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Antrittsbesuch im politischen Korsett: Bundeskanzler Merz trifft US-Präsident Trump

Kurz gesagt, 05.06.2025 Forschungsgebiete

Friedrich Merz kann US-Präsident Donald Trump bei seinem Besuch in Washington nur wenig anbieten. Ohne die EU-Partner ist mit einem »Deal« nicht zu rechnen. Das engt den Spielraum des Bundeskanzlers zwar ein, hat aber auch Vorteile, meint Laura von Daniels.

Beim Antrittsbesuch von Bundeskanzler Friedrich Merz in Washington richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Europäer auf die Entwicklung der transatlantischen Beziehungen. In geopolitisch unsicheren Zeiten erscheint ein stabiles Verhältnis zu den USA für die Sicherheit Europas unverzichtbar. Unter einigen Europäern herrscht jedoch Skepsis, ob der deutsche Bundeskanzler die EU schwächen könnte, indem er, wie zuletzt der britische Premier Keir Starmer, bilaterale Absprachen mit Trump trifft. Merz steht somit vor der Herausforderung, deutsche Interessen zu vertreten, ohne das Vertrauen der Partner zu gefährden – und ohne sich zu bilateralen Zugeständnissen drängen zu lassen.

In den zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen, die für die US-Regierung strategisch relevant sind, wäre ein deutscher Alleingang jedoch ohnehin wirkungslos. Geht es um die Übernahme der Lasten der militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung der Ukraine, um Zölle, Verhandlungen über Regulierungsstandards oder die Politik gegenüber China, muss Merz mit den europäischen Partnern abgestimmt handeln – sonst schadet er deutschen Interessen. Der Bundeskanzler reist im »europäischen Korsett« an – das sollte Europa beruhigen und könnte ihm im Umgang mit Trump selbst nutzen. 

Trump verlangt von den Europäern seit Jahren, mehr Lasten in der NATO zu übernehmen und die Verteidigungsausgaben zu steigern – zuletzt auf einen Anteil von fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Merz kann in Washington die Aussage seines Außenministers Johann Wadephul unterstreichen, dass Deutschland seine Verteidigungsfähigkeiten massiv verbessern und die Ausgaben auf das von Trump geforderte Niveau steigern möchte. Zwar sollen davon nur rund 3,5 Prozent auf NATO-relevante Bereiche entfallen, doch bereits diese Ankündigung könnte Merz in Washington als Zeichen gestiegener Bereitschaft präsentieren. 

Europas Rolle bei der Ukraine-Unterstützung

In einem möglichen Szenario eines US-Rückzugs aus der Ukraine-Unterstützung wächst der Druck auf die Europäer, finanziell und militärisch mehr Verantwortung zu übernehmen. Eine Garantie kann Deutschland jedoch alleine nicht leisten – weder konventionell noch nuklear. Umgekehrt könnte Merz auch nicht einfach dem Druck Trumps nachgeben und den deutschen – und damit zweitgrößten – finanziellen Anteil an der Unterstützung der Ukraine auslaufen lassen. Das würde die eigene Sicherheitslage Deutschlands gefährden. Ein gemeinsames europäisches Vorgehen ist daher essenziell. 

Strittig bleibt innerhalb der EU die Frage, wie mit eingefrorenem russischem Finanzguthaben umgegangen werden soll. Während manche Staaten dafür plädieren, die Einlagen selbst zu nutzen, um über die Zinserlöse hinaus weiteres Geld für die Unterstützung der Ukraine am Kapitalmarkt zu beschaffen, ist nicht nur in Deutschland die Sorge groß, dass mit der Enteignung privater Guthaben das Vertrauen in den europäischen Finanzplatz verloren gehen könnte. Sollte Merz gegenüber Trump weitreichende Finanzzusagen machen wollen, bräuchte er dafür die Rückendeckung seiner europäischen Partner. 

Handels- und Digitalpolitik in EU-Kompetenz

Weitere Forderungen aus Washington betreffen die Handelspolitik und regulatorische Fragen, darunter EU-Zölle oder die Regulierung digitaler Plattformen. In diesen Bereichen sind Merz allerdings die Hände gebunden. Zuständig ist dafür in erster Linie die Europäische Kommission, die in diesen bereits Gesetze wie den Digital Markets Act oder den Digital Services Act vorangetrieben hat, die inzwischen EU-weit gelten. 

Ähnlich verhält es sich bei der Frage nach einer robusteren Außenwirtschaftspolitik gegenüber China, einschließlich der Zölle auf Elektrofahrzeugimporte. Deutschland ist zwar ein wichtiger Ansprechpartner, doch eine Hebelwirkung entfaltet sich nur durch koordiniertes Handeln der gesamten EU. Maßnahmen um das Land daran zu hindern, Waren aus staatlich subventionierter Überproduktion zu geringen Preisen auf den US- und auf den europäischen Markt zu bringen, lassen sich nur gemeinsam durchsetzen. 

Friedrich Merz steht bei seinem Besuch in Washington vor seiner ersten großen außenpolitischen Bewährungsprobe. Einerseits erwartet Europa von ihm, dass er die transatlantischen Beziehungen stabilisiert. Andererseits darf er dabei die europäischen Interessen nicht aus den Augen verlieren. Das »europäische Korsett« hat dabei den Nachteil, dass es flexibles Handeln erschwert. Es hat jedoch den Vorteil, dass es Merz’ Vorgehen für die europäischen Partner vorhersehbarer macht. Das schafft Vertrauen in die deutsche Außenpolitik.

Dr. Laura von Daniels ist Leiterin der Forschungsgruppe Amerika.