Auf der Suche nach verlässlichen Bezugsquellen für mineralische Rohstoffe gerät auch die Tiefsee in den Blick – internationale Raumnutzungskonflikte könnten die Folge sein. Obwohl das Wissen über mögliche Auswirkungen des Tiefseebergbaus unzureichend ist, hat die US-Regierung mit einem Dekret von Präsident Trump eine nationale Initiative gestartet, die das von der Weltgemeinschaft getragene Verständnis der mineralischen Ressourcen am Meeresboden beschädigt: Diese gelten als globales Gemeinschaftsgut unter dem einheitlichen Regime des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ). Würde durch die USA tatsächlich einseitig die kommerzielle Phase des Tiefseebergbaus eingeläutet, würde ein Eckpfeiler des Völkerrechts angegriffen und die zentrale Grundlage der Ozeandiplomatie sowie der Meerespolitik in Frage gestellt. Deutschland hat sich zusammen mit 36 Staaten zuletzt auf der Weltozeankonferenz der Vereinten Nationen (UNOC-3) im Juni 2025 dagegen ausgesprochen: Es hat seine Haltung für eine »präventive Pause« und gegen einen Einsatz dieser Hochrisikotechnologie zur Nutzung der Meeresbodenressourcen bekräftigt. Dies sollte auch angesichts weltpolitischer Verwerfungen weiterhin gelten.
Durch den Landbergbau sind weltweit genügend Ressourcen an mineralischen Rohstoffen nachgewiesen. Deren Verfügbarkeit ist jedoch durch die Kontrolle Seltener Erden durch China und seine bestehende Monopolposition bei verarbeiteten Seltenerdmetallen in Frage gestellt. Letztere werden künftig in stark steigenden Mengen benötigt werden, um Motoren für Elektroautos und Generatoren für Windräder zu bauen. Damit richtet sich der Blick zunehmend auf Vorkommen wichtiger Mineralien wie Seltener Erden, Nickel, Kupfer, Kobalt und Mangan auf Meeresböden auf der ganzen Welt. Diese Vorkommen geraten zusehends ins Zentrum eines Verknappungsnarrativs bei der Rohstoffsicherung, auch wenn zum Beispiel die Europäische Union (EU) bereits an anderen Bezugsquellen arbeitet. Angesichts von verbreiteten Projektionen wachsender Rohstoffbedarfe ist ein Druck entstanden, die maritime Dimension bei der Rohstoffsicherung mitzudenken – es gehe um strategische Zukunftsvorsorge. Die Folge könnten Nutzungskonflikte und eine Absenkung von Umweltstandards sein.
Ob jedoch der Meeresbergbau wirklich wettbewerbsfähig im Vergleich zum Landbergbau gestaltet werden kann, ist bislang weitgehend offen; maßgeblich dafür dürften zum einen die Preisentwicklung bei den Rohstoffen, zum anderen die zu erwartenden Kosten der Verhüttung sein. Diese fallen je nach Rohstofftypus – Manganknollen; polymetallische Sulfide (im zentralen Indischen Ozean); kobaltreiche Krusten (vor allem im Westpazifik vor der Küste Japans) – sehr unterschiedlich aus.
Im Vordergrund des industriepolitischen Interesses steht gegenwärtig vor allem die Nutzung mariner Vorkommen mineralischer Rohstoffe in Gestalt von Manganknollen im Manganknollengürtel des äquatornahen Nordpazifik zwischen Hawaii und Mexiko. Attraktiv ist dabei die Dichte und Art der Knollenbelegung am Meeresboden, wenn es um die Bewertung der Wirtschaftlichkeit des Tiefseebergbaus in diesem Gebiet geht. Die kartoffelgroßen Manganknollen, auch polymetallische Knollen genannt, enthalten neben Mangan Nickel, Kupfer, Kobalt und Seltenerdelemente; alles Rohstoffe, die für die Energiewende gebraucht werden. Die Knollen lagern in Wassertiefen von 4.000 bis 6.000 m auf dem Meeresboden. Gewonnen werden können sie durch neue technische Bergbauverfahren. Dazu setzt man bislang Kollektoren in kleinem Maßstab ein, wobei die lose auf dem Meeresboden liegenden Manganknollen aufgesaugt werden und das Sediment danach zurückgeführt wird. Ob sich nach der Ausbeutung und der Aufwirbelung des Sediments der Meeresboden erholt und einzelne Arten in der Tiefsee sich wieder ansiedeln, ist fraglich; zumindest überleben die auf den so gewonnenen Knollen siedelnden Lebewesen nicht.
Insofern überschneiden sich in der aktuellen Debatte verschiedene Interessen: Sie reichen von der Kartierung der Lagerstätten über die Charakterisierung der Metalle bis zur Erhebung von Umweltdaten und der Frage, welche Mittel für eine zukünftige Nutzung erforderlich wären und ob diese sich überhaupt lohnt. Die andere Seite plädiert für ein Verbot oder zumindest für eine zeitliche Aussetzung von Nutzungsinteressen, um das Ökosystem der Ozeane zu bewahren bzw. weiter zu erforschen.
Die Internationalisierung der Tiefsee und der nationalen Wirtschaftsinteressen
Der Tiefseebergbau eröffnet einen neuen Bereich des strategischen Wettbewerbs zwischen den Großmächten. Die steigende Nachfrage nach Ressourcen erhöht den Druck, in der Tiefsee lagernde Vorkommen zu nutzen. Angesichts des wachsenden Nutzungsinteresses wiederum besteht die Gefahr, dass die Rohstoffe des Meeresbodens militarisiert oder in nicht nachhaltiger Weise gefördert werden. Dabei geraten internationale Schutzinteressen und die Governance der Ozeane einerseits mit den wirtschaftlichen Interessen einzelner Nationen andererseits in Konflikt.
Den Rahmen für die Ausgestaltung der Nutzungsbedingungen für Rohstoffe am Meeresboden stellt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS; dt. SRÜ) von 1982 dar, das 1994 in Kraft getreten ist. 170 Staaten haben es ratifiziert, wodurch es eine besondere Bindungswirkung für die Staatenwelt besitzt. Damit einher geht eine Internationalisierung des Meeresbodens und des ‑untergrunds (das »Gebiet«), die dem Prinzip des »Gemeinsamen Erbes der Menschheit« folgt (Art. 136 SRÜ). Das bedeutet, Eigentums- und Zugangsrechte sowie Genehmigungsverfahren und Umweltstandards sind an die Entscheidungen der internationalen Gemeinschaft gebunden. Die USA haben wegen der Befürchtung, dass dadurch ihre Souveränitätsrechte beeinträchtigt werden könnten, eine Unterzeichnung des SRÜ verweigert.
Die maßgebliche Instanz für die regulatorische Ausgestaltung der Erforschung und Nutzung der hoheitsfreien Tiefsee ist die Internationale Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) mit Sitz in Kingston / Jamaika. Alle Signatarstaaten des SRÜ gehören ihr ipso facto an. Die ISA hat die Gestaltungsmacht über circa 55 Prozent der Weltmeeresfläche, während sich die restlichen 45 Prozent als völkerrechtliche Ausschließliche Wirtschaftszonen (AWZ) bzw. Festlandsockelzonen unter der Jurisdiktion der jeweiligen Küstenstaaten befinden. Zwar sind die Küstenstaaten frei, Lizenzen an geeignete Unternehmen zu vergeben; sie unterliegen aber auch in ihren nationalen Gewässern den umweltschutzrechtlichen Vorschriften des SRÜ.
Kernstück für die Möglichkeit, Meeresbodenressourcen jenseits der AWZ wirtschaftlich zu nutzen, ist die Erarbeitung sektoraler »Mininig Codes« für die verschiedenen Rohstofftypen am Meeresgrund. Dies geschieht in einem »Multistakeholder«-Prozess, der die Interessen von Staaten, Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft berücksichtigt. Entsprechend komplex sind die entstehenden Regelwerke, die Genehmigungs-, Umweltschutz-, Haftungs- und Finanzierungsregularien zusammenführen sollen. Eine Verabschiedung dieser Regelungen war ursprünglich bis 2020 vorgesehen – die Komplexität der Aufgabe und die vielen unterschiedlichen Interessen haben indes einen Konsens verhindert. Nun soll noch im Jahr 2025 ein Durchbruch gelingen.
Bisher bewegt sich die Erkundung der Manganknollengebiete nach wie vor im Bereich technischer Probeläufe. Die Investitions- und Betriebskosten, die für einen weitgehend wartungsfreien Einsatz der Abbaugeräte notwendig sind, werden nicht unerheblich sein. Hinzu treten bislang noch schwer zu beziffernde Aufwendungen für die Technologien zur Weiterverarbeitung der Rohstoffe. Ein Problem für die wirtschaftliche Nutzung der Manganknollen ist das teilweise starke Relief des Meeresbodens, das die Fördertechnik noch erheblich einschränkt. Und nicht zuletzt sind vergleichende Kostenrechnungen für die Nutzung von Landbergbau und Recycling-Verfahren noch nicht abgeschlossen.
Das Präsidialdekret der Regierung Trump
Am 24. April 2025 hat US-Präsident Donald Trump die Executive Order »Unleashing America’s Offshore Critical Minerals and Resources« erlassen. Damit hat er eine Überprüfung bereits erteilter und die Vergabe weiterer Lizenzen eingeleitet, die die Exploration von Mineralien auf dem Meeresboden und deren kommerzielle Gewinnung in Gebieten auch »außerhalb der nationalen Zuständigkeit« (Sec. 3, a (1)) möglich machen könnten. Dem Ansatz »Alles aus einer Hand« folgend, heißt es, die USA wollten weltweit führend bei der verantwortungsvollen Erkundung von Bodenschätzen auf dem Meeresgrund, bei Erschließungstechnologien und -praktiken sein. Außerdem bieten sie sich als Partner für Länder an, die auf dem Meeresboden lagernde Ressourcen innerhalb ihrer jeweiligen nationalen Hoheitsgebiete erschließen wollen.
Mit dem Präsidialdekret wächst die Gefahr, dass die USA sich unter geopolitischen Vorzeichen über die Regeln der ISA hinwegsetzen könnten: Als Nicht-Signatarstaat des SRÜ fühlen sie sich womöglich nicht an das Vertragsrecht gebunden und starten einen Alleingang jenseits der Völkergemeinschaft. Damit würde der Tiefseebergbau die vorkommerzielle Phase verlassen, indem er abseits der Regeln des Völkerrechts und des Völkergewohnheitsrechts vorangetrieben wird. Die brasilianische Generalsekretärin der ISA Leticia Reis de Carvalho hat die US‑Regierung daher dazu aufgerufen, »ihre Bemühungen auf die Entwicklung einer führenden Rolle in der Tiefseewissenschaft, ‑technologie und bei der Erschließung von Bodenschätzen auf dem Meeresgrund zu lenken und sich dabei auf den institutionellen und rechtlichen Rahmen zu stützen, der von der internationalen Gemeinschaft mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geschaffen wurde, einem Vertrag, der weltweit breite Anerkennung und Legitimität genießt«.
Auf Trumps Executive Order folgte am 29. April ein Antrag von The Metals Company USA, dem US-Ableger eines kanadischen Unternehmens mit starken Interessen im Meeresbodenbergbau, auf kommerzielle Gewinnung von Tiefseemineralien auf hoher See gemäß dem US-amerikanischen Gesetz über feste Bodenschätze (Deep Seabed Hard Mineral Resources Act, DSHMRA). Damit deutet sich an, dass die USA die ISA übergehen könnten, indem sie Nutzungslizenzen für Gebiete jenseits ihrer nationalen Zuständigkeit vergeben, die sich mit jenen Lizenzen überlappen, die von der ISA zugewiesen werden (könnten). Daraus entstehende Raumordnungskonflikte dürften internationale Auseinandersetzungen über die Rohstoffgovernance und die Eigentumsverhältnisse an den Ressourcen des Meeresbodens hervorrufen. Konkurrierende Ansprüche könnten in geopolitisch motivierte Reibereien und Dispute münden und somit die internationalen Gewässer zum Gegenstand weltpolitischer Gegnerschaft werden lassen.
Zwar beschränkt sich der Antrag der Metals Company zunächst auf die kommerzielle Gewinnung von Bodenschätzen im Bereich der US-Tiefseeböden nach dem DSHMRA. Dennoch könnte der Konzern ihn später ausweiten wollen, indem er bei der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) des US-Handelsministeriums darum ersucht, Lizenzen für die Exploration und kommerzielle Gewinnung von Meeresbodenressourcen auch jenseits des US-amerikanischen Hoheitsgebietes erteilt zu bekommen. Der Konzern ist vor allem an der Gewinnung von Manganknollen interessiert, wobei die Ausbeutung dieser Rohstoffe sicherlich nur jenseits der nationalen Gewässer der USA im Bereich der Clarion-Clipperton-Zone (siehe unten) ertragreich ist.
Mit ihrem unilateralen Vorgehen setzt die Trump-Administration den internationalen Wettlauf um Ressourcen voll in Gang: Das Vorpreschen Washingtons lässt befürchten, dass andere Länder diesem Weg folgen könnten.
Widersacher China
Chinesische Konzerne dominieren bereits den Abbau kritischer Mineralien an Land und deren Verarbeitung. Auf China entfallen 60 Prozent der weltweiten Produktion und 85 Prozent der Verarbeitungskapazität. Nun hat China auch Lithium und Kobalt in der Tiefsee ins Visier genommen. Durch große staatliche Investitionen hat sich China an die Spitze dieser neuen Rohstoffindustrie katapultiert, dicht gefolgt von Russland und Südkorea. Dies gilt sowohl für technische Fragen wie auch für Erkundungsbemühen: China ist mit fünf der bisher 17 von der ISA genehmigten Explorationsverträge führend im Tiefseebergbau tätig.
Im Gegensatz zu den USA hat China das SRÜ ratifiziert und nutzt damit seine Chance, die in Verhandlung befindlichen Regelwerke mitzugestalten. Sein Interesse an der Inwertsetzung der maritimen Rohstoffe hat China deutlich artikuliert. Dabei ist es mit jenen 37 Staaten in Konflikt geraten, die sich für ein Moratorium aussprechen, um das Ökosystem der Tiefsee weiter zu erforschen und so lange eine wirtschaftliche Nutzung auszuschließen.
Der von China ausgeübte politische Druck, möglichst bald Nutzungsregeln für die Tiefsee zu verabschieden, scheint der Maxime »first come, first serve« zu folgen. Offenbar will China seine technologischen Fähigkeiten zur Geltung bringen und damit wirtschaftliche Vorteile erlangen, um seinen Status als maritime Macht zu unterstreichen. Militärische Interessen, die mit dem maritimen Expansionsdrang Chinas in Verbindung gebracht werden, dürften ebenfalls eine Rolle spielen. Dabei geht es zum Beispiel um den Einsatz von Dual-Use-Technologien, die sowohl für autonome Unterwasserfahrzeuge, die Meeresströmungen in der Tiefsee messen, als auch für »kinetische Schläge« einsetzbar sind.
China geht strategisch vor und schließt Allianzen mit Inselstaaten, zuletzt mit den Cook-Inseln, um deren Rohstofflagerstätten im Tiefseebereich zu erkunden und eventuell Rohstoffe abzubauen. Nach eigenen Angaben prüft auch die Pazifiknation Kiribati eine Tiefseebergbau-Partnerschaft mit China. Diese könnte China den Zugang zu einem riesigen Gebiet im Pazifischen Ozean ermöglichen, nachdem Kiribati die Zusammenarbeit mit dem kanadischen Unternehmen The Metals Company Ende 2024 »einvernehmlich« gekündigt hat.
Bei Chinas Engagement im Tiefseebergbau verschwimmen die Grenzen zwischen wissenschaftlicher Forschung, kommerzieller Nutzung und geopolitischem Vorteil, was für viele Länder Anlass zur Beunruhigung in der Kooperation mit Peking ist. Hinzu kommt die innere Widersprüchlichkeit der Positionen Chinas: Einerseits ist es an einer massiven Ausbeutung interessiert, andererseits an Regelungen zum Umweltschutz, die bislang auch die Mehrzahl der Entwicklungsländer haben möchte. Der Diskurs aus Peking, es gehe um die Veränderung überkommener Regelsysteme, die von den Industriestaaten geprägt wurden, hat bislang nicht verfangen. Daher versucht China, einen strategischen Konsens unter den Ländern zu stärken, die die Nutzung maritimer Rohstoffe befürworten. Zu diesem Zweck fördert es über den Aufbau transnationaler Kooperationsplattformen den wissenschaftlichen Austausch zur Tiefsee sowie technologische Innovationen, etwa mit Russland, Südkorea, Japan und Indien.
Der Probelauf in der Clarion-Clipperton-Zone
Die Clarion-Clipperton-Zone (CCZ) ist eine Tiefseeebene im zentralen Pazifik. Sie liegt zwischen Hawaii und Mexiko, erstreckt sich über 4,5 Millionen km2 und erreicht Tiefen von 4.000 bis 5.500 m. Das Gebiet, das so breit wie das Festland der USA und flächenmäßig halb so groß wie Kanada ist, ist von Seebergen geprägt und von polymetallischen Knollen durchsetzt. An einigen Stellen in der CCZ sollen bis zu 60 Prozent des Meeresbodens mit Manganknollen bedeckt sein – dies erklärt zum einen das große Interesse, das Gebiet wirtschaftlich zu nutzen, zum anderen bot es sich als Zone für einen Probelauf an. Bislang wurden dafür nur Erkundungslizenzen vergeben, doch würden manche der Lizenznehmerstaaten sie gern in Ausbeutungslizenzen umwandeln. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, einen rechtlichen Rahmen in Form eines Mining Codes zu entwickeln, der dem schwierigen Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz der Umwelt gerecht wird.
Die Kontrolle und das Management der CCZ unterstehen der ISA. Bis dato hat sie 17 Verträge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren für die Exploration polymetallischer Knollen in der CCZ vergeben, wobei ein Explorationsgebiet 75.000 km2 umfasst. Nach dem Prinzip »Gemeinsames Erbe der Menschheit« dürfen sich Staaten das Gebiet oder Teile davon nicht als Hoheitsgebiet aneignen – nach Auslaufen der Lizenzen fällt das Gebiet an die ISA zurück. Die Auftragnehmer, 14 staatliche Sponsoren und Unternehmen(skonsortien), dürfen Bergbaumöglichkeiten innerhalb ihres Explorationsgebietes erkunden, deren Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit bewerten. Dabei sind sie vertragsmäßig verpflichtet, als wesentlichen Bestandteil ihrer Explorationstätigkeit Umweltdaten zu erheben sowie sicherzustellen, dass durch die Erprobung von Bergbaugerätschaften die Meeresumwelt nicht ernsthaft geschädigt wird.
Die Zuteilung der Lizenzen erfolgte auf Grundlage des im Juli 2012 von der ISA genehmigten Umweltmanagementplans für die CCZ. Dabei handelt es sich um einen Raumordnungsplan, der die Interessen der Bergbauausbeutung aufnimmt und gleichzeitig die Ausweisung von Gebieten von besonderem Umweltinteresse anerkennt.
Auch Deutschland hat solch eine Erkundungslizenz erworben, genauer die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Sie gilt für die Erkundung von Manganknollen in einem Gebiet von 75.000 km2 im sogenannten Manganknollengürtel des östlichen Pazifik. Für das Jahr 2026 plant die BGR nach eigenen Angaben, in ihrem Lizenzgebiet den Einsatz eines durch Künstliche Intelligenz gesteuerten Manganknollenkollektors des US-amerikanischen Unternehmens Impossible Metals zu erproben.
Die Trump-Administration nimmt mit dem Präsidialdekret die CCZ in den Blick, um ihre Rohstoffinteressen zu befriedigen, und zwar durch einseitige Lizenzvergabe und an der ISA vorbei. Die Großmachtkonkurrenz könnte sich daher gerade in der CCZ manifestieren, nicht zuletzt in Gestalt eines »tec cold war«, bei dem die Kontrolle technologischer Wertschöpfungsketten als »Waffe« eingesetzt wird. Wird technologische Vorherrschaft mit wirtschaftlicher und militärischer Dominanz verflochten, steigt die Gefahr von Konfrontationen. Gebraucht werden deshalb verbindliche Regelungen für eine solide internationale Zusammenarbeit, um potenzielle Konflikte, die am Tiefseeboden entstehen können, zu vermeiden.
Versagt der Multilateralismus beim Tiefseebergbau?
Maßgeblich für die Rechtsetzung im Tiefseebergbau ist die ISA, wenn es um den Bereich jenseits der AWZ geht, also das »Gebiet«, das nationalen Hoheitsbefugnissen entzogen ist. Dies bedeutet, dass jeder Staat – so auch die USA – frei ist, seine Festlandsockelzone(n) in eigener Verantwortung zu nutzen.
Als Hindernis für einen multilateral ausgestalteten Tiefseebergbau kommerzieller Art könnte sich die dreifache Rolle der ISA erweisen, nämlich dass sie erstens als rechtsetzende Instanz für Tiefseebergbau- und Umweltvorschriften agiert, zweitens die Vergabe entsprechender Lizenzen verantwortet und deren Umsetzung überwacht sowie drittens die Einnahmen aus Förderabgaben und die Ausgleichszahlungen für durch den Tiefseebergbau benachteiligte Entwicklungsländer verwaltet. Der Rechts- und Fachausschuss der ISA hat einen Entwurf für eine Verwertungsregelung ausgearbeitet und dem Rat 2019 vorgelegt, seitdem sind die Beratungen jedoch wegen grundlegender Meinungsverschiedenheiten nicht wirklich vorangekommen.
Die Suche nach robusten Regularien für den Tiefseebergbau scheitert bislang vor allem daran, dass sich eine Gruppe von 37 Staaten um Frankreich und Deutschland für ein Moratorium einsetzt, bis hinreichende Klarheit über die Risiken des Bergbaus am Meeresboden geschaffen ist. Demgegenüber vertritt eine andere Ländergruppe (Belgien, Großbritannien, China, Indien, Singapur, Südafrika und verschiedene pazifische Staaten) die Ansicht, dass angesichts des sich abzeichnenden Wettlaufs um die Nutzung der Meeresbodenressourcen deren Abbau so bald wie möglich geregelt werden sollte.
Bisher hat die Bundesregierung stets betont, keine Ausbeutungsanträge stellen zu wollen, bis entsprechende Klärungen erfolgt sind; die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag ebenfalls zu der vorsorglichen Pause beim Tiefseebergbau bekannt. Dagegen fordert die deutsche Industrie, dass Deutschland seine abwartende Haltung aufgeben und sich aktiv an der Ausarbeitung der Mining Codes beteiligen soll, um bald über global verbindliche Regelwerke für die industrielle Nutzung der Mineralien am Meeresboden zu verfügen.
Da das Seerecht für Entwicklungsländer bergbauliche Vorzugsrechte kennt (Art. 170 SRÜ und Annex 4 des SRÜ), sind die Zugangsvoraussetzungen für eine Ausbeutung im Rahmen des Tiefseebergbaus asymmetrisch verteilt und erschweren die Chance auf schnelle Kompromisse. Dies betrifft insbesondere den Mining Code für Manganknollen, der, wie oben erwähnt, noch nicht in einer konsensfähigen Fassung vorliegt. Nicht zuletzt besteht Uneinigkeit darüber, wie Förderabgaben verteilt werden sollen, die eine interessante Einnahmequelle für viele Staaten darstellen könnten. Auch Regeln für das »equitable sharing« der finanziellen und sonstigen wirtschaftlichen Vorteile aus dem Tiefseebergbau außerhalb der nationalen Hoheitsgebiete erwiesen sich als schwierig bei der Konsenssuche. Zudem ist nach einer jüngsten Studie der Rand Corporation absehbar, dass die Produktion aus dem Tiefseebergbau zu einem Rückgang der Metallpreise führen würde, was für Entwicklungsländer geringere Lizenzeinnahmen aus dem terrestrischen Bergbau zur Folge hätte. Dieser Rückgang wird wahrscheinlich höher ausfallen als die Aufteilung der Lizenzgebühren aus dem Meeresbodenbergbau und mit diesem einhergehende Wirtschaftsförderungsprogramme.
Während des ersten Teils der 30. Jahrestagung der ISA vom 17. bis 28. März 2025 endeten die Beratungen nicht mit einem Konsens. Angesichts dessen erläuterte der pazifische Inselstaat Nauru seinen Vorschlag für ein »Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf Ausbeutungspläne in Ermangelung verabschiedeter Ausbeutungsregelungen«: Der Träger der Ausbeutungspläne, die Nauru Ocean Resources Inc. (NORI), habe die Absicht, im Jahr 2025 einen entsprechenden Antrag mit einem Umfang von 1,5 Millionen Tonnen / Jahr zu stellen. NORI wiederum ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der kanadischen Metals Company, die auch den Alleingang der USA zur Nutzung internationaler Gewässer für die Ausbeutung von Manganknollen unterstützt. Damit ist das Unternehmen mit Initiativen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Rahmens, den das SRÜ bildet, engagiert. Letztlich wird damit Druck auf die ISA ausgeübt, während des zweiten Teils der Beratungen vom 7. bis 18. Juli 2025 zu einem Beschluss des Mining Codes zu kommen – oder alternativ ein Verfahren zur Prüfung eines Antrags in Ermangelung von Betriebsvorschriften einzuleiten (vgl. Abschn. 1 Abs. 15 Buchst. b des Anhangs zum Übereinkommen zur Durchführung des Teils XI des SRÜ).
Aufbau einer neuen Wertschöpfungskette
Die Entwicklung des Tiefseebergbaus wird ein neue Wertschöpfungskette bedingen – von der Förderung bis zu den mineralischen Endprodukten. Am stärksten dürften sich Raffinierungsverfahren ändern, da sie auf Tiefseematerialien angepasst werden müssen, was eine andere Lieferkette sowie neue Verhüttungstechnologien und Abfallentsorgungsmethoden erforderlich macht. Im Juni 2022 hatten die USA noch gemeinsam mit ihren G7-Partnern die »Partnerschaft für globale Infrastruktur und Investitionen« ins Leben gerufen, um Lieferketten für saubere Energie aufzubauen. Zudem unterzeichneten sie die »Partnerschaft für die Sicherheit von Mineralien«, um der chinesischen Dominanz in diesem Bereich entgegenzuwirken. Am 13. Juli 2023 kündigte die Regierung unter Präsident Joe Biden 32 Millionen Dollar zur Unterstützung von Projekten an, die sich mit der Ausweitung des Abbaus und der Verarbeitung kritischer Mineralien und Seltener Erden befassen. Diese Investition bezog sich jedoch nicht auf den Tiefseebergbau. Die Regierung Trump hat die Zusammenarbeit mit G7-Partnern in ihrer Außenpolitik und in der internationalen Rohstoffkooperation nicht weiterverfolgt.
Für viele Staaten, insbesondere Inselstaaten im Pazifik, steht im Vordergrund, einen nachhaltigen Ansatz für den Tiefseebergbau zu entwickeln; zudem wollen sie schnell von den Rohstoffen des Meeresbodens profitieren. Diese Perspektive könnte sich als kurzsichtig erweisen, wenn nicht die gesamte Lieferkette inklusive der Frage industrieller Verhüttung betrachtet wird. Ein Export der Manganknollen nach China oder in die USA zur Weiterverarbeitung dürfte die Erlöse deutlich reduzieren und zusätzliche Risiken beinhalten, zumal die genannten Kleinstaaten in dem »tec cold war« der Großmächte zerrieben werden könnten.
Die potenziellen Auswirkungen zunehmender kommerzieller Aktivitäten in der Tiefsee – nicht nur in Bezug auf den wirtschaftlichen Vorteil, den Staaten daraus ziehen könnten, sondern auch auf die Prioritätensetzung (Stichwort: militärische Nutzung) – sind noch weitgehend unklar. Aufgrund der großen Wassertiefen, der riesigen ozeanischen Räume sowie der bislang begrenzten Kenntnisse ist es schwierig, in der Tiefsee zu operieren, sie zu überwachen und zu kontrollieren. Dies gilt sowohl für die ISA wie auch für einzelne Staaten oder Staatengemeinschaften. Bisher ist die EU international nicht als gemeinsamer Akteur in diesem Politikfeld aufgetreten, die Mitgliedstaaten verfolgen ihre nationalen Ziele eigenständig.
Angestrebt werden sollte die Vereinbarung von Umweltschutzregeln für die gesamte Lieferkette, nicht nur für die zunächst vorrangig behandelte Förderung der Rohstoffe. Aus dem Landbergbau ist hinreichend bekannt, welche Umweltbelastungen im Verhüttungsprozess sowie durch Abraum entstehen können; entsprechende Prüfungen für den Tiefseebergbau stehen noch aus.
Herausforderungen für die nationale und internationale Ozeandiplomatie
Die Ozeandiplomatie, wie sie auch von der ISA-Generalsekretärin Leticia Reis de Carvalho in ihrer Antrittsrede gefasst wurde, steht vor großen Herausforderungen – zumal angesichts geo- und industriepolitischer Ansprüche auf die Rohstoffe der Tiefsee die Auseinandersetzungen heftiger werden. Die Interessen verschiedenster Akteure entlang der Lieferkette will (bzw. muss) die ISA in ihrem »Multistakeholder«-Ansatz bei den Verhandlungen zusammenführen: Dazu gehören Interessen von Regierungen, die Strategien für ihre eigenen Zuständigkeitsbereiche und die der ISA formulieren, um das wirtschaftliche Wachstum auch in der Zukunft zu sichern; von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern, die sich für den Schutz wertvoller Arten und Ökosysteme einsetzen; von Gemeinschaften, die für ihren Lebensunterhalt auf die Ozeane angewiesen sind oder die von der Erschließung von Bodenschätzen an Land abhängen; von Unternehmen, die Technologien und Pläne für eine verantwortungsvolle Gewinnung von Bodenschätzen in der Tiefsee entwickeln; von Bergbauunternehmen, die kritische Bodenschätze an Land fördern, sowie von Forschern, die die wirtschaftlichen Aspekte von Angebot, Nachfrage und Kreislaufwirtschaft bei Metallen untersuchen.
Da auf früheren Sitzungen der ISA keine Einigung erzielt werden konnte, will sie auf ihrer 30. Sitzung im Juli 2025 die Vorschriften für den kommerziellen Tiefseebergbau, den Mining Code (für Manganknollen), fertigstellen. Sie steht – nicht zuletzt durch das Handeln der Trump-Administration – unter Druck, ihrer rechtlichen und politischen Verantwortung gerecht zu werden. Abgesehen davon, dass institutionelle Reformen notwendig sind und die ISA sich stärker strategisch aufstellen sollte, ist die Behörde und damit auch ihre Mitgliedstaaten aufgerufen, Vorschriften und Regelwerke zu beschließen, die zu Schlüsselfragen Antworten anbieten. Dabei müssen die verschiedenen Positionen berücksichtigt werden, die sich insbesondere auftun zwischen der Ländergruppe, die sich für eine Ausbeutung, und jener, die sich für ein Moratorium stark macht. Gefragt ist eine Ozeandiplomatie, die auch geopolitische Rahmenbedingungen aufnimmt.
In der Wirtschaft werden Positionen vertreten, die kritische Rohstoffe als Machtinstrument (der Zukunft) interpretieren. Solche Positionen bleiben jedoch einer statischen Sicht auf die internationalen Beziehungen wie auch auf die Technologieentwicklung verhaftet. So werden Optionen wie Recycling und Kreislaufwirtschaft, vor allem aber die Suche nach alternativen Materialien und Verfahren in den Hintergrund gedrängt. Besonders gefährlich wird dieser Diskurs, wenn, einem geoökonomischen Determinismus folgend, eine Gleichsetzung von Rohstoffverfügbarkeit und militärischer Machtentfaltung stattfindet: wird dadurch doch dem Erstzugriff auf strategische Rohstoffe eine beherrschende Rolle in der Weltpolitik zugewiesen. Offen ist heute zudem, wie sich die Rentabilität, die Preise und der Bedarf an Rohstoffen entwickeln werden.
Die von den USA als »the next gold rush« bezeichnete Initiative, sich auf dem Meeresboden lagernde kritische Mineralien zu sichern, beschädigt den Grundsatz des »Gemeinsamen Erbes der Menschheit«. Dieses in der Weltgemeinschaft weithin anerkannte Grundverständnis sollte auch künftig im Vordergrund deutscher Ozeanpolitik stehen. Das Ziel, einen geopolitischen Wettbewerb um die Kontrolle der Rohstoffe am Meeresboden einzuhegen und damit dauerhafte Schäden für das Ökosystem der Ozeane abzuwenden, sollten Frankreich und Deutschland zusammen mit ihren derzeit 35 Mitstreitern weiterhin verfolgen.
Prof. Dr. Günther Maihold ist Non-Resident Senior Fellow der SWP. Das Papier entstand im Rahmen des Projektes Nachhaltige Globale Lieferketten, das vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefördert wird.
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DOI: 10.18449/2025A32