 2011 bis 2015 (siehe Grafik 2, Seite 13).23 Während Chinas Anteil ver­gli­chen mit dem anderer traditioneller Waffenexporteure im­mer noch unbedeutend ist, signalisieren diese Zah­len dennoch Chinas systematischen Eintritt in die Region.

So bewegt sich die Gleichgewichtspolitik Chinas kontinuierlich in Richtung einer »harten Balance«, was nicht zuletzt sichtbar ist an dem Versuch, seinen Rivalen mittels eines »begrenzten harten Ausbalan­cierens« zu begegnen, allen voran den USA. Dieses »lim­ited hard balancing« beruht nach T. V. Paul auf infor­mellen Allianzen oder strategischen Partnerschaf­ten, bei denen es eine gewisse militärische Koor­dination gibt, wie gemeinsame militärische Übungen.24

In diesem Sinne genügt es nicht, im Fall der Volksrepublik zwischen nichtmilitärischen und militärischen Maßnahmen zu differenzieren; die Analyse ergibt, dass es im Kern um das Ziel geht, den amerika­nischen Einfluss zurückzudrängen und ihm eigene Ordnungsvorstellungen entgegenzusetzen. Auch bei Chinas regionaler Gleichgewichtspolitik im NMO steht letztlich das Ziel im Zentrum, ein Gegengewicht zur Macht der USA zu schaffen bzw. zu vergrößern.

Der chinesische Diskurs zur Gleichgewichtspolitik im Nahen und Mittleren Osten

Es zeigt sich sehr rasch, dass unter chinesischen Regio­nalexperten die wirtschaftlichen Interessen Chinas im Vordergrund stehen und sie sich dafür ein­setzen, kom­petitive Elemente im Verhältnis zu den USA zu vermeiden. Hier wird vor allem für eine akti­vere Rolle Chinas im NMO (also auch im Iran) argu­men­tiert, ohne dass auf eine mögliche Gleichgewichts­politik gegenüber den USA eingegangen würde.

Baut China seine Beziehungen zum Iran deutlich aus (und bewegt sich damit gleichzeitig in Richtung eines stärkeren »Balancing« gegenüber den USA), heißt das für den NMO, dass China seine Beziehungen zu den Nachbarn des Iran ebenfalls intensivieren muss, um das Kräftegleichgewicht innerhalb der Region auf­rechtzuerhalten. Für ein tie­fe­res Verständnis dessen lohnt ein Blick auf die tradi­tionellen Narrative der chinesischen Außenpolitik. Chinesische Offizielle und Regionalexperten nennen insbesondere das Prin­zip der Nichteinmischung, wenn sie über die Kom­ple­xität der Beziehungen zu NMO-Staaten sprechen, die einander teilweise in erbitterter Feindschaft gegenüberstehen. Demnach müsse die VRCh freundschaft­liche, mehrdimensionale Zusammen­arbeit mit allen Ländern der Region pfle­gen.25

Das Prinzip der Nichteinmischung, ursprünglich der Charta der Vereinten Nationen entstammend,26 ist für die chinesische Politik Teil der »Fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz«. Diese sind: territoriale Integ­rität, gegenseitiger Verzicht auf Aggression, gegen­seitige Nichteinmischung in die inneren Ange­legenheiten, Gleichberechtigung, gegenseitiger Nutzen in einem friedlichen Miteinander. Diese fünf Prin­zipien hat China lange Zeit als generelle Grundlage zwischen­staatlicher Beziehungen propagiert. Seine außen­politische Strategie, basierend auf diesen Prin­zipien, soll bedeuten, dass China in Konflikten zwi­schen Staaten des NMO ein gewisses Maß an Neut­ra­li­tät und Unparteilichkeit wahrt und sich nicht auf substan­zielle Vermittlung oder Einmischung einlässt.

Im NMO ist dies aus chinesischer Sicht besonders relevant, da die meisten Staaten der Region unter der Voreingenommenheit der ehemaligen Kolonialmächte oder der USA leiden. Diese ausgewogene Politik Chinas, im Sinne ausgeglichener Beziehungen zu allen seinen Partnern in der Region, die sich im Konflikt mit dem Iran befinden, ebenso wie zum Iran selbst, wird auch als Politik der Balance (pingheng) bezeichnet, also Gleichgewichtspolitik innerhalb der Region, und bildet ein tragendes Element der chinesischen Außenpolitik. Dementsprechend wird in akademischen Kreisen ebenfalls die Frage diskutiert, wie China eine aktivere Iran-Politik in Einklang bringen kann mit der Politik der Balance in mehrere Richtungen.

Unter chinesischen Akademikern und Meinungsbildnern ist noch kein Konsens darüber zu erkennen, wie wichtig der Iran strategisch für China ist bzw. werden könnte. Allerdings zeigt der chinesische Dis­kurs zum Iran, dass es auch Stimmen gibt, die nicht nur eine »weiche«, sondern sogar eine »harte Balance« fordern, also dass China seine Beziehungen zum Iran nutzen sollte, den US-Einfluss mit »harten« Mitteln auszugleichen. Während die eine Seite argumentiert, der beste Weg für China sei, seine Interessen in der Region nicht durch politisches Durchsetzungsvermögen zu schützen, vertritt die andere Seite die Meinung, geopolitisches Durchsetzungsvermögen könne seine Inter­essen besser schützen.

Diskurs jenseits der Gleichgewichtspolitik

In der offiziellen chinesischen Rhetorik findet sich kein Hinweis auf die bereits existierende Gleich­gewichtspolitik im NMO, sondern sie spiegelt die Sprache, die Staats- und Parteichef Xi Jinping vor­gegeben hat. Es heißt etwa, dass »die Zusammen­arbeit mit Ländern des Nahen Ostens Chinas diplo­ma­tische Philosophie verkörpert«, nämlich »eine neue Art internationaler Beziehungen, die eine Win-Win-Kooperation statt eines geopolitischen Spiels mit Null­summen-Menta­lität vorsieht«.27 Die Mehrheit der chinesischen Regionalexperten argumentiert entlang dieser offi­zi­ellen Linie, die zwar erwähnt, dass China eine bessere Außenpolitik als die USA betreibe, nicht aber von einer tatsächlichen Frontbildung spricht.

Einige Vertreter der offiziellen Linie verweisen dar­auf, dass die Rivalität zwischen China und den USA im asiatisch-pazifischen Raum keine größeren Aus­wirkungen auf den Nahen Osten oder die Politik der beiden Länder gegenüber der Region haben dürfte.28 Die Vereinigten Staaten seien und blieben der domi­nierende Staat in der Sicherheitsstruktur des NMO. China werde, so ein Experte, in den nächsten 15 bis 20 Jahren weder die Kraft noch den Willen haben, die dominante Position Amerikas im NMO infrage zu stellen.29 Jedoch könnten die USA nicht alle Probleme in der Region allein lösen, vielmehr erfordere dies die Beteiligung Chinas. In dieser Hinsicht sei die VRCh verantwortlich und bereit, eine positive Rolle bei der Lösung der iranischen Nuklearfrage zu spielen, eben­so im syrischen Friedensprozess, bei der nichttraditio­nellen Sicherheit sowie der Entwicklung im NMO.

Auch Sun Degang betont, China habe nicht die Absicht, mit anderen Großmächten im Nahen Osten geopolitisch oder ideologisch zu konkurrieren.30 China betreibe eine »Partnerschaftsdiplomatie« (huoban waijiao) mit dem Ziel, »Freunde zu finden« (jiao pengyou), nicht um Allianz- oder Bündnisdiplomatie auszuüben (lianmeng waijiao) oder »Feinde zu finden« (zhao diren). Mit anderen Worten: Die chine­si­sche Partnerschaftsdiplomatie unterscheide sich von der westlichen Bündnisdiplomatie vor allem in ihrer Herangehensweise, wenn es darum gehe, Frieden und Sicherheit zu fördern.

Offizielle Vertreter Chinas sowie Regionalexperten fordern, China solle sich in regionalen Konflikten im Nahen und Mittleren Osten als Mediator engagieren.

Offizielle und Regionalexperten fordern inzwischen gleichermaßen eine aktivere Rolle Chinas im NMO wie im Iran. Chinas ehemaliger Botschafter in Riad, Wu Sike, sagte etwa dem Shanghai Observer, das Ziel von Wang Yis Besuch im NMO im März 2021 sei ge­wesen, Möglichkeiten zu finden, wie sich China stär­ker in regionale Angelegenheiten einbringen könne, was auch die Vermittlung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien einschließe.31 Aus Sicht chinesischer Exper­ten kann China hier am besten etwas bei­tragen, in­dem es in regionalen Konflikten als Media­tor auftritt.

Sun Degang und Yahia Zoubir zum Bei­spiel argumentieren für eine aktivere Mediations­diplo­matie, um eine stabilere, strategische Zusammen­arbeit in der Region zu fördern.32 Bisher erschöpfe sich chine­sische Mediation auf Quasi-Vermittlungsdiplomatie, bei der China wenige diplomatische Ressourcen auf­wende und sich nur an der von anderen geleiteten Mediation beteilige – und dies ausschließlich, um seine Präsenz zu demonstrieren. Die Autoren sprechen sich für eine stärkere chinesische Vermittlerrolle aus, etwa zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, zwischen dem Iran und den VAE, zwischen Israel und Palästina. Sie sehen hier eine Chance, der chinesischen Diplo­matie größeres Gewicht zu verleihen, insbesondere da die USA und die europäischen Mächte zunehmend in ihre jewei­ligen innenpolitischen Angelegenheiten eingebunden seien. China könne sich daher nicht auf eine Quasi-Mediationsdiplomatie beschränken, wenn es seine wachsenden globalen Interessen durchsetzen wolle – das heißt seine nationalen Interessen zu wahren und gleichzeitig seinen politischen Einfluss auszubauen gedenke –, und solle sich auch in regio­nalen Sicher­heits- und Konfliktfragen engagieren.

Einen Anfang für ein sicherheitspolitisches Engage­ment hat China im Oktober 2020 gemacht. Auf einer Sitzung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen schlug der chinesische Außenminister Wang Yi eine Plattform für einen multilateralen Dialog in der Golf­region vor, um aktuelle regionale Sicherheits­fragen diskutieren und Krisen bewältigen zu können. Der Dialog soll zunächst weniger sensible Themen auf­greifen wie Energie oder Handel, mit der Option, die Agenda schrittweise auszuweiten hin zu dem sen­sibleren Thema regionale Sicherheit.33 Auch wenn im offiziellen Duktus vermieden wird, den Eindruck zu erwecken, Entscheidungen in der chinesischen NMO-Politik würden von Chinas Streben nach einer Gleich­gewichtspolitik gegenüber den USA beeinflusst, so hat das gestiegene chinesische Engagement dennoch das Potential, den US-Einfluss in der Region langfristig zu mindern oder zumindest seine Durchsetzung zu erschweren.

»Großmacht-Diplomatie« statt regionale Gleichgewichtspolitik

Es stellt sich die Frage, ob ein ausgeprägteres außen- und sicherheitspolitisches Engagement Chinas im Widerspruch zur chinesischen Politik der Balance im NMO steht. Zwar spricht sich die VRCh dafür aus, dass der Iran eine Rolle in der Sicherheitsarchitektur des Nahen Ostens spielt, unabhängig davon, wie Letz­tere gestaltet ist; doch steht dieser chinesische Ansatz im Gegensatz zur Iran-Politik von Staaten wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emi­raten. Die Politik der Balance ist weiterhin eine Her­aus­for­de­rung für die chinesische Diplomatie, denn jeg­liche Entscheidung, die die chinesische Führung hin­sicht­lich der Beziehungen zum Iran trifft, muss auch die Reaktionen anderer Staaten im NMO berück­sich­tigen.

Selbst wenn Chinas Außenpolitik im NMO und im Iran noch zurückhaltend ist und nicht riskieren will, das regionale Gleichgewicht ernsthaft zu gefährden, so scheint Peking sich trotzdem immer weniger an die traditionelle Politik der Zurückhaltung im NMO gebunden zu sehen. Einer der prominentesten chine­sischen Iran-Experten, Fan Hongda, argumentiert beispielsweise, Chinas Zurückhaltung sei den eigenen Interessen im NMO nicht dienlich.34

Bislang ist es China gelungen, eine stetig aktivere Außenpolitik im NMO im Gleichgewicht zu halten, indem es graduell die Beziehungen zum Iran ebenso wie zu dessen Nachbarn ausbaut. Dies nicht nur wirt­schaftlich, sondern zunehmend auch im sicherheitspolitischen Bereich, Letzteres nicht nur mit dem Iran, auch mit Saudi-Arabien. Jüngste Berichte haben zum Beispiel Chinas Rolle bei der Entwicklung von Nuklear­anlagen für Saudi-Arabien, den Erz­rivalen Teherans, enthüllt. Dies offenbart eine Abkehr von der traditio­nellen chinesischen Politik, sich in bestimmten Regio­nen wie dem NMO nicht in sicherheitspolitischen Fragen zu engagieren – jedenfalls nicht in Fällen, in denen dies schwer einschätzbare Risiken mit sich bringen könnte.

Hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem Prin­zip der Nichteinmischung und der Politik der Balance: Denn eine Politik der Balance ist im Prinzip auch möglich, wenn China sich einmischt, solange es dabei die Beziehungen zu allen Staaten im NMO ausbalanciert. Der früher so oft gefallene Begriff der Nichteinmischung wird tatsächlich nur (noch) dann ver­wendet, wenn es den chinesischen Interessen dient – und diese haben sich von dem mit ihm benannten Prinzip entfernt. In einer Rede anlässlich des 100. Jubi­läums der Kommunistischen Partei Chinas 2021 hat Xi Jinping die »Fünf Prinzipien der friedlichen Ko­existenz« kein einziges Mal erwähnt. Damit wich er ab von einer jahrzehntealten Tradition, dieses außen­politische Konzept ausführlich zu betonen. 35

Immer breiter wird dagegen im innerchinesischen Diskurs thematisiert, dass das größte Risiko für Chinas Gleichgewichtspolitik im NMO in der Tat von den USA ausgehen könnte.36 Sun Degang und Wu Sike bezeichnen den NMO schließlich als »Schlüsselregion in der Großmacht-Diplomatie mit chinesischem Cha­rakter in einer neuen Ära«.37 Entlang der offiziellen Linie argumentieren einige Akademiker, eine aktivere Rolle Chinas im NMO könnte auch des­wegen not­wendig sein, weil weder China noch die NMO-Staaten sich darauf verlassen könnten, dass die Vereinigten Staaten die regionale Sicherheit und damit die Siche­rung des Energie- und Warenflusses dauerhaft erhal­ten würden.38 Entsprechend müsse Chinas wachsende Präsenz in der NMO-Region eine größere Rolle in Sicherheitsfragen miteinschließen.

Andere Experten, die gleichfalls für ein »hartes Balancing« eintreten, vermuten, die USA könnten alliierte Staaten im NMO womöglich auf­fordern, Par­tei zu ergreifen, und der Nahe und Mitt­lere Osten zu einem (Schlacht-)Feld eines neuen Kalten Krieges zwischen China und den USA werden. In diesem Fall würde sich China wohl ebenfalls ge­zwun­gen sehen, von seinen Partnern in der Region zu verlangen, sich klar zu positionieren.

Chinas Rivalität mit den Vereinigten Staaten findet längst eine Bühne in den von den USA dominierten Regionen auch außerhalb Asiens, wie hier an der Peripherie Europas. So dürfte es in der chinesischen Außenpolitik im NMO und insbesondere im Iran immer weniger um regionale Gleichgewichtspolitik als solche gehen, stattdessen immer mehr um eine geostrategische Regionalpolitik gegenüber den USA.

Die Denkschulen der Gleichgewichts­politik

Die wirtschaftlich orientierte Denkschule zur chine­sischen Iran-Politik wird derzeit noch durch eine Mehr­heit der Akademiker und Thinktanker vertreten. Sie betrachtet den Iran als bedeutenden Akteur, jedoch nur im regionalen Kontext, und daher nicht als den wichtigsten Partner Chinas. Insbesondere die Sank­tionen gegen den Iran werden als Bürde gesehen, die das Land nicht so attraktiv machen wie andere Staaten im NMO. Auch Vertreter der Politik der »weichen Balance«, die sich für ein gewisses Gegengewicht zum US-Einfluss im Iran aussprechen, stre­ben keinen Konflikt mit den USA an, da ein solcher ihrer Meinung nach vor allem die wirtschaftlichen Interessen Chinas gefährden würde.39 Ziel dieser Denkschule ist deshalb auch, Wege zu finden, mit den USA mehr zu kooperieren als zu konkurrieren. Zugleich trachtet die VRCh danach, ihren politischen Einfluss auszuweiten. Aus Sicht Chinas ist es ein Zeichen für seinen politischen Einfluss, wenn es in internationalen Foren die Unterstützung der NMO-Staaten für seine Kerninteressen gewinnen kann, zum Beispiel bezüglich der Menschenrechtsfrage in Xinjiang oder für seine Ansprüche im Südchinesischen Meer.40

China stellt sich in der Rivalität mit den USA als eine respektierte Weltmacht dar, die sich gegenüber Europa, Russland und den USA nunmehr auch geo­politisch in der NMO-Region behaupten kann. Tat­säch­lich erachtet die Denkschule der »harten Balance« den Iran unterdessen als außerordentlich wichtige Komponente der Rivalität zwischen China und den USA. Eine Konfrontation zwischen dem Iran und den USA würde, so die Vertreter dieser Schule, China bei­spielsweise mehr Einflussmöglichkeiten im asia­tisch-pazifischen Raum verschaffen. Folglich sehen sie in den Beziehungen zum Iran einen strategisch bedeut­samen Hebel, der sich für manipulative Ansätze eignen könnte. Das Kalkül: Je mehr es China gelingt, den Iran umfassend zu stärken, desto mehr werden die USA sich mit der Iran-Frage auseinandersetzen müssen und von den geostrategischen Entwicklungen in der indopazifischen Region abgelenkt sein.41 Im Ergebnis hat bzw. hätte Peking mehr Möglichkeiten, seinen Einfluss im indopazifischen Raum auszuweiten. Einem chinesischen Experten zufolge werde China diese »Iran-Karte« aber nicht spielen, da dies strategisch einer Konfrontation mit anderen Ländern gleich­käme. China habe bisher vermieden, mit einem oder mehreren Partnern im NMO eine militärische Allianz oder einen Block zu bilden.42

Für China hat das Ausmaß der US-Präsenz im NMO direkte Auswirkungen auf die Kapazitäten der US-Re­gie­rung, sich im Indopazifik stärker als bislang zu engagieren. Die Ankündigung der Biden-Administ­ra­tion, die USA aus dem NMO zurückzuziehen, ist des­wegen höchst relevant für Peking. Der chinesische Nahost-Experte Jin Liangxiang geht indes davon aus, dass sich die USA nicht vollends zurückziehen wer­den, wohl aber, dass sie den NMO nutzen könnten, um zu versuchen, den chinesischen Einfluss einzudämmen.43 Die USA hätten nämlich erkannt, dass der asiatisch-pazifische Raum und der Nahe Osten in der amerikanischen Geostrategie nicht unabhängig von­einander zu betrachten seien. Die größte Herausforderung für Chinas Nahost-Strategie könnte also der Versuch der USA sein, eine Strategie zu entwickeln, die den asiatisch-pazifischen Raum und den NMO integriert. Auf diese Weise könnten die USA weiterhin versuchen, Chinas Energieversorgung sowie seine Wirtschafts- und Handelskooperation mit den Län­dern des NMO zu behindern.

Im chinesischen Diskurs wird zunehmend die Ansicht vertreten, die Beziehungen zum Iran sollten ungeachtet der Reaktionen der USA ausgeweitet werden.

Im chinesischen Diskurs deutet sich zunehmend der Wunsch an, die US-Präsenz weniger zu berücksichtigen. Fan Hongda lehnt die unter einigen chine­sischen Akademikern verbreitete Auffassung ab, China sollte aufgrund des potentiellen Drucks der USA keine engeren Beziehungen zum Iran aufbauen.44 Er argumentiert, die chinesisch-iranischen Ent­wick­lungen würden keine Auswirkungen auf die Feind­seligkeit der USA gegenüber China haben, da die USA ohnehin China als eine größere Bedrohung an­sähen als den Iran. Unabhängig davon, wie sich die chine­sisch-iranischen Beziehungen entwickelten, würde die Feindseligkeit der USA gegenüber China unver­ändert fortbestehen.

Angesichts der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA – »der ersten Weltmacht« – und China – »der zweiten Weltmacht« – sollte China laut Fan Hongda versuchen, die politische und wirt­schaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran auszubauen.45 Ein solches Heranrücken an den Iran würde einer offenen Missachtung der US-Sanktionen gegen den Iran gleichkommen, meint ein anderer chinesischer Experte.46 Fan bestätigte kürzlich, dass es einen Punkt in der Abwärtsspirale der US-chinesischen Be­ziehungen geben könnte, an dem China die poten­tiel­len Kosten für die Verletzung von US-Sanktionen nicht mehr als zu hoch einstufen würde.47 China ziehe bei der Prüfung seiner Diplomatie mit dem Iran die USA immer weniger in Betracht.

Der »weiche« Ausgleich in der chinesischen Politikgestaltung

Der Iran ist ein hervorstechendes Beispiel dafür, wie das Denken der politischen Elite in der VRCh zuneh­mend von ordnungspolitischen Vorstellungen eines gleichgewichtigen Einflusses globaler Großmächte bestimmt wird. Geostrategie spielt eine immer grö­ßere Rolle, je mehr China danach drängt, als Welt­macht den USA entgegenzutreten. China strebt im Iran beides an, politischen und wirtschaftlichen Einfluss, doch werden die USA im chinesischen Diskurs auch einstimmig als der Staat benannt, der die Vertiefung der strategischen Zusammenarbeit zwischen China und dem Iran behindert.48 Selbst wenn sich unter der Biden-Administration die Beziehungen des Iran und Chinas zu den USA verbessern würden, blieben die chinesisch-iranischen Beziehungen weiterhin durch von den USA bestimmte Faktoren eingeschränkt.

Aus diesem Blickwinkel lassen sich chinesische Maßnahmen verstehen, dem US-Einfluss zumindest im begrenzten Maße entgegenzuwirken. Chinas »geo­politisierte« Iran-Politik kann bereits durch Aktivitäten belegt werden, die zunächst im Rahmen eines »weichen Balancing« gegenüber den USA stattfinden. Chinas Wirtschaftsbeziehungen zum Iran etwa unter­graben in erster Linie die amerika­nischen Bemühungen, den Iran in der Weltgemeinschaft zu isolieren. Dabei verstößt Peking direkt wie indirekt gegen US-Sanktionen. Die kürzlich vereinbarte, auf 25 Jahre angelegte Partnerschaft zwischen China und dem Iran sollte ebenfalls im Kontext des Beziehungsdreiecks China–Iran und USA betrachtet werden. Die Konse­quen­zen dieser chinesischen Politik sind für Deutschland und die EU nicht minder relevant.

Chinas wirtschaftliches Engagement

Von den weitreichenden Wirtschaftssanktionen des UN-Sicherheitsrats gegen den Iran (2006) und den verschärften Sanktionen (2009) hatte die VRCh zu­nächst profitiert: Während europäische Unternehmen vor ihrem Rückzug aus dem iranischen Markt ein wirtschaftliches Standbein im Land hatten, verdrängte China bis 2008 Europa als den größten Lieferanten des Iran von Industriekomponenten und Fertigungsmaschinen.49 Der jährliche Handel zwischen China und dem Iran stieg zwischen 2003 und 2014 um mehr als das Neunfache von 5,6 Milliarden US-Dollar auf einen Rekordhöchststand von 51,8 Milliarden US-Dol­lar.50 Im gleichen Zeitraum ging der Handel zwischen dem Iran und der EU um 55 Prozent zurück.51

Mit dem Abschluss des Atomabkommens im Jahr 2015 nahm der Handel zwischen dem Iran und China jedoch ab, weil nach der Aufhebung der Sanktionen wieder europäische Firmen auf den iranischen Markt drängten. Bis zum Ausstieg der USA aus dem JCPOA unter Präsident Donald Trump im Mai 2018 (und der Wiederverhängung der US-Sanktionen) bewegten sich die Handelszahlen der VRCh (Exporte und Importe) grob zwischen 30 und 36 Milliarden US-Dollar jähr­lich. Dies entsprach nicht den chinesischen Erwartun­gen, denn China hatte sein diplomatisches Engage­ment mit dem Iran seit 2015 deutlich verstärkt. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten 2016 wurden die chinesisch-iranischen Beziehungen aufgewertet zu einer »umfassenden strategischen Partnerschaft«.52 Im Rahmen dieses Besuchs sagte China dem Iran zu, den bilateralen Handel bis 2026 auf 600 Milliarden US-Dollar mehr als zu verzehnfachen.53

Die allmähliche Eskalation der US-Sanktionen ge­gen den Iran unter der Trump-Adminis­tration führte allerdings zu erheblichen Beeinträchtigungen des chinesisch-iranischen Wirtschaftsaustausches. Mit Wiederverhängung der Sanktionen durch die Exekutiv­verordnung 13846 der Trump-Regierung (August 2018) nahm der Handel zwischen China und dem Iran weiter ab, da die im Iran tätigen Unternehmen amerikanische Strafmaßnahmen fürchten mussten: 2019 belief sich der Wert des gesamten chinesisch-iranischen Handels auf etwa 23 Milliarden US-Dollar, 2020 nur noch auf knapp 14,9 Milliarden US-Dollar (siehe Grafik 1, Seite 9). Anders verlief die Entwicklung chinesischer Investitionen im Iran: Zumindest bis zum Jahr 2020 stiegen sie an, von 468 Millionen US-Dollar 2004 über 3 Milliarden US-Dollar 2019 (hauptsächlich im Energie- und Rohstoffsektor) bis auf etwa 3,5 Milliarden US-Dollar 2020. Trotzdem macht der Iran nur einen Anteil von 0,14 Prozent an den gesamten chinesischen Investitionsbeständen im Ausland aus.54

Auch prominente chinesische Unternehmen wur­den durch die Sanktionen veranlasst, ihre Geschäfte mit dem Iran zu reduzieren oder ganz einzustellen. 2019 stieg beispielsweise die staatliche China Natio­nal Petroleum Corporation (CNPC) aus dem 5‑Milliarden-Dollar-Erdgasentwicklungsprojekt South Pars aus, das das bis dato größte chinesische Investitionsprojekt im Iran gewesen wäre.55 Ein weiteres Beispiel sind chine­sische Technologieunternehmen, die sich aus dem Iran zurückgezogen haben. Der chinesische Computer­hersteller Lenovo Group etwa hat 2019 seinen Distri­bu­toren den Verkauf auf dem iranischen Markt unter­sagt, im März desselben Jahres hat Huawei Berichten zufolge die meisten seiner 250 Mitarbeiter im Iran abgezogen.56 War China also einst Profiteur der Sank­tionen, so ist dies angesichts der angespannten Lage zwischen den USA und dem Iran, aber auch aufgrund der sich verschärfenden Konflikte zwischen den USA und China seit 2018 nicht mehr der Fall.

Peking versucht(e) dennoch durch wirtschaftliche, sprich »weiche« Mittel, Einfluss gegenüber den USA zu etablieren. China ist trotz der US-Sanktionen und der von Trump initiierten Druckkampagne auf den Iran zu einem essentiellen Wirtschaftspartner des Iran geworden. Dies trifft gegenwärtig umso mehr zu, als die iranische Wirtschaft von der Covid-19-Pande­mie stark in Mit­leidenschaft gezogen wurde. China ist schon jetzt der größte Handelspartner Teherans; ein Drittel der iranischen Exporte geht nach China (siehe Grafik 3, Seite 22). In nicht unbedeutendem Maße hat Peking die Sanktionen direkt oder indirekt um­gangen oder in Kauf genommen, zum einen um seine wirt­schaft­lichen Interessen im Iran zu pflegen (Stich­wort Öl­lieferungen), zum anderen um, zumindest symbo­lisch, mit dem Iran eine Front gegenüber den USA zu bilden.

Auch die BRI kann als Instrument der »weichen Balance« gesehen werden. Selbst wenn Chinas Inves­titionen im Iran im Rahmen der BRI nur langsam Fortschritte machen, unterstützt Peking die Infrastrukturentwicklung in dem Land nichtsdestoweniger,

Grafik 3

Quelle: IWF, DOTS, <https://data.imf.org/?sk=9D6028D4-F14A-464C-A2F2-59B2CD424B85> (Zugriff am 3.6.2021).

indem es bei der Finanzierung und dem Bau natio­naler Eisenbahnstrecken hilft, die das iranische Hinter­land in größere regionale Netzwerke integrieren. 2018 unterzeichnete die China National Machinery Industry Corporation beispielsweise einen Vertrag über 845 Millionen US-Dollar für den Bau einer Eisen­bahnverbindung zwischen den Städten Hamedan und Sanandaj im Westen des Iran und Teheran, der 2022 abgeschlossen werden soll. Darüber hinaus hat China laut Berichten einen Kredit in Höhe von 1,9 Milliar­den US-Dollar bereitgestellt, damit eine Hochgeschwin­dig­keitsbahn von Teheran in die iranische Provinz Isfahan gebaut werden kann, und zwar durch die China Rail­way Group (Fertigstellung voraussichtlich 2021).57 Der Iran profitiert von solch dringend benötigten Infrastrukturprojekten. Einem Modell der Weltbank von 2019 zufolge, das das Bruttoinlandsprodukt (BIP) und die Wohlfahrtsvorteile der BRI-Transport­infra­struktur bewertet, können solche Investitionen das BIP und den Wohlstand des Iran um bis zu 6,18 bzw. 5,34 Prozent steigern.58

Chinas Verstöße gegen US-Sanktionen

Die von der Trump-Administration 2018 wiedereingeführten US-Sanktionen beinhalten unter anderem Maß­nahmen, um die Ein­nahmen der iranischen Regie­rung aus dem Ölexport auszutrocknen. Unge­achtet dieser US-Sanktionen soll China weiterhin beträcht­liche Mengen iranischen Öls importiert haben, und zwar mittels verschiedener Verschleierungs- und Sanktionsumgehungsmethoden.59 Laut Medienberichten, basierend auf veröffentlichten Daten von Refinitiv Oil Research, haben Chinas »inoffizielle« Käufe von iranischem Öl mit gefälschter Identifizierung aus Ländern wie Malaysia, den VAE und dem Oman seit Ende 2020 deutlich zugenommen, wohl auch in der Erwartung, dass die neue US-Regierung unter Biden die Sanktionen gegen den Iran lockern würde.60

Die chinesischen Importdaten zeichnen ein anderes Bild. Nach offiziellen Angaben gingen die chine­sischen Käufe von iranischem Öl 2019 erheblich zurück. Im folgenden Jahr ebenfalls: 2020 beliefen sich Chinas offizielle Importe von iranischem Öl auf durchschnittlich nur 118 Millionen US-Dollar pro Monat gegenüber 589 Millionen US-Dollar pro Monat im Jahr 2019 – ein Rückgang um 82 Prozent.61 Ande­rerseits deuten die chinesischen Daten darauf hin, dass Peking seine Importe verringert hat, um eine Bestrafung seitens der USA wegen Verletzung der Sanktionen zu vermeiden, etwa den Verlust des Zu­gangs zu seinen Konten bei amerikanischen Banken. Dennoch dürfte China zumindest mehr iranisches Öl importiert haben, als es die offiziellen Zahlen wieder­geben. Indem die VRCh weiterhin Öl aus dem Iran kauft, verletzen chinesische Unternehmen wissentlich die US-Sanktionen gegen das Land und unter­stützen das dortige Regime.

Ein anderes prominentes Beispiel für den Versuch Chinas, die Sanktionen zu umgehen, ist der Fall Huawei. Dessen Finanzchefin Meng Wanzhou, Toch­ter des Firmengründers Ren Zhengfei, steht unter Anklage der US-Justiz, weil sie in betrügerischer Ab­sicht gegen die US-Sanktionen gegen den Iran ver­stoßen haben soll. US-Behörden zufolge soll sie eine inoffizielle Tochtergesellschaft, Skycom Tech Com­pany, genutzt haben, um trotz internationaler Sank­tio­nen Geschäfte mit dem Iran zu tätigen und den Erlös über das globale Bankensystem zu leiten. Anfang Dezember 2018 wurde Meng auf Betreiben der USA in der westkanadischen Stadt Vancouver festgenommen; Ende September 2021 ließ Kanada sie nach einer Vereinbarung mit den US-Behörden nach China ausreisen.

Unterzeichnung eines 25-jährigen Kooperationsabkommens

Politischen Aufwind haben die chinesisch-iranischen Beziehungen durch eine strategische Absichtserklärung erhalten, die Ende März 2021 unterzeichnet worden ist. Darin vereinbaren die VRCh und der Iran eine vertiefte, vor allem wirtschaftliche Zusammenarbeit über einen Zeitraum von 25 Jahren. Details wurden von offizieller Seite bislang allerdings nicht bekannt gemacht.

Im Juli 2020 veröffentlichte die New York Times Einzelheiten zu dem Abkommen aus einem ihr vor­liegenden 18-seitigen Dokument.62 Das Abkommen sehe angeblich Investitionen in den iranischen Öl- und Finanzsektor sowie in Infrastrukturprojekte vor, und zwar im Wert von 400 Milliarden US-Dollar im Laufe der kommenden 25 Jahre. Darüber hinaus be­inhalte es eine engere Kooperation bei der Atom­energie, beim Aufbau des 5G-Telekommunikations­netzes und im Militärsektor. Die im New York Times- und einem weiteren Bericht genannte Summe von 400 Milliarden US-Dollar erscheint jedoch unrealistisch hoch im Vergleich zu anderen BRI-Investitionen. Pakistan, das einzige Land in der BRI, das einen eige­nen Wirtschaftskorridor (CPEC) mit China baut, hat dafür 46 Milliarden US-Dollar (inzwischen wohl min­destens 62 Milliarden US-Dollar) von China zugesagt bekommen.63

Peking ist sich der Brisanz des 2021 unterzeichneten Kooperationsabkommens mit Teheran durchaus bewusst.

Das Vorhaben, ein solches Abkommen abzuschließen, geht auf den Iran-Besuch Xi Jinpings 2016 zurück, also den Beginn der Vertiefung der chinesischen Be­zie­hungen mit der NMO-Region insgesamt. Dass diese Ankündigung nicht früher umgesetzt wurde, lag laut Fan Hongda vornehmlich daran, dass die Haltung des Iran gegenüber China auch nach dem Besuch von Prä­sident Xi nicht positiv genug war.64 Dies hatte aus seiner Sicht zur Folge, dass Peking es zunächst vor­zog, die Beziehungen zu anderen Staaten im NMO zu inten­sivieren, insbesondere zu Saudi-Arabien und Ägyp­ten. Erst die sich verschlechternden Beziehungen mit den USA, sowohl vonseiten des Iran im Mai 2018 als auch vonseiten Chinas (Handelskrieg), hätte beide Seiten veranlasst, den Fokus erneut auf den Aufbau einer um­fassenden strategischen Partnerschaft zu legen.

Die iranische Seite soll den Entwurf des Abkommens westlichen Medien zugespielt haben, um Peking unter Druck zu setzen, das Abkommen zum Abschluss zu bringen, bzw. um China zu konkreten Investitionen zu verpflichten. Dies würde erklären, warum chine­sische Offizielle und die Medien sich nicht zu dem Ent­wurf äußerten. Fan Hongda nennt als Grund dafür einerseits die Kritik innerhalb des Iran (so kritisierte der ehemalige Präsident Mahmoud Ahmadinedschad die Regierung Rouhani für die »heimliche Unterzeich­nung eines Abkommens« mit einem ausländischen Staat), andererseits die »kalte Haltung« der chinesischen Regierung, die auch die iranische Seite zum Nach­denken veranlasst haben soll.65 Andere chinesische Iran-Experten werteten die Zurückhaltung Pekings als Resultat der schlechten Presse zu dem Abkommen sowohl innerhalb des Iran als auch im Ausland, na­ment­lich in den USA. Das heißt, selbst innerhalb Chinas hat es anscheinend zunächst keinen Konsens über das Ab­kom­men gegeben.66

Hauptgrund dafür, dass das Abkommen letztendlich unterzeichnet worden ist, dürfte der Zeitpunkt gewesen sein. Für Teheran bietet diese Partnerschaft vor allem einen »rhetorischen« und »politischen« Sieg in einem entscheidenden Moment, da zeitgleich in Wien die Nuklearverhandlungen wiederaufgenommen wurden. Teheran konnte demonstrieren, dass es Alternativen hat. Auch für Peking muss es ein oppor­tuner Moment gewesen sein. Aus chinesischer Sicht dürfte der Zeitpunkt wesentlich vom Blick auf die Vereinigten Staaten bestimmt gewesen sein, nämlich auf die Wahl Bidens zum Präsidenten und der damit verbundenen Option, dass die USA zum Nuklear­abkommen zurückkehren – also neuerlicher starker Präsenz der USA im Iran. Das Signal an die USA war somit, dass China in der Lage ist, mit US-Gegnern zusammenzuarbeiten, um dem amerikanischen Ein­fluss in der Region entgegenzuwirken.

Chinesische Experten spielen die reale Bedeutung des Abkommens für die chinesisch-iranischen Bezie­hungen allerdings herunter. Sie betonen, es handele sich um eine reine Absichtserklärung ohne Details.67 Ein »strategisches Partnerschaftsabkommen« ist in der Tat ein Dokument, das China mit diversen anderen Staaten abgeschlossen hat und das eher einer ver­schriftlichten Annäherungsabsicht gleichkommt als einer Allianz. Die strategischen Ziele sind nicht ver­bindlich und enthalten keine spezifischen Details. Die Vorsicht, die China walten lässt, spricht dafür, dass Peking sich der Brisanz des Abkommens und seiner Auswirkungen bewusst ist. Es ist daher vor allem als symbolischer Akt zu bewerten, der es dem Iran ermöglicht, dem Druck der USA bei dem neuen Anlauf in den Verhandlungen zum Nuklearabkommen etwas entgegenzusetzen, und der China hilft, der US-Regierung die Konsequenzen einer kontinuier­lichen Konfrontation mit China aufzuzeigen. Peking kann Washington auf diese Weise signalisieren, dass eine konfrontative Haltung ihm gegenüber dazu führt, dass China seine Gleichgewichtspolitik gegen­über den USA verstärkt. Das Signal in Richtung Iran lautet: China hat sich – zumindest symbolisch – klarer zu seinen Beziehungen zum Iran bekannt als je zuvor.

Auch wenn das Abkommen zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen eher politisch-symbolischen Charak­ter aufweist, so kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass die chinesisch-iranischen Beziehungen zukünftig eine neue Tiefe erreichen, die geostrategische Auswirkungen haben könnte. Ein chinesischer Experte gibt dazu an, gemeinsame Pro­jekte, Investi­tionen oder sonstige Arten der Zusammen­arbeit könn­ten durchaus vertieft werden, sobald die Sanktionen gegen den Iran aufge­hoben würden.68

Der »harte« Ausgleich in der chinesischen Politikgestaltung

Chinas Iran-Politik lässt zunehmend Elemente einer »harten Balance« erkennen, beispielsweise in Form einer »Sicherheitskooperation niedrigeren Ranges«69 oder, nach T. V. Paul, eines »begrenzten harten Aus­balancierens« (limited hard balancing), also in Form des Versuchs Chinas, den Einfluss der USA durch semiharte Mittel auszugleichen.70 Dies geschieht im Falle Irans anhand einer Kooperation im Bereich Sicherheit, die auch das symbolische Signal an die USA senden soll, dass China und der Iran zusammenstehen, etwa wenn sie gemeinsame maritime Übun­gen durchführen. Gleichzeitig weisen Berichte des US‑Finanz­ministeriums darauf hin, dass chinesische Unternehmen das iranische Raketenprogramm weiter­hin verdeckt unterstützen. Zwar ist bislang keine geradlinige Entwicklung in den chinesisch-iranischen Beziehungen erkennbar, die die Formierung einer China-Iran-Allianz gegenüber den USA andeuten würde. Trotzdem konnte Peking immerhin seine Ab­sicht bekunden, gegebenenfalls geostrategisch näher an den Iran heranzurücken.

Sicherheitskooperation

Die Verteidigungskooperation zwischen China und dem Iran begann in den frühen 1980er Jahren wäh­rend des Iran-Irak-Krieges, als China zu einem der wichtigsten Waffenlieferanten des Iran wurde und zu dessen Nuklearprogramm beitrug. In den 1990er Jah­ren gingen die chinesischen Waffenexporte in den Iran allmählich zurück, ebenso wie die Zusammen­arbeit der beiden Länder in der Raketentechnologie (Nuklear- und ballistische Raketen). Insbesondere nach Enthüllungen über das illegale iranische Atom­programm im Jahr 2003 schränkte China seine Waffen­verkäufe an den Iran weiter ein, um US-Sanktionen zu vermeiden. Zudem war die (offene) Unterstützung iranischer Technologien für Nuklear- und ballistische Raketen nicht mehr vereinbar mit Chinas seit 2004 bestehender Mitgliedschaft in der Gruppe der Kern­material-Lieferländer (NSG). China ist zwar nicht Teil des Trägertechnologie-Kontrollregimes (MTCR), er­kennt aber dessen Richtlinien an.

2010 initiierte die VRCh als Mitglied der E3+3 den Beschluss des UN-Sicherheitsrats über weitreichende Sanktionen, die auch den Verkauf der meisten kon­ventionellen Waffen an den Iran begrenzten. Diese Sanktionen führten zu einem weiteren Rückgang von Chinas Waffenexporten an das Land, was wiederum im Einklang stand mit Chinas Vermeidung offener Unterstützung für »Schurkenregime« wie den Iran, den Sudan und Nordkorea.71 Als zusätzliche Einschrän­kung wirkte sich Chinas Bestreben aus, sein Verhältnis zu den anderen regionalen Mächten nicht durch seine Beziehungen zum Iran zu belasten.

Ein Wende­punkt kam mit dem JCPOA. Das Abkom­men eröffnete ausländischen Firmen die Möglich­keit, nunmehr wie­der legal im Iran zu operieren. Gleichwohl ver­zich­tete China weiterhin darauf, direkt Waffen an den Iran zu liefern, da Waffenverkäufe an das Land nach der Ratifizierung des Abkommens (8. Oktober 2015) wei­tere fünf Jahre der Genehmigung des UNSR bedurf­ten, der Verkauf von Technologien für ballis­ti­sche Raketen sogar weitere acht Jahre. Dies gewährte den USA, Groß­britannien und Frankreich effektiv ein Veto in Bezug auf (meist chinesische und russische) Waffenverkäufe.

Dementsprechend haben im letzten Jahrzehnt Chinas Waffenexporte in den Iran drastisch abgenom­men, vor allem wenn man sie mit denjenigen in an­dere Staaten der Region vergleicht, insbesondere mit denen in Irans Nachbarland Pakistan (siehe Grafik 2, Seite 13).72 Im vergangenen Jahr haben die Vereinten Nationen ihr Embargo von 2010 für den Export der meisten Arten von Großwaffen in den Iran aufge­ho­ben. Namentlich die USA befürchten, Russland und China könnten nun moderne Waffen an den Iran ver­kaufen. Was China anbetrifft, ist dergleichen bisher jedoch nicht zu erkennen.73

Experten, die die chinesische Parteizeitung Renmin Ribao zitiert, nennen als Schwierigkeiten, mit denen Waffenexporteure weiterhin im Iran konfrontiert sind, zunächst die finanzielle Lage. Die US-Sanktio­nen hätten die iranische Wirtschaft so schwer ge­schädigt, dass der Iran gar nicht die Mittel habe, große Mengen hochwertiger Waffen zu erwerben. Überdies schrecke die Androhung nationaler US-Sanktionen mögliche Exporteure ab. Letztlich basiere die Militärstrategie des Iran nicht auf gekauften Waffen und ebensolcher Ausrüstung, sondern auf selbst hergestellten ballisti­schen Raketen und einigen pro-iranischen Milizen im Nahen Osten.74

Sun Degang gibt in einem Interview mit der Renmin Ribao an, dass trotz der Aufhebung des UN-Waffen­embargos gegen den Iran die Vereinigten Staaten ausländische Unternehmen sanktionieren könnten, die mit dem Iran in militärischen Projekten zusammenarbeiteten.75 Sun bezieht sich hier auf die US-Exekutivverordnung 13949 vom September 2020, die jedem Unternehmen den Verkauf von Waffen an den Iran verbietet und Zuwiderhandlungen bestraft, in­dem sie straffällig gewordenen Unternehmen den Zugang zu ihrem Eigentum in den USA verweigert sowie ihre Vermögenswerte einfriert.76 US-Sanktionen gegen das iranische Bankensystem stellen ein zusätz­liches Hindernis für chinesische Waffenverkäufe an den Iran dar, weil den betroffenen chinesischen Ban­ken wahrscheinlich der Zugang zum US-Bankensystem verwehrt würde. Das heißt, Peking muss weiterhin Washingtons Reaktion auf Waffenverkäufe an den Iran berücksichtigen. Wie amerikanische Unter­suchungen belegen, hat dennoch in gewissem Umfang eine tech­nisch-militärische Kooperation stattgefunden – China setzt sein »begrenztes hartes Balancing« demnach fort (vgl. Seite 28ff).

Die Ära Xi Jinping markiert ein neues Kapitel in der Verteidigungs­zusammenarbeit zwischen China und dem Iran.

Obwohl sich das derzeitige Niveau der sicherheitspolitischen Zusammen­arbeit zwischen China und dem Iran bescheiden ausnimmt, markiert die Ära Xi Jinping ein neues Kapitel in der Verteidigungs­zusam­menarbeit zwischen beiden Ländern, das nach außen durch offizielle Besuche und gemeinsame Übungen angezeigt wird. Nach Ratifizierung des JCPOA unter­zeichneten China und der Iran im Rahmen des Besuchs Xis 2016 ein Abkommen, das vorsieht, die mili­tärische Kooperation auf den Gebieten Ausbildung, Ter­ro­rismusbekämpfung sowie Ausrüstung und Tech­no­logie zu verbessern. Zudem wurde vereinbart, eine gemeinsame Kommission zwischen den General­stäben einzurichten, um eine engere Koordination in allen Bereichen der militärischen Beziehungen zu ermöglichen.77

Im März 2013 erfolgte der erste Hafenbesuch ira­nischer Schiffe in China, im September 2014 besuch­ten chinesische Kriegsschiffe erstmals den Iran, um gemeinsam Marineübungen im Persischen Golf zu absolvieren. Im Juni 2017 starteten der Iran und China eine weitere gemeinsame Übung, an der zwei chinesische Schiffe und ein iranischer Zerstörer teil­nahmen. Laut einer Datenbank der National Defense University in Washington gab es zwischen 2014 und 2018 zwölf militärische Interaktionen zwischen China und dem Iran, darunter Besuche von Seehäfen, bi­laterale Übungen und hochrangige Dialoge.78 Im Dezember 2019 fand eine trilaterale Marineübung mit Russland im Indischen Ozean und im Golf von Oman statt. Kurz darauf führte China auch mit Saudi-Arabien Marineübungen durch, wohl um die Bezie­hungen zum Iran auszubalancieren. Die gemein­samen chinesisch-iranischen Übungen dürften vor allem ein Signal an die USA sein, dass beide Seiten trotz des Drucks aus Washington zusammenstehen.

Nicht nur die Marineübungen mit dem Iran und anderen Staaten wurden im chinesischen Narrativ als symbolträchtige Ereignisse inszeniert, auch zwei andere Dinge: das Ende des UN-Waffenembargos gegen den Iran sowie die Unterstützung des Iran durch China, um Front gegen die USA zu machen. Mitte August 2020, zwei Monate bevor das Waffen­embargo auslief, hatten die USA einen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat eingebracht mit dem Ziel, das Embargo zu verlängern. Der UNSR lehnte den Antrag der USA mit den Stimmen Russlands und Chinas ab. In der chinesischen Darstellung wird dies als Sieg zur »Wahrung des Multilateralismus« be­schrie­ben.79 Das spiegeln auch Meinungsbeiträge chinesischer Experten wider. Jin Liangxiang sieht die Auf­he­bung der Sanktionen gegen den Iran als Stärkung des Multilateralismus im Kampf gegen den Unilateralismus, also als Sieg der internationalen Gemeinschaft gegen die USA.80 Durch den Zusammenschluss mit China, Russland und anderen Entwicklungsländern sei der Iran vorübergehend aus der diplomatischen Isolation herausgekommen und habe seinerseits die Vereinigten Staaten international isoliert.81

Deutschland, 2019/2020 nichtständiges Mitglied im UNSR, hatte sich bei der Abstimmung enthalten, aus folgen­dem Grund: Die angestrebte Resolution hätte die Ver­einten Nationen nicht in die Lage versetzt, den erheb­lichen vom Iran ausgehenden Risiken für die Region wirkungsvoll zu begegnen. Außerdem bleibt das EU-Waffenembargo gegen den Iran noch bis 2023 in Kraft.

Verdeckte militärische Kooperation

Neben offiziellen Besuchen, gemeinsamen Übungen und Chinas Eintreten für die Beendigung des UN-Waffenembargos gegen den Iran existiert noch eine weitere Form der Sicherheitszusammenarbeit zwi­schen den beiden Ländern: China hat den Iran wohl verdeckt militärisch unterstützt. Die VRCh war früh am iranischen Nuklear­programm beteiligt; nachdem diese Unterstützung in den 1990er Jahren offiziell eingestellt wurde, verkauften chinesische Staatsunter­nehmen weiterhin Technologien an den Iran, die dieser verwendete, um Genauigkeit und Reichweite seiner ballistischen Raketen zu verbessern.82

Die chinesische Regierung tolerierte laut einem Bericht des US-Justizministeriums von 2019 diesen an­haltenden illegalen Handel mit Waffen und Rake­ten­technologie, insbesondere durch den berüchtigten chinesischen Raketentechnologie-Händler und Justiz­flüchtling Li Fangwei (alias Karl Lee). Die USA werfen ihm vor, den Iran mittels eines Netzwerks von Schein­firmen mit Graphit und anderen Materialien für dessen Raketenprogramm beliefert zu haben.83 Die Ausrüstung und Komponenten, die Li dem Iran zur Verfü­gung gestellt haben soll, haben den USA zufolge dazu bei­getragen, dass der Iran nach wie vor fortschritt­lichere Raketen mit verbesserter Genauigkeit, Reich­weite und Letalität entwickelt. Trotz eines Haftbefehls und der verhängten Sanktionen gegen Li hat die chi­ne­sische Regierung bis heute keine Maßnahmen er­griffen, um seinen Aktivitäten ein Ende zu setzen.

In den letzten Jahren haben die USA chinesische Firmen, Einzelpersonen und Organisationen sanktioniert, weil diese iranische Aktivitäten zur Proliferation unterstützten.

Chinesische Scheinfirmen spielen nach US-ameri­kanischen Angaben weiterhin eine wichtige Rolle in den iranischen Programmen zur Proliferation und zur Modernisierung der Verteidigung. Im April 2014 sanktionierte das US-Finanzministerium acht in China ansässige Unternehmen, die die iranischen Aktivitäten zur Raketenproliferation verdeckt unter­stützten, 2017 das chinesische Staatsunternehmen Wuhan Sanjiang Import and Export Company für den Verkauf von Technologien an eine dem iranischen Ministerium für Verteidigung und Logistik der Streit­kräfte unterstellte Einheit.84 Im November 2020 ver­hängte das US-Außenministerium weitere Sank­tionen gegen die chinesischen Unternehmen Chengdu Best New Materials Company und Zibo Elim Trade Com­pany, weil sie ihre Unterstützung des iranischen Raketenprogramms nicht offengelegt hatten.85

Solche Proliferationsaktivitäten haben die Raketen­kapazitäten des Iran gestärkt und das Risiko für nahe­gelegene US-Militärstützpunkte erhöht. Dies wurde zuletzt 2020 veranschaulicht, als der Iran per Stell­vertreter­attacke die USA im Irak mit Raketen angriff, in Re­aktion auf die gezielte Tötung von General Qasem Soleimani durch eine US-Drohne. Mindestens eins der Raketensysteme, die Teheran angeblich bei dem Angriff ein­gesetzt hat, wurde vermutlich mit chine­sischer Tech­nologie für ballistische Raketen entwickelt.86

In den letzten zwanzig Jahren hat die US-Regie­rung zudem chinesische Einzelpersonen und Organi­sa­tio­nen sanktioniert, weil sie die Übertragung sen­sibler Dual-Use-Technologien in den Iran verfolgt haben, hauptsächlich um das iranische Programm für ballis­tische Raketen zu unterstützen.87 Darüber hinaus investierten chinesische Unternehmen in die irani­sche Aluminium-, Stahl-, Gold- und Kupferindustrie und förderten so kritische Industrien, die ebenfalls für das iranische Raketenprogramm nützlich waren – ob China sich dessen bewusst war, kann nur gemut­maßt werden. Die Foreign Engineering and Construction Company (NFC) der staatseigenen China Non­ferrous Metal Industry war an der Entwicklung der iranischen Aluminiumbergbau­industrie aktiv betei­ligt; sie stellte seit etwa 2011 Ausrüstungen im Wert von circa 45,7 Millionen US-Dollar oder 40 Prozent der Gesamtmenge bereit, die für den Aufbau der Raffinerie in Jajarm im Nordosten des Iran erforderlich war.88 Ein Reuters-Bericht bezieht sich auf Doku­mente im Zusammenhang mit diesem Projekt, die iranische Beamte zitieren, die darauf hindeuten, dass das Korps der Islamischen Revolutionsgarden die Raffinerie dafür nutzt, Aluminiumpulver für die Unter­stützung seines Raketenprogramms herzustellen.89

Schließlich wird China und dem Iran eine möglicherweise enge Zusammenarbeit in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten vorgeworfen, die zu einer Dezimierung der Kapazitäten des US-Geheim­dienstes CIA geführt haben soll. So steht es in einem aktuellen Bericht des US-amerikanischen Politik­beratungsinstituts USCC, das sich auf die investigativen Berichte der Yahoo News & Foreign Policy-Reporter Zach Dorfman und Jenna McLaughlin beruft, die 2018 das jahrelange Versagen der CIA aufgedeckt haben.90 Anonyme Interviews mit ehemaligen US-Geheim­dienst- und ‑Regierungsbeamten hatten offenbart, dass im Zeitraum 2010 bis 2012 sowohl der Iran als auch China virtuell in das geheime Kommunikationssystem der CIA eingedrungen waren und damit be­gon­nen hatten, das CIA-Spionagenetzwerk in ihren eigenen Ländern zu demontieren. In diesen Interviews wird nicht ausgeschlossen, dass China und der Iran kooperiert haben könnten, um CIA-Informanten zu identifizieren.

Die verdeckte militärische Unterstützung des Iran durch China scheint somit ein entscheidendes Ele­ment einer zumindest »begrenzten harten Balance« gegenüber den USA geworden zu sein. Zugleich bietet sie der VRCh die Möglichkeit, potentiell langfristig in der Region NMO Fuß zu fassen, auch mittels Nuklear- und anderer Dual-Use-Technologien.

Abschließende Bewertung

China hat sich bislang der amerikanischen Politik des »maximalen Drucks« im Iran nicht offiziell entgegengestellt und ist in den Beziehungen zum Iran stets einer direkten Konfrontation mit den USA aus dem Weg gegangen; Peking vermied es etwa, die Sanktionen offen infrage zu stellen. Ein formelles, gar mili­tärisches Bündnis zwischen China und dem Iran scheint in naher Zukunft ausgeschlossen, da es China in erster Linie darum geht, seinen Einfluss und seine Präsenz im Indopazifik auszubauen, das heißt eine intensive »harte Balance« gegenüber den USA im asia­tisch-pazifischen Raum voranzutreiben. Die »Iran-Karte« würde von China schließlich verlangen, mehr Ressourcen im NMO zu investieren, die derzeit im Indopazifik besser eingesetzt werden können.

Chinas Iran-Politik ist aber zugleich maßgeblich bestimmt durch die amerikanische Präsenz im NMO; auch das zeigt die Analyse des chinesischen Diskurses wie der chinesischen Politikgestaltung. Chinesische Außenpolitiker werden sich an der Stoßrichtung der Biden-Administration orientieren und jede außen­politische Entscheidung vor dem Hintergrund des chinesisch-amerikanischen Konflikts im Indopazifik abwägen. Das gilt ebenfalls für den angekündigten amerikanischen Rückzug aus dem NMO oder den Ab­zug aus Afghanistan. Chinas zukünf­tige Iran-Politik, ob sie sich in Richtung »harte Balance« entwickelt oder es bei einem »weichen« bzw. kalib­rierten »harten Balancing« bleibt, hängt also auch davon ab, wie sich das Großmächteverhältnis anders­wo ge­staltet. Ein Global Times-Artikel, der im August anläss­lich des US-Abzugs aus Afghanistan erschienen ist, bringt die chi­nesische Sichtweise auf den Punkt: »Ob China mit den USA in der Region [Naher Osten] zusammenarbeiten wird und ob Peking mit Washington in den Bereichen zusammenarbeiten wird, in denen es die Hilfe Chinas benötigt, wird davon ab­hän­gen, wie die USA gegen­über China agieren.«91

Ein Ergebnis der geostrategischen Regionalpolitik Chinas dürfte die jüngste Entscheidung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit gewesen sein, den Iran als ständiges Mitglied in ihre Reihen aufzu­neh­men. Der Iran hatte seit 2005 Beobachterstatus und 2015 die Vollmitgliedschaft beantragt. Seine Mit­glied­schaft in der SCO galt lange als unwahrscheinlich, zum einen wegen des Widerstands anderer Mit­glieder und der US-Sanktionen gegen das Land, zum anderen wegen der zurückhaltenden Position Chinas. Wäh­rend ihres Gipfels in Dushanbe am 16. und 17. Sep­tember 2021 gab die SCO schließlich grünes Licht für die Aufnahme des Iran als ständiges Mit­glied. Die SCO-Mitglieder, allen voran China und Russ­land, haben damit signalisiert, ihr Engagement mit dem Iran auch gegen den Willen der USA zu ver­stärken. Darüber hinaus sind drei weitere Länder – Ägypten, Saudi-Arabien und Katar – zu Dialogpartnern der Organisation geworden. Damit hat sie den Grundstein für einen künftigen engeren Austausch mit NMO-Staa­ten gelegt. Diese Entscheidung steht im Einklang mit der Forderung von Vertretern der »harten Balance« in China, eine Koalition mit anderen Mächten wie Russ­land und dem Iran zu bilden, etwa innerhalb der SCO.92

Auch dieses Beispiel belegt, wie Peking seine Regio­nal­politik gegenüber dem Iran immer mehr unter Berücksichtigung der geopolitischen Rivalität mit Wa­shington betreibt.

Chinesisch-iranische Beziehungen – Ausblick

Die Beziehungen zum Iran sind nicht die wichtigsten in der chinesischen Außenpolitik, bieten China aber Möglichkeiten, den US-Einfluss auszubalancieren. Die VRCh könnte somit etwa für das Versprechen, die Zusammenarbeit mit dem Iran zu reduzieren, Zuge­ständnisse von Washington in Angelegenheiten ein­fordern, die sie für bedeutsamer hält. Sollte andererseits die Rivalität zwischen China und den USA weiter eskalieren, könnten militärische Allianzen, die sich ansatzweise zu bilden begonnen haben, auf lange Sicht potentiell zu Kernkomponenten des Wettbewerbs werden. Dieser Wettbewerb umfasst auch den Aufbau von Dual-Use-Fähigkeiten in den Bereichen Cyber und Künstliche Intelligenz (KI).

Sollte China etwa der BRI eine militärische Kom­ponente hinzufügen, könnte diese ein Instrument der »harten Balance« werden. Der Bau des Hafens von Gwadar in Pakistan zum Bei­spiel kann als ein solches Element der BRI betrachtet werden, denn dieser Tief­seehafen gewährt China wirtschaftlichen und militä­ri­schen Zugang zum Indischen Ozean. Desgleichen gibt der Erwerb des Marinestützpunkts in Dschibuti den USA Anlass zur Sorge, weil dieser erste chinesische Militärstützpunkt im Ausland als Modell für künftige Basen sowie als Zeichen dafür gesehen wird, dass China seine militärischen Fähigkeiten ausweitet. Kurz­um: Peking verfügt über Mittel und Wege, seine Iran-Poli­tik hin zu einer »härteren Balance« auszurichten.

Potentiale der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit

Sollte es dazu kommen, dass sich China und der Iran von der internationalen Gemeinschaft abschotten, darf nicht ausgeschlossen werden, dass die beiden Länder in diesem Fall ihre gesamte militärisch-sicher­heits­politische Zusammenarbeit intensivieren, inklu­sive des Waffenhandels. Auf die Frage, ob China bereit oder willens sei, Waffen an den Iran zu ver­kaufen, sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, im Oktober 2020, »China [werde] An­gelegenheiten des Handels mit militärischen Gütern in Übereinstimmung mit seiner eigenen Exportpolitik für Militärprodukte und den eingegange­nen internatio­na­len Verpflichtungen weiterhin um­sichtig behandeln«.93

Die Verteidigungszusammenarbeit zwischen China und dem Iran bietet Möglichkeiten weiterer Vertiefung; die Zunahme gemeinsamer Übungen, Militär­besuche und die strategische Vereinbarung vom März 2021 sind deutliche Indizien. Zwar wurde der Inhalt des 25-jährigen Abkommens nicht offiziell veröffentlicht; der von der New York Times bekannt gemachte Entwurf beinhaltet aber sicherheits­politische Themen, die eine potentielle Kooperation auf den Gebieten Sicherheit und Technologie vermuten lassen. Dazu gehören die Möglichkeit gemeinsamer militärischer Aus­bildung und Übungen, gemeinsame Forschung und Waffenentwicklung sowie Informationsaustausch.

Bereits im August 2015 veröffentlichte China Daily einen Artikel, der den Nutzen des chinesischen Kampf­flug­zeugs J‑10 für den Iran hervorhebt, obwohl Ge­rüchte über einen bevorstehenden Verkauf sich nicht bewahr­heiteten.94 Anfang dieses Jahres kursier­ten Berichte über Teherans Interesse am Kauf des J‑10C-Kampfjets, der von dem chinesischen Konzern Avia­tion In­dustry Corporation of China (AVIC) vermarktet wird.95 Der amerikanische Militärexperte Joel Wuthnow sieht eine Chance für China, von dem Bedarf des Iran an kon­ven­tionellen Waffen zu profitieren.96 Vor allem könn­ten sich chinesische Waffenhersteller, von denen sie­ben zu den zwanzig größten der Welt zäh­len, einen neuen Markt erschließen. Als Zulieferer müsste China allerdings mit Russland konkurrieren. Dennoch: In­dem es seine Verteidigungsbeziehungen mit dem Iran ver­stärkt, könnte China den Druck auf die Ver­einig­ten Staaten vorsichtig kalibriert erhöhen und so seine Gleichgewichtspolitik erfolgreich ausbauen.

Das Potential einer Zusammenarbeit im Cyberraum

Weiteres Potential für die chinesisch-iranische Zu­sam­menarbeit liegt im Bereich Cyberspace, konkret im Verkauf des chinesischen Satellitennavigations­systems BeiDou oder im Bau der 5G-Infrastrukturen im Iran. Für China wäre der Iran mit seinen 75 Millio­nen Einwohnern, von denen etwa 40 Millionen regel­mäßig das Internet nutzen, ein attraktiver Markt. Huawei könnte digitale Hintertüren einbauen, die den chinesischen Sicherheitsdiensten Zugang zu ver­schiedenen Kommunikationsnetzen ermöglichten. Diese Befürchtungen werden durch ein 2017 in China verabschiedetes Gesetz verstärkt, das chinesische Telekommunikationsunternehmen verpflichtet, die Regierung bei Ermittlungen im Zusammenhang mit der nationalen Sicherheit zu unterstützen.

Die Entwicklung neuer Technologien könnte auch zu einer engeren Kooperation zwischen China und dem Iran in der Finanztechnologie führen. Versuche verschiedener Länder, die Finanzsanktionen der USA, die das iranische Bankensystem einschränken, mittels eigener Instrumente zu umgehen und den Handel mit dem Iran aufrechtzuerhalten, waren bislang nicht effektiv. So ist etwa das 2019 von der EU initiierte Inst­rument zur Unterstützung des Handels­austausches (INSTEX) bisher lediglich symbolischer Natur.97 Der VRCh könnte solch ein Versuch mithilfe ihrer in­zwischen fortschrittlichen E-Commerce-Technologien und Online-Bezahlsysteme (wie WeChat Pay und Alipay) gelingen. Mit der Integration des Iran in das chine­sische FinTech-System könnte Peking zudem seinem Traum, den Yuan zu einer Leitwährung zu machen, einen großen Schritt näher kommen. Ende letzten Jahres hatte die iranische Zentralbank ange­kündigt, die chinesische Währung (Renminbi) als ihre wich­tigste Devisenreservewährung einzuführen – anstelle des US-Dollars.

Sowohl China als auch der Iran haben ein Interesse daran, das von den USA dominierte Finanzsystem zu um­gehen – etwa mit Kryptowährungen.

China arbeitet bereits an der Einführung virtueller Währungen sowie neuer internationaler Zahlungs­systeme.98 Eine digitale Währung wäre ein Vehikel, das finanzielle Sicherheit gewährleisten und die Ab­hängigkeit Chinas vom US-Dollar verringern könnte. Auch im Iran blühen Kryptowährungen, eine Entwick­lung, die durch die Wirtschaftssanktionen beschleunigt wurde und die es dem Land ermöglicht, sich Sanktionen zu entziehen. Laut dem Magazin Foreign Policy hat die iranische Regierung seit langem ein Interesse daran, Kryptowährungen außerhalb des traditionellen Bankensystems einzusetzen, um damit seinen internationalen Handel zu unterstützen, und die von den USA dominierte Finanzarchitektur zu umgehen und zu untergraben.99 Hier ergänzen sich die Interessen Chinas und des Iran, was den Weg zu einer Zusammen­arbeit auf diesem Gebiet ebnen könnte. Für die USA bedeuten Kryptowährungs­initiativen in Russland, China oder im Iran sowohl eine Bedrohung für die US-Sanktionen als auch für die Bankenwelt insgesamt. Blockchains liegen außer­halb des Einflussbereichs der aktuellen US-amerika­nischen globalen Finanzarchitektur. Daher stellt die Eingliederung des Iran in Chinas Alternativfinanz­system einen direkten Angriff auf Washingtons Hege­monialmacht über das Weltfinanzsystem dar – und betrifft ebenso europäische Interessen unmittelbar.

Das Potential der Konnektivität

Aus chinesischer Sicht bietet der Iran dank seiner strategischen Lage und aufgrund seines wirtschaft­lichen Potentials große Möglichkeiten für die inlän­di­sche wie für die internationale Konnektivität, was ihn für die Umsetzung der BRI attraktiv macht. Der China–Central Asia–West Asia Economic Corridor, ein BRI-Abschnitt, führt auf seinem Weg nach Europa durch den Iran und verbindet das Land über Zentral­asien mit China. Dass der Iran die Straße von Hormus kontrolliert, den wichtigsten Kanal zur Kontrolle des Öltransports im Nahen Osten, ist ein strategischer – und empfindlicher – Punkt der Transportrouten in Asien und nach Europa. Bisher galt Pakistan als Leit­partner Chinas innerhalb der BRI: Diese De-facto-Allianz beinhaltete nicht nur Inlands- und Seetransport­infrastruktur, sondern auch wirtschaftliche und militärische Kooperation.

Der Iran aber bringt die Energiekomponente mit ins Spiel und eröffnet somit eine neue geopolitische Dimension. Eine solche könnte sich durch die China-Pakistan-Iran-Türkei-Energiepipeline entfalten, die ursprünglich für 2015 geplant war, weil erwartet worden war, dass die US- und UN-Sanktionen gegen den Iran aufgehoben oder gelockert würden. Bauen sollte sie eine Tochter­gesellschaft der staatlichen China National Petroleum Corporation. Die erneute Verhängung von US-Sanktionen 2018 hat jedoch dazu geführt, dass das Pipeline-Projekt vorerst auf Eis gelegt wurde. Eine Analyse chinesischer Experten von 2019 verweist abermals auf die Bedeutung der Ölpipeline, da »China dringend neue Energiekanäle erschließen muss, um seine Abhängigkeit von der Straße von Malakka zu verringern«, die im Falle einer Konfrontation mit den USA zum Würgegriff werden könnte.100 Der Energiekorridor könne, so die Autoren, die Trans­portkosten und den zurückzulegenden Weg von Chinas importierter Energie reduzieren, ferner die Märkte Südasiens, Südostasiens und Ostasiens sowie den europäischen Markt mit Energie beliefern.

Ein weiteres Großprojekt ist die geplante trans­nationale Eisenbahnstrecke zwischen Istanbul, Teheran und Islamabad (ITI). Die Regierungen der Türkei, des Iran und Pakistans haben Anfang 2021 angekündigt, die Planung der ITI-Eisenbahnstrecke wieder aufzunehmen.101 Diese soll die Anbindung an die chinesische BRI verbessern, indem sie eine Eisen­bahnverbindung zwischen China und der Türkei her­stellt. Die ITI könnte dem Iran helfen, auch zukünf­tige US-Sanktionen zu umgehen. Die Finanzierung des Projekts ist bislang noch nicht geklärt; außerdem dürfte seine Umsetzung davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage in und um Afghanistan entwickelt.

Schließlich hat die Unterzeichnung des auf 25 Jahre angelegten Abkommens zwischen China und dem Iran Gerüchte beflügelt, dass China an der Entwicklung des Hafens von Tschabahar (Chabahar) im Iran be­teiligt werden könnte. Der Hafen sollte gemäß einem 2016 geschlossenen Abkommen zwischen Indien und dem Iran Teil eines Transport- und Transitkorridors wer­den, der Zentralasien mit dem Arabischen Meer ver­bindet, unter Umgehung Pakistans und des dort von China errichteten Hafens von Gwadar. Derzeit stockt der Bau des Hafens von Tschabahar aufgrund finanzieller Schwierigkeiten. Sollte Teheran das Pro­jekt für eine chinesische Teilnahme öffnen, könnte China einen weiteren direkten Zugang zum Indischen Ozean erhal­ten. Dies wäre ein neuer Anlass für Frik­tio­nen im chi­ne­sisch-indischen Verhältnis, deren Gewicht die Volks­republik vor einer Entscheidung bedenken müsste.

Diese Möglichkeiten zeigen: China hat sich inzwischen genügend Raum geschaffen, um die Beziehungen zum Iran so auszubauen, dass es die US-Präsenz im NMO durch eine »begrenzte harte«, gegebenenfalls aber zunehmend »härtere Balance« auszutarieren imstande ist. Während seines Besuchs in Teheran im März dieses Jahres sagte Außenminister Wang Yi, auch mit Blick auf die USA, die Beziehungen zwischen dem Iran und China seien, ungeachtet der regionalen und internationalen Situation, »dauerhaft und stra­tegisch«.102 Anders ausgedrückt: China hat im Iran Pflöcke eingeschlagen, die langfristig von strategischer Bedeutung sind. Sie betreffen nicht nur die Region selbst, sondern auch die Rolle der USA, Deutschlands und der EU.

Handlungsempfehlungen für Deutschland und die EU

Die chinesische Iran-Politik illustriert, wie der chine­sische Diskurs sich die »Balance of Power«-Theorie zu eigen gemacht und, der realistischen Schule der west­lichen Politikwissenschaft folgend, sich auf die Politik­gestaltung übertragen hat. China setzt Instru­mente der »weichen Balance«, der »begrenz­ten harten Balance« und – zumindest ansatzweise – auch der »harten Balance« ein. Die Analyse, welche Instrumente China wie und warum anwendet, trägt dazu bei, Beob­achtern in Europa ein angemessenes Verständnis der chine­si­schen Außen­politik in der Ära Xi Jinping zu ver­mitteln, sodass sie in der Lage sind, passende Strate­gien zum Umgang mit der neuen Weltmacht auszuarbeiten.

Chinas geostrategische Regionalpolitik hat (potentiell) Auswirkungen auf das europäische Interesse an einem wirtschaftlichen und politischen Austausch mit dem Iran sowie an der Stabilität des Nahen und Mittleren Ostens. Obers­tes Ziel Deutschlands und der EU in den Bezie­hungen zum Iran ist, den 2015 unter­zeichneten Ge­mein­samen umfassenden Aktionsplan zu erhalten. Nur eine Vereinbarung mit dem Iran kann letztlich der Atomwaffenentwicklung dieses Staa­tes entgegen­wirken. Dafür wird China als ständi­ges Mitglied des UN-Sicherheitsrats in den Verhandlungen gebraucht. Die EU, die USA (unter der Biden-Admi­nist­ration) und China stimmen grundsätzlich darin überein, die Verhandlungen über eine Neuauflage des internationalen Atomabkommens fortzusetzen.

Die USA sind ihrerseits Europas wichtigster Partner für die politische Abstimmung seiner Iran-Politik, vor allem in der Nuklear­waffenfrage. Hier gilt es, den An­satz der Biden-Administration in den Verhandlungen über eine Neuauflage des JCPOA konstruktiv zu be­glei­ten. So solltenDeutschland und die EU, in Ko­ordi­na­tion mit den USA, die chinesische Führung an die Ver­pflich­tungen eines solchen Abkommens erinnern. Chinas Rhetorik, sich für re­gio­nale Stabilität und den Schutz des Multilateralismus einsetzen zu wollen, soll­ten Taten folgen. Dazu ge­hört, bestehende UN- ebenso wie US-Sanktionen nicht zu verletzen oder zu unter­wan­dern. Deutschland und die EU sollten ihrer­seits in ihren Dialogen mit Peking den Druck auf China erhöhen, (tatsächlich) verantwortungsbewusst zu handeln.

Darüber hinaus hat US-Präsident Joe Biden deutlich gemacht, dass die USA Folgevereinbarungen mit dem Iran treffen wollen, bei denen es beispielsweise um das ballistische Raketenprogramm gehen soll. Auch dies ist im Interesse Deutschlands und der EU, insbesondere da das EU-Waffenembargo inklusive der Be­schränkungen für Güter zur Herstellung von Atom­waffen weiterhin gilt. Für Dual-Use-Güter, die sich im Rahmen des ballistischen Raketenprogramms nutzen lassen und die entsprechend ge­listet sind, besteht das bisherige Ausfuhr­verbot in den Iran fort. Insofern sind die chinesisch-iranische Zusammen­arbeit im Be­reich Dual-Use und die verdeckte Unter­stützung Chinas für das iranische ballistische Raketen­programm gleichermaßen für Deutschland und die EU besorgniserregend. Hier sollte China an seine Ver­pflich­tungen ermahnt wer­den, das iranische Atom­waffen­programm auch indirekt nicht zu unterstützen. Deutsch­land und die EU sollten zudem darauf hin­arbeiten, dass China den von den USA vorgeschlagenen Folgevereinbarungen zustimmt.

Ebenso relevant dürfte die iranisch-chinesische Zusammenarbeit in der Cybersicherheit sein. Die Bedeutung von Huawei beim Ausbau des globalen 5G‑Netzes ist unübertroffen. Dies gilt vor allen Dingen für die Hightech-Industrien im NMO. Dies wird ein Streitpunkt zwischen China und den Ver­einigten Staaten bleiben. Die Möglichkeit, dass Huawei digitale Hintertüren in seine Netzwerke einbaut, die den chi­nesischen Sicherheitsdiensten Zugang zu Kommunikationsnetzen verschaffen, wirkt sich auf die Präsenz Deutschlands und anderer europäischer Staaten in der NMO-Region aus.

Abgesehen von den Verhandlungen zum Nuklearabkommen spielt der Iran in der Außenpolitik Deutsch­lands und der EU zurzeit nur eine untergeord­nete Rolle. Der Iran ist jedoch, neben Saudi-Arabien, einer der Schlüsselakteure in der Region. Vor dem Hinter­grund des zunehmenden chinesischen Ein­flus­ses im Iran und der Wahl eines deutlich konservative­ren iranischen Präsidenten im Juni 2021 werden die Erfolgs­chancen für eine Annäherung an den Westen immer geringer. Angesichts dessen sollten Deutschland und die EU den noch verbliebenen moderaten Kräften im Iran verstärkt alternative Pers­pektiven eröffnen, etwa über Handelsabkommen oder Koope­ra­tionsangebote, zum Beispiel in der Infrastruktur­entwicklung.

Insbesondere für Deutschland würde sich hierfür der bestehende wirtschaftliche Austausch eignen. Deutschland ist einer der wichtigsten euro­päischen Handelspartner des Iran (siehe Grafik 3, Seite 22), doch hat die wirt­schaftliche Kooperation unter den Sanktionsregimen enorm gelitten.103 Ein informeller Wirtschaftsdialog oder eine stärkere Präsenz deut­scher Handelsvertreter im Iran ebenso wie der Außen­handelskammer könn­ten den Weg für eine neuerlich intensivierte Wirt­schafts­zusammenarbeit bereiten, sollten die Sanktionen unter einer Neuauflage des JCPOA aufgehoben werden.

Ein anderer europäischer Ansatz könnte sein, an das INSTEX-Programm der EU anzuknüpfen, sprich der Versuch, durch ein eigenes Finanz­instrument den Handel mit dem Iran aufrechtzuerhalten. In Abstim­mung mit Washington sollte Europa mit einer ernst gemeinten Neuauflage des Programms dem Iran zu­mindest wirtschaftlich wieder die Hand reichen. Mit Blick auf die Covid‑19-Pandemie, die die iranische Wirtschaft in eine tiefe Krise gestürzt hat, ist INSTEX gefordert. Der im März 2020 durchgeführte erste INSTEX-Handel zur Lieferung von medizinischem Material aus der EU in den Iran ist ein erster Schritt.

Die untergeordnete Bedeutung des Iran in der Außen­politik Deutschlands und der EU wird dem euro­päischen Anspruch nicht mehr gerecht, mehr strate­gische Autonomie zu erlangen und eine stärker geo­politische Rolle in der Welt einzunehmen. Deutsch­land und die EU müssen daher Optionen prüfen oder auch neu entwickeln, wie sie ihre Interessen im Iran wirksam(er) vertreten können. Während Europa und Deutschland mit ihren jüngsten Strategien für den Indo­pazifik eine Grundlage geschaffen haben, die poli­tische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Ländern Asiens zu intensivieren, dürfen Länder in anderen Weltregionen nicht ausgeblendet werden. Das im Indopazifik verfolgte Ziel, Demokratie, Rechts­staat­lichkeit und Resilienz zu stärken, sollte auch anders­wo gelten. Die im September 2021 von der EU ange­kündigte globale Konnektivitätsstrategie »Global Gate­way« bietet sich an für ein solches betont werte­basier­tes Engagement der EU im Iran wie im NMO ins­gesamt. Eine erfolgreiche Umsetzung der anvisierten »Global Gateway«-Partnerschaften kann den Iran und die ganze Region politisch wie wirtschaftlich enger an die EU binden und eine glaubwürdige alter­native Politik zur Finanzierung der Infrastruktur­entwicklung darstellen.

Alles in allem verdeutlicht die Analyse der chinesischen »Balancing«-Ansätze, dass die Verschiebung der chinesischen Außenpolitik hin zur Geostrategie ebens­o in Regionen stattfindet, in denen China bislang kaum als geopolitischer Akteur wahrgenommen wird. Für Deutschland und Europa heißt das, China tritt in­zwischen auch an der Peripherie Europas als geostrate­gischer Akteur auf – und diese seine Präsenz kann die Bewegungsspielräume der europäischen Politik ein­engen. Für die neue deutsche Bundesregierung wächst damit die Herausforderung, einen Umgang mit China als Partner und Systemwettbewerber zu fin­den. Umso wichtiger ist es für Deutschland, Alleingänge inner­halb der EU zu vermeiden. Es muss außen­poli­ti­sches Handeln in Drittstaaten mit dem Anspruch, den von China ausgehenden Herausforderungen zu begeg­nen, innerhalb der EU umfassend und koordiniert angehen.

Eine stärkere Werteorientierung der deutschen China-Politik wird unvermeidlich sein, deshalb muss die Bundesregierung in jedem Dialog mit Peking unter­streichen, dass der Systemwettbewerb nicht zwischen China und den USA besteht, sondern zwischen China und der transatlantischen Gemeinschaft an sich. Nur auf der Basis einer werteorientierten und gut koordi­nierten deutschen China-Politik kann es gelingen, die derzeitigen Herausforderungen durch China zu be­wäl­tigen. Konkret geht es zuvorderst um die Taiwan-Frage, um die chinesische Einflussnahme auf Politik und Wirtschaft in Europa, schließlich um die Ver­suche Pekings, eine geostrategische Front gegenüber den USA und damit auch der westlichen Werte­gemeinschaft als ganzer aufzubauen.

Abkürzungen

5G

Mobilfunkstandard der 5. Generation

AEI

American Enterprise Institute

AVIC

Aviation Industry Corporation of China

BIP

Bruttoinlandsprodukt

BRI

Belt and Road Initiative (Seidenstraßen­initiative)

CASCF

China–Arab States Cooperation Forum (Chinesisch-Arabisches Kooperationsforum)

CIA

Central Intelligence Agency

CNPC

China National Petroleum Corporation

CPEC

China–Pakistan Economic Corridor

DOTS

Direction of Trade Statistics

DSR

Digital Silk Road (Digitale Seidenstraße)

E3+3

Deutschland, Frankreich, Großbritannien + USA, Russland, China

EU

Europäische Union

FMPRC

Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China

GCC

Gulf Cooperation Council (Golf-Kooperations­rat)

INKSNA

Iran, North Korea, and Syria Nonproliferation Act

INSTEX

Instrument in Support of Trade Exchanges (Instrument zur Unterstützung des Handels­austausches)

I. R.

Islamic Republic

ITI

Eisenbahnstrecke zwischen Istanbul, Teheran und Islamabad

IWF

Internationaler Währungsfonds

JCPOA

Joint Comprehensive Plan of Action (Gemeinsamer umfassender Aktionsplan)

KI

Künstliche Intelligenz

MTCR

Missile Technology Control Regime (Trägertechnologie-Kontrollregime)

NFC

Foreign Engineering and Construction Company

NMO

Naher und Mittlerer Osten

NSG

Nuclear Suppliers Group (Gruppe der Kern­material-Lieferländer)

P5

Permanent Five (die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats)

P. R.

People’s Republic

PRC

People’s Republic of China

SCO

Shanghai Cooperation Organization (Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit)

SIPRI

Stockholm International Peace Research Institute

UN

United Nations (Vereinte Nationen)

UNSR

UN-Sicherheitsrat

USCC

U. S.–China Economic and Security Review Commission

VAE

Vereinigte Arabische Emirate

VRCh

Volksrepublik China

Literaturhinweise

Nadine Godehardt

Wie China Weltpolitik formt. Die Logik von Pekings Außenpolitik unter Xi Jinping

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2020 (SWP-Studie 19/2020)

Hanns Günther Hilpert / Angela Stanzel

Eine alternative »Ein China«-Politik

in: Günther Maihold / Stefan Mair / Melanie Müller / Judith Vorrath / Christian Wagner (Hg.), Deutsche Außenpolitik im Wandel. Unstete Bedingungen, neue Impulse, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2021 (SWP-Studie 15/2021), S. 49–52

Barbara Lippert / Volker Perthes (Hg.)

Strategische Rivalität zwischen USA und China. Worum es geht, was es für Europa (und andere) bedeutet

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2020 (SWP-Studie 1/2020)

Endnoten

1

Ende März 2021 reiste Wang Yi nach Saudi-Arabien, in die Türkei, den Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), nach Bahrain und Oman; Ende Juli 2021 nach Syrien, Ägypten und Algerien.

2

 Vgl. Nadine Godehardt, Wie China Weltpolitik formt. Die Logik von Pekings Außenpolitik unter Xi Jinping, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2020 (SWP-Studie 19/2020), doi: 10.18449/2020S19 (Zugriff am 10.12.2021).

3

 Siehe Sun Degang/Yahia Zoubir, »China’s Participation in Conflict Resolution in the Middle East and North Africa: A Case of Quasi-Mediation Diplomacy?«, in: Journal of Contem­porary China, 27 (2018) 110, S. 224–243.

4

 »Xi Jinping: Zuo hao dingceng sheji, goujian ›1+2+3‹ zhong a hezuo geju« [Macht gute Arbeit im Top-Level-Design und baut ein »1+2+3«-Muster der chinesisch-arabischen Zusam­menarbeit auf], Xinhua, 5.6.2014, <http://www.xinhua net.com//politics/2014-06/05/c_1111000667.htm> (Zugriff am 23.3.2021). Das CASCF ist bislang die wichtigste formelle Institution, über die China und die Länder des NMO Fragen ihrer Beziehungen gemeinsam bearbeiten.

5

 Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China (FMPRC), China’s Arab Policy Paper, Januar 2016, <https://www.fmprc.gov.cn/mfa_eng/wjdt_665385/2649_665393/201601/t20160114_679437.html> (Zugriff am 25.1.2021).

6

 Siehe Daniel Workman, »Top 15 Crude Oil Suppliers to China«, in: World’s Top Exports, <https://www.worlds top exports.com/top-15-crude-oil-suppliers-to-china/> (Zugriff am 7.8.2021).

7

 Botschaft der VRCh in Deutschland, Vision and Actions on Jointly Building Silk Road Economic Belt and 21st-Century Maritime Silk Road, 30.3.2015, <http://de.china-embassy.org/ det/zt/yidaiyilude/t1250293.htm> (Zugriff am 1.12.2021).

8

 American Enterprise Institute (AEI), »China Global Investment Tracker«, <https://www.aei.org/china-global-investment-tracker/> (Zugriff am 25.1.2021).

9

 Die Digitale Seidenstraße (DSR) wurde 2015 angekündigt und verfolgt das Ziel, China in den Mittelpunkt globaler technologischer Standards und Normen zu stellen, etwa durch den Aufbau einer physischen digitalen Infrastruktur mit Zentren für Forschung und Entwicklung, 5G-Netzen und Glasfaserkabeln.

10

 Siehe Lu Jin/Song Jiangbo, »Yilang yu zhongguo zhanlüe hezuo de dongyin ji zuli« [Motivation und Hindernisse der strategischen Zusammenarbeit zwischen dem Iran und China], in: Guoji yanjiu cankao [International Research Reference], (2020) 12, S. 38–41.

11

 Die Libyen-Krise 2011, die auch das Leben zehntausender chinesischer Bürger im Land gefährdete, bezeichnet Peking gerne als »Lektion«.

12

 Wie etwa Wu Bingbing in Belt and Road Initiative: China-Middle East Cooperation in an Age of Geopolitical Turbulence, Doha: Brookings Doha Center, 16./17. Dezember 2019 (Outline of Workshop Proceedings), <https://www.brookings.edu/ events/the-belt-and-road-initiative-china-middle-east-cooperation-in-an-age-of-geopolitical-turbulence/> (Zugriff am 13.6.2021).

13

 Siehe Zhen Han/T. V. Paul, »China’s Rise and Balance of Power Politics«, in: The Chinese Journal of International Politics, 13 (2020) 1, S. 1–26 (4–6).

14

 Siehe »Völker der ganzen Welt, vereinigt euch, besiegt die US-Aggressoren und alle ihre Lakaien«, in: Mao Tse Tung, Reden und Schriften, Band V, Hamburg: Verlag Arbeiterkampf, 1977, S. 161f; siehe auch Sebastian Haffner, »Der neue Krieg. Einleitender Essay«, in: Mao Tse-tung, Theorie des Guerilla­krieges oder Strategie der Dritten Welt, Reinbek: Rowohlt, 1966, S. 5–34.

15

 Raymond Aron, Frieden und Krieg. Eine Theorie der Staatenwelt, Frankfurt a. M.: S. Fischer, 1986, S. 595.

16

 Vgl. dazu etwa Joseph S. Nye, Jr.: »Ob sich andere Län­der vereinen, um die amerikanische Macht auszugleichen, wird davon abhängen, wie sich die Vereinigten Staaten verhalten und wie die Machtressourcen potentieller Herausforderer sind.« Joseph S. Nye, Jr., The Paradox of American Power. Why the World’s Only Superpower Can’t Go it Alone, New York: Oxford University Press, 2002, S. 17.

17

 Liu Feng, »Gainian shengcheng yu guoji guanxi lilun chuangxin liu feng« [Konzeptgenerierung und theoretische Innovation in den Internationalen Beziehungen], in: Guoji zhengzhi yanjiu [The Journal of International Studies], (2014) 4, S. 26–39.

18

 Qi Huaigao, »Lengzhan hou zhong mei zai dongya de zhidu junshi ji dui zhongguo de qishi qihuaigao« [Das Machtgleichgewicht zwischen China und den USA in Ost­asien nach dem Kalten Krieg und Implikationen für China], in: Shijie Zhengzhi [World Politics], (2011) 7, S. 94–110.

19

 Siehe Xie Lichen/Qi Shujie, »›Ruan zhiheng‹ lilun de neizai luoji yu shizheng fenxi« [Die interne Logik und empirische Analyse der »Soft Balancing«-Theorie], in: Xiya Feizhou [West Asia and Africa], (2015) 5, S. 81–97.

20

 Vgl. Kai Hes Theorie des institutionellen Ausgleichs: Kai He, »Institutional Balancing and International Relations Theory: Economic Interdependence and Balance of Power Strategies in Southeast Asia«, in: European Journal of International Relations, 14 (2008) 3, S. 489–518.

21

 Siehe Stephan Gill, »China’s Soft Balancing Strategy and the Role of Resource Investment«, in: Yonsei Journal of Inter­national Studies, 2 (2010) 2, S. 247–258, <https://yonsei journal.files.wordpress.com/2012/08/china-soft-balancing. pdf> (Zugriff am 11.6.2021).

22

 Siehe Rosemary Foot, »Chinese Strategies in a US-Hege­monic Global Order: Accommodating and Hedging«, in: International Affairs, 82 (2006) 1, S. 77–94 (93).

23

 Siehe Bradley Bowman/Jared Thompson/Ryan Brobst, »China’s Surprising Drone Sales in the Middle East«, Defense News, 23.4.2021, <https://www.defensenews.com/opinion/ 2021/04/23/chinas-surprising-drone-sales-in-the-middle-east/> (Zugriff am 4.7.2021).

24

 Siehe T. V. Paul, Restraining Great Powers. Soft Balancing from Empires to the Global Era, New Haven, CT: Yale University Press, 2018, S. 22; T. V. Paul, »Introduction: The Enduring Axioms of Balance of Power Theory and Their Contemporary Relevance«, in: T. V. Paul/James J. Wirtz/Michel Fortmann (Hg.), Balance of Power. Theory and Practice in the 21st Century, Stanford, CA: Stanford University Press, 2004, S. 1–29 (3).

25

 Siehe Sun/Zoubir, »China’s Participation in Conflict Resolution in the Middle East« [wie Fn. 3].

26

 Charta der Vereinten Nationen, Artikel 2, unter Punkt 7.

27

 »Wang’s Mideast Visit Secures Vaccine Joint Production, Expands Philosophy of Win-win«, in: Global Times, 29.3.2021, <https://www.globaltimes.cn/page/202103/1219777.shtml> (Zugriff am 2.6.2021).

28

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Nahost-Experten via E-Mail am 1.2.2021.

29

 Siehe ebd.

30

 Siehe Sun Degang, »Lun 21 shiji zhongguo dui zhongdong guojia de huoban waijiao« [Über Chinas Partnerdiplomatie gegenüber den Ländern des Nahen Ostens im 21. Jahr­hundert], in: Shijie jingji yu zhengzhi [World Economics and Politics], (2019) 7, S. 106–130.

31

 Siehe Shi Jiangtao, »China’s 25-year Deal with Iran Marks ›Momentous‹ Change as Ties with US Sour, Says Former Ambassador«, in: South China Morning Post, 28.3.2021, <https://www.scmp.com/news/china/diplomacy/article/3127346/chinas-25-year-deal-iran-marks-momentous-change-ties-us-sour> (Zugriff am 1.4.2021).

32

 Siehe Sun/Zoubir, »China’s Participation in Conflict Resolution in the Middle East« [wie Fn. 3].

33

 »China Proposes Gulf Region Multilateral Dialogue Platform for Easing Tensions«, in: Xinhua, 21.10.2020, <http://www.xinhuanet.com/english/2020-10/21/c_ 139454932.htm> (Zugriff am 4.12.2021).

34

 Fan Hongda, »Jiji yingdui zhongdong weilai xin tujing« [Reagiert aktiv auf die neue Vision der Zukunft des Nahen Ostens], in: Global Times, 21.10.2020, <https://opinion. huanqiu.com/article/40MwcQxtu6E> (Zugriff am 11.8.2021).

35

 Vgl. The PRC State Council, Xi Jinping: Zai qingzhu zhongguo gongchandang chengli 100 zhounian dahui shang de jianghua [Xi Jinpings Rede anlässlich der Feier zum 100. Jahres­tag der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas], 1.7.2021, <http://www.gov.cn/xinwen/2021-07/01/ content_5621847.htm> (Zugriff am 4.12.2021).

36

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via E-Mail am 21.2.2021.

37

 Siehe Sun Degang/Wu Sike, »Xin shidaii zhongguo canyu zhongdong anquan shiwu linian zhuzhang yu shijian tansuo« [Chinas Beteiligung an Sicherheitsangelegenheiten im Nahen Osten in der neuen Ära], in: Guoji wenti yanjiu [International Issues], (2020) 4, S. 1–19.

38

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 25.5.2021.

39

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 22.1.2021.

40

 Im Juli 2019 hat der Iran als einer von 50 Staaten ein Schreiben an den UN-Menschen­rechtsrat unterzeichnet, das Pekings Politik in Xinjiang unterstützt.

41

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 22.1.2021.

42

 Siehe ebd.

43

 Siehe Jin Liangxiang, »Cong pingheng dao zhenghe: Bai deng zhengfu jiangu yatai he zhongdong de zhanlüe zhanwang« [Vom Gleichgewicht zur Integration: Der strategische Ausblick der Biden-Regierung für den asiatisch-pazifischen Raum und den Nahen Osten], in: Xiya Feizhou [West Asia and Africa], (2021) 2, S. 26–46.

44

 Siehe Chinese Middle East Scholar Fan Hongda: Iran Should Understand that Cooperation With China Is a ›Win-Win‹ for Both Countries, Washington D. C.: Middle East Media Research Institute, 17.11.2020 (Special Dispatch Nr. 9037), <https:// www.memri.org/reports/chinese-middle-east-scholar-fan-hongda-iran-should-understand-cooperation-china-win-win-both> (Zugriff am 3.8.2021).

45

 Siehe ebd.

46

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 20.5.2021: »China fühlt sich nicht mehr verpflichtet, sich an die US-Sanktionen gegen den Iran zu halten.«

47

 Siehe Fan Hongda, »Yilang xuanbu yu hua 25 nian quanmian hezuo jihua, zhong yi guanxi neng fou jinyibu zou jin?« [Der Iran verkündet einen 25-jährigen umfassenden Kooperationsplan mit China. Können die Beziehungen zwischen China und dem Iran enger werden?], in: Shanghai Observer, 30.6.2021, <https://www.shobserver.com/news/ detail?id=264494> (Zugriff am 1.7.2021).

48

 Vgl. dazu etwa Lu/Song, »Yilang yu zhongguo zhanlüe hezuo de dongyin ji zuli« [wie Fn. 10].

49

 Siehe Lucille Greer/Esfandyar Batmanghelidj, Last among Equals: The China–Iran Partnership in a Regional Context, Washington, D. C.: Wilson Center, September 2020 (Occasional Paper Series Nr. 38), <https://www.wilsoncenter.org/publication/ last-among-equals-china-iran-partnership-regional-context> (Zugriff am 4.7.2021).

50

 Siehe Borzou Daragahi, »China Goes beyond Oil in Forging Ties to Persian Gulf«, in: The New York Times (online), 13.1.2005, <https://www.nytimes.com/2005/01/13/business/ worldbusiness/china-goes-beyond-oil-in-forging-ties-to-persian.html> (Zugriff am 5.7.2021); China General Administration of Customs via CEIC Database, <https://www.ceicdata. com/en/china/usd-trade-by-country/import-asia-iran> (Zugriff 8.12.2021).

51

 European Commission, European Union, Trade in Goods with Iran, 2.6.2021, <https://webgate.ec.europa.eu/isdb_ results/factsheets/country/details_iran_en.pdf> (Zugriff am 8.12.2021).

52

 Official Website of the President of the Islamic Republic of Iran, Full Text of Joint Statement on Comprehensive Strategic Partnership between I. R. Iran, P. R. China, 2016, <https://www. president.ir/EN/91435> (Zugriff am 1.12.2021).

53

 China unterhält fünf umfassende strategische Partnerschaften im NMO: mit Ägypten, Algerien, dem Iran, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

54

 »Last among Equals: Iran–China Relations«, The Iran Primer, Washington D. C.: United States Institute of Peace, 6.10.2020, <https://iranprimer.usip.org/blog/2020/oct/06/last-among-equals-iran-china-relations> (Zugriff am 14.12.2021); Eigene Berechnung basierend auf Ministry of Commerce of the People’s Republic of China, Statistical Bulletin of China’s Outward Foreign Direct Investment 2020, Peking: September 2021, Annex Table 2, S. 153, <http://images.mofcom.gov.cn/ hzs/202110/20211014083913502.pdf> (Zugriff am 13.12.2021).

55

 Siehe Arsalan Shahla/Verity Ratcliffe, »CNPC Quits Flagship Iran Gas Project as Sanctions Bite«, Bloomberg, 9.10.2019, <https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-10-06/iran-says-china-s-cnpc-is-no-longer-part-of-giant-gas-project> (Zugriff am 13.4.2021); AEI, »China Global Investment Tracker« [wie Fn. 8].

56

 Siehe Benoit Faucon/Sune Engel Rasmussen, »Asian Companies Pull Back from Iran amid U. S. Pressure«, in: Wall Street Journal (online), 24.4.2019, <https://www.wsj.com/ articles/asian-companies-pull-back-from-iran-amid-u-s-pressure-11556133979> (Zugriff am 8.7.2021).

57

 Siehe »China Reopens $1.9b L/C [letter of credit ] for Tehran-Qom-Isfahan Railroad Project«, in: Financial Tribune, 18.12.2019, <https://financialtribune.com/articles/domestic-economy/101287/china-reopens-19b-lc-for-tehran-qom-isfahan-railroad-project> (Zugriff am 13.6.201).

58

 Siehe François de Soyres/Alen Mulabdic/Michele Ruta, Common Transport Infrastructure. A Quantitative Model and Estimates from the Belt and Road Initiative, Washington, D. C.: World Bank Group, April 2019 (Policy Research Working Paper 8801), <http://documents1.worldbank.org/curated/ en/879031554144957551/pdf/Common-Transport-Infra structure-A-Quantitative-Model-and-Estimates-from-the-Belt-and-Road-Initiative.pdf> (Zugriff am 6.8.2021).

59

 Vgl. Sascha Lohmann/Kirsten Westphal, Unilaterale US-Sanktionen gegen Petrostaaten. Die Geopolitisierung des internatio­nalen Ölmarkts, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Dezember 2019 (SWP-Studie 28/2019), doi: 10.18449/2019S28 (Zugriff am 3.12.2021).

60

 Siehe Nidhi Verma/Shu Zhang, »Iran Slips Record Volume of Oil into China, Reaches out to Asian Clients for Trade Resumption«, Reuters, 8.3.2021, <https://www.reuters. com/article/us-oil-iran-asia-analysis/analysis-iran-slips-record-volume-of-oil-into-china-reaches-out-to-asian-clients-for-trade-resumption-idUSKBN2B00OL> (Zugriff am 7.8.2021).

61

 China General Administration of Customs via CEIC Database.

62

 Siehe Farnaz Fassihi/Steven Lee Myers, »Defying U. S., China and Iran Near Trade and Military Partnership«, in: The New York Times (online), 11.7.2020, <https://www.nytimes. com/2020/07/11/world/asia/china-iran-trade-military-deal. html> (Zugriff am 23.6.2021).

63

 Im September 2019 veröffentlichte The Petroleum Economist erstmals vermeintliche Informationen zu dem chinesisch-iranischen Abkommen, die neben der Summe von 400 Milliarden US-Dollar Investitionen sogar 5.000 Personen chinesisches Sicherheitspersonal auf iranischem Boden umfassen. Diese Angaben wurden von iranischen Offiziellen einerseits und von Experten andererseits als falsch abgetan bzw. zurückgewiesen.

64

 Siehe Fan Hongda, »Zhongguo he yilang: Xin cun gehe de zhanlüe huoban« [China und der Iran: Getrennte strategische Partner], in: Beijing yuyan daxue guo bie he quyu yanjiu jianbao [Briefing zu nationalen und regionalen Studien der Universität für Sprache und Kultur Peking], (2020) 17, <https://www. guancha.cn/FanHongDa/2020_12_04_573499. shtml> (Zugriff am 7.12.2021).

65

 Siehe ebd.

66

 Interviews der Autorin mit chinesischen Experten via Videokonferenz am 19. und 22.1.2021.

67

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 25.5.2021.

68

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 10.4.2021.

69

 Siehe Sun Degang, »Lun ›zhun lianmeng‹ zhanlüe« [Zur »Quasi-Allianz«-Strategie], in: Shijie jingji yu zhengzhi [World Economics and Politics], (2011) 2, S. 75–80.

70

 Siehe T. V. Paul, Restraining Great Powers [wie Fn. 24].

71

 Nichtoffene Unterstützung wird China in der Tat immer wieder nachgesagt, basierend auf Erkenntnissen zu chinesischer Unterstützung der pakistanischen und nordkoreanischen Nuklear- und Raketenprogramme.

72

 Im Zeitraum 2016 bis 2020 machten die Waffenimporte des Iran 0,3 Prozent des weltweiten Gesamtvolumens aus. Siehe Pieter D. Wezeman/Alexandra Kuimova/Siemon T. Wezeman, Trends in International Arms Transfers, 2020, Solna: Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), März 2021 (SIPRI Fact Sheet), S. 8, <https://sipri.org/sites/ default/files/2021-03/fs_2103_at_2020.pdf> (Zugriff am 3.12.2021).

73

 Siehe ebd.

74

 »Lianheguo jiechu wuqi jin yun dui yilang yingxiang jihe« [Wie sich das UN-Waffenembargo auf den Iran auswirkt], in: Renmin wang [Onlineausgabe der Renmin Ribao (Volkstageszeitung)], 19.10.2020, <http://military.people. com.cn/n1/2020/1019/c1011-31897121.html> (Zugriff am 4.7.2021).

75

 Siehe »Zhe ci jiejin dui yilang yiweizhe shenme?« [Was bedeutet die Aufhebung des Embargos für den Iran?], in: Renmin wang [Onlineausgabe der Renmin Ribao (Volkstages­zeitung)], 25.10.2020, <http://world.people.com.cn/n1/ 2020/1025/c1002-31904868.html> (Zugriff am 6.7.2021).

76

 Federal Register, Executive Order 13949: Blocking Property of Certain Persons with Respect to the Conventional Arms Activities of Iran, 21.9.2020, <https://www.federalregister.gov/ documents/2020/09/23/2020-21160/blocking-property-of-certain-persons-with-respect-to-the-conventional-arms-activities-of-iran> (Zugriff am 3.12.2021).

77

 »Iran, China to Form Joint Commission for Military Cooperation«, Tasnim News Agency, 14.11.2016, <https://www. tasnimnews.com/en/news/2016/11/14/1240601/iran-china-to-form-joint-commission-for-military-cooperation> (Zugriff am 25.6.2021).

78

 Siehe »Executive Summary«, in: Kenneth Allen/Phillip C. Saunders/John Chen, Chinese Military Diplomacy, 2003–2016: Trends and Implications, Washington, D. C.: National Defense University Press, Juli 2017 (China Strategic Perspectives Nr. 11), S. 1–5, <https://ndupress.ndu.edu/Portals/68/ Documents/ stratperspective/china/ChinaPerspectives-11.pdf?ver=2017-07-17-153301-093> (Zugriff am 3.12.2021).

79

 The State’s Council of the PRC, »Pressekonferenz mit Zhao Lijian«, 19.10.2020, <http://www.gov.cn/xinwen/2020-10/19/content_5552547.htm> (Zugriff am 6.7.2021).

80

 Siehe »Zhe ci jiejin dui yilang yiweizhe shenme?« [Was bedeutet die Aufhebung des Embargos für den Iran?] [wie Fn. 75].

81

 Siehe ebd.

82

 Siehe Valerie Lincy, Written Testimony before the U. S.–China Economic and Security Review Commission, Hearing on »China’s Nuclear Forces«, Washington D. C.: U. S.–China Economic and Security Review Commission (USCC), 10.6.2021, <https://www.uscc.gov/hearings/chinas-nuclear-forces> (Zugriff am 28.6.2021).

83

 2006 und 2009 hatten die USA bereits Sanktionen gegen Li Fangwei verhängt. 2014 haben die USA für Hinweise, die zur Überführung Lis führen, eine Belohnung in Höhe von 5 Millionen US-Dollar ausgelobt.

84

 Siehe Valerie Lincy, Written Testimony [wie Fn. 82].

85

 Michael R. Pompeo, U. S. Embassy in Georgia, »New Sanctions Under the Iran, North Korea, and Syria Non­proliferation Act (INKSNA)«, 27.11.2020, <https://ge.us embassy.gov/new-sanctions-under-the-iran-north-korea-and-syria-nonproliferation-act-inksna/> (Zugriff am 28.6.2021).

86

 Siehe Sebastien Roblin, »Meet the Qiam Missile Iran Used to Blast a U. S. Airbase«, in: The National Interest, 11.1.2020, <https://nationalinterest.org/blog/buzz/meet-qiam-missile-iran-used-blast-us-airbase-112911> (Zugriff am 22.6.2021).

87

 U. S. Virtual Embassy Iran, Iran, North Korea, and Syria Nonproliferation Act Sanctions, 24.3.2017, <https://ir.usembassy. gov/iran-nonproliferation-sanctions/> (Zugriff am 7.12.2021).

88

 Siehe Wali Miller, »Trade Data Reveals Iran’s Aluminum Supply-Chain from China, India, Guinea«, in: Sayari, 16.7.2020, <https://sayari.com/resources/trade-data-reveals-irans-alu minum-supply-chain/> (Zugriff am 7.12.2021).

89

 Siehe Bozorgmehr Sharafedin/Pratima Desai, »Special Report: Inside Iran’s Secret Project to Produce Aluminum Powder for Missiles«, Reuters, 24.6.2020, <https://www.reuters. com/article/us-iran-missiles-programme-specialreport-idUSKBN23V1K1> (Zugriff am 19.6.2021).

90

 Siehe Zach Dorfman/Jenna McLaughlin, »The CIA’s Communications Suffered a Catastrophic Compromise. It Started in Iran«, Yahoo News & Foreign Policy, 2.11.2018, <https://news.yahoo.com/cias-communications-suffered-catastrophic-compromise-started-iran-090018710.html> (Zugriff am 20.6.2021).

91

 Siehe »China–US Cooperation in Afghanistan Depends on US’ China Policy«, in: Global Times, 17.8.2021, <https:// www.globaltimes.cn/page/202108/1231747.shtml> (Zugriff am 18.8.2021).

92

 Interview der Autorin mit einem chinesischen Experten via Videokonferenz am 22.1.2021.

93

 »Pressekonferenz mit Zhao« Lijian [wie Fn. 79].

94

 Siehe Zhao Lei, »Experts Say J‑10s Would Benefit Iran«, in: China Daily (online), 17.8.2015, <https://www.chinadaily. com.cn/china/2015-08/17/content_21617827.htm> (Zugriff am 1.8.2021).

95

 Siehe Minnie Chan, »China Hesitant over J‑10C Barter Deal with Cash-strapped Iran: Experts«, in: South China Morning Post, 15.4.2021, <https://www.scmp.com/news/china/ military/article/3129539/china-hesitant-over-j-10c-barter-deal-cash-strapped-iran> (Zugriff am 18.7.2021).

96

 Siehe Joel Wuthnow, »Will China Strengthen Iran’s Military Machine in 2020?«, in: The National Interest, 16.1.2020, <https://nationalinterest.org/blog/middle-east-watch/will-china-strengthen-iran%E2%80%99s-military-machine-2020-114681> (Zugriff am 18.7.2021).

97

 Bislang beschränkt sich der über INSTEX zugelassene Handel für nichtiranische Unternehmen auf Güter, die nicht von den Sekundärsanktionen der USA erfasst sind. Ein dar­über hinausgehender Warenverkehr ist zwar geplant, die Umsetzung derzeit aber nicht absehbar.

98

 »Chinese Banks Urged to Switch Away from SWIFT as U. S. Sanctions Loom«, Reuters, 29.7.2020, <https://www. reuters.com/article/us-china-banks-usa-sanctions/chinese-banks-urged-to-switch-away-from-swift-as-u-s-sanctions-loom-idUSKCN24U0SN> (Zugriff am 19.7.2021).

99

 Siehe Tanvi Ratna, »Iran Has a Bitcoin Strategy to Beat Trump«, in: Foreign Policy, 24.1.2020, <https://foreignpolicy. com/2020/01/24/iran-bitcoin-strategy-cryptocurrency-blockchain-sanctions/> (Zugriff am 18.8.2021).

100

 Siehe Fei-fei Guo/Cheng-feng Huang/Xiao-ling Wua, »Strategic Analysis on the Construction of New Energy Corridor China–Pakistan–Iran–Turkey«, in: Energy Reports, 5 (2019), S. 828–841, <https://www.sciencedirect.com/ science/article/pii/S2352484719300034> (Zugriff am 19.7.2021).

101

 Siehe Haroon Janjua, »Is the Pakistan–Iran–Turkey Rail Link Economically Viable?«, Deutsche Welle, 14.1.2021, <https://www.dw.com/en/is-the-pakistan-iran-turkey-rail-link-economically-viable/a-56225236> (Zugriff am 1.9.2021).

102

 FMPRC, »Wang Yi Meets with Iranian Supreme Leader’s Advisor Ali Larijani«, 28.3.2021, <https://www.fmprc.gov.cn/ mfa_eng/wjb_663304/wjbz_663308/activities_663312/202103/t20210329_9168131.html> (Zugriff am 4.12.2021).

103

 Im Jahr 2019 fiel der deutsch-iranische Außenhandel auf 1.722 Millionen Euro und damit im Vergleich zum Vor­jahr um 45 Prozent. Deutschland lieferte Waren im Wert von 1.516 Millionen Euro (–44 %), die iranischen Lieferungen nach Deutschland lagen bei 206 Millionen Euro (–45 %). Siehe Auswärtiges Amt, »Deutschland und Iran: bilaterale Beziehungen«, 14.9.2021, <https://www.auswaertiges-amt. de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/bilaterale-bezie hungen/202402> (Zugriff am 8.11.2021).

Alle Rechte vorbehalten.

Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der Stiftung Wissenschaft und Politik ist auch in Aus­zügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet.

SWP-Studien unterliegen einem Verfahren der Begut­achtung durch Fachkolle­ginnen und -kollegen und durch die Institutsleitung (peer review), sie werden zudem einem Lektorat unterzogen. Weitere Informationen zur Qualitätssicherung der SWP finden Sie auf der SWP-Website unter https:// www.swp-berlin.org/ueber-uns/qualitaetssicherung/.
SWP‑Studien geben die Auffassung der Autoren und Autorinnen wieder.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin, 2021

SWP

Stiftung Wissenschaft und Politik

Deutsches Institut für Internationale Politik und Sicherheit

Ludwigkirchplatz 3–4
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0
Fax +49 30 880 07-200
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN (Print) 1611-6372

ISSN (Online) 2747-5115