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Rohstoffkonkurrenz am Meeresboden

Die USA stellen das internationale Regime des Tiefseebergbaus auf die Probe

SWP-Aktuell 2025/A 32, 07.07.2025, 8 Seiten

doi:10.18449/2025A32

Forschungsgebiete

Auf der Suche nach verlässlichen Bezugsquellen für mineralische Rohstoffe gerät auch die Tiefsee in den Blick – internationale Raumnutzungskonflikte könnten die Folge sein. Obwohl das Wissen über mögliche Auswirkungen des Tiefseebergbaus unzureichend ist, hat die US-Regierung mit einem Dekret von Präsident Trump eine nationale Initiative gestartet, die das von der Weltgemeinschaft getragene Verständnis der mineralischen Ressourcen am Meeres­boden beschädigt: Diese gelten als globales Gemeinschaftsgut unter dem einheitlichen Regime des See­rechts­überein­kommens der Vereinten Nationen (SRÜ). Würde durch die USA tatsächlich einseitig die kommerzielle Phase des Tiefseebergbaus eingeläutet, würde ein Eckpfeiler des Völkerrechts angegriffen und die zentrale Grundlage der Ozeandiplo­matie sowie der Meerespolitik in Frage gestellt. Deutschland hat sich zusammen mit 36 Staaten zuletzt auf der Weltozeankonferenz der Vereinten Natio­nen (UNOC-3) im Juni 2025 dagegen ausgesprochen: Es hat seine Haltung für eine »präventive Pause« und gegen einen Einsatz dieser Hochrisikotechnologie zur Nut­zung der Meeresbodenressourcen be­kräf­tigt. Dies sollte auch angesichts weltpolitischer Verwerfungen weiterhin gelten.

Durch den Landbergbau sind weltweit genü­gend Ressourcen an mineralischen Rohstoffen nachgewiesen. Deren Verfügbar­keit ist jedoch durch die Kontrolle Seltener Erden durch China und seine bestehende Monopolposition bei verarbeiteten Selten­erd­metallen in Frage gestellt. Letztere wer­den künftig in stark steigenden Mengen benötigt werden, um Motoren für Elektroautos und Gene­ra­toren für Windräder zu bauen. Damit richtet sich der Blick zuneh­mend auf Vor­kommen wich­tiger Mineralien wie Seltener Erden, Nickel, Kupfer, Kobalt und Mangan auf Meeres­böden auf der ganzen Welt. Diese Vorkommen geraten zusehends ins Zentrum eines Verknappungsnarrativs bei der Roh­stoff­sicherung, auch wenn zum Beispiel die Europäische Union (EU) bereits an anderen Bezugsquellen arbeitet. Angesichts von ver­breiteten Projektionen wachsender Roh­stoff­bedarfe ist ein Druck entstanden, die maritime Dimension bei der Rohstoff­sicherung mitzudenken – es gehe um stra­tegische Zukunftsvorsorge. Die Folge könn­ten Nutzungs­konflikte und eine Ab­senkung von Umwelt­standards sein.

Ob jedoch der Meeresbergbau wirklich wettbewerbsfähig im Ver­gleich zum Land­bergbau gestaltet werden kann, ist bislang weitgehend offen; maß­geblich dafür dürf­ten zum einen die Preis­entwicklung bei den Rohstoffen, zum anderen die zu erwartenden Kosten der Verhüttung sein. Diese fallen je nach Rohstofftypus – Mangan­knollen; poly­metallische Sulfide (im zentra­len Indischen Ozean); kobaltreiche Krusten (vor allem im Westpazifik vor der Küste Japans) – sehr unterschiedlich aus.

Im Vordergrund des industriepolitischen Interesses steht gegenwärtig vor allem die Nutzung mariner Vor­kommen mine­rali­scher Rohstoffe in Gestalt von Manganknollen im Manganknollen­gürtel des äquatornahen Nordpazifik zwi­schen Hawaii und Mexiko. Attraktiv ist dabei die Dichte und Art der Knollenbelegung am Meeresboden, wenn es um die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Tief­seebergbaus in diesem Gebiet geht. Die kartoffelgroßen Mangan­knollen, auch polymetallische Knollen ge­nannt, enthalten neben Mangan Nickel, Kupfer, Kobalt und Seltenerdelemente; alles Rohstoffe, die für die Energie­wende ge­braucht wer­den. Die Knollen lagern in Was­ser­tiefen von 4.000 bis 6.000 m auf dem Meeres­boden. Gewon­nen werden können sie durch neue technische Berg­bau­verfah­ren. Dazu setzt man bislang Kollek­to­ren in kleinem Maß­stab ein, wobei die lose auf dem Meeres­boden liegenden Mangan­knol­len aufgesaugt werden und das Sedi­ment danach zurückgeführt wird. Ob sich nach der Aus­beutung und der Auf­wirbe­lung des Sedi­ments der Meeres­boden erholt und einzelne Arten in der Tiefsee sich wieder an­siedeln, ist fraglich; zumindest überleben die auf den so gewonnenen Knollen siedeln­den Lebe­wesen nicht.

Insofern überschneiden sich in der aktu­ellen Debatte verschiedene Interessen: Sie reichen von der Kartierung der Lager­stätten über die Charakterisierung der Metalle bis zur Erhebung von Umweltdaten und der Frage, welche Mittel für eine zukünftige Nutzung erforderlich wären und ob diese sich überhaupt lohnt. Die andere Seite plädiert für ein Verbot oder zumindest für eine zeitliche Aussetzung von Nutzungs­interessen, um das Ökosystem der Ozeane zu bewahren bzw. weiter zu erforschen.

Die Internationalisierung der Tiefsee und der nationalen Wirtschaftsinteressen

Der Tiefseebergbau eröffnet einen neuen Bereich des strategischen Wettbewerbs zwischen den Großmächten. Die stei­gende Nachfrage nach Ressourcen erhöht den Druck, in der Tiefsee lagernde Vorkommen zu nutzen. Angesichts des wachsenden Nutzungsinteresses wiederum besteht die Gefahr, dass die Rohstoffe des Meeres­bodens militarisiert oder in nicht nachhaltiger Weise gefördert werden. Dabei geraten inter­nationale Schutzinteressen und die Govern­ance der Ozeane einerseits mit den wirt­schaftlichen Interessen einzelner Natio­nen andererseits in Konflikt.

Den Rahmen für die Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen für Rohstoffe am Meeresboden stellt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS; dt. SRÜ) von 1982 dar, das 1994 in Kraft getreten ist. 170 Staa­ten haben es ratifiziert, wodurch es eine besondere Bin­dungswirkung für die Staa­ten­welt besitzt. Damit einher geht eine Internationalisierung des Meeresbodens und des ‑unter­grunds (das »Gebiet«), die dem Prin­zip des »Gemeinsamen Erbes der Mensch­heit« folgt (Art. 136 SRÜ). Das bedeutet, Eigentums- und Zugangsrechte sowie Genehmigungsverfahren und Umweltstandards sind an die Entscheidungen der internationalen Gemein­schaft gebunden. Die USA haben wegen der Befürchtung, dass da­durch ihre Souveränitätsrechte beeinträchtigt werden könnten, eine Unterzeichnung des SRÜ verweigert.

Die maßgebliche Instanz für die regulatorische Ausgestaltung der Erforschung und Nutzung der hoheitsfreien Tiefsee ist die Internationale Meeresbodenbehörde (Inter­national Seabed Authority, ISA) mit Sitz in Kingston / Jamaika. Alle Signatarstaaten des SRÜ gehören ihr ipso facto an. Die ISA hat die Gestaltungsmacht über circa 55 Prozent der Weltmeeresfläche, wäh­rend sich die rest­lichen 45 Prozent als völkerrechtliche Ausschließliche Wirtschaftszonen (AWZ) bzw. Fest­landsockelzonen unter der Juris­diktion der jeweiligen Küstenstaaten be­finden. Zwar sind die Küstenstaaten frei, Lizenzen an geeignete Unter­nehmen zu vergeben; sie unterliegen aber auch in ihren nationalen Gewässern den umwelt­schutzrechtlichen Vorschriften des SRÜ.

Kernstück für die Möglichkeit, Meeresboden­ressourcen jenseits der AWZ wirt­schaftlich zu nutzen, ist die Erarbeitung sek­toraler »Mininig Codes« für die ver­schie­de­nen Roh­stofftypen am Meeresgrund. Dies geschieht in einem »Multistakeholder«-Pro­zess, der die Interessen von Staaten, Unter­nehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft berück­sichtigt. Entsprechend kom­plex sind die ent­stehenden Regel­werke, die Geneh­mi­gungs-, Umweltschutz-, Haftungs- und Finan­zie­rungsregularien zusammenführen sol­len. Eine Verabschiedung dieser Rege­lungen war ursprünglich bis 2020 vorge­sehen – die Komplexität der Aufgabe und die vielen unterschiedlichen Inter­essen haben in­des einen Konsens ver­hindert. Nun soll noch im Jahr 2025 ein Durch­bruch gelingen.

Bisher bewegt sich die Erkundung der Manganknollengebiete nach wie vor im Bereich technischer Probe­läufe. Die Investi­tions- und Betriebskosten, die für einen weit­gehend wartungsfreien Einsatz der Ab­baugeräte notwendig sind, werden nicht unerheblich sein. Hinzu treten bis­lang noch schwer zu beziffernde Aufwendungen für die Technologien zur Weiterverarbeitung der Rohstoffe. Ein Problem für die wirt­­schaft­­liche Nutzung der Man­ganknollen ist das teil­weise starke Relief des Meeres­bodens, das die Fördertechnik noch erheb­lich ein­schränkt. Und nicht zuletzt sind vergleichende Kostenrechnungen für die Nutzung von Landbergbau und Recycling-Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Das Präsidialdekret der Regierung Trump

Am 24. April 2025 hat US-Präsident Donald Trump die Executive Order »Unleashing Ameri­ca’s Offshore Critical Minerals and Re­sources« erlassen. Damit hat er eine Über­prüfung bereits erteilter und die Vergabe weiterer Lizenzen ein­geleitet, die die Ex­plo­ration von Mineralien auf dem Mee­res­boden und deren kommerzielle Gewin­nung in Gebieten auch »außer­halb der nationalen Zuständigkeit« (Sec. 3, a (1)) möglich machen könnten. Dem An­satz »Alles aus einer Hand« fol­gend, heißt es, die USA woll­ten weltweit führend bei der ver­antwor­tungs­vollen Erkundung von Bo­den­schätzen auf dem Meeresgrund, bei Erschlie­­­ßungstech­no­­logien und -praktiken sein. Außerdem bieten sie sich als Partner für Län­­der an, die auf dem Meeresboden la­gernde Ressourcen innerhalb ihrer jeweili­gen natio­­nalen Hoheits­gebiete erschließen wollen.

Mit dem Präsidialdekret wächst die Gefahr, dass die USA sich unter geopolitischen Vorzeichen über die Regeln der ISA hinweg­setzen könnten: Als Nicht-Signatar­staat des SRÜ fühlen sie sich womöglich nicht an das Vertrags­recht ge­bun­den und starten einen Alleingang jen­seits der Völkergemeinschaft. Damit würde der Tiefseebergbau die vor­kommerzielle Phase verlassen, in­dem er ab­seits der Regeln des Völkerrechts und des Völker­gewohnheitsrechts vorangetrieben wird. Die brasilianische Generalsekretärin der ISA Leticia Reis de Carvalho hat die US‑Regie­rung daher dazu aufgerufen, »ihre Bemü­hun­gen auf die Ent­wicklung einer führen­den Rolle in der Tief­seewissen­schaft, ‑tech­nologie und bei der Erschließung von Boden­schätzen auf dem Meeresgrund zu lenken und sich dabei auf den institutionellen und recht­lichen Rahmen zu stützen, der von der internationalen Gemeinschaft mit dem Seerechtsübereinkommen der Ver­einten Nationen geschaffen wurde, einem Vertrag, der weltweit breite Anerkennung und Legitimität genießt«.

Auf Trumps Executive Order folgte am 29. Ap­ril ein Antrag von The Metals Com­pany USA, dem US-Ableger eines kanadi­schen Unternehmens mit starken Interessen im Meeres­­bodenbergbau, auf kommerzielle Gewinnung von Tiefseemineralien auf hoher See gemäß dem US-amerikanischen Gesetz über feste Bodenschätze (Deep Seabed Hard Mineral Resources Act, DSHMRA). Damit deutet sich an, dass die USA die ISA über­gehen könnten, indem sie Nutzungs­lizen­zen für Gebiete jenseits ihrer nationalen Zu­stän­digkeit vergeben, die sich mit jenen Lizen­zen über­lappen, die von der ISA zugewiesen werden (könnten). Daraus ent­stehende Raumordnungskonflikte dürften inter­natio­nale Aus­einandersetzungen über die Roh­stoff­governance und die Eigentumsverhältnisse an den Ressourcen des Meeres­bodens hervorrufen. Kon­kurrierende An­sprüche könnten in geo­politisch motivierte Reibe­reien und Dispute münden und somit die internationalen Gewässer zum Gegen­stand weltpolitischer Gegnerschaft werden lassen.

Zwar beschränkt sich der Antrag der Metals Company zunächst auf die kommerzielle Gewinnung von Bodenschätzen im Bereich der US-Tiefseeböden nach dem DSHMRA. Dennoch könnte der Konzern ihn später ausweiten wollen, indem er bei der National Oceanic and Atmospheric Ad­ministration (NOAA) des US-Handels­minis­teriums darum ersucht, Lizenzen für die Exploration und kommerzielle Gewinnung von Meeres­bodenressourcen auch jenseits des US-amerikanischen Hoheitsgebietes erteilt zu bekommen. Der Konzern ist vor allem an der Gewinnung von Manganknollen inter­essiert, wo­bei die Ausbeutung dieser Roh­stoffe sicher­lich nur jenseits der nationalen Gewässer der USA im Bereich der Clarion-Clipperton-Zone (siehe unten) ertragreich ist.

Mit ihrem unilateralen Vorgehen setzt die Trump-Ad­ministration den internationalen Wettlauf um Ressourcen voll in Gang: Das Vorpreschen Washingtons lässt be­fürch­ten, dass andere Länder diesem Weg folgen könnten.

Widersacher China

Chinesische Konzerne dominieren bereits den Abbau kritischer Mineralien an Land und deren Verarbeitung. Auf China entfal­len 60 Prozent der weltweiten Produktion und 85 Prozent der Verarbeitungskapazität. Nun hat China auch Lithium und Kobalt in der Tiefsee ins Visier genommen. Durch große staatliche Investitionen hat sich China an die Spitze dieser neuen Rohstoffindus­trie katapultiert, dicht gefolgt von Russland und Südkorea. Dies gilt sowohl für tech­nische Fragen wie auch für Erkun­dungs­bemühen: China ist mit fünf der bis­her 17 von der ISA genehmigten Explora­tions­verträge füh­rend im Tiefseebergbau tätig.

Im Gegensatz zu den USA hat China das SRÜ ratifiziert und nutzt damit seine Chance, die in Ver­hand­lung befindlichen Regelwerke mitzugestalten. Sein Interesse an der In­wert­setzung der maritimen Rohstoffe hat China deutlich artikuliert. Dabei ist es mit jenen 37 Staaten in Konflikt geraten, die sich für ein Moratorium aussprechen, um das Öko­system der Tiefsee weiter zu erforschen und so lange eine wirtschaftliche Nutzung aus­zuschließen.

Der von China ausgeübte politische Druck, möglichst bald Nutzungs­regeln für die Tiefsee zu verabschieden, scheint der Maxime »first come, first serve« zu folgen. Offenbar will China seine technologischen Fähigkeiten zur Geltung bringen und damit wirtschaftliche Vorteile erlan­gen, um seinen Status als maritime Macht zu unter­strei­chen. Militärische Interessen, die mit dem mari­ti­men Expan­sionsdrang Chinas in Ver­bin­dung gebracht werden, dürf­ten eben­falls eine Rolle spielen. Dabei geht es zum Bei­spiel um den Einsatz von Dual-Use-Tech­no­logien, die sowohl für autonome Unter­wasser­­fahrzeuge, die Meeresströmungen in der Tiefsee messen, als auch für »kinetische Schläge« einsetzbar sind.

China geht strategisch vor und schließt Allianzen mit Inselstaaten, zuletzt mit den Cook-Inseln, um deren Rohstofflagerstätten im Tiefseebereich zu erkunden und even­tuell Rohstoffe abzubauen. Nach eige­nen Angaben prüft auch die Pazifiknation Kiribati eine Tiefseebergbau-Partnerschaft mit China. Diese könnte China den Zugang zu einem riesigen Gebiet im Pazifischen Ozean ermöglichen, nachdem Kiribati die Zusammenarbeit mit dem kanadischen Unternehmen The Metals Company Ende 2024 »einvernehmlich« gekündigt hat.

Bei Chinas Engagement im Tief­see­berg­bau verschwimmen die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Forschung, kommerzieller Nutzung und geopolitischem Vorteil, was für viele Länder Anlass zur Beunruhigung in der Kooperation mit Peking ist. Hinzu kommt die innere Wider­sprüchlich­keit der Positionen Chinas: Einerseits ist es an einer massiven Ausbeutung interessiert, andererseits an Regelungen zum Umweltschutz, die bislang auch die Mehrzahl der Entwicklungsländer haben möchte. Der Diskurs aus Peking, es gehe um die Ver­än­de­rung überkommener Regelsysteme, die von den Industriestaaten geprägt wurden, hat bislang nicht verfangen. Daher versucht China, einen strategischen Konsens unter den Ländern zu stärken, die die Nutzung maritimer Rohstoffe befürworten. Zu die­sem Zweck fördert es über den Aufbau trans­nationaler Kooperationsplattformen den wissen­schaftlichen Austausch zur Tief­see sowie technologische Innovationen, etwa mit Russland, Süd­korea, Japan und Indien.

Der Probelauf in der Clarion-Clipperton-Zone

Die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) ist eine Tiefseeebene im zentralen Pazifik. Sie liegt zwischen Hawaii und Mexiko, erstreckt sich über 4,5 Millionen km2 und erreicht Tiefen von 4.000 bis 5.500 m. Das Gebiet, das so breit wie das Festland der USA und flächen­mäßig halb so groß wie Kanada ist, ist von Seebergen geprägt und von polymetallischen Knollen durchsetzt. An einigen Stellen in der CCZ sollen bis zu 60 Prozent des Meeres­bodens mit Mangan­knollen bedeckt sein – dies erklärt zum einen das große Interesse, das Gebiet wirt­schaftlich zu nutzen, zum anderen bot es sich als Zone für einen Probe­lauf an. Bis­lang wurden dafür nur Erkun­dungslizenzen ver­geben, doch würden manche der Lizenznehmerstaaten sie gern in Ausbeutungs­lizenzen um­wandeln. Bisher ist es aller­dings nicht gelungen, einen recht­lichen Rahmen in Form eines Mining Codes zu ent­wickeln, der dem schwierigen Gleich­gewicht zwischen wirtschaft­lichen Inter­essen und dem Schutz der Umwelt ge­recht wird.

Die Kontrolle und das Management der CCZ unterstehen der ISA. Bis dato hat sie 17 Ver­träge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren für die Exploration polymetallischer Knollen in der CCZ vergeben, wobei ein Explorationsgebiet 75.000 km2 um­fasst. Nach dem Prinzip »Gemeinsames Erbe der Menschheit« dürfen sich Staaten das Gebiet oder Teile davon nicht als Hoheits­gebiet aneignen – nach Auslaufen der Lizenzen fällt das Gebiet an die ISA zurück. Die Auf­tragnehmer, 14 staat­liche Sponsoren und Unter­nehmen(skonsor­tien), dürfen Bergbau­möglich­keiten innerhalb ihres Explorationsgebietes erkunden, deren Wirtschaftlichkeit und Umwelt­verträg­lichkeit bewerten. Dabei sind sie vertragsmäßig ver­pflichtet, als wesent­lichen Bestandteil ihrer Explorations­tätigkeit Umweltdaten zu erhe­ben sowie sicherzustellen, dass durch die Erpro­bung von Bergbaugerätschaften die Meeres­umwelt nicht ernsthaft geschädigt wird.

Die Zuteilung der Lizenzen erfolgte auf Grund­lage des im Juli 2012 von der ISA genehmigten Umweltmanagementplans für die CCZ. Dabei handelt es sich um einen Raumordnungsplan, der die Interessen der Bergbauausbeutung aufnimmt und gleich­zeitig die Ausweisung von Gebieten von besonderem Umweltinteresse anerkennt.

Auch Deutschland hat solch eine Erkundungslizenz erworben, genauer die Bundes­anstalt für Geowissenschaften und Roh­stoffe (BGR) im Auftrag des Bundeswirtschafts­ministeriums. Sie gilt für die Erkun­dung von Mangan­knollen in einem Gebiet von 75.000 km2 im sogenannten Mangan­knollengürtel des östlichen Pazifik. Für das Jahr 2026 plant die BGR nach eigenen An­gaben, in ihrem Lizenzgebiet den Einsatz eines durch Künstliche Intelligenz gesteuer­ten Manganknollenkollektors des US-ame­rikanischen Unternehmens Im­possible Metals zu erproben.

Die Trump-Administration nimmt mit dem Prä­sidialdekret die CCZ in den Blick, um ihre Roh­stoff­interessen zu befriedigen, und zwar durch einseitige Lizenzvergabe und an der ISA vorbei. Die Großmachtkonkurrenz könnte sich daher gerade in der CCZ manifestieren, nicht zuletzt in Gestalt eines »tec cold war«, bei dem die Kontrolle technologischer Wert­schöpfungsketten als »Waffe« ein­gesetzt wird. Wird technologische Vor­herrschaft mit wirtschaftlicher und mili­tärischer Domi­nanz verflochten, steigt die Gefahr von Konfrontationen. Gebraucht werden deshalb verbindliche Regelungen für eine solide internationale Zusam­men­arbeit, um potenzielle Konflikte, die am Tief­see­boden entstehen können, zu vermeiden.

Versagt der Multilateralismus beim Tiefseebergbau?

Maßgeblich für die Rechtsetzung im Tief­seebergbau ist die ISA, wenn es um den Bereich jenseits der AWZ geht, also das »Gebiet«, das nationalen Hoheitsbefugnissen entzogen ist. Dies bedeu­tet, dass jeder Staat – so auch die USA – frei ist, seine Festland­sockelzone(n) in eigener Verantwortung zu nutzen.

Als Hin­dernis für einen multilateral ausgestalteten Tiefseebergbau kommer­zieller Art könnte sich die dreifache Rolle der ISA erweisen, nämlich dass sie erstens als rechtsetzende Instanz für Tiefseebergbau- und Umweltvorschriften agiert, zwei­tens die Vergabe entsprechender Lizenzen ver­ant­wortet und deren Umsetzung über­wacht sowie drittens die Einnahmen aus För­der­abgaben und die Ausgleichszahlungen für durch den Tiefseebergbau benachtei­ligte Ent­wick­lungsländer verwaltet. Der Rechts- und Fachausschuss der ISA hat einen Ent­wurf für eine Verwertungsregelung aus­gearbeitet und dem Rat 2019 vor­ge­legt, seit­dem sind die Beratungen jedoch wegen grundlegender Meinungsverschieden­heiten nicht wirk­lich vorangekommen.

Die Suche nach robusten Regularien für den Tiefseebergbau scheitert bis­lang vor allem daran, dass sich eine Gruppe von 37 Staaten um Frankreich und Deutsch­land für ein Moratorium einsetzt, bis hin­rei­chende Klarheit über die Risiken des Berg­baus am Meeresboden geschaffen ist. Dem­gegenüber vertritt eine andere Länder­gruppe (Belgien, Großbritannien, China, Indien, Singapur, Südafrika und verschiedene pazi­fische Staaten) die Ansicht, dass angesichts des sich abzeichnenden Wett­laufs um die Nutzung der Meeresboden­ressourcen deren Abbau so bald wie mög­lich geregelt werden sollte.

Bisher hat die Bundesregierung stets betont, keine Ausbeutungsanträge stellen zu wollen, bis entsprechende Klärungen erfolgt sind; die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag ebenfalls zu der vorsorglichen Pause beim Tiefseebergbau bekannt. Dagegen fordert die deutsche Industrie, dass Deutschland seine abwartende Haltung aufgeben und sich aktiv an der Ausarbeitung der Mining Codes betei­ligen soll, um bald über global verbindliche Regel­werke für die industrielle Nutzung der Mineralien am Meeresboden zu verfügen.

Da das Seerecht für Entwick­lungsländer bergbauliche Vorzugsrechte kennt (Art. 170 SRÜ und Annex 4 des SRÜ), sind die Zugangs­voraussetzungen für eine Ausbeutung im Rahmen des Tiefseebergbaus asym­me­trisch verteilt und erschweren die Chance auf schnelle Kompromisse. Dies betrifft ins­be­son­dere den Mining Code für Manganknollen, der, wie oben erwähnt, noch nicht in einer konsensfähigen Fassung vorliegt. Nicht zuletzt besteht Un­einigkeit darüber, wie Förderabgaben ver­teilt werden sollen, die eine interessante Einnahmequelle für viele Staaten darstellen könnten. Auch Regeln für das »equitable sharing« der finan­­ziellen und sonstigen wirtschaftlichen Vor­teile aus dem Tiefseebergbau außer­halb der nationalen Hoheits­gebiete erwiesen sich als schwierig bei der Konsens­suche. Zudem ist nach einer jüngs­ten Stu­die der Rand Cor­poration absehbar, dass die Produktion aus dem Tiefseebergbau zu einem Rückgang der Metallpreise führen würde, was für Ent­wicklungsländer geringere Lizenz­einnah­men aus dem terres­trischen Bergbau zur Folge hätte. Dieser Rück­gang wird wahr­scheinlich höher aus­fal­len als die Auf­tei­lung der Lizenzgebühren aus dem Meeresbodenbergbau und mit die­sem einher­gehende Wirt­schafts­förde­rungs­programme.

Während des ersten Teils der 30. Jahres­tagung der ISA vom 17. bis 28. März 2025 endeten die Beratun­gen nicht mit einem Konsens. Angesichts des­sen erläuterte der pazi­fische Inselstaat Nauru seinen Vor­schlag für ein »Verfahren zur Prüfung von Anträ­gen auf Ausbeutungs­pläne in Ermange­lung verabschiedeter Aus­beutungsregelungen«: Der Träger der Aus­beutungspläne, die Nauru Ocean Resources Inc. (NORI), habe die Absicht, im Jahr 2025 einen entsprechenden Antrag mit einem Umfang von 1,5 Millionen Tonnen / Jahr zu stellen. NORI wiederum ist eine hundert­prozentige Tochtergesellschaft der kana­dischen Metals Company, die auch den Alleingang der USA zur Nutzung internationaler Gewässer für die Ausbeutung von Manganknollen unter­stützt. Damit ist das Unternehmen mit Ini­tiativen sowohl inner­halb als auch außer­halb des Rahmens, den das SRÜ bildet, engagiert. Letzt­lich wird damit Druck auf die ISA ausgeübt, während des zweiten Teils der Beratungen vom 7. bis 18. Juli 2025 zu einem Beschluss des Mining Codes zu kommen – oder alter­nativ ein Verfahren zur Prüfung eines Antrags in Ermangelung von Betriebsvorschriften einzuleiten (vgl. Ab­schn. 1 Abs. 15 Buchst. b des An­hangs zum Übereinkommen zur Durch­führung des Teils XI des SRÜ).

Aufbau einer neuen Wertschöpfungskette

Die Entwicklung des Tiefseebergbaus wird ein neue Wertschöpfungskette bedingen – von der Förderung bis zu den mineralischen Endprodukten. Am stärksten dürften sich Raffinierungsverfahren ändern, da sie auf Tiefseematerialien angepasst werden müssen, was eine andere Lieferkette sowie neue Ver­hüt­tungstechnologien und Abfall­entsorgungsmethoden erforderlich macht. Im Juni 2022 hatten die USA noch gemein­sam mit ihren G7-Partnern die »Partner­schaft für globale Infrastruktur und Investi­tio­nen« ins Leben gerufen, um Lieferketten für saubere Ener­gie aufzubauen. Zudem unterzeichneten sie die »Partnerschaft für die Sicherheit von Mineralien«, um der chinesischen Dominanz in diesem Bereich entgegenzuwirken. Am 13. Juli 2023 kün­digte die Regierung unter Präsident Joe Biden 32 Millionen Dol­lar zur Unterstützung von Projekten an, die sich mit der Ausweitung des Abbaus und der Verarbeitung kritischer Mineralien und Seltener Erden befassen. Diese Investition bezog sich jedoch nicht auf den Tiefseebergbau. Die Regierung Trump hat die Zusammenarbeit mit G7-Partnern in ihrer Außenpolitik und in der internationalen Roh­stoffkooperation nicht weiterverfolgt.

Für viele Staaten, insbesondere Inselstaaten im Pazifik, steht im Vordergrund, einen nachhaltigen Ansatz für den Tiefseebergbau zu entwickeln; zudem wollen sie schnell von den Rohstoffen des Meeresbodens profi­tieren. Diese Perspektive könnte sich als kurz­sichtig erweisen, wenn nicht die ge­samte Lieferkette inklusive der Frage indus­trieller Verhüttung betrachtet wird. Ein Ex­port der Manganknollen nach China oder in die USA zur Weiterverarbeitung dürfte die Erlöse deutlich reduzieren und zusätz­liche Risiken beinhalten, zumal die genann­ten Klein­staaten in dem »tec cold war« der Großmächte zerrieben werden könnten.

Die potenziellen Auswirkungen zunehmender kommerzieller Aktivitäten in der Tiefsee – nicht nur in Bezug auf den wirt­schaftlichen Vorteil, den Staaten daraus ziehen könnten, sondern auch auf die Prio­ritätensetzung (Stichwort: mili­täri­sche Nutzung) – sind noch weitgehend unklar. Aufgrund der gro­ßen Wassertiefen, der riesigen ozeanischen Räume sowie der bis­lang be­grenzten Kennt­nisse ist es schwie­rig, in der Tiefsee zu ope­rieren, sie zu über­wachen und zu kontrollieren. Dies gilt so­wohl für die ISA wie auch für ein­zelne Staa­ten oder Staaten­gemeinschaften. Bisher ist die EU international nicht als gemeinsamer Akteur in diesem Politik­feld auf­getreten, die Mitglied­staaten ver­folgen ihre natio­na­len Ziele eigenständig.

Angestrebt werden sollte die Verein­barung von Umweltschutzregeln für die gesamte Lieferkette, nicht nur für die zunächst vor­rangig behandelte Förderung der Rohstoffe. Aus dem Land­bergbau ist hinreichend be­kannt, welche Umweltbelastungen im Ver­hüttungs­prozess sowie durch Abraum ent­stehen können; entsprechende Prüfungen für den Tiefseebergbau stehen noch aus.

Herausforderungen für die nationale und internationale Ozeandiplomatie

Die Ozeandiplomatie, wie sie auch von der ISA-Generalsekretärin Leticia Reis de Carvalho in ihrer Antrittsrede gefasst wurde, steht vor großen Herausforderungen – zumal angesichts geo- und industriepolitischer Ansprüche auf die Rohstoffe der Tief­see die Auseinandersetzungen heftiger werden. Die Interessen verschiedenster Akteure entlang der Lieferkette will (bzw. muss) die ISA in ihrem »Multistake­holder«-Ansatz bei den Verhandlungen zusammenführen: Dazu gehören Interessen von Regie­rungen, die Strategien für ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche und die der ISA formulieren, um das wirt­schaftliche Wachs­tum auch in der Zukunft zu sichern; von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern, die sich für den Schutz wertvoller Arten und Ökosysteme einsetzen; von Gemeinschaften, die für ihren Lebens­unter­halt auf die Ozeane angewiesen sind oder die von der Erschließung von Boden­s­chät­zen an Land abhängen; von Unternehmen, die Technologien und Pläne für eine ver­antwortungsvolle Gewinnung von Bodenschätzen in der Tiefsee entwickeln; von Bergbau­unternehmen, die kri­tische Boden­schätze an Land fördern, sowie von For­schern, die die wirtschaftlichen Aspekte von Angebot, Nachfrage und Kreis­lauf­wirtschaft bei Metallen untersuchen.

Da auf früheren Sitzungen der ISA keine Einigung erzielt werden konnte, will sie auf ihrer 30. Sitzung im Juli 2025 die Vor­schrif­ten für den kommerziellen Tiefseeberg­bau, den Mining Code (für Mangan­knollen), fertig­stellen. Sie steht – nicht zuletzt durch das Handeln der Trump-Ad­ministra­tion – unter Druck, ihrer recht­lichen und politi­schen Verantwortung gerecht zu wer­den. Abgesehen davon, dass institutionelle Refor­men not­wendig sind und die ISA sich stärker stra­te­gisch auf­stellen sollte, ist die Behörde und damit auch ihre Mit­glied­staa­ten aufge­rufen, Vor­schriften und Regel­werke zu beschließen, die zu Schlüs­sel­fragen Antworten anbieten. Dabei müssen die verschiedenen Positionen berücksichtigt werden, die sich insbeson­dere auftun zwischen der Ländergruppe, die sich für eine Ausbeutung, und jener, die sich für ein Moratorium stark macht. Gefragt ist eine Ozeandiplomatie, die auch geopoli­tische Rahmenbedingungen aufnimmt.

In der Wirtschaft werden Positionen vertreten, die kritische Rohstoffe als Macht­instrument (der Zukunft) interpretieren. Solche Positionen bleiben jedoch einer sta­tischen Sicht auf die internationalen Bezie­hungen wie auch auf die Technologie­entwicklung ver­haftet. So werden Optionen wie Recycling und Kreislaufwirtschaft, vor allem aber die Suche nach alternativen Materialien und Verfahren in den Hintergrund gedrängt. Besonders gefährlich wird dieser Diskurs, wenn, einem geoökonomischen Determinismus folgend, eine Gleich­setzung von Rohstoffverfügbarkeit und militärischer Machtentfaltung stattfindet: wird dadurch doch dem Erstzugriff auf strategische Rohstoffe eine beherrschende Rolle in der Weltpolitik zu­ge­wiesen. Offen ist heute zudem, wie sich die Rentabi­lität, die Preise und der Bedarf an Rohstoffen entwickeln werden.

Die von den USA als »the next gold rush« bezeichnete Initiative, sich auf dem Meeres­boden lagernde kriti­sche Mineralien zu sichern, beschädigt den Grundsatz des »Ge­mein­samen Erbes der Menschheit«. Dieses in der Weltgemeinschaft weithin anerkannte Grund­verständnis sollte auch künftig im Vor­dergrund deut­scher Ozeanpolitik ste­hen. Das Ziel, einen geopolitischen Wett­bewerb um die Kon­trolle der Rohstoffe am Meeres­boden einzu­hegen und damit dauer­hafte Schäden für das Ökosystem der Ozeane ab­zuwenden, sollten Frankreich und Deutsch­land zusam­men mit ihren derzeit 35 Mit­streitern weiterhin verfolgen.

Prof. Dr. Günther Maihold ist Non-Resident Senior Fellow der SWP. Das Papier entstand im Rahmen des Projektes Nachhaltige Globale Lieferketten, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.

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