Prof. Dr. Hanns W. Maull ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika.
Dr. phil. Angela Stanzel ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Asien.
Dr. Johannes Thimm ist Stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Amerika.
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Kein anderes bilaterales Verhältnis hat vergleichbare Bedeutung für die Zukunft der internationalen Ordnung wie das zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China.
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Innenpolitische und gesellschaftliche Strukturmerkmale prägen das Konfliktverhalten der beiden Staaten wesentlich mit. Diese Faktoren tragen zur Verschlechterung des bilateralen Verhältnisses bei und machen es krisenanfällig.
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Aus den Verflechtungen zwischen beiden Gesellschaften und Volkswirtschaften ergeben sich Verwundbarkeiten. Das Bewusstsein dafür kann Impulse für Zusammenarbeit liefern. Auch das Bemühen, Eskalationsrisiken zu vermeiden, kann Kooperation begünstigen.
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Beide Staaten sind auf eine leistungsfähige internationale Ordnung angewiesen. Allerdings gerät diese Einsicht gegenüber den konfliktträchtigen Aspekten des bilateralen Verhältnisses nur allzu leicht ins Hintertreffen.
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Hier liegt die Aufgabe und zugleich Chance für die deutsche und europäische Politik: Sie sollte der europäischen Mitwirkung am Weltregieren zu stärkerem Gewicht verhelfen und auf China wie Amerika mäßigend einwirken.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Schlussfolgerungen
2 Einleitung: Die Bedeutung des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses
2.1 Anlage und Fragestellung der Studie
2.2 Chinas Aufstieg und seine Zukunftsperspektiven
2.3 Strukturelle Ursachen der bilateralen Spannungen
2.4 Unterschiede und Gemeinsamkeiten in einem komplizierten Verhältnis
2.5 Etappen der Verschlechterung der Beziehungen
3 Die US-Politik gegenüber China
3.1 Selbstbild und Rollenverständnis: Kein Abschied von Amerikas Führungsposition
3.2 Wahrnehmung Chinas in den USA
3.2.1 Die außenpolitischen Eliten
3.2.2 Die amerikanische Öffentlichkeit
3.2.3 Organisierte Interessen: Der Privatsektor
3.3 Die amerikanische Wahrnehmung des Konflikts
3.3.1 Zunehmende Versicherheitlichung der Konkurrenz
3.3.2 Demokratie vs. Autokratie
3.3.3 Bedingungen für die Akzeptanz von Chinas Aufstieg
3.4 Außenpolitische Strukturen und Entscheidungsprozesse in den USA
3.5 Amerikanische Strategien und Instrumente: Decoupling und Containment
3.5.1 Der CHIPS and Science Act
3.5.2 Neue Exportkontrollen für hochmoderne Halbleiter
3.5.3 Decoupling und Containment
3.6 Innenpolitische Bedingungen der Außenpolitik
3.6.1 Geringe Aussichten für einen Kurswechsel
3.7 Amerikas Wahrnehmung von Europa
4 Die Politik Chinas gegenüber den USA
4.1 Selbstbild und Rollenverständnis: Der chinesische Traum
4.2 Wahrnehmung der USA in China
4.3 Die chinesische Wahrnehmung des Konflikts
4.3.1 Wettbewerb und systemische Überlegenheit
4.3.2 Der ideologische Konflikt
4.4 Die chinesische Außenpolitik: Entscheidungsstrukturen und Einflüsse
4.4.1 Ein-Mann-Regime Xi Jinping
4.4.2 Der Einfluss der Eliten auf Xi
4.4.3 Die chinesische Öffentlichkeit
4.5 Strategien und Instrumente der chinesischen Außenpolitik
4.5.1 Außenpolitische Instrumente
4.5.2 Wirtschaftspolitische Instrumente: Selektive Entkopplung
4.6 Innenpolitische Bedingungen der Außenpolitik
4.6.1 Wachstum als Legitimationsquelle der Herrschaft
4.6.2 Außenpolitik als Legitimationsquelle der Herrschaft
4.7 Die Wahrnehmung Europas in China
5 Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
5.1 Systemische Rivalität, Wettbewerb und Partnerschaft
5.2 Transatlantische Geschlossenheit und globale Solidarität der Demokratien
5.5 Deutschlands Verantwortung: Schlussfolgerungen für die Berliner Außenpolitik
8 Anhang: Mögliche Entwicklung der Rüstungsausgaben von USA und China
Problemstellung und Schlussfolgerungen
Kein anderes bilaterales Verhältnis hat vergleichbare Bedeutung für die Zukunft der internationalen Ordnung wie das zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China. Zwar birgt auch die Beziehung zwischen Russland und dem Westen erhebliche Gefahren für den Weltfrieden, wie sie sich aus den beiderseitigen Potentialen an nuklearen Massenvernichtungswaffen und aus den Eskalationsrisiken des Krieges in der Ukraine ergeben. Doch verfügt Moskau jenseits seiner destruktiven militärischen Machtmittel weder wirtschaftlich noch politisch über hinreichendes Gewicht, um die internationale Ordnung gestalten zu können. Zudem dürfte der Krieg gegen die Ukraine mittelfristig bewirken, dass Macht und Einfluss Russlands sinken werden, seine Abhängigkeit von China wiederum zunehmen wird. Bereits heute agiert Moskau in seiner strategischen Partnerschaft mit Peking faktisch als Juniorpartner.
Vor diesem Hintergrund will die vorliegende Studie die Dynamik der amerikanisch-chinesischen Beziehungen nachzeichnen und in die Zukunft hinein extrapolieren. Ausgangsannahme ist dabei, dass der Konflikt zwischen den beiden Weltmächten zwar seine Ursachen in strukturellen Gegebenheiten der internationalen Politik hat, es jedoch ganz wesentlich innenpolitische und gesellschaftliche Einflüsse sind, von denen abhängt, wie er im Einzelnen ausgetragen wird.
Zwei Leitfragen stehen im Mittelpunkt der Untersuchung:
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Wie ist die Entwicklungsdynamik der bilateralen Beziehungen einzuschätzen, welche Risiken beinhaltet sie, und welche Auswirkungen sind davon für die internationale Ordnung und für die deutsche und europäische Außenpolitik zu erwarten?
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Welche Möglichkeiten bestehen für die deutsche und europäische Außenpolitik, mit den Anforderungen Chinas, aber auch der USA umzugehen, sich zu den beiden und ihrer bilateralen Beziehung zu verhalten bzw. im Sinne der eigenen Ziele auf das amerikanisch-chinesische Verhältnis einzuwirken? Wo sind hierfür Ansatzpunkte zu finden?
Die Studie kommt dabei zu folgenden Schlussfolgerungen:
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Die China-Politik der USA und die Amerika-Politik Chinas reflektieren historisch tief verankerte Wahrnehmungsmuster des eigenen Landes und des anderen sowie Strukturelemente des jeweiligen politischen Systems.
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Normativ-ideologische Aspekte sowie macht- und sicherheitspolitische Motive treten in den letzten Jahren gegenüber kooperationsorientierten Wirtschaftsinteressen immer stärker in den Vordergrund.
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Die kooperative Steuerung der bilateralen Beziehungen durch Diplomatie und Dialog verliert an Gewicht, die Eigendynamik des Konfliktverhaltens nimmt zu. Dies verringert auch die Möglichkeiten für Dritte – wie Deutschland und die EU –, auf die Konfliktparteien einzuwirken.
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Angesichts der Eskalationsrisiken im amerikanisch- chinesischen Verhältnis und dessen enormer Bedeutung für die Bewältigung globaler Herausforderungen gilt es für die deutsche Außenpolitik dennoch, alle verfügbaren Wege zu nutzen, über die sich auf Amerika und China einwirken lässt, und dazu die eigenen Einflussmöglichkeiten zu erweitern.
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Ziel der deutschen Außenpolitik muss dabei sein, die bestehende internationale Ordnung zu erhalten und fortzuentwickeln. Diese Ordnung wird durch China und Russland gegenwärtig fundamental herausgefordert, während die USA in der Auseinandersetzung der wichtigste Verbündete für Deutschland und Europa sind. Deren Handlungsfähigkeit wird sich daran bemessen lassen, ob und wie gut es ihnen gelingt, China (und ggf. auch Amerika) zu veranlassen, sich in diese internationale Ordnung einzufügen und sie im Sinne der deutschen Außenpolitik voranzubringen.
Einleitung: Die Bedeutung des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses
In Europa ist der Ukraine-Krieg seit dem russischen Angriff das dominierende Thema, welches zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung alles andere in den Hintergrund drängt. In China hingegen wird der Krieg als bloßer Regionalkonflikt wahrgenommen. Die USA sind intensiv damit engagiert, Kiew zu unterstützen und die westliche Antwort auf Moskaus Aggression zu koordinieren. Doch achtet man in Washington darauf, dass die russische Bedrohung nicht zu sehr von der eigentlichen Herausforderung ablenkt, wie sie aus amerikanischer Perspektive besteht. Denn für die Zukunft der internationalen Ordnung spielt keine andere bilaterale Beziehung eine vergleichbar große Rolle wie die zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China.
Anlage und Fragestellung der Studie
Die gängige Sichtweise auf die Beziehungen zwischen den USA und China hebt im Wesentlichen auf zwei Faktoren ab: die Struktur des Konflikts und die Entwicklung der Machtrelationen. Beide Seiten versuchen demnach, in dem Konflikt ihre Interessen durchzusetzen; zu diesem Zweck bemühen sie sich, die eigene Machtposition durch innere Anstrengungen (»internal balancing«) bzw. durch die Mobilisierung von Verbündeten (»external balancing«) zu verbessern und auf dieser Grundlage dann mit Hilfe von Diplomatie und militärischen Maßnahmen (von Abschreckung bis zur Androhung und Anwendung von Gewalt) die bilateralen Beziehungen zu gestalten. Deren Dynamik entsteht hier also aus der Konfliktkonfiguration, den Machtrelationen und der Interaktion zwischen den beiden Staaten und ihren Verbündeten.
Diese Sichtweise ist unserer Überzeugung nach zwar nicht falsch, aber unvollständig; sie führt im Ergebnis zu einer einseitigen Bewertung der Beziehungsdynamik, die wir durch eine Binnenperspektive auf den Konflikt ergänzen und korrigieren wollen.1 Die wichtigste analytische Lücke im gängigen Verständnis betrifft die Struktur des Konflikts. Diese ist nicht a priori gegeben, sondern beruht beiderseits auf gesellschaftlichen Konstruktionen der Wirklichkeit, die durch historisch tief verankerte kollektive Einstellungsmuster in den Gesellschaften geprägt sind. Die politischen Eliten nutzen entsprechende Konfliktwahrnehmungen, um die Legitimität ihrer eigenen innenpolitischen Machtansprüche zu sichern.2 Um die Dynamik der Auseinandersetzung angemessen zu verstehen, müssen wir also die jeweiligen Konfliktperzeptionen in Amerika und China und deren historischen Hintergrund mit berücksichtigen.
Aus dieser Warte erweisen sich viele Dynamiken, die nach gängiger Auffassung umstandslos dem Konflikt zugeordnet werden, tatsächlich als innenpolitisch geprägt. Die soziale Konstruktion des Konflikts mag dabei von Fall zu Fall relativ einheitlich und geschlossen sein; es kann innerhalb der jeweiligen Gesellschaften und ihrer außenpolitischen Eliten aber auch erhebliche Unterschiede in der Frage geben, wie der Konflikt angemessen einzuschätzen ist. Zudem lassen sich auch aus einer einheitlichen Konfliktwahrnehmung unterschiedliche Sichtweisen ableiten, wie die eigenen Interessen am besten gewahrt werden können. Bestehen derartige Differenzen, so macht dies Aushandlungsprozesse innerhalb der außenpolitischen Eliten erforderlich.
Die China-Politik der USA ebenso wie die Amerika-Politik Chinas – und damit auch die Konfliktdynamik der bilateralen Beziehungen – sind also in erheblichem Maße innenpolitisch vermittelt. Anliegen unserer Studie ist es, diese Konfliktdynamik durch eine systematische Analyse ihrer Binnenseite besser zu verstehen. Dadurch sollen auch Möglichkeiten identifiziert werden, wie sich konstruktiv-mäßigend auf die Auseinandersetzung einwirken lässt.
Chinas Aufstieg und seine Zukunftsperspektiven
Während der letzten 50 Jahre haben sich die geowirtschaftlichen und geopolitischen Kräfteverhältnisse auf der Welt in dramatischer Weise von West nach Ost und von Nord nach Süd verschoben. Getrieben wurde die Entwicklung ganz erheblich vom historisch beispiellosen Wirtschaftswachstum in China, das 1978 mit Pekings Reform- und Öffnungspolitik einsetzte.
China war denn auch der größte Gewinner dieser Machtverlagerungen, wie die Graphiken auf den Seiten 8 bis 11 zeigen. Sie belegen zudem, in welchem Maße die Volksrepublik ökonomisch von den günstigen Rahmenbedingungen einer weitgehend offenen Weltwirtschaftsordnung profitierte. 1990 umfasste die chinesische Volkswirtschaft (in kaufkraftbereinigten Zahlen) nicht einmal ein Sechstel der amerikanischen und kaum mehr als die Hälfte der bundesdeutschen. 30 Jahre später aber kam China auf etwa das Fünffache der deutschen Wirtschaftsleistung und lag auch deutlich vor den USA. Dieses bemerkenswerte Wachstum beruhte auf einer spezifisch chinesischen Variante der exportorientierten Wachstumsstrategie, wie sie in Ostasien nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst Japan, dann andere (Schwellen-) Länder wie Südkorea oder Taiwan verfolgt hatten.
Die Strategie umfasste den systematischen Aufbau von Exportindustrien über Direktinvestitionen westlicher und asiatischer Unternehmen. Vor allem nach dem Beitritt der Volksrepublik zur Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 erlebte dieser Zufluss einen bemerkenswerten Aufschwung: China wurde zur »Werkbank der Welt« und zur größten Exportnation. Für die eindrucksvolle Entwicklung des Landes seit 1980 waren Ausfuhrerlöse der wichtigste Motor. Die hier zu sehenden Graphiken beschreiben diesen Aufschwung im Vergleich zu Deutschland, Japan und den USA für den Zeitraum von 1980 bis 2020; herangezogen werden dabei einige Schlüsseldaten zur Entwicklung des Bruttoinlandproduktes, der Direktinvestitionszuflüsse und des Außenhandels.
Eine unmittelbare Folge dieser Wirtschaftsentwicklung waren eskalierende Ungleichgewichte in den bilateralen Handelsbeziehungen der USA. Das hohe amerikanische Außenhandelsdefizit gegenüber Ostasien hatte in den 1980er und 1990er Jahren schon im Verhältnis zum Bündnispartner Japan starke politische Spannungen ausgelöst; in den letzten beiden Jahrzehnten belastete es vor allem die Beziehungen zwischen den USA und China. Denn ein erheblicher Teil der chinesischen Exporte floss in den scheinbar unersättlichen Konsummarkt Amerikas. Dabei waren es nicht zuletzt amerikanische Unternehmen wie Apple oder Walmart, die diese Handelsströme initiierten und abwickelten.
Ermöglicht wurde diese Entwicklung seitens Chinas durch eine kluge Lenkung der Volkswirtschaft unter Parteiführer Deng Xiaoping (bis zu seinem Tod 1997) und Ministerpräsident Zhou Rongji (1998–2003).3 Ohne Zweifel profitierte das Land aber auch von den westlichen Deregulierungs- und Liberalisierungsstrategien der 1980er und 1990er Jahre, die chinesischen Exporteuren große Absatzchancen in den industriellen Zentren Amerikas, Europas und Ostasiens wie auch weltweit eröffneten und zugleich gewaltige Kapitalströme nach China fließen ließen. Dem Land brachte dies Wachstum, Technologietransfer und neue Arbeitsplätze, ebenso ein drastisch gesteigertes Steueraufkommen.
Wirtschaftswachstum und industrielle Modernisierung erlaubten es der Volksrepublik dank erhöhter Staatseinnahmen, die eigenen Streitkräfte massiv aufzurüsten. Dabei handelte es sich um die letzte der »vier Modernisierungen«, die Deng Xiaoping ausgerufen hatte. Die Graphik und die Tabelle auf Seite 47 (Anhang) verdeutlichen Aufwuchs und Zukunftsperspektiven der chinesischen Militärmacht im internationalen Vergleich.
Als China die Modernisierung seiner Armee forcierte, stand es unter dem Eindruck der durch neue Technologien bewirkten »Revolution des Militärwesens«, die es den USA ermöglicht hatte, den Irak im Golfkrieg 1991 und Serbien im Kosovo-Konflikt 1999 rasch niederzuwerfen.4 Die Volksrepublik importierte zunächst Waffensysteme aus Russland, stellte dann aber zunehmend auf eigene Rüstungsprodukte um. Dies geschah auf Basis einer umfassenden Akquise relevanter Technologien durch »reverse engineering« und Spionage. Bei seinen Rüstungsprogrammen konzentrierte sich China vor allem darauf, die strategischen Kräfteverhältnisse in Ostasien zu seinen Gunsten zu verändern. Unter dieser Zielsetzung bedrohte es die in der Region stationierten Verbände der USA und deren im Westpazifik innerhalb der »Zweiten Inselkette« operierenden Seestreitkräfte (siehe Karte auf den Seiten 14f). Eine wichtige Rolle spielten dabei Raketen, unter anderem die weitreichende und präzise DF-21D, die amerikanische Flugzeugträger gefährdet.5
Strukturelle Ursachen der bilateralen Spannungen
Vor dem Hintergrund der skizzierten Machtverschiebungen lassen sich drei strukturelle Faktoren identifizieren, die dafür sorgten, dass sich das bilaterale Verhältnis zwischen Amerika und China in der letzten Dekade zu verschlechtern begann.6 Das Ungleichgewicht in den Handelsbeziehungen sowie, damit verbunden, in den Kapitalströmen zwischen beiden Volkswirtschaften bildet den ersten Faktor. Der zweite besteht in der sich verschärfenden Konkurrenz um die Vorherrschaft in Ostasien bzw. im Indo-Pazifik.7 Eine wesentliche Rolle spielt dabei Pekings Außenpolitik, die in Ton und Verhalten seit etwa 2010 im Südchinesischen Meer, aber auch in der gesamten Region Ostasien zunehmend forsch auftritt.8 Dass die chinesische Führung gegenüber dem Westen grundsätzlich antagonistisch eingestellt ist und weite Teile des außenpolitischen Establishments in Washington die Volksrepublik einer kritischen Neubewertung unterzogen haben, reflektiert den dritten Faktor: die Systemgegensätze zwischen den liberaldemokratisch verfassten USA und dem leninistischen Einparteienstaat China.
Das Ende der Sowjetunion hatte die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) in ihrer Sorge bestärkt, der Westen wolle die Volksrepublik unterwandern und die bestehende politische Ordnung zerstören. Andererseits betrachtete Peking die Finanzmarktkrise von 2008/2009 und ihre Folgen als Beleg für eine existentielle Krise des westlichen Systems und den unumkehrbaren Niedergang der Weltmacht USA.9 In den Vereinigten Staaten wiederum setzte sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts eine neue Sichtweise auf China durch. Demnach war das Land ein strategischer Gegenspieler Amerikas, und als illusionär wurden nunmehr Hoffnungen abgetan, China würde sich im Gefolge wachsenden Wohlstands und zunehmender Verflechtung mit dem Westen auf friedliche Weise demokratisieren und liberalisieren.10
Diese drei strukturellen Aspekte machen das bilaterale Verhältnis in hohem Maße konfliktträchtig. Dagegen steht ein vierter Faktor, der Zusammenarbeit befördert: die ausgeprägten wechselseitigen Verflechtungen und die beiderseitigen Verwundbarkeiten, die sich aus den bilateralen und globalen Interdependenzen ergeben. Im Gegensatz zum Kalten Krieg, in dem die beiden Blöcke wirtschaftlich kaum miteinander verbunden waren, kennzeichnet das bilaterale Verhältnis zwischen Amerika und China ein so hohes Maß an Interdependenz, dass für die beiden verschränkten Volkswirtschaften der Kunstbegriff »Chimerica« geprägt wurde.11 Eine abrupte und vollständige Auflösung dieser »Ko-Abhängigkeit«,12 die C. Fred Bergsten einmal als ökonomisches Gegenstück zum nuklearen Patt bezeichnete, hätte katastrophale Folgen für die beiden Volkswirtschaften und die globale Ökonomie.13 Allerdings bemühen sich Washington wie Peking seit einigen Jahren, die Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten, die sich aus den wirtschaftlichen Verflechtungen ergeben, zurückzudrängen. Die Schlagworte dazu lauten »duale Kreislaufwirtschaft«14 bzw. »Resilienz der Lieferketten«.15
Daneben gibt es auch andere Formen der existentiellen wechselseitigen Abhängigkeit. So verfügen inzwischen beide Seiten über die Fähigkeit nuklearer Abschreckung. Da China seine Atomstreitkräfte aufrüstet, rückt ein Gleichgewicht des Schreckens zwischen Volksrepublik und Vereinigten Staaten näher – wie es während des Kalten Krieges zwischen Amerika und der Sowjetunion bestand.16 Damit dürfte es Washington und Peking geraten erscheinen, ihr Konfliktverhalten zu zügeln und begrenzte Formen der Zusammenarbeit (wie etwa Rüstungskontrolle) voranzutreiben, um die Wahrscheinlichkeit eines Nuklearkriegs gering zu halten.
Amerika wie China sind auch in hohem Maße verwundbar gegenüber globalen Risiken, wie sie etwa der Klimawandel oder die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen mit sich bringen. Solche Risiken lassen sich nur durch breite internationale Kooperation effektiv begrenzen, für die das Zusammenwirken zwischen Amerika und China zwar keine hinreichende, aber doch eine notwendige Voraussetzung ist. Beide Staaten sind somit angewiesen auf eine leistungsfähige internationale Ordnung. Allerdings gerät diese Einsicht gegenüber den konfliktträchtigen Aspekten des bilateralen Verhältnisses nur allzu leicht ins Hintertreffen.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten in einem komplizierten Verhältnis
Dass sich Innen- und Außenpolitik nicht mehr isoliert voneinander betrachten lassen, ist einerseits zwar eine Binsenweisheit, wird andererseits aber nicht ausreichend ernst genommen. Entsprechend muss auch die Analyse einer bilateralen Beziehung die jeweiligen innenpolitischen Voraussetzungen auf beiden Seiten berücksichtigen. Die oben angeführten strukturellen Gegebenheiten definieren die (normativen wie materiellen) Interessengegensätze und -gemeinsamkeiten zwischen Amerika und China; die inneren Voraussetzungen beeinflussen, wie daraus resultierende Konflikte ausgetragen werden.
Zu den Bedingungsfaktoren der Außenpolitik gehören die Organisation entsprechender Entscheidungsprozesse, die Machtstrukturen und die Persönlichkeit von Schlüsselakteuren, ebenso das jeweilige außenpolitische Selbstverständnis, das durch Geschichte, Kultur und politische Ordnung eines Landes geprägt ist. Die bilateralen Spannungen zwischen Amerika und China, die zunehmend auf die Weltpolitik insgesamt ausstrahlen, sind nicht angemessen zu verstehen ohne einen vertieften Blick auf die jeweiligen außenpolitischen Leitvorstellungen und deren historische, kulturelle und gesellschaftliche Ursachen.17
USA wie China beanspruchen die Weltmachtrolle für sich allein, weshalb sie in eine gefährliche Rivalität geraten.
Um die Zukunftsperspektiven dieses komplizierten Verhältnisses besser abschätzen zu können, lohnt ein vergleichender Blick. Dabei geht es nicht nur um offensichtliche Unterschiede der innenpolitischen Voraussetzungen, sondern auch um weniger offensichtliche, aber ebenso folgenschwere Ähnlichkeiten und Parallelen. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: Eine wesentliche Dimension der Konflikte zwischen China und den USA betrifft die unterschiedlichen Herrschaftsordnungen, die eine »systemische Rivalität«, also eine Konkurrenz zwischen zwei gegensätzlichen politischen Systemen implizieren. Aber diese käme gar nicht zum Tragen, wenn nicht beide Seiten gleichermaßen davon überzeugt wären, Weltmacht zu sein bzw. (im Falle Chinas) werden zu wollen.
Dabei beanspruchen sowohl die USA wie auch China eine solche Weltmachtrolle – zumindest perspektivisch – tatsächlich für sich alleine, weshalb sie in eine gefährliche Rivalität geraten. Solange keiner der zwei Staaten bereit ist, diese Position zu teilen, führen Selbstverständnis und Sendungsbewusstsein der beiden zu einem grundlegenden Statuskonflikt um die Vorherrschaft in der globalen Politik, der a priori nichts mit den unterschiedlichen Herrschaftsordnungen zu tun hat. Auch ein demokratisches China (oder ein autoritär-populistisches Amerika) wäre Antagonist der Gegenseite.18 Der Statuskonflikt hat eine offensive und eine defensive Seite. Mit dem Anspruch, eine Weltmacht zu sein, geht die Befürchtung einher, der Rivale wolle diese Position untergraben. In den innergesellschaftlichen Diskursen lassen sich solche Bedrohungsvorstellungen durch die jeweilige Regierung zuspitzen und paranoid überzeichnen, um so Unterstützung für die eigene Außen- und Sicherheitspolitik zu mobilisieren und in die gewünschte Richtung zu kanalisieren.
Derartige »Feindbild-Syndrome« sind in den Diskursprozessen zwischen Regierung und Gesellschaft gleichermaßen in Amerika wie auch in China festzustellen. Wie sich diese Diskurse gestalten, wie pluralistisch sie ausfallen und welche Wirkung sie entfalten, wird allerdings durch die unterschiedlichen Merkmale der jeweiligen Herrschaftsordnungen bestimmt. Im Falle Chinas gibt es eine Massenkommunikation, die im Sinne der Partei propagandistisch gelenkt und homogenisiert ist. In den USA dagegen existieren nach wie vor Pluralismus und Meinungsvielfalt, obwohl Veränderungen der Medienlandschaft differenzierte und faktenbasierte Diskurse über China erschweren. Dazu tragen insbesondere die sozialen Medien mit ihrer Eigendynamik und mangelnden Kontrolle bei.
Die jeweiligen außenpolitischen Identitäten bestimmen also wesentlich die bilateralen Beziehungen, die ja nichts anderes sind als die Interaktion zweier Außenpolitiken.19 Im Mittelpunkt steht dabei im Falle Amerikas wie auch Chinas ein historisch begründeter Exzeptionalismus – also die Annahme, die eigene Geschichte sei einzigartig und gebe dem Land für Gegenwart und Zukunft gleichsam einen höheren Auftrag.
Außenpolitik ist in mehrerer Hinsicht Innenpolitik. Erstens sind auch außenpolitische Entscheidungen das Ergebnis innenpolitischer Prozesse; sie spiegeln die Regeln und Verfahrensweisen der jeweiligen Regierungen und politischen Systeme. Zweitens ist Außenpolitik auf innenpolitische Unterstützung angewiesen, damit sich die notwendigen Ressourcen finanzieller, personeller und immaterieller Art rekrutieren lassen. Schließlich kann Außenpolitik instru-
mentalisiert werden, um den Machterhalt einer Regierung bzw. politischen Elite zu rechtfertigen. Sie wird dann zu einem Werkzeug für innenpolitische Auseinandersetzungen. Die extreme Form einer Aktivierung der Gesellschaft für außen- und sicherheitspolitische Belange ist der Krieg bzw. der Verteidigungsfall; um die Menschen dazu zu bringen, ihr Leben und das vieler anderer zu riskieren, bedarf es massiver und emotional aufgeladener Mobilisierung. Nationalistische und andere ideologische Argumente sowie entsprechende Feindbilder spielen dabei historisch gesehen eine herausgehobene Rolle. Auch im amerikanisch-chinesischen Verhältnis gibt es auf beiden Seiten negative Stereotype und emotionalen Nationalismus.
Schließlich vollzogen sich seit Ende der 2000er Jahre in den USA wie in China innenpolitische Veränderungen, deren Bedeutung weit über den Wechsel von Personen, politischen Parteien oder Elitenfraktionen hinausreicht. Die Vereinigten Staaten erleben eine sich immer stärker zuspitzende Polarisierung der Gesellschaft. Deren Ursachen lassen sich bis in die Gründungszeit der USA zurückverfolgen – zu jener »peculiar institution« der Sklavenwirtschaft, deren gesellschaftliche Aufarbeitung nur langsam einsetzt und zu neuen Kontroversen führt. Die parteipolitische Polarisierung setzte in den 1970er Jahren ein und beschleunigte sich, als mit dem Ende des Kalten Krieges die äußere Bedrohung überwunden schien. Heute decken sich die ideologischen Grundeinstellungen weitgehend mit Parteiloyalitäten; dabei wirken sie zunehmend identitätsbildend. In einem auf Kompromiss angelegten System beeinträchtigen identitäre Zersplitterung, soziale Ungleichheit und die Erosion demokratischer Spielregeln zunehmend den Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens.20
In der Volksrepublik China bewirkte der soziale Wandel im Gefolge des rasanten Wirtschaftsaufschwungs, dass sich die Ungleichgewichte massiv verschärften. Es kam zu erheblichen ökonomischen und gesellschaftlichen Verwerfungen, auf welche die Partei keine überzeugenden Antworten zu haben schien.21 Unter den KPCh-Führern Jiang Zemin und Hu Jintao entstand zu Beginn des Jahrhunderts eine »Krise des Regierens«. In dieser Situation entschied sich die Partei, der neuen Führungsfigur umfassende Befugnisse zu gewähren. Die Macht sollte an der Spitze der Hierarchie konzentriert werden, um die Handlungsfähigkeit der Partei zu steigern.22 Das Ergebnis war eine Transformation der Herrschaftsordnung im Rahmen des Einparteienstaates, ohne dass dadurch die Herausforderungen, vor denen die KPCh im Inneren steht, bislang einer Lösung näher gebracht worden wären.23
Etappen der Verschlechterung der Beziehungen
Unter Präsident Barack Obama versuchte Washington zunächst, belastende Elemente im bilateralen Verhältnis auszuräumen. Dazu gehörten das amerikanische Handelsbilanzdefizit gegenüber China, die massive Ausspähung der USA im Cyberraum oder die Aktivitäten Pekings im Südchinesischen Meer. Wo möglich sollte die Zusammenarbeit mit der Volksrepublik vertieft werden. Das erste Gipfeltreffen zwischen Obama und Staatsführer Xi Jinping im Juni 2013 im kalifornischen Sunnylands – eine informelle Begegnung in entspannter Atmosphäre – schien vielversprechend. Optimisten erwarteten eine fundamentale Wende in den bilateralen Beziehungen und verglichen das Treffen mit jenem von Nixon und Mao im Jahr 1977.24 Die beiden Präsidenten kamen überein, auf gleichberechtigter Basis »eine neue Form der Großmachtbeziehungen« (new type of great-power relationship) zu entwickeln.
Ein Ziel des Gipfels bestand darin, das »strategische Misstrauen«25 zwischen den beiden Mächten ab- und Vertrauen aufzubauen. Dazu beitragen sollte eine Vereinbarung über Selbstbeschränkungen in den jeweiligen Cyber-Aktivitäten und die gemeinsame Unterstützung einer entsprechenden Initiative der Vereinten Nationen. Beschlossen wurde beides im Rahmen des ersten offiziellen Staatsbesuchs von Xi in Washington im September 2015.26 Etwa achtzehn Monate lang hielt sich China daraufhin mit Cyber-Aktivitäten in den USA zurück; danach registrierte man dort eine weitere Welle von Angriffen mit einer neuen Intensität und Systematik.27 Aus chinesischer Sicht waren umgekehrt die Cyber-Angriffe der USA – etwa auf das Telekommunikationsunternehmen Huawei – nicht geeignet, Vertrauen zu schaffen.
Ein weiterer Grund für die wachsende Enttäuschung der Obama-Administration waren Chinas Aktivitäten im Südchinesischen Meer. Im September 2013 begann die Volksrepublik dort ein umfangreiches Programm zur Landgewinnung auf von ihr beanspruchten Inseln und Riffen. Bis Mitte 2015 wurde so die Fläche dieser unbewohnten Gebilde um rund 800 Hektar erweitert – mehr als die Gesamtfläche ähnlicher Maßnahmen aller anderen Anrainerstaaten zusammen. Die künstlich ausgebauten Inseln wurden danach, entgegen Xis persönlichen Zusagen an Obama, mit ziviler und militärischer Infrastruktur aufgerüstet,28 um Chinas völkerrechtlich ungedeckten Anspruch auf weite Teile des gesamten Südchinesischen Meeres zu untermauern.
Aus Chinas Sicht stellten diese Aktivitäten nichts anderes dar als die Wahrnehmung souveräner Rechte im Südchinesischen Meer, das es als Teil seines maritimen Territoriums betrachtete. Zugleich waren sie für Peking legitime Gegenmaßnahmen gegen eine Strategie der USA, die – nach chinesischem Verständnis – darauf abzielte, den Aufstieg der Volksrepublik zur Weltmacht zu verhindern. Demnach sollte das Land durch die amerikanische Militärpräsenz in der Region und ein Netzwerk von Militärbündnissen systematisch eingedämmt und eingeschnürt werden.29
Die US-Regierung wertete die Militarisierung des Südchinesischen Meeres durch Peking als Vertrauensbruch. Als Reaktion richtete sie ihre Asien-Pazifik-Politik neu aus.30 Zentrale Elemente dieses »Pivot to Asia« waren die Verstärkung der amerikanischen Militärpräsenz im Pazifik, die Intensivierung der militärischen und diplomatischen Zusammenarbeit mit regionalen Verbündeten, darunter vor allem Japan und Australien, ebenso wie mit Indien sowie der Beitritt Washingtons zu einem ambitionierten Freihandelsprojekt, der Transpacific Partnership (TPP). Zudem entsandten die USA seit Oktober 2015 wiederholt Kriegsschiffe zu »Freedom of Navigation«-Operationen (FONOPs) ins Südchinesische Meer. Die Regierung in Peking bezeichnete diese Einsätze als Akte militärischer Aggression. Mit dem Kurswechsel der amerikanischen Asien-Pazifik-Politik sah sie ihre Befürchtungen bestätigt, dass Washington eine Einkreisungsstrategie gegen China verfolge.
Die Umorientierung der amerikanischen China-Politik, die Präsident Obama vor dem Hintergrund »strategischen Misstrauens« eingeleitet hatte, setzte sich unter seinem Nachfolger Donald Trump fort. Damit verschärften sich die Spannungen zwischen den beiden Staaten weiter. Die Eskalation betraf die geopolitische Konkurrenz im gesamten indo-pazifischen Raum, die bilateralen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen sowie chinesische Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe im Cyberraum. Allerdings zog sich die Trump-Administration aus multilateralen Projekten zur Einhegung Chinas wie TPP zurück; stattdessen setzte sie auf unilaterale Schritte. So wurde die Zahl der FONOPs erhöht und China mit einer breiten Palette von Wirtschaftssanktionen belegt. Dabei konzentrierte die Regierung Trump ihre Maßnahmen und die Verhandlungen mit China auf das bilaterale Handelsbilanzdefizit, ging zugleich aber auch gegen Verbündete vor und versäumte es, Koalitionen gegen Peking zu schmieden.31 Außerdem initiierte Washington eine ideologische Kampagne, in der China als kommunistische Tyrannei gebrandmarkt wurde, gegen die sich die »freie Welt« unter Führung der USA zur Wehr setzen müsse (»The free world must triumph over this tyranny«).32
Auch in der China-Politik von Präsident Joe Biden wurde die Volksrepublik vor allem als strategischer Rivale eingestuft.33 Die neue Administration übernahm von ihrer Vorgängerin die skeptische Bewertung Chinas und seiner außenpolitischen Ziele, setzte aber im Gegensatz zur unilateralistischen Orientierung der Regierung Trump auf die Zusammenarbeit mit Verbündeten – und auch mit China selbst in Bereichen wie der Klima- oder der Nichtverbreitungspolitik, in denen Washington und Peking ähnliche oder doch kompatible Ziele verfolgten.34 Das Bemühen um gemeinsame Positionen der USA und ihrer Verbündeten gegenüber China trug Früchte in Erklärungen, die im Frühjahr 2022 vom G7-Gipfel und von der Nato verabschiedet wurden.35
Aus Perspektive der Volksrepublik stellten diese unterschiedlichen Vorgehensweisen der letzten US-Regierungen nur Variationen eines einzigen Themas dar. Durchgehendes Leitmotiv der amerikanischen China-Politik ist demnach, den Machtanspruch der KPCh zu untergraben.
Die US-Politik gegenüber China
Selbstbild und Rollenverständnis: Kein Abschied von Amerikas Führungsposition
In den USA gilt der Aufstieg Chinas als fundamentale Herausforderung der Weltordnung und der eigenen Position darin. Diese Wahrnehmung ist Folge eines historisch gewachsenen, im Diskurs verankerten und in den außenpolitischen Eliten verbreiteten Verständnisses von Amerikas Rolle als globaler Führungsmacht.36 Das Land ist demnach Garant der »regelbasierten Ordnung« bzw. der »liberalen internationalen Ordnung«, die nicht nur für die USA selbst gut ist, sondern für die Welt insgesamt.37 Dabei wird im Diskurs häufig nicht zwischen amerikanischen Interessen und universalistischen Zielen unterschieden.
Diesem Rollenverständnis der USA liegt eine spezifische nationale Identität zugrunde, in der Forschung als »amerikanischer Exzeptionalismus« bezeichnet, deren Wurzeln bis in die Zeit vor der Unabhängigkeit zurückreichen.38 Aus dem Gründungsmythos einer auf liberalen Werten und der Auflehnung gegen Unterdrückung entstandenen Republik leiten sich eine historische Mission und eine moralisch begründete Außenpolitik ab. Nach dem Zweiten Weltkrieg schuf Washington ein multilaterales System internationaler Normen und Organisationen, das sowohl zur Institutionalisierung amerikanischer Prioritäten als auch zur Stabilisierung der internationalen Politik beitrug. Trotz der Blockkonfrontation mit zahlreichen Stellvertreterkriegen in Ländern des globalen Südens erwies sich das Modell aus Sicht der USA als erfolgreich, und diese sahen nach dem Ende der Sowjetunion keinen Anlass, vom Konzept hegemonialer Stabilität Abstand zu nehmen.
Mit dem exzeptionalistischen Selbstbild und dem Erfolg der Pax Americana begründen die USA auch ihren Status als asiatisch-pazifische Macht, deren Allianzbeziehungen dem Erhalt der Balance in Asien dienen. Diese Rolle als Sicherheitsgarant für die Verbündeten – explizit vor allem für Japan und Südkorea, etwas weniger explizit (Stichwort »strategic ambiguity«) auch für Taiwan – ist in den USA weitgehend unumstritten und wird auch von den Regierungen der jeweiligen Partnerstaaten begrüßt.
Trump brach als Präsident radikal mit dem traditionellen liberal-internationalistischen Ansatz. Er war Symptom für den abnehmenden Konsens über einen Kurs liberaler Hegemonie wie auch Beschleuniger der Krise amerikanischer Weltordnungspolitik. Dennoch sind im Establishment des Landes jene Stimmen weiterhin in der Minderheit, die dafür plädieren, die USA sollten ihren Führungsanspruch aufgeben.
Wahrnehmung Chinas in den USA
In Eliten und breiterer Öffentlichkeit der USA hat sich während der letzten Jahre die Auffassung durchgesetzt, dass von China eine Bedrohung für amerikanische Interessen und die nationale Sicherheit ausgehe. Der Ansatz, durch enge Wirtschaftsbeziehungen eine Öffnung des chinesischen Systems zu erreichen, gilt als gescheitert – ja mehr noch, er soll China überhaupt erst in die Lage versetzt haben, zu den USA aufzuschließen.
Die außenpolitischen Eliten
Im US-Kongress besteht inzwischen Einigkeit darüber, dass dieser Bedrohung nur mit wirtschaftlicher und militärischer Stärke begegnet werden könne.39 Republikaner wie Demokraten gehen China gegenüber zunehmend auf Konfrontationskurs. Keine Partei will sich hier dem Vorwurf der Schwäche aussetzen.40
So unterstützten im Sommer 2022 eine Reihe republikanischer Kongressmitglieder den umstrittenen Taiwan-Besuch der Demokratin Nancy Pelosi, der damaligen Sprecherin im Repräsentantenhaus.41 Der Republikaner Kevin McCarthy, der ihr Anfang 2023 im Amt nachfolgte, hat ebenfalls die Absicht, Taiwan zu besuchen. Überparteiliche Mehrheiten erhielt wiederum der CHIPS and Science Act – ein Gesetz, das die USA im Hochtechnologiesektor konkurrenzfähiger gegenüber China machen soll, unter anderem durch Subventionen für Halbleiterhersteller.42
China als Rivale und Bedrohung – dieses Narrativ setzt sich in der strategischen Community der USA zunehmend durch.
Bidens Berater teilen grundsätzlich die Wahrnehmung von China als mittelfristig größter geopolitischer Herausforderung.43 In der Nationalen Sicherheitsstrategie der aktuellen US-Regierung heißt es, die Volksrepublik sei »der einzige Konkurrent, der sowohl die Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch zunehmend über die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht verfügt, um dieses Vorhaben voranzutreiben«.44 Außenminister Antony Blinken nennt China die gravierendste längerfristige Herausforderung für die internationale Ordnung.45
Die Haltung der Regierung ist dabei eingebettet in einen breiteren Diskurs von Washingtons außenpolitischer Elite. In der von zahlreichen Forschungseinrichtungen und Thinktanks geprägten strategischen Community lässt sich trotz verschiedenster Stimmen zum sino-amerikanischen Verhältnis feststellen, dass sich das Narrativ von China als Rivalen und Bedrohung zunehmend durchsetzt.46
Allenfalls im Ton, kaum jedoch in der Substanz unterscheiden sich denn auch die Analysen konservativer bzw. den Republikanern nahestehender Thinktanks (wie des American Enterprise Institute oder der Heritage Foundation) und solche von Einrichtungen, die eher mit den Demokraten assoziiert werden (wie das Center for a New American Security oder das Center for American Progress). Auch die Brookings Institution, der Council on Foreign Relations und die RAND Corporation, die Überparteilichkeit beanspruchen, bewegen sich innerhalb dieses chinapolitischen Mainstreams.
Eine grundsätzlich andere Position vertreten lediglich das libertäre Cato Institute sowie das noch relativ neue Quincy Institute for Responsible Statecraft. Die Autorinnen und Autoren von Cato heben die positiven Effekte eines freien Handels mit China für die amerikanische Wirtschaft hervor. Etwas breiter und genereller ist die Kritik des Quincy Institute (QI) am vorherrschenden Ansatz. Auf der Seite des Ostasien-Programms des Instituts heißt es:
»China fordert die Interessen der USA in einigen wichtigen Bereichen heraus, während es in anderen eine Chance zur Kooperation bietet – vor allem bei der Bewältigung des Klimachaos. Das QI wendet sich gegen Washingtons Tendenz, die Bedrohung durch ein aufstrebendes China zu überzeichnen. Anstatt vergeblich zu versuchen, die militärische Vorherrschaft in Ostasien aufrechtzuerhalten, entwickelt das QI Konzepte und Wege für die USA, um ein stabiles Machtgleichgewicht in der Region zu verfolgen, das auf einem vertieften diplomatischen und wirtschaftlichen Engagement beruht.«47
Finanziert wird das Quincy Institute von Spendern und Stiftungen eines breiten politischen Spektrums, das die konservativ-libertäre Charles Koch Foundation ebenso einschließt wie die linksliberalen Open Society Foundations.48
Die amerikanische Öffentlichkeit
Auch in der amerikanischen Bevölkerung gilt China inzwischen als sicherheitspolitische Herausforderung. Zwischen Februar 2020 und Februar 2021 verdoppelte sich laut Umfragen von Gallup die Zahl jener US-Bürger, die das Land als »größten Feind« der Vereinigten Staaten wahrnehmen, von 22 Prozent auf 45 Prozent.49 63 Prozent sehen die wirtschaftliche Macht der Volksrepublik als entscheidende Bedrohung an – ein Anstieg um 17 Prozentpunkte innerhalb von zwei Jahren. Laut einer Umfrage des Chicago Council on Global Affairs von 2020 halten 55 Prozent China für eine entscheidende (»critical«) Bedrohung, weitere 40 Prozent für eine »nicht entscheidende, aber dennoch signifikante« Bedrohung. Sowohl in den Eliten als auch in der breiteren Öffentlichkeit ist die Bedrohungsperzeption unter Republikanern höher als unter Demokraten, am höchsten ist sie unter republikanischen Führungsfiguren.50
Zwei Narrative haben besonders dazu beigetragen, dass sich Chinas Image in der amerikanischen Öffentlichkeit verschlechterte. Das erste basiert auf der Wahrnehmung, der wirtschaftliche Aufstieg des Landes sei auf Kosten von Arbeitsplätzen in den USA erfolgt. Viele lasten es China an, dass durch die Verlagerung von Produktion nach Asien amerikanische Jobs vor allem im verarbeitenden Gewerbe abgebaut wurden.51 Dabei konvergiert die traditionelle Kritik am Freihandel von links mit einem neuen Populismus, den Donald Trump in der republikanischen Partei verankert hat. Das Bild von China, das die USA ausnutzt, war ein wesentlicher Faktor für Trumps Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2016.
Das zweite Narrativ macht Peking verantwortlich für die Covid-19-Pandemie. Als Ursprungsland von Corona verfuhr China gerade in den ersten Wochen nach Ausbruch des Erregers intransparent mit der Epidemie und erschwerte es so, die Virenausbreitung effektiv zu bekämpfen. Trump prägte die Wahrnehmung der amerikanischen Öffentlichkeit, indem er China im Wahlkampfjahr 2020 die alleinige Schuld an Covid-19 gab, wohl auch um vom eigenen Versagen im Pandemiemanagement abzulenken.52 Infolge der Äußerungen des Präsidenten, der konsequent vom »chinesischen Virus« sprach, stieg in den USA die Zahl rassistischer Übergriffe gegen Angehörige asiatischer Minderheiten sprunghaft an.53 Bidens Außenminister Blinken sah sich gezwungen, in seiner Grundsatzrede zu China von Mai 2022 rassistische antiasiatische Übergriffe zu verurteilen.54
Organisierte Interessen: Der Privatsektor
Weite Teile der US-Wirtschaft wollen nicht auf das ertragreiche Geschäft mit China verzichten. Nach den Trump-Jahren hofften sie auf eine Normalisierung der Handelsbeziehungen.55 Dabei ist jedes in China tätige Unternehmen gezwungen, sich den dortigen Bedingungen anzupassen. Für Apple, das derzeit wertvollste Unternehmen weltweit, ist die Volksrepublik sowohl eine wichtige Produktionsstätte als auch ein lukrativer Markt. Apple speichert die Daten chinesischer Kunden auf Servern im Land selbst, wo sie vor dem Zugriff der Behörden nicht sicher sind, und setzt Pekings Zensurvorgaben im eigenen App Store um.56 Es gelingt der chinesischen Regierung immer wieder, amerikanische Unternehmen von Kritik an der Volksrepublik abzuhalten, indem sie ihnen mit Marktausschluss droht.
Während die meisten Unternehmen einen möglichst uneingeschränkten Handel mit China bevorzugen, profitieren bestimmte Sektoren von protektionistischen Maßnahmen wie Schutzzöllen und heimischen Subventionen.57 So helfen Importzölle der amerikanischen Stahlindustrie, und Halbleiterhersteller können mit Subventionen unter dem CHIPS and Science Act rechnen. Auch wird die Konkurrenz mit China von manchen Firmen instrumentalisiert, um missliebige Regulierungen in den USA abzuwenden. Die großen amerikanischen Technologie-Konzerne, die wegen ihrer Marktmacht zunehmend ins Visier von Behörden und Kongress geraten, versuchen kartellrechtliche Maßnahmen mit dem Argument abzuwenden, eine strengere Regulierung schade im Wettbewerb mit China um die technologische Vorherrschaft.58
Die amerikanische Wahrnehmung des Konflikts
Ausgangspunkt vieler amerikanischer Analysen ist die Einschätzung, dass die USA in den letzten beiden Jahrzehnten gegenüber China zu nachgiebig aufgetreten seien.59 Insbesondere habe sich die Hoffnung als falsch erwiesen, mit einer Integration Chinas in den Welthandel würde sich das Land auch gesellschaftlich liberalisieren.60 Stattdessen habe China den guten Willen der USA ausgenutzt, um nun Amerika herauszufordern zu können.
Im Unterschied zur Regierung Trump erkennt die Biden-Administration an, dass Koordination und Kooperation mit China notwendig sind, um transnationale und globale Probleme zu bearbeiten. Häufig genannte Politikfelder sind dabei der Kampf gegen den Klimawandel, die Gesundheitspolitik, die Rüstungskontrolle und die Bewahrung von Stabilität auf den internationalen Finanzmärkten. Jenseits davon wird das Verhältnis zwischen Washington und Peking jedoch zunehmend von machtpolitischer Konkurrenz bestimmt.
Zunehmende Versicherheitlichung der Konkurrenz
Die Konkurrenz mit China hat aus amerikanischer Sicht wirtschaftliche, militärische und technologische
Dimensionen, die eng miteinander verknüpft sind. In den Wirtschaftsbeziehungen konzentriert sich die Kritik seitens der USA auf Praktiken, die den Wettbewerb verzerren. So ermöglicht das chinesische Modell des Staatskapitalismus, dass eigene Unternehmen mit Billigung oder sogar aktiver Hilfe des Staates den Schutz geistigen Eigentums missachten und sich so Technologien aneignen.61 Zudem werden Staatsunternehmen subventioniert; durch niedrige Preise können sie internationale Mitbewerber aus dem Markt drängen, wie dies etwa in der Photovoltaik-Branche geschah.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung und der Militärausgaben Pekings wird im Wettrüsten zwischen Amerika und China technische Überlegenheit immer wichtiger. Auch hier holt die Volksrepublik auf. So kommen die Autoren einer Analyse für das Belfer Center for Science and International Affairs der Universität Harvard zu dem Schluss, die Ära einer amerikanischen Vormachtstellung sei unwiederbringlich vorbei.62
Im Wettbewerb nimmt die Forschung zu Zukunftstechnologien einen herausgehobenen Stellenwert ein, denn diese gelten als Basis für eine konkurrenzfähige Wirtschaft ebenso wie für militärische Überlegenheit. Dazu gehören der Ausbau einer Hochgeschwindigkeits-Dateninfrastruktur (5G), Quantencomputing, Halbleiterproduktion, Künstliche Intelligenz, Biotechnologie und grüne Energie.63
Infokasten: Amerikanische Selbstzensur in Sport und Unterhaltungsbranche 1996 zogen zwei Filmstudios den Ärger der chinesischen Behörden auf sich. Es ging dabei um die Streifen »Kundun« und »Sieben Jahre in Tibet«, die beide das Leben des Dalai Lama aufgreifen. Seither meidet Hollywood Themen, die Peking reizen könnten.64 Das Beispiel des Films »Top Gun: Maverick« von 2022 zeigt allerdings, dass amerikanische Studios zunehmend auch Proteste berücksichtigen müssen, die im eigenen Land gegen diese Art der Selbstzensur laut werden. Im Originalfilm »Top Gun« von 1986 trug der von Tom Cruise gespielte Pilot Maverick auf seiner Jacke eine taiwanesische Flagge. In der Fortsetzung war diese zunächst nicht zu sehen. Nachdem das ursprünglich involvierte chinesische Unternehmen Tencent aus der Finanzierung des Films ausgestiegen war, wurde die Flagge wieder eingefügt.65 Auch im Sport ist der Umgang mit China ein Thema. 2019 äußerte sich ein Manager des Basketballteams Houston Rockets auf Twitter kritisch zu Pekings Vorgehen in Hongkong. Daraufhin beendete der chinesische Staatssender CCTV die Übertragung von Spielen der National Basketball Association (NBA). Die NBA schätzte den entstandenen Verlust auf 400 Millionen US-Dollar. 2021 griff der Basketballer Enes Kanter von den Boston Celtics auf Twitter die Politik Xi Jinpings in Tibet an; zudem trug er mehrere Spiele lang Schuhe mit Slogans zu Themen wie Tibet, den Uiguren und Taiwan. Chinesische Anbieter setzten die Übertragung von Spielen der Celtics aus, und Kanter bekam danach kaum noch Spielzeit. Seit März 2022 laufen wieder NBA-Spiele im chinesischen Fernsehen. Die Sportler halten sich mit Kritik zurück, auch um ihre Verträge mit Sponsoren nicht zu verlieren.66 |
Da entsprechende Innovationen in den USA zum großen Teil von Universitäten und privaten Forschungseinrichtungen hervorgebracht werden, geraten auch diese zunehmend in den sino-amerikanischen Konflikt. Im Rahmen der »China Initiative«, die von der Trump-Administration eingeführt wurde, um Sicherheitsbedrohungen durch China zu bekämpfen, ging die Bundespolizei FBI strafrechtlich gegen Akademikerinnen und Akademiker vor, denen sie vorwarf, Kontakte zu chinesischen Institutionen verschwiegen zu haben. Wissenschaftler chinesischer Herkunft fühlten sich einem Generalverdacht ausgesetzt. Die Folge ist, dass mehr und mehr von ihnen nach China abwandern.67 Als Reaktion auf gescheiterte Verfahren und auf Diskriminierungsvorwürfe verschärfte das Justizministerium unter Präsident Biden die Voraussetzungen für strafrechtliche Ermittlungen. Dennoch bleibt bei dem betreffenden Personenkreis eine erhebliche Verunsicherung.68
Demokratie vs. Autokratie
Der Antagonismus zwischen den USA als Demokratie und dem autoritären China, das alle Lebensaspekte seiner Bevölkerung zu kontrollieren sucht, hat unter der Biden-Administration an Relevanz gewonnen und die bilateralen Beziehungen weiter eingetrübt. Repressionen gegen Dissidenten und Minderheiten haben in der Volksrepublik stark zugenommen, während Peking zugleich die Autonomie Hongkongs missachtet und alle Entscheidungsgewalt in der Person Xi Jinping zentralisiert wurde. Diese Tendenzen befördern die amerikanische Wahrnehmung, dass es sich gegenüber China nicht nur um klassische Großmachtrivalität, sondern um einen Systemkonflikt handelt.69 Weiteren Auftrieb dürfte die Sichtweise dadurch erhalten, dass Peking sich bislang weigerte, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu verurteilen.
Während Präsident Trump die Menschenrechtslage in China weitgehend ignorierte,70 kritisiert die Biden-Administration die entsprechenden Zustände mit großer Schärfe. Regierungsvertreter wie Außenminister Blinken haben den Umgang mit den Uiguren als »kulturellen Genozid« bezeichnet.71 Deklaratorisch machte es Biden zunächst zu einem Grundstein seiner Außenpolitik, die Demokratie weltweit gegen autoritäre Tendenzen zu verteidigen – wie der im Dezember 2021 abgehaltene Summit for Democracy verdeutlichte.72 Inzwischen wurde in der Nationalen Sicherheitsstrategie klargestellt, dass die USA auch mit nichtdemokratischen Ländern zusammenarbeiten, wenn diese an einer stabilen regelbasierten Ordnung interessiert sind.73
Bedingungen für die Akzeptanz von Chinas Aufstieg
Letztlich unbeantwortet bleibt im amerikanischen Diskurs die Frage, unter welchen Voraussetzungen man zu akzeptieren bereit wäre, dass China mit den USA gleichzieht oder sie gar als globale Hegemonialmacht ablöst. Jenseits der Menschenrechtsfrage ist entscheidend, welche Absichten Peking für die künftige Weltordnung zugeschrieben werden. Solange die Sicht dominiert, dass China revisionistische Intentionen hege, werden die USA alles daran setzen, den Aufstieg der Volksrepublik zu verhindern. Dies verschärft das Sicherheitsdilemma zwischen den beiden Mächten.74 Andere Interpretationen von Chinas Absichten sind im derzeitigen Diskurs klar in der Minderheit.75 In der Nationalen Sicherheitsstrategie heißt es:
»[Russland und China] sind zu dem Schluss gekommen, dass der Erfolg einer freien und offenen, regelbasierten internationalen Ordnung eine Bedrohung für ihre Regime darstelle und ihre Ambitionen hemme. Auf unterschiedliche Weise suchen sie nun die internationale Ordnung zu verändern, um eine Welt zu schaffen, die ihrer hochgradig personalisierten und repressiven Art von Autokratie förderlich ist.«76
Das exzeptionalistische Rollenverständnis der USA legt zudem nahe, dass man mit jedem Konkurrenten, der die amerikanische Hegemonie in Frage stellen sollte, ein Problem hätte. Dafür spricht auch die Erfahrung der 1980er Jahre, als amerikanische Eliten zum Teil ähnlich alarmiert auf die Möglichkeit reagierten, das demokratische und pazifistische Japan könnte die USA wirtschaftlich überholen.77
Außenpolitische Strukturen und Entscheidungsprozesse in den USA
In den USA bestimmt der Präsident die Leitlinien der Außenpolitik. Zugleich verfügt die Exekutive über eine Vielzahl diplomatischer, verteidigungspolitischer und handelspolitischer Instrumente im Umgang mit China. Neben Außenministerium, Verteidigungsministerium und Nationalem Sicherheitsberater spielen wegen der wirtschaftlichen Verflechtung insbesondere auch das Handelsministerium (Department of Commerce) und der Handelsbeauftragte (US Trade Representative) eine zentrale Rolle dabei, die amerikanische China-Strategie zu formulieren.
Kongressmitglieder haben einen Hang zur »Nebenaußenpolitik«, wie etwa Nancy Pelosis Taiwan-Besuch im Sommer 2022 zeigte.
Der Kongress beschränkt den Handlungsspielraum der Exekutive vor allem durch die Haushaltsgesetzgebung. Er prägt aber auch die politische Debatte, indem er Anhörungen abhält, Resolutionen verabschiedet und eigene Beziehungen ins Ausland pflegt. Wie sehr seine Mitglieder mit einer eigenen Agenda das amerikanisch-chinesische Verhältnis beeinflussen können, zeigte Anfang August 2022 der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan. Obwohl sie als Parteivorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus eine der wichtigsten Verbündeten von Präsident Biden ist, setzte sie die Reise gegen dessen Ratschlag durch, womit sie für erhebliche Spannungen gegenüber Peking sorgte. China reagierte mit Militärmanövern und Sanktionen gegen Taiwan. Die unabhängig von der Exekutive gewählten Kongressmitglieder haben durchaus einen Hang zur »Nebenaußenpolitik« und erschweren damit einen kohärenten strategischen Ansatz.
Der Kongress ist auch das Vehikel, über das sich die Öffentlichkeit und organisierte Interessen Gehör verschaffen. Dabei ist der Einfluss der breiteren Bevölkerung auf Washingtons China-Politik eher begrenzt, da die meisten Wahlentscheidungen nicht nach außenpolitischen Themen getroffen werden. Mit ihrem wachsenden Protektionismus reagiert die amerikanische Politik aber durchaus auf eine wahrgenommene Stimmung im eigenen Land. Gegenüber den Anliegen von Interessengruppen und Lobbyisten wiederum sind Abgeordnete alles andere als immun, da sie einen enormen Bedarf an Wahlkampfspenden haben. Gerade finanziell und organisatorisch gut ausgestattete Vertretungen der Wirtschaft, wie die U.S. Chamber of Commerce, haben traditionell einen starken Zugang zu Mitgliedern des Kongresses. Zwar sorgen die Versicherheitlichung der China-Politik und die wachsenden Vorbehalte gegen einen liberalen Handelskurs dafür, dass der Einfluss der Wirtschaftslobby schwindet. Dennoch dürfte sie weiterhin Gehör finden, wenn es darum geht, Maßnahmen wie Zölle, Exportverbote und Sanktionen konkret auszugestalten.
Amerikanische Strategien und Instrumente: Decoupling und Containment
Nach einer von Kontinuität geprägten Anfangsphase schafft die Biden-Administration nun Fakten, die auf eine weitere Verschärfung der amerikanischen China-Politik hindeuten. Im Unterschied zum eher impulsiven Aktionismus der Regierung Trump fügen sich die verschiedenen im Jahr 2022 auf den Weg gebrachten Maßnahmen zu einer kohärenten Strategie zusammen.
Der CHIPS and Science Act
Im August 2022 wurde vom Kongress der CHIPS and Science Act verabschiedet; er signalisiert die Rückkehr der USA zu einer aktiven staatlichen Industriepolitik.78 Damit wird auch auf Pekings »Made in China 2025«-Initiative reagiert. Ziel des Gesetzespakets ist es, die amerikanische Konkurrenzfähigkeit im Hochtechnologiesektor zu steigern. Das erste Element, der CHIPS Act, umfasst die Bereitstellung von 52,7 Milliarden US-Dollar, mit denen die Produktion von Computerchips in den Vereinigten Staaten gefördert werden soll. Davon sind 39 Milliarden US-Dollar eingeplant, um die Hersteller von Computerchips zum Ausbau der heimischen Produktion zu bewegen – durch finanzielle Anreize wie Subventionen, Kredite, Kreditgarantien und Steuererleichterungen. Mit 13,2 Milliarden US-Dollar will man Forschung und Entwicklung sowie Ausbildung in den dafür relevanten Feldern fördern. Dadurch soll das Land unabhängiger von Lieferanten in Asien werden.79 Halbleiterhersteller wie Intel, TSMC und Samsung haben bereits angekündigt, neue Werke in den USA zu gründen.
Das zweite Element des Pakets, der Research and Development, Competition, and Innovation Act, stellt weitere 170 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung in relevanten Bereichen bereit. Dazu gehören Künstliche Intelligenz (AI), Halbleiter, Quantencomputing, Robotik, Kommunikationstechnologie, Biotechnologie und grüne Energie. Auch die Ausbildung in Naturwissenschaften, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik soll gefördert werden, um den Bedarf der Hightech-Branche an qualifiziertem Personal aus der heimischen Bevölkerung zu decken. Das Gesetz hat drei intendierte Effekte. Es soll erstens die Resilienz des amerikanischen Technologiesektors gegen Lieferausfälle verbessern, zweitens im Einklang mit dem Ansatz der »Foreign Policy for the Middle Class« die heimische Industrie durch attraktive Arbeitsplätze stärken,80 und drittens die technologische Konkurrenzfähigkeit gegenüber China erhöhen. Dabei fand der CHIPS and Science Act überparteiliche Zustimmung.81
Neue Exportkontrollen für hochmoderne Halbleiter
Am 21. Oktober 2022 verkündete die Biden-Administration neue Exportkontrollen für bestimmte Arten von Computerchips. Nachdem die US-Regierung lange erfolglos zu verhindern gesucht hatte, dass aus den USA bezogene Chips für chinesische Militärtechnologie verwendet werden, führte sie für die Ausfuhr mancher Halbleiter eine Lizenzpflicht ein. Betroffen sind besonders die fortschrittlichsten Chips, die über große Rechenkapazitäten und hohe Datenaustausch-Raten verfügen und sich dazu eignen, Prozessoren zu Supercomputern für anspruchsvolle Modelle Künstlicher Intelligenz zu vernetzen.82 Die Kontrollen sind umfassend: Sie betreffen die Chips selbst, aber auch Software, Komponenten und Maschinen, die zur Entwicklung neuer Chips notwendig sind. Dabei handelt es sich um Technik, die China in den nächsten Jahren nicht ohne weiteres selbst herstellen kann. Die Maßnahmen zielen zwar auf die modernsten Chips ab, die speziell zur Weiterentwicklung Künstlicher Intelligenz taugen, doch aufgrund der vielseitigen Verwendung von Halbleitern und der Komplexität der Spezifikationen ist mit nichtintendierten Folgen zu rechnen. Auch europäische Exporte der betreffenden Waren sind genehmigungspflichtig, denn sie basieren auf geistigem Eigentum aus den USA.
Decoupling und Containment
Mit dem CHIPS Act und den Exportkontrollen für Halbleiter verleiht die Biden-Administration zwei Konzepten Substanz, die bisher vor allem theoretischen Charakter hatten: Decoupling und Containment. Seit der Ansatz als gescheitert gilt, durch enge Beziehungen und wirtschaftlichen Austausch einen Wandel in Pekings Politik herbeizuführen, wird kontrovers diskutiert, wie weit man bei der Entkoppelung der amerikanischen Wirtschaft von der chinesischen gehen soll. Dazu gehört auch die Frage, inwiefern der technologische Fortschritt Chinas und der damit verbundene Wirtschaftsaufstieg des Landes aktiv zu behindern sind.
Am einen Ende des Spektrums stehen jene, die der Auffassung sind, der gegenwärtige Modus vivendi benachteilige die USA und beschleunige ihre Ablösung als führende Wirtschaftsnation durch China. Derek Scissors vom neokonservativen American Enterprise Institute etwa fordert eine partielle Abkoppelung, da weder handelspolitische Anreize noch Strafmaßnahmen die chinesische Politik verändert hätten.83 Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehören Importkontrollen für Produkte aus China, deren Herstellung durch Diebstahl geistigen Eigentums oder durch Subventionen ermöglicht wurde, sowie strengere Kontrollen beim Transfer sensibler Technologien. Ebenso wird empfohlen, Lieferketten für sicherheitspolitisch relevante Güter durch Subventionen in die USA zu holen und amerikanische Investitionen in der Volksrepublik – ob direkte oder solche in Form von Kapitalanlagen – stärker zu begrenzen.
Dagegen machen Vertreter wirtschaftsnaher Institute geltend, dass Freihandel und ökonomische Kooperation für beide Seiten positive Effekte hätten. Forscher des libertären Cato Institute warnen davor, das Ziel des Freihandels aus Sorge vor China aufzugeben.84 Carl Bergsten vom Peterson Institute for International Economics plädiert dafür, am offenen, interdependenten Wirtschafts- und Handelssystem festzuhalten. Er fordert eine Politik der »konditionellen kompetitiven Kooperation« zwischen den USA und China und warnt vor protektionistischen Tendenzen.85
Mit der Kombination aus Exportkontrollen und Subventionierung heimischer Produktion hat die Biden-Administration einen wichtigen Schritt in Richtung Abkoppelung vollzogen. Gleichzeitig handelt es sich um einen Versuch, die Entwicklung militärischer Fähigkeiten durch China einzuhegen. Der Begriff Containment war im Ost-West-Konflikt ein Grundpfeiler der amerikanischen Strategie; er umschrieb das Ziel, den sowjetischen Einfluss in anderen Staaten zu beschränken.86 Auf das heutige China bezogen soll verhindert werden, dass Drittstaaten durch einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von der Volksrepublik erpressbar werden oder dem chinesischen Entwicklungsmodell mit seinem Autoritarismus nacheifern. Gleichzeitig will man China davon abhalten, mit Hilfe moderner westlicher Technologien die amerikanische Militärmacht zu überholen. Zu Letzterem tragen die Exportkontrollen bei. Weil der Begriff des »Einhegens« den Eindruck erweckt, dass Chinas Entwicklung generell ausgebremst werden solle, vermeidet ihn die US-Regierung. Stattdessen betont sie, es gehe nicht darum, der Volksrepublik wirtschaftliches Wachstum oder einen rechtmäßigen Platz in der internationalen Ordnung zu verwehren.87 Doch die jüngsten Maßnahmen Washingtons werden zumindest von China so interpretiert.
Während asiatische Staaten Handelshemmnisse abbauen wollen, geht es den USA um den Schutz heimischer Arbeitsplätze.
In der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA wird unterstrichen, man wolle eine neue Blockbildung vermeiden und andere Staaten nicht zwingen, sich für eine Seite zu entscheiden. Viele von ihnen hätten unabhängig von ihrem Regimetyp ein Interesse an einer regelbasierten, offenen und stabilen Ordnung. Mit dieser Aussage wird dreierlei Rechnung getragen. Erstens sind keineswegs alle Staaten in Ost- und Südostasien Demokratien, und ein Framing der amerikanisch-chinesischen Rivalität als Gegensatz zwischen Demokratie und Autokratie hilft nicht dabei, regionale Regierungen stärker an die USA zu binden. Zweitens sind selbst Amerikas demokratische Verbündete dort – wie Australien, Neuseeland, Japan und Südkorea – wirtschaftlich so stark mit China verflochten, dass es für sie keine Option darstellt, auf Handel mit dem Land zu verzichten. Und drittens ist Washington gegenwärtig nicht bereit, durch Freihandelsabkommen den asiatischen Staaten einen besseren Marktzugang in Amerika zu gewähren, was deren Abhängigkeiten von China reduzieren könnte und es den USA erlauben würde, eigene Standards für Technologie, Arbeitsrecht und Umweltschutz zu setzen. Die Forderungen der asiatischen Seite nach Abbau von Handelshemmnissen stehen in einem Spannungsverhältnis zu dem amerikanischen Bestreben, im Rahmen der »Foreign Policy for the Middle Class« heimische Arbeitsplätze zu schützen. Trotz unterschiedlicher Einschätzungen innerhalb der Administration dominieren dort protektionistische Ansätze, denn viele Industriestandorte befinden sich in swing states, die für Wahlausgänge besonders wichtig sind.88 Um den Stillstand beim Abbau von Handelshemmnissen gegenüber asiatischen Staaten zu kompensieren, versucht die US-Regierung, die Kooperation durch einen Wirtschaftsrahmen für den Indopazifik (Indo-Pacific Economic Framework) voranzutreiben. Im Fokus stehen dabei Bereiche wie Digitaltechnologie, Lieferketten, Klimapolitik, Infrastruktur und Arbeitsstandards.
Innenpolitische Bedingungen der Außenpolitik
Amerikanische Analysten betonen den Stellenwert der innenpolitischen Bedingungen, wenn es darum geht, erfolgreich mit China zu konkurrieren.89 Dabei beginnt Außenpolitik in zweierlei Hinsicht »zuhause«.90 Der erste Aspekt betrifft Problemlösungskapazitäten des politischen Systems. Zuletzt wurde die Bearbeitung von Missständen häufig blockiert, weil es in den USA einerseits auf Kompromiss angelegte Institutionen gibt, andererseits eine starke parteipolitische Polarisierung die notwendigen Zugeständnisse verhindert. Auch regelmäßige Aufgaben wie die Verabschiedung des Haushalts, die Wahl von Amtsträgern oder die Teilnahme an internationalen Abkommen werden durch ideologische Grabenkämpfe beeinträchtigt. Die Folge ist ein Reformstau.
Zweitens stellt sich auch aus außenpolitischer Sicht die Frage, inwieweit die US-Demokratie den von ihr selbst proklamierten Idealen gerecht wird. Für Zweifel daran sorgen beispielsweise eine massive soziale Ungleichheit im Land, die anhaltende strukturelle Diskriminierung von Minderheiten sowie Ungerechtigkeiten bei der Strafverfolgung. Überdies gibt es häufig politische Entscheidungen, in denen sich nicht die Mehrheitsposition spiegelt. Zurückzuführen ist dies auf die Rolle einer intransparenten Wahlkampffinanzierung, auf inhärente biases in der Repräsentation von Wählern und einen Obersten Gerichtshof, der immer unverhohlener politisch agiert.91 Diese Schwierigkeiten schaden Amerikas Ansehen im Ausland und mindern den Vorteil, den das Land mit Blick auf »Soft Power« im Systemwettbewerb mit China genießt.92 Der Vertrauensverlust gegenüber demokratischen Prozessen hat in den USA ein Ausmaß erreicht, das die Stabilität des Verfassungssystems gefährdet, wie Beobachter warnen. Donald Trumps Weigerung, seine Wahlniederlage anzuerkennen und eine friedliche Machtübergabe zu ermöglichen, ließ zahlreiche Vertreter und Wähler der republikanischen Partei die Integrität von Wahlen überhaupt in Frage stellen. Gleichzeitig sucht man von dieser Seite eigene Mehrheiten durch Methoden zu sichern, die im Widerspruch zu demokratischen Idealen stehen.93
Geringe Aussichten für einen Kurswechsel
Die gegenwärtigen Positionen der Parteien und die beschriebene Dynamik im Washingtoner Betrieb sprechen nicht dafür, dass sich unter republikanischer Führung am grundsätzlichen Kurs der amerikanischen China-Politik viel ändern würde. Unwahrscheinlich, aber denkbar wäre ein Richtungswechsel unter einem Präsidenten, der einen Isolationismus, wie er zum Teil von Trump und seinen Sympathisanten im Kongress artikuliert wird, konsequenter als in der Vergangenheit umsetzt.94 Ohne Anspruch auf eine globale Führungsrolle oder die Durchsetzung von Menschenrechten könnte sich ein solcher Präsident mit einer Art nationalistisch-protektionistischem Minimalkonsens arrangieren. Die Folgen für Amerika und die Welt wären unabsehbar.
Amerikas Wahrnehmung von Europa
Die gegenwärtige US-Regierung hat ein ausgeprägtes Bewusstsein dafür, dass die USA im Konkurrenzkampf mit China auf Verbündete angewiesen sind. Ein zentrales Forum für die transatlantische Zusammenarbeit ist dabei der unter Biden ins Leben gerufene Trade and Technology Council, in dem Washington und die EU vor allem Fragen der Handels- und Technologiepolitik beraten. Obwohl offiziell betont wird, das Gremium richte sich nicht gegen China, ist die enge Koordination bei Themen wie Standards oder Lieferketten klar vor dem Hintergrund der sino-amerikanischen Rivalität zu sehen.
Washington ist sich bewusst, dass Deutschland in der EU als stärkste Wirtschaftsnation eine wichtige Stimme hat. Gleichzeitig herrscht auf amerikanischer Seite eine ausgeprägte Skepsis, ob Deutschland die Risiken richtig einschätzt, die sich aus der Abhängigkeit seiner Exportwirtschaft vom chinesischen Markt ergeben. Daher stoßen Berliner Versuche, für einen gemäßigteren Umgang mit China zu werben, in den USA auch auf Misstrauen. Im Verhalten der Bundesregierung sieht man bestenfalls ein naives Festhalten am »Wandel durch Handel«-Ansatz, schlimmstenfalls die Dominanz kurzfristiger Wirtschaftsinteressen gegenüber prinzipiellen bzw. strategischen Erwägungen. Für entsprechende Irritationen im Verhältnis der USA zu Deutschland und der Europäischen Union gab es in der jüngeren Vergangenheit eine Reihe von Anlässen. So schloss die EU im Dezember 2020 kurz vor Bidens Amtsübernahme die Verhandlungen mit China über ein Umfassendes Investitionsabkommen ab, und im November 2022 reiste der Bundeskanzler auf rein bilateraler Basis nach Peking – ohne Vertreter der EU oder anderer Mitgliedstaaten und als erster westlicher Regierungschef nach Xi Jinpings Bestätigung auf dem Kongress der KPCh.
Die Politik Chinas gegenüber den USA
Selbstbild und Rollenverständnis: Der chinesische Traum
Das Weltbild Chinas ist historisch sinozentrisch geprägt, während das Land zugleich unter der Wahrnehmung leidet, der beanspruchten zentralen Rolle in der Welt beraubt worden zu sein. Seit den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts und der nachfolgenden Erniedrigung durch den westlichen Imperialismus sieht sich China in einer Opferrolle. Nach Gründung der Volksrepublik 1949 war es die amerikanische Eindämmungspolitik, der sich das Land unter seiner neuen kommunistischen Führung ausgesetzt sah. Bis heute dient dieses Opfernarrativ der KPCh als Begründung dafür, dass China zu alter Stärke zurückkehren müsse. 1978 wurde von Peking die »unabhängige Außenpolitik des Friedens« (duli zizhu de heping duiwai zhengce) ausgerufen, die offiziell bis heute besteht. Nach diesem Verständnis ist die Volksrepublik außenpolitisch zur Kooperation mit allen bereit. Damit grenzt man sich ab von einem »Nullsummen« (linghe)-Denken, auf dem das Allianzsystem der USA basiere. Hier manifestierte sich bereits die Idee einer multipolaren Ordnung, in der die amerikanische Dominanz durch andere Mächte ausbalanciert wird. Nach Weggel begann sich in den 80er Jahren die Vorstellung, »dass verringerter Machteinfluss der beiden Supermächte heilsame Multipolarität fördere, […] wie ein roter Faden durch die außenpolitische Vorstellungswelt zu ziehen«.95 Ausgangspunkt chinesischer Vorstellungen von der internationalen Ordnung ist also der eigene Anspruch, eine Weltmacht zu sein und daher die globale Hegemonialstellung der USA – und bis 1990 auch der Sowjetunion – überwinden zu müssen.
Bündnisse sind kein Bestandteil des chinesischen Weltbilds. KPCh-Führer interpretieren gegen andere gerichtete Allianzsysteme traditionell negativ. Die Nato etwa ist im Jargon Pekings ein »Relikt des Kalten Krieges« (lengzhan chanwu), da ihr einziger Zweck die Eindämmung bedrohlicher und expansionistischer Staaten sei. Das erklärt den – zumindest formellen – Unwillen der Volksrepublik, feste Verbündete zu gewinnen. Laut KPCh hat China »keine Allianzen, nur Freunde«; »Freundschaften« aber dienen allein dem eigenen Nutzen und basieren nicht auf gemeinsamen Wert- und Ordnungsvorstellungen. Schon die durch US-Außenpolitiker Henry Kissinger eingeleitete Annäherung zwischen Washington und Peking zu Beginn der 1970er Jahre erfolgte (beiderseits) vor einem rein geopolitischen Hintergrund; aus chinesischer Sicht spielten dabei ausschließlich die eigenen Sicherheitsinteressen eine Rolle, ideologische Aspekte waren nachrangig.
Geduld zu haben war seit Deng Xiaoping die Maxime der chinesischen Außenpolitik, gemäß seinem berühmten Zitat: »Zurückhaltung üben, bis die Zeit gekommen ist« (tao guang yang hui). China sollte sich demnach auf die eigene Entwicklung konzentrieren, bevor es mit zunehmendem Wohlstand imstande wäre, die existierende Weltordnung den eigenen Interessen entsprechend zu verändern. Auch wenn China und die USA ihre wirtschaftliche Kooperation ausbauen und sich grundsätzlich auf gemeinsame Anliegen verständigen konnten, blieb das beiderseitige Verhältnis weiterhin geprägt von Unverständnis und Misstrauen. Nach Shambaugh prägte für Peking die Perspektive des »beautiful imperialist« die Beziehungen, was Zyklen von Freundschaft und Feindschaft einschloss.96
Xi Jinpings Amtsantritt als Partei- und Staatschef 2012/13 markierte den Beginn einer neuen Etappe für Chinas weltpolitische Rolle. Dafür steht sein berühmtes Wort vom »chinesischen Traum«, das im Kern die »Rückkehr« Chinas zu einer beherrschenden Stellung in Ostasien und in die Position einer respektierten Weltmacht propagiert. Xi wandte sich also von Dengs Maxime der Zurückhaltung ab. Aus seiner Sicht berechtigte Chinas Aufstieg auch zu einem neuen Status als globaler Akteur – jenseits der früheren Vorstellung einer »partiellen Macht«, wonach China noch nicht über den einer Weltmacht gebührenden Einfluss verfüge.97 Xis »chinesischer Traum« steht so wohl im Gegensatz zu Pekings einstigem Kurs der »friedlichen Entwicklung«. Das Konzept vom »friedlichen Aufstieg Chinas« (zhongguo heping jueqi) formulierte 2003 der damalige Präsident Hu Jintao, um der internationalen Besorgnis über die Machtgewinne des Landes entgegenzuwirken.98
Wahrnehmung der USA in China
Bereits vor Xis Amtsantritt war der außenpolitische Diskurs Chinas (wie auch der in den USA) zunehmend geprägt von der Frage eines sich verschärfenden Konflikts zwischen der Weltmacht Nummer eins und seinem Konkurrenten. Spätestens seit der Weltfinanzkrise 2008 sah Peking den Niedergang der USA und den chinesischen Aufstieg zur Weltmacht als unausweichlich. Nach dieser Interpretation waren es die Besonderheiten des chinesischen Staatskapitalismus, die das Land weitgehend vor einer »Ansteckung« durch die Krise schützten. Man sah hier einen Beleg für die Überlegenheit des »Sozialismus mit chinesischen Charakteristika« und dafür, dass China sich (wieder) hin zum Staatskapitalismus bewegen müsse. Hardliner Yan Xuetong plädierte in seinem New York Times-Artikel »How China Can Defeat America« bereits 2011 für eine stärkere Rolle des Landes auf der Weltbühne – auch in Rivalität mit den Vereinigten Staaten.99
Während eines USA-Besuchs 2012 sprach Xi, damals angehender Präsident, von einem »neuen Typ von Großmachtbeziehungen im 21. Jahrhundert«. Wie er forderte, sollten China und die USA gleichberechtigte Mächte in einer G2-Welt sein.100 Diese Vorstellung einer Weltordnung mit China und den USA im Zentrum erweiterte Xi 2014 um das Konzept einer »Großmacht-Diplomatie mit chinesischem Charakter« (zhongguo tese daguo waijiao), das anstrebt, »Beziehungen unter den Großmächten« für China vorteilhafter zu führen.
In China dominiert das Narrativ vom Niedergang des Westens und der amerikanischen Hegemonie.
Nach diesem Ansatz gestalten sich die Großmachtbeziehungen kooperativ, solange beide Seiten die nationalen Kerninteressen des anderen respektieren. Im Falle Chinas sind das (1) der Machterhalt der Kommunistischen Partei, also die Stabilität des politischen Systems, (2) Chinas territoriale Integrität unter Einschluss von Taiwan, Hongkong etc., also auch dort, wo dies international umstritten ist, und (3) die Fortsetzung der eigenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auf sozialistischem Pfad. Diese Kerninteressen zu wahren ist unter Xi zum eisernen Prinzip der chinesischen Außenpolitik geworden, verbunden mit der Erwartung, dass die USA sie anerkennen.101 Aus Chinas Sicht schließen Differenzen zwischen den beiden Großmächten eine Zusammenarbeit und gemeinsame Ziele nicht aus, jedoch macht Peking ebenso deutlich, dass eine engere Kooperation nicht zu Lasten der chinesischen Kerninteressen gehen dürfe.102 Die Volksrepublik scheint dabei entschlossen, ihre Interessen immer umfassender zu definieren. So wird es auch immer schwieriger, Konflikte von Kooperation zu trennen.
Nach der heute vorherrschenden Meinung in Chinas politischer Klasse spielen sich die sino-amerikanischen Beziehungen auf Weltmächteniveau ab, wobei man selbst immer mehr Einfluss von den USA übernehme. Es dominiert das Narrativ, der Niedergang amerikanischer Hegemonie sei Ausgangspunkt der eigenen Außenpolitik. Gegenüber den USA gibt es zugleich eine Bedrohungswahrnehmung, die durch Chinas Selbstisolation während der Corona-Pandemie weiter befördert wurde. In den chinesischen Echokammern bezieht man die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik in jeglicher Hinsicht auf das eigene Land und sieht dabei stets den Versuch, den Aufstieg der Volksrepublik einzudämmen.
Die chinesische Wahrnehmung des Konflikts
Aus chinesischer Sicht befindet sich die Volksrepublik in einem systemischen Konflikt mit den USA und dem Rest des Westens. In erster Linie will Peking dabei zeigen, dass die Ideologie der KPCh, der »Sozialismus chinesischer Prägung«, für China die erfolgreichere Regierungsform bietet. Das bedeutet (bislang) nicht zwangsläufig, dass es eine großangelegte chinesische Strategie gäbe, Demokratien zu zerstören oder die autokratische Regierungsform global zu exportieren. Jedoch nimmt Chinas Wahrnehmung, von den USA und deren Verbündeten bedroht zu sein, in dem Konflikt stetig zu. Damit wächst für Peking die Notwendigkeit, den Machtanspruch und die Ideologie der KPCh zu verteidigen.
Wettbewerb und systemische Überlegenheit
Für Chinas Konfliktperzeption bildet die amerikanische Militärpräsenz in Asien ein zentrales Element, trägt diese doch maßgeblich dazu bei, dass Peking das sicherheitspolitische Umfeld als Bedrohung wahrnimmt. Xis Vision von einem starken Militär – als Teil seines »chinesischen Traums« – ist auch in Verbindung mit dem Wunsch zu sehen, den USA zumindest in der eigenen Peripherie militärisch überlegen zu sein. Priorität der chinesischen Armee ist es daher, ihre Kapazitäten in der aktiven Verteidigung des maritimen (ostasiatischen und pazifischen) Raumes stetig auszubauen. Chinas Wahrnehmung zur bislang erreichten Stärke der eigenen Streitkräfte scheint sich dabei mit der amerikanischen Einschätzung zu decken. So heißt es in einer Analyse des U.S. Naval War College von 2021:
»Die chinesische Führung erkennt sowohl die bemerkenswerten Fortschritte an, die bei der Modernisierung des chinesischen Militärs gemacht wurden, als auch wichtige anhaltende Schwächen. Chinesische Analysten stimmen mit amerikanischen Kollegen darin überein, dass die chinesischen Fähigkeiten unmittelbar vor der Küste weitaus beeindruckender sind als an weiter entfernten Orten.«103
Nicht nur militärisch muss sich China nach eigenem Verständnis in diesem Konflikt behaupten können, sondern auch auf allen anderen Sektoren, auf denen die USA der Volksrepublik überlegen erscheinen. Einige chinesische Experten sehen, ähnlich amerikanischen Beobachtern, das eigentliche Schlachtfeld der Großmachtrivalität im Bereich moderner Technologien. Marktführer zu sein und neue Standards zu setzen versucht China auf Feldern wie Künstliche Intelligenz und Digitalisierung (darunter 5G-Technologie) oder auch bei militärisch einsetzbaren Technologien (etwa Hyperschall-Waffen). Den Aufbau eigener Fähigkeiten treibt China vor allem dort voran, wo seine nationale Sicherheit betroffen ist, etwa in der Grundlagenforschung und bei Kerntechnologien wie Halbleitern und neuen Materialien, wie sie unter anderem in der Luft- und Raumfahrt oder der Biomedizin verwendet werden. Der Druck der USA auf ausgewählte chinesische Unternehmen wie Huawei und die Sorge, immer weniger Zugang zu amerikanischer Technologie zu erhalten, bestärken Peking zudem darin, so schnell wie möglich selbständiger und wettbewerbsfähiger zu werden.
Technologische und wirtschaftliche Unabhängigkeit sowie Überlegenheit in Schlüsselsektoren sind daher zur Priorität der KPCh geworden. Schließlich hat sich mit Chinas Aufstieg zu einer Weltwirtschaftsmacht der Glaube in Peking verfestigt, die ohne Zweifel enormen ökonomischen Errungenschaften seien dem autoritären System des Landes zu verdanken. Der Handelskonflikt mit den USA wird somit (auch) in China als Systemkonflikt verstanden. Die chinesische Führung steht entsprechend unter Druck, wirtschaftliche Erfolge zu erzielen, um auch künftig die besondere Stärke des eigenen Systems belegen zu können.
Der ideologische Konflikt
Xi Jinping scheint die USA sowie allgemein den Westen zunehmend als ideologische Bedrohung für China wahrzunehmen. Seit seiner Machtübernahme 2013 versucht er, flächendeckend den westlichen und dabei vor allem den amerikanischen Einfluss auf die Volksrepublik zu reduzieren.104 Xi lehnt westliche Ideen ab und treibt stattdessen die Indoktrinierung der chinesischen Gesellschaft durch die kommunistische wie seine eigene Ideologie (»Xi Jinping’s Thought«) vehement voran. Auch die chinesische Außenpolitik wird ideologischer, wie zwei prominente Beispiele zeigen.
Das erste betrifft die Beziehung zu Russland. Moskau und Peking eint in erster Linie die Sichtweise auf den Gegenspieler USA und auf das liberaldemokratische, den Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und individueller Selbstbestimmung verpflichtete Gesellschaftsmodell. Während Xi nach Amtsantritt einerseits einen »neuen Typ von Großmachtbeziehungen« mit den USA einforderte, bezeichnete er andererseits Russland als Chinas »wichtigsten strategischen Partner«. Heute sei diese Partnerschaft, so Peking, »besser als eine Allianz«. Ideologisch scheint sich China zusammen mit Russland dafür zu wappnen, dass sich die weltpolitische Ordnung hin zu rivalisierenden Blöcken entwickelt.
Im zweiten Fall geht es um den Umgang mit Taiwan. Dieses Thema birgt derzeit wohl das größte Sicherheits- und Eskalationsrisiko zwischen China und den USA. Xi ist bestrebt, Taiwan vor dem Ende seiner Amtszeit und spätestens bis 2049 mit Festland-China zu vereinen. Bis zu diesem Jahr will Xi, so seine Vision, den Großmachtstatus Chinas »wiederherstellen«. Bislang hat er die offizielle Zielsetzung Pekings nicht zurückgenommen, eine »friedliche Wiedervereinigung« zu erreichen. Daher ist anzunehmen, dass die Führung in Peking eine militärische Invasion vermeiden möchte, zumindest solange sie glaubt, die Insel auf andere Weise eingliedern zu können. Zu den entsprechenden Mitteln gehören die zunehmenden militärischen Einschüchterungsversuche der Volksrepublik sowie ihr Bestreben, Taiwan politisch und wirtschaftlich zu isolieren. Auch muss und wird Peking die wirtschaftlichen Kosten und politischen Risiken einer Invasion berücksichtigen.
Die Frage ist, ob (oder wie lange) China so pragmatisch ausgerichtet bleibt. Immerhin kann nach Xi der »chinesische Traum« nur verwirklicht werden, wenn Taiwan bis zur Jahrhundertmitte Teil der Volksrepublik ist. Hier also scheint er letztlich ideologisch orientiertes Handeln über Pragmatismus zu stellen. Aus Pekings Sicht steigen die amerikanisch-chinesischen Spannungen in der Taiwan-Frage umso stärker, je mehr Unterstützung Washington für die Insel signalisiert. Zunehmend wächst in China die Sorge, die USA könnten Taiwan einen neuen Status gewähren. Das zeigen die Warnungen Pekings an amerikanische Adresse – und auch an Länder wie Deutschland –, keine »rote Linien« zu überschreiten, wobei der Grundsatz gilt, dass Taiwan ein Teil Chinas bleiben müsse. Yan Xuetong bemerkte in einem Artikel von Mai 2022 zu Pekings Haltung im Ukraine-Krieg, dass China die Invasion Russlands nicht aktiv unterstützen werde (die es aber auch nicht öffentlich verurteilt). Nur eines könnte China offensiv an die Seite Russlands drängen, so Yan, nämlich dass »die Vereinigten Staaten eine taiwanesische Unabhängigkeitserklärung militärisch unterstützen würden«.105
Die chinesische Außenpolitik: Entscheidungsstrukturen und Einflüsse
An der Spitze der Entscheidungsstruktur für Chinas Außenpolitik steht der Ständige Ausschuss des KP-Politbüros, der über den Regierungsinstitutionen angesiedelt ist.106 Die KPCh ist durch ihre hohe Mitgliederzahl zwar auch den Einflüssen von Gruppierungen und Sektoren ausgesetzt, die nicht zur Machtelite gehören; nach Schmidt sind »im Krisenmodus allerdings – also im Falle von Bedrohungswahrnehmung, hohem Entscheidungsdruck bei unzureichender Informationslage sowie Spannungen in strategischen Feldern der Außenpolitik (Verhältnis zu Großmächten, Taiwan) – […] Entscheidungsverfahren weiterhin in hohem Maße zentralisiert und von einzelnen Führungspersönlichkeiten oder einem engen Entscheidungszirkel dominiert«. Wie Schmidt weiter schreibt, verschleiere die chinesische Führung ganz bewusst »das, was im innersten Führungszirkel bei außenpolitischen Entscheidungen vor sich geht, die Medien können darüber nicht berichten, Interviews von Beteiligten über interne Angelegenheiten existieren nicht«.107
Ein-Mann-Regime Xi Jinping
Unter Xi reicht die Rolle der KPCh noch weiter in die Administration hinein. Anstatt Staat und Partei zu trennen, verstärkte er gleich mit Amtsantritt die Vorherrschaft der Partei über den Staat. Dabei wurde auch die militärische Führung der Parteiführung untergeordnet (bzw. beides in eine Hand gelegt), wie es bereits vor 1949, also im Kriegszustand, der Fall war. Bei Nösselt et al. heißt es: »Zentrale Reformbausteine wie das Top-Level Design (dingceng sheji), die Aufwertung eines Teils der (kleinen) Führungsgruppen zu Kommissionen und die Verankerung der Führungsrolle der Partei in der revidierten Staatsverfassung im März 2018 signalisieren, dass die Kommunistische Partei Chinas erneut zu einer verstärkten Durchdringung und Kontrolle der staatlichen Sphäre ansetzt.«108 Die genannten Führungsgruppen ermöglichen es der obersten Ebene, direkte Kontrolle über wichtige Politikbereiche auszuüben. »Checks and Balances«, soweit es sie im Sinne der gegenseitigen Kontrolle zwischen Verfassungsorganen und Machthaber (hier: der Partei) je gegeben haben sollte, entwickelten sich unter Xi also mehr zum reinen »Check« seitens der Partei gegenüber dem Staatsapparat.
Hinzu kommt die Zentralisierung politischer Entscheidungsfindung in der Person Xi. Neben seinen Ämtern als Staatspräsident, Parteivorsitzender und Oberbefehlshaber der Truppen hat er auch den Vorsitz mehrerer wichtiger kleiner Führungsgruppen inne. Die von der Verfassung vorgegebene Begrenzung der präsidialen Amtszeit auf zehn Jahre wurde 2018 aufgehoben, und während des 20. Parteikongresses im Herbst 2022 ließ sich Xi für weitere fünf Jahre als Generalsekretär bestätigen. Die großangelegte Anti-Korruptions-Kampagne, die Peking seit Ende 2012 verfolgt, dient nicht zuletzt dazu, politische Gegner zu entmachten. Seit demselben Jahr hat Xi alle Spitzenposten mit seinen engsten politischen Verbündeten besetzt. Wenn es darum geht, in hochrangige Positionen berufen zu werden, scheinen Loyalität und Ideologie mehr zu zählen als Kompetenz. Auch dies hat der vergangene Kongress veranschaulicht. Trotz einer bestehenden Altersregel, nach der Parteikader mit 68 Jahren in den Ruhestand gehen, sicherte Xi für zwei seiner treuen Weggefährten – Chefideologe Wang Huning und Außenminister Wang Yi – Plätze im Politbüro. Offiziell bekannt ist zugleich, dass Premierminister Li Keqiang im Jahr 2023 aus dem Amt scheiden wird, einer der wenigen verbliebenen Spitzenpolitiker, die für »Reform und Öffnung« (so das einstige Schlagwort Pekings) stehen. Zum Nachfolger wurde Li Qiang gewählt, der sich mit seiner desaströsen Führung während des Pandemie-Lockdowns in Shanghai einen Namen gemacht hatte. Zudem konnte Xi seine Ideologie und seine langfristige Führungsrolle in der Verfassung verankern.
Nicht nur die Machtvertikale der Partei, sondern auch Xis persönliche Macht wurde so weit ausgebaut, dass es für ihn keine Beschränkungen durch Partei oder Militär mehr zu geben scheint. Es lässt sich also immer schwerer nachvollziehen, wie Xi und die KPCh-Führung ihre Entschlüsse fassen und wodurch diese beeinflusst werden. Wenn zudem im stets kleiner werdenden Kreis der Vertrauten um Xi niemand mehr offene Kritik zu äußern wagt, könnte dies zu verheerenden Fehlentscheidungen führen.
Der Einfluss der Eliten auf Xi
Innerhalb Chinas legt die politische Klasse – bestehend aus höheren Beamten, Akademikern usw. – nicht unbedingt die Parteilinie fest, sie hat diese aber immer mitgestaltet. Solche Einflussmöglichkeiten scheinen unter Xi kaum mehr vorhanden zu sein. Wie Forschung und Lehre erfolgen, wird von der Partei vorgegeben, und es besteht kaum noch Raum für offene Diskussionen unter chinesischen Intellektuellen. Andersdenkende Akademiker werden in den parteigeführten Medien oftmals verleumdet und riskieren ihren beruflichen Ruin. Immer mehr chinesische Gelehrte, darunter vor allem der linke Mainstream der Intellektuellen, wenden sich gegen westlich inspirierte Ideen und propagieren stattdessen Xis Weltanschauung. Dass in China autoritäre Vorstellungen und ein antiwestlicher Etatismus wiederaufleben,109 wurde auch durch Krisen der Demokratien befeuert. Sie seien im Niedergang, heißt es, während China prosperiere.
Gegenüber Xi Jinpings Amerika-Politik scheint es in hochrangigen Kreisen auch Vorbehalte zu geben.
Der außenpolitische Diskurs in der Volksrepublik wird zunehmend durch das Parteinarrativ geprägt, wonach die USA in jeglicher Hinsicht versuchen, den Aufstieg Chinas und die Macht der KPCh einzudämmen. Einige subtile Signale aus dem Land deuten gleichwohl darauf hin, dass Xis Amerika-Politik in hochrangigen Kreisen auf Vorbehalte stößt. In Meinungsbeiträgen prominenter chinesischer Intellektueller zeichnet sich seit 2020 zunehmend Kritik ab. So warnte etwa Yuan Peng, Leiter einer dem Ministerium für Staatssicherheit angegliederten Denkfabrik, dass China noch nicht mächtig genug sei, um eine bipolare Welt zu schaffen.110 Um die von Xi gesetzten Ziele für das Jahr 2049 zu erreichen, müsse China sein »Denken befreien und die Wahrheit durch Fakten suchen«. Laut Yuan geht es bei dem chinesischen Mantra »der Westen steigt ab und der Osten steigt auf« (dong sheng xi jiang) nicht um »Chinas Aufstieg und Amerikas Niedergang«. Vielmehr handle es sich dabei nur um eine Art Momentum und einen Trend, da die nichtwestliche Welt, repräsentiert durch China, tatsächlich Aufstieg und Entwicklung erlebe, die westliche Welt hingegen, repräsentiert durch die USA, eine sehr ernste institutionelle Krise.111
Solche Beiträge könnten als Hinweis verstanden werden, dass einige politische Entscheidungsträger in China die Signale für zu negativ halten, die Peking mit bestimmten Narrativen an die USA sendet, und daher um differenziertere Töne bemüht sind. Ähnlich beschwichtigend äußerte sich 2020 schon Dai Xu, ein General der Volksbefreiungsarmee, der als einer der prominentesten Hardliner in Militärkreisen gilt. Er warb dafür, dass China eine Bilanz seiner relativen Schwächen im Vergleich zu den USA ziehen und sich entsprechend verhalten solle.112
Interessant ist das Verhältnis zwischen Partei(linie) und der ersichtlichen Meinung der politischen Klasse zum gegenwärtigen Ukraine-Krieg. Die offizielle Rhetorik Pekings hat sich im Laufe des Krieges zunehmend verschärft. So hieß es, USA und Nato hätten die russische Invasion nicht nur zu verantworten, sondern gössen bewusst weiteres Öl ins Feuer.113 Zugleich gibt es Meinungsstücke chinesischer Intellektueller, die darauf hindeuten, dass Russlands Krieg nicht unter allen führenden Denkern des Landes befürwortet wird.114 Eine Stimme resümierte, Pekings Politik gegenüber Moskau werde eben nicht von Russland-Experten gemacht.115
Die chinesische Öffentlichkeit
Unter Xi Jinping bedient sich die KP-Führung hochentwickelter Technologien, um die Meinungsbildung in der chinesischen Öffentlichkeit weitestmöglich zu kontrollieren und von der Außenwelt abzuschotten. Entsprechend ist die Quellenlage zur öffentlichen Meinung in China während der vergangenen Jahre schwieriger geworden, zumindest wenn sich diese jenseits der Parteilinie bewegt. Denn wie es in einer SWP-Studie von 2020 heißt, gilt zu berücksichtigen, dass »offizielle Statements und die Darstellung in offiziellen Medien stark gelenkt sind, akademische Publikationen wiederum entweder einer Selbstzensur unterliegen oder der anderen Seite bestimmte politische Botschaften vermitteln sollen«.116 Diskussionen in sozialen Medien des Landes können gelegentlich (sofern sie nicht gleich von Zensoren gelöscht werden) Einblicke in das Stimmungsbild der chinesischen Gesellschaft eröffnen; leichter erfahrbar ist gleichzeitig die Meinung jener Chinesen, die im Ausland arbeiten oder studieren.
Weil die chinesische Gesellschaft immer weniger Zugang zu internationalen Informationsquellen hat, verlaufen Diskussionen zu außenpolitischen Themen zunehmend entlang des von der KPCh vorgegebenen Narrativs. Unterbunden wird insbesondere die öffentliche Verbreitung von Kritik am chinesischen Staat aus dem Ausland. Dabei bleibt es nicht ohne Folgen, dass die Zivilgesellschaft nach außen hin mehr und mehr isoliert wird. Umfragen zeigen etwa, dass die chinesische Bevölkerung das internationale Image ihres Landes viel positiver bewertet, als es tatsächlich ist.117 Es fragt sich, ob diese Fehlwahrnehmung von der Pekinger Führung geteilt wird – schließlich ist Selbsttäuschung in geschlossenen Regimen nicht ungewöhnlich. Jedenfalls dürfte die KPCh in der Öffentlichkeit somit weniger angreifbar sein, was die Risiken außen- und sicherheitspolitischer Manöver angeht. Wie verfügbare Umfragen zeigen, begrüßt die Mehrheit der Bevölkerung ein selbstbewussteres Auftreten Chinas (als neuer Weltmacht) gegenüber den USA (als alter Weltmacht).118 So läuft die Führung Gefahr, durch zunehmende Abschottung, »Umerziehung«, Indoktrination und Mobilisierung der eigenen Gesellschaft den anwachsenden Nationalismus im Land nicht mehr einfangen zu können. Auch im Verhältnis zwischen Partei und öffentlicher Meinung gibt es keine »Checks and Balances« mehr.
Strategien und Instrumente der chinesischen Außenpolitik
Die Volksrepublik fordert nicht nur ein Mitspracherecht in der bestehenden Weltordnung, sondern auch deren Umgestaltung, womit es möglich werden soll, die eigenen nationalen Werte und Interessen zu legitimieren und durchzusetzen. Heute geht es Peking nach Godehardt in erster Linie darum, »eine größere Kompatibilität zwischen der sich verändernden Weltordnung und dem chinesischen Einparteienstaat herzustellen«.119 China setzt (wirtschafts-)politische Instrumente strategisch ein, um seinen Einfluss auszubauen – was nach eigenem Verständnis auf Kosten der amerikanischen Vormachstellung geschieht.
Außenpolitische Instrumente
Die in jüngerer Zeit hervorstechendsten Außenpolitik-Instrumente der KPCh haben China bereits mehr Gewicht in der bestehenden Weltordnung verschafft. Dazu gehört eine strategische Personalpolitik, mit der internationale Organisationen instrumentalisiert werden.120 Durch seine Präsenz etwa in den Vereinten Nationen (VN) oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist China imstande, Einfluss in traditionellen Politikbereichen auszuüben und normative Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu verschieben.121 So wird etwa die Arbeit des VN-Menschenrechtsrates oder – wie jetzt in der Pandemie – der WHO durch Peking stark eingeschränkt. Ihren Einfluss nutzt die Volksrepublik auch, um das ordnungspolitische Narrativ strategisch mitzugestalten und zu dominieren.122
Unter Xi Jinping demonstriert China Führungswillen. Man will eine »chinesische Lösung für globale Probleme« anbieten, so ein Ausdruck Xis von 2016. Dafür stehen beispielsweise das »China-Modell« oder die Belt and Road Initiative (BRI). Peking stellt die eigene Außenpolitik aber auch als Vorbild für andere Länder dar – und als Alternative zu der von Washington geführten internationalen Ordnung. Zumindest in Asien übernimmt China bereits die Rolle einer Ordnungsmacht, etwa innerhalb der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) oder mit Gründung der Asiatischen Infrastrukturinvestmentbank (AIIB). Jüngst hat Peking zwei weitere alternative Modelle angeboten: eine »globale Entwicklungsinitiative« (2021), die im Kern den Aufbau einer »globalen Entwicklungs-Schicksalsgemeinschaft« vorsieht, sowie eine »globale Sicherheitsinitiative«, die Xi im April 2022 ankündigte.
Schließlich sucht China internationale Unterstützung bzw. Gefolgschaft und schmiedet dafür formlose Bündnisse und »strategische Partnerschaften«. Von Letzteren gibt es schon mehr als 50, darunter eine, die mittlerweile tatsächlich auf strategischer Interessennähe, zum Teil auch Interessenidentität basiert: nämlich die – wie Peking es bereits 2011 nannte – »umfassende strategische Partnerschaft der Koordinierung« mit Russland.123 Dagegen sind trotz enger Zusammenarbeit weder Chinas »strategische Allwetter-Partnerschaft« mit Pakistan noch sein 1961 geschlossenes Bündnis mit Nordkorea (das einzige formelle der Volksrepublik) als Allianzen zu sehen, in denen tatsächlich gemeinsame Strategien entwickelt würden.
Wirtschaftspolitische Instrumente: Selektive Entkopplung
Seit Xis Machtübernahme verfolgt Peking eine Transformation der chinesischen Wirtschaftspolitik in Richtung volkswirtschaftlicher Autonomie. Wichtigstes Instrument, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Strategie des »dualen Kreislaufs« (dual circulation), die im Mai 2020 auf einer Sitzung des Ständigen Ausschusses des Politbüros vorgestellt wurde.124 Ziel dabei ist, Chinas massiven Binnenmarkt zu stützen, die Inlandsnachfrage zu stärken und im Inneren robuste Liefer-, Vertriebs- und Verbrauchsketten aufzubauen, damit das Land weniger anfällig für wirtschaftlichen Druck von außen ist. Inländische Kapazitäten sollen verbessert werden, vor allem durch Innovation, Technologie und Wissenschaft, um die Volksrepublik von ausländischen Hightech-Produkten unabhängig zu machen. Andererseits setzt China weiterhin auf die »externe Zirkulation« – auf Offenheit und eine Stärkung der eigenen Wirtschaft durch Außenhandel und Investitionen.
Bei einem militärischen Konflikt um Taiwan will China weniger empfindlich für Sanktionen sein als Russland im Ukraine-Krieg.
Angesichts der globalen ökonomischen Verflechtungen gibt man sich in Peking bislang nicht der Illusion hin, dass China sich auf kurz- oder mittelfristige Sicht total »entkoppeln« könnte. Selbst bei einer fortschreitenden »internen Zirkulation« erscheint dies unrealistisch. Die hohe wirtschaftliche Interdependenz zwischen der Volksrepublik und den USA dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, dass die chinesische Führung vorerst kein Interesse daran hat, den Konflikt mit Washington eskalieren zu lassen, und ihn trotz aller Provokationen unter Kontrolle zu halten sucht. Langfristig aber könnte die Volksrepublik sich teilweise vom internationalen Finanz- und Wirtschaftssystem lösen – zumindest so weit, dass sie ihre parteipolitischen und geostrategischen Bestrebungen ohne große wirtschaftliche Risiken und Kosten verfolgen kann. Beispielsweise gibt es Versuche Chinas, sich unabhängig vom internationalen Finanzsystem SWIFT zu machen – ein Ziel, von dem das Land allerdings noch weit entfernt ist. Solche Bemühungen deuten darauf hin, dass Peking sich für einen »Taiwan-Fall« ausreichend absichern möchte. Bei einer militärischen Auseinandersetzung um die Insel will man von westlichen Sanktionen nicht so empfindlich getroffen werden wie derzeit Russland in dessen Krieg gegen die Ukraine.
Innenpolitische Bedingungen der Außenpolitik
Je stärker Pekings innen- und außenpolitische Entscheidungen an den Machterhalt der KPCh und Xi Jinpings gekoppelt werden, desto mehr muss die Partei daran festhalten, dass der von ihr eingeschlagene Kurs stets richtig ist. Dabei scheint die Parteispitze darauf zu spekulieren, dass Chinas Fähigkeiten weiter wachsen und nicht von wirtschaftlichen oder politischen Krisen beeinträchtigt werden. Ebenso dürfte man darauf setzen, dass ein auf China ausgerichtetes globales System repräsentativer wäre als ein an den USA orientiertes. Dieser optimistische Blick wurde jedoch insbesondere 2022 getrübt. Das sinkende Wirtschaftswachstum des Landes, der Ukraine-Krieg und schließlich Chinas Pandemieentwicklung, die Ende November landesweit zu ungewöhnlich heftigen Protesten gegen die Null-Covid-Politik der Regierung führte, haben die KPCh vor neue Herausforderungen gestellt.
Wachstum als Legitimationsquelle der Herrschaft
Mit seiner Wirtschaftspolitik signalisiert Xi, dass für ihn nicht »Reform und Öffnung« im Zentrum stehen, sondern die kommunistische Parteiherrschaft. So führte Peking neue Beschränkungen im Immobiliensektor ein, ging hart gegen hochverschuldete Staatsfirmen vor (wie den Immobilienentwickler Evergrande) und verhängte wegen »wettbewerbswidriger Verhaltensweisen« rigorose Strafen gegen inländische Tech-Giganten (darunter den E-Commerce-Betreiber Alibaba). Solche Maßnahmen illustrieren, dass die KP-Spitze immer stärker bereit ist, wirtschaftliche Einbußen und Risiken in Kauf zu nehmen, um ihre Kontrolle in allen Bereichen zu zementieren. Allerdings sorgten Ende 2021 die parteipolitischen Eingriffe in den Immobilien- und Technologiesektor dafür, dass die chinesischen Aktienmärkte einbrachen.
Auf der Wirtschaft der Volksrepublik lastet zugleich der Verlauf der Corona-Pandemie seit Anfang 2022, von dem die Führung wohl überrascht wurde. In Reaktion auf die Virusausbrüche setzten lokale Behörden die von der KP-Spitze vorgegebene Null-Covid-Politik durch. Die teils drastischen Maßnahmen sorgten dafür, dass Konsum und Produktion beeinträchtigt sowie globale Lieferketten unterbrochen wurden. Große Unsicherheit für Chinas Wirtschaftswachstum brachte zudem die russische Invasion in der Ukraine. Die westlichen Sanktionen wirkten sich spürbar auf das internationale Wirtschafts- und Finanzsystem aus, unter anderem durch steigende Rohstoffpreise. Dingding Chen, Gründer eines chinesischen Thinktanks, sprach Ende März 2022 in einem Interview von einer Krise der chinesischen Unternehmen.125
Zunehmend zurückgedrängt wird der Einfluss von Reformern und (teils durchaus korrupten) Interessengruppen, die auf eine weitere Öffnung des Landes pochen. Xis Wirtschaftspolitik ist ihrer Logik nach auch als Gegenentwurf zum Konzept »Wandel durch Handel« zu sehen. Es geht demnach um den Rückzug aus einer potentiell kontaminierenden Interdependenz und Koevolution zugunsten einer stärkeren Selbstbezogenheit. Die Covid-19-Pandemie hat die Selbstisolation des Landes nur noch befördert. Wirtschaftliche Prosperität bleibt eine Legitimationsquelle der Herrschaft, doch Chinas Führung scheint die Partei heute für stark genug zu halten, um Wachstum und soziale Gerechtigkeit als legitimierende Faktoren zugunsten von Nationalismus und einer offensiven Außenpolitik zurückzustellen.
Außenpolitik als Legitimationsquelle der Herrschaft
Auch vor dem Hintergrund dieser gewandelten Herrschaftslegitimation wird außenpolitisches Prestige für Peking immer wichtiger. Die bestehenden Streitfragen zwischen China und den USA (als einziger Macht auf Augenhöhe) werden daher weiter an Bedeutung gewinnen, darunter der Fall Taiwan. Wie volatil der Streit um die Insel ist, zeigte die bis dahin beispiellose Demonstration militärischer Macht, mit der Peking im August 2022 auf den Besuch von US-Spitzenpolitikerin Nancy Pelosi in Taipei reagierte. China ließ die Krise zwar nicht eskalieren, doch ist das Szenario näher gerückt, dass Xi seine Herrschaft durch eine erzwungene Wiedervereinigung Taiwans mit dem Festland legitimieren muss. In China waren Berichten zufolge Teile der politischen Klasse wie auch der Öffentlichkeit enttäuscht über die begrenzten Maßnahmen gegen Taiwan; hier deutet sich an, dass Xi innenpolitisch durchaus Unterstützung für einen Eskalationskurs in der Frage hätte.
Die Freundschaft zu Russland mag derweil Chinas Ansehen in der Welt und Xis eigener Reputation schaden. Sollte der strategische Partner Moskau nicht als Sieger aus dem Ukraine-Krieg hervorgehen oder unberechenbar agieren, könnten sich daraus für Chinas eigenen Aufstieg zudem sicherheits- und wirtschaftspolitische Risiken ergeben.
Der gegenwärtige Trend der chinesischen Außenpolitik birgt ein besonderes Risiko im Großmächtekonflikt mit den USA. Da Peking die Verschlechterung der sino-amerikanischen Beziehungen einzig als Resultat amerikanischer Eindämmungspolitik interpretiert, bleibt immer weniger Spielraum, um das Verhältnis kooperativ zu gestalten. Dass sich die Volksrepublik mit Blick auf den Ukraine-Krieg dem Standpunkt Washingtons annähern wird, dürfte unwahrscheinlich sein. Abgesehen von ihren mehr oder weniger starken Banden zu Russland würde eine Verurteilung des Krieges aus Pekinger Sicht die Beziehungen mit Amerika nicht nennenswert verbessern, das seinen Eindämmungskurs gegenüber China ohnehin nicht aufgeben würde.126
Die Wahrnehmung Europas in China
Nach chinesischer Lesart versuchen die USA, im Kontext der Großmachtrivalität die EU zu dominieren und sie wie auch andere Verbündete in einem Block gegen China zu positionieren. Entsprechend argwöhnisch blickt Peking auf die neuen strategischen Ansätze in der Außen- und Sicherheitspolitik von EU und Deutschland, etwa was den Indo-Pazifik betrifft. Man nimmt aber auch sehr genau wahr, dass in europäischen Hauptstädten wie Berlin immerzu betont wird, das zunehmende Engagement in der Region sei nicht gegen China gerichtet. Aus chinesischer Sicht gelingt den USA die Blockbildung daher nur teilweise. Ein Redakteur der chinesischen Global Times deutete den Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Peking am 4. November 2022 etwa als »eine klare Ablehnung des Versuchs der USA, einen Keil zwischen China, Deutschland und Europa zu treiben«.127 Was Scholz vor Ort zu Themen wie Entkopplung oder Blockbildung gesagt habe, sei »die bisher stärkste Zurückweisung« der amerikanischen China-Politik durch eine westliche Führungsperson gewesen.128 Solche Interpretationen zeigen, dass man auf chinesischer Seite politische Entscheidungen in Europa vor allem daraufhin befragt, ob sich die Europäer weg von den USA und hin zu China bewegen.
Trotz ihres schwindenden Einflusses auf chinesische Entscheidungsträger haben Deutschland und Europa noch begrenzt Möglichkeiten, auf Peking einzuwirken. Der 20. Parteikongress hat verdeutlicht, dass die chinesische Spitze ihren Fokus auf wirtschaftliche Selbständigkeit und technologischen Wettbewerb richtet. Dafür muss China insbesondere Bereiche wie Wissenschaft und Technologie fördern, und dies wird nur im internationalen Austausch gelingen. Angesichts der gegenwärtigen Beschränkungen in den USA ist die Zusammenarbeit mit Europa für China notwendiger geworden. Noch gibt dies Deutschland und Europa Einfluss- und Druckmittel, um das Land wirtschaftlich wie politisch wo möglich (wieder) zu öffnen und die wechselseitige Interdependenz zu erhalten. Deutschland und Europa müssen sich aber auch stärker darauf einstellen, dass China auf der Weltbühne nicht die Rolle eines verantwortungsbewussten Akteurs im europäischen Sinne spielen wird.
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen
Die Zukunft des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses ist aus drei Gründen von überragender Bedeutung für die Entwicklung der internationalen Ordnung und damit auch für die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik. Erstens bestehen in diesem Verhältnis Eskalationsrisiken bis hin zu einem Weltkrieg, die es einzuhegen gilt. Zweitens bestimmen diese beiden Weltmächte wesentlich darüber, wie die internationale Zusammenarbeit in regionalen und funktionalen Krisen- wie Ordnungskontexten ausgestaltet wird. Wo es Washington und Peking gelingt, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, verbessern sich die Chancen für eine breite internationale Übereinkunft. Umgekehrt können bilaterale Spannungen die internationale Zusammenarbeit behindern oder sogar blockieren, wenn eines der beiden Länder seine Vetomacht nutzt, wie es etwa in der nuklearen Rüstungskontrolle geschieht.129 Drittens schließlich wird die deutsche und europäische Außenpolitik immer wieder unter Druck geraten, sich zu positionieren und eine der beiden Seiten zu unterstützen; zugleich stehen Deutschland und Europa vor der Herausforderung, auf das amerikanisch-chinesische Verhältnis gegebenenfalls deeskalierend bzw. im Sinne verstärkter internationaler Kooperation einzuwirken.
Unsere Analyse der amerikanisch-chinesischen Beziehungen legt nahe, dass die Möglichkeiten Deutschlands und der EU, direkten Einfluss auf die Politik Washingtons oder Pekings auszuüben, beschränkt sind. Dies gilt besonders für die außenpolitischen Entscheidungsprozesse in China. Aber auch das offenere und pluralistische System der USA ist durch externe Akteure nur mit hohem Aufwand zu beeinflussen, und nicht ohne gemeinsames Handeln mit anderen Ländern sowie inneramerikanischen Bündnispartnern. Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Einwirken auf beide Weltmächte ist, dass Europa die Verhandlungsmacht und Gestaltungsfähigkeit ausbaut, derer es bedarf, um klare strategische Zielsetzungen zu verfolgen. Der diplomatische Dialog sollte dort, wo eine gefährliche Eskalation zwischen Amerika und China droht, Umdenken anstoßen und Verhandlungskompromisse ermöglichen. Zum anderen geht es darum, die eigenen Positionen klar, eindeutig und einheitlich zu kommunizieren, damit sich Fehleinschätzungen vorbeugen lässt. Indirekte Einflusschancen ergeben sich durch multilaterale Koalitionen mit gleichgesinnten Staaten sowie im Falle der USA durch eine Zusammenarbeit mit Partnern im Land selbst. Daneben erfordern die genannten Risiken von der deutschen und europäischen Politik aber auch verstärkte Anstrengungen und eine engere Kooperation mit Dritten, um die Defizite Amerikas und Chinas im Umgang mit globalen Herausforderungen und bei der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu mildern.
Deutschland und die EU sind auf vielerlei Weise in den amerikanisch-chinesischen Konflikt verwoben. Daher müssen sie immer wieder klären, wie sie mit der einen oder der anderen Seite – oder auch mit beiden – zusammenarbeiten bzw. sich gegen Druck behaupten können. Dem gemeinsamen Wertekonsens der liberalen Demokratien kommt als Grundlage internationaler Zusammenarbeit hohe Bedeutung zu. Solange Amerika als liberale Demokratie agiert, bilden die transatlantischen Bindungen (wie auch jene mit anderen liberalen Demokratien) eine wichtige Rahmenbedingung der Zusammenarbeit; sie begründen dabei eine eigene Qualität der Kooperation, die mit der Volksrepublik China nicht vorstellbar ist. Aber auch innerhalb dieser pluralistischen Sicherheitsgemeinschaft der liberalen Demokratien spielen Machtrelationen und einseitige Abhängigkeiten eine Rolle; grundlegende innenpolitische Veränderungen in den USA, die sich nicht ausschließen lassen, könnten den besonderen Kitt der Wertegemeinschaft in Mitleidenschaft ziehen. Zugleich ist Europa im Kontext der internationalen Ordnungspolitik als einziger größerer Akteur konsequent multilateralistisch ausgerichtet.
Systemische Rivalität, Wettbewerb und Partnerschaft
Ein wichtiges Ergebnis unserer Untersuchung ist, dass der Konflikt zwischen Amerika und China zwei analytisch klar unterscheidbare Dimensionen aufweist. Er ist auf der einen Seite ein Großmachtkonflikt, in dem zwei Staaten um internationale Vorherrschaft ringen. Andererseits geht es hier um die Konkurrenz zweier unterschiedlicher ordnungspolitischer Entwürfe zur Gestaltung der Gesellschaft – sie beziehen sich auf das je eigene Gemeinwesen, haben aber auch weitreichende Folgen für die zwischenstaatlichen Beziehungen und die internationale Ordnung. Der erste Entwurf orientiert sich an der Idee von Freiheit und Würde des Einzelnen, der andere konstruiert die Nation als Schicksalsgemeinschaft, die durch den politischen Führer repräsentiert wird und sich dessen Vorstellungen zu unterwerfen hat. Im einen Fall ergeben sich im Inneren Grundrechte, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus, auf internationaler Ebene wiederum ein liberaldemokratisch und völkerrechtlich fundierter Multilateralismus. Der Gegenentwurf sind autoritäre bzw. totalitäre, durch Indoktrination, Disziplinierung, Kontrolle und gewaltsame Unterwerfung gekennzeichnete Herrschaftsordnungen im Inneren, in den zwischenstaatlichen Beziehungen wiederum exklusive Einflusszonen, begrenzte Kooperations- und Integrationsbereitschaft (»Souveränität«) und die Vorherrschaft der Macht vor dem Recht.
Die zweite Dimension des amerikanisch-chinesischen Antagonismus ist grundlegend für das deutsche und europäische Handeln in diesem Konflikt. Denn mit Blick auf die Großmachtrivalität kann es nur darum gehen, europäische Eigenständigkeit und Souveränität so gut wie möglich zu behaupten. Selbst im günstigsten Falle wäre das Ergebnis keine weitere Großmacht wie Amerika, China oder Russland, sondern höchstens eine Großmacht anderer Art, ein weiterer Pol der Weltpolitik, dessen Machtgrundlagen und Handlungsoptionen sich von jenen anderer Mächte unterscheiden. Als multilateralistische Großmacht bekennt sich die EU zu einer internationalen Ordnung, die nach liberaldemokratischen Prinzipien und Regeln funktioniert, zu Interdependenz und zu offenen Märkten, zu Partnerschaft, Kooperation und friedlichem Wettbewerb.
In der Praxis der Beziehungen zwischen China und dem Westen sind Partnerschaft, friedlicher Wettbewerb und systemische Rivalität – die drei Aspekte, welche die EU ihrer China-Strategie zugrunde gelegt hat – eng miteinander verwoben. Selbst bei einer so offensichtlich globalen, überragend bedeutsamen Herausforderung wie der SARS-CoV-2-Pandemie agierten die Großmächte eher gegeneinander denn als Partner bei der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter. Neben die Partnerschaft trat der Wettbewerb um Märkte und die Rivalität der jeweiligen politischen Ordnungen.
In der Zusammenarbeit mit China, aber auch mit Amerika können es sich Deutschland und Europa nicht länger leisten, die Gegebenheiten systemischer Rivalität und die machtpolitischen Implikationen von Partnerschaft und Wettbewerb zu vernachlässigen. Der Krieg in der Ukraine sollte das Bewusstsein dafür geschärft haben, dass Interdependenz auch Verwundbarkeit impliziert, die politisch begrenzt werden muss. Deutschland und die Europäische Union sollten politische Strukturen und Instrumente schaffen, die es ermöglichen, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Kooperation auf etwaige Vulnerabilitäten, aber auch auf Einflusspotentiale hin zu überprüfen. Dabei sollten sie auch die Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten wie Großbritannien, Japan, Kanada oder Australien suchen.
Transatlantische Geschlossenheit und globale Solidarität der Demokratien
Der Ukraine-Krieg hat gezeigt, welche Bedeutung die Einheit des transatlantischen Bündnisses gegenüber Russland hat. Ebenso gilt es für EU und USA, sich in der Auseinandersetzung mit China nicht entzweien zu lassen. Der Großmachtwettbewerb zwischen China und den Vereinigten Staaten ist verwoben mit dem Systemkonflikt der Volksrepublik gegenüber einer transatlantischen Gemeinschaft, in der demokratische Werte geteilt werden und gemeinsame Interessen bestehen. Wenn Peking die russische Invasion in der Ukraine billigt, so führt dies vor Augen, dass die systemische Rivalität zwischen China und den USA eines Tages zu einem ähnlichen Szenario im indopazifischen Raum führen könnte. Die chinesische Führung hat die geschlossene und entschiedene Reaktion des Westens auf Moskaus Angriffskrieg sorgfältig verfolgt und wird daraus Lehren für die eigene Strategie in Ostasien ziehen. Das Verhalten Chinas im Ukraine-Krieg lässt erkennen, zwischen wem die geopolitischen Auseinandersetzungen der Zukunft ausgetragen werden. Auf der einen Seite steht dabei ein Pakt autoritär bzw. totalitär regierter Großmächte in Eurasien, der China und Russland sowie deren Partner umfasst, auf der anderen Seite stehen die USA und ihre Verbündeten, die an den beiden Flanken des eurasischen Kontinents angesiedelt sind (vgl. Karte, S. 14f). Damit ist nicht mehr die transatlantische Gemeinschaft, sondern das Netzwerk der USA und ihrer Alliierten in Europa und Asien der zentrale Rahmen für eine institutionalisierte Zusammenarbeit gegen Russland wie gegen China. Dies wurde auf den letzten beiden G7-Gipfeln ebenso deutlich wie beim Madrider Nato-Gipfel im Juni 2022, an dem als Gäste auch die Staats- und Regierungschefs von Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland teilnahmen.
Amerika und Europa
Im Kontext der amerikanisch-chinesischen Beziehungen bestehen im transatlantischen Verhältnis drei zentrale Probleme:
1) Die amerikanische China-Politik wird zunehmend von der Rivalität der beiden Großmächte dominiert. Dieser Befund gilt unabhängig von den parteipolitischen Mehrheitsverhältnissen in den USA, also wohl auch für den Fall republikanischer Wahlsiege bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2024. Ändern dürfte sich daran nur etwas, wenn es im Land zu solch schwerwiegenden innenpolitischen und gesellschaftlichen Brüchen kommt, dass die USA ihre bisherige internationale Führungsrolle nicht mehr wahrnehmen.
Die gegenwärtige US-Administration unter Präsident Biden ist bemüht, eine exzessive Frontstellung gegenüber China zu vermeiden und die Risiken der Konfrontation einzudämmen. Zudem sucht sie dezidiert den Schulterschluss mit den Verbündeten und favorisiert eine Politik, die sich auf multilaterale Formate und internationale Organisationen stützt. Die »Zeitenwende« in den internationalen Beziehungen begünstigt die Geschlossenheit des Westens. Angesichts der neuen Qualität der externen Bedrohung, die durch Russlands Krieg in der Ukraine entstand, konnten alte Gegensätze überwunden werden (wie der Streit um das 2-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben der Nato-Mitglieder) oder rückten in den Hintergrund (wie die Meinungsverschiedenheiten beim Datenschutz). Die Kaltblütigkeit von Moskaus Aggression und die Erkenntnis der eigenen Verwundbarkeit durch Lieferausfälle, vor allem bei Energie, haben in Deutschland und Europa für einen Schock gesorgt. Dies schärfte zugleich den Blick für die Risiken der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China, die im Falle Deutschlands noch deutlich umfassender sind als gegenüber Russland.
Andererseits erschweren es die gegen Russland verhängten Sanktionen, die Handelsbeziehungen mit China anzupassen. Wenn der russische Exportmarkt wegfällt, wird der chinesische wichtiger. Zudem steht zu befürchten, dass die Versicherheitlichung immer weiterer Politikfelder das Verhältnis Amerikas zu seinen Partnern in Europa und Asien belasten wird. Die USA werden Solidarität von den Verbündeten einfordern und dabei auch unbequeme Ansinnen an Deutschland richten. Als Antwort darauf gilt es, möglichst breite Koalitionen gleichgesinnter Staaten zu schmieden und zudem in den USA selbst Verbündete für einen weniger konfrontativen Kurs zu finden. Gegenüber China wird es darauf ankommen, klare strategische Zielsetzungen zu artikulieren und konsequent zu verfolgen. Die grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation sollte nicht den Blick auf die Gefahren verstellen, die es in den Beziehungen zur Volksrepublik gibt.
2) Das Konzept der »friedlichen Koexistenz« als Wettbewerb verschiedener Systeme unterhalb der Schwelle des Krieges könnte Anknüpfungspunkte dafür bieten, die außenpolitischen Strategien Amerikas und Chinas so zu gestalten, dass die Risiken einer Konfrontation minimiert werden. Doch die vielfältigen Herausforderungen auf globaler und regionaler Ebene machen es notwendig, die Strategie von Koexistenz zu Koevolution weiterzuentwickeln. Ziel muss sein, dass die beiden Mächte sich aufeinander und auf den wachsenden Handlungsbedarf im Umgang mit globalen Problemen einstellen. Gegenwärtig ist weder in den USA noch in China erkennbar, wie es machbar sein könnte, die beiden Außenpolitiken in gegenseitiger Abstimmung derart fundamental umzuorientieren. Dass kein anderer Staat – oder zumindest kein undemokratischer Staat – die USA überholen darf, ist eine für China inakzeptable Bedingung.
3) Die Zukunft der amerikanischen Demokratie bleibt ungewiss. In dieser Situation sollte alles von außen Mögliche getan werden, um in den USA jene Kräfte zu stärken, die für den Erhalt der Demokratie und der liberalen internationalen Ordnung stehen. Dazu sollten die Bemühungen verstärkt werden, die Arbeitsteilung zwischen den USA und ihren Verbündeten fortzuentwickeln; die europäische Seite ist hierbei gefragt, in der transatlantischen Lastenteilung mehr Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen.
Auch im partnerschaftlichen Umgang mit den USA spielen Machtverhältnisse eine gewichtige Rolle. Einfluss setzt Macht voraus, wie immer deren Grundlagen aussehen mögen. In diesem Sinne sollte Europa verstärkt die Kooperation mit gleichgesinnten Staaten in Asien und Ozeanien suchen, die sich – bei aller grundsätzlichen Positionierung im Lager der westlichen Demokratien – bei konkreten politischen Weichenstellungen ebenfalls nicht zwischen den USA und China entscheiden wollen und denen es zugleich darum geht, mäßigend auf die amerikanische Haltung gegenüber der Volksrepublik einzuwirken. Dazu schlagen wir vor, innerhalb der im Entstehen begriffenen »G10«, in der die G7-Staaten mit Australien, Neuseeland und Südkorea zusammenarbeiten sollen, ein gemeinsames 10+10-Format der Außen- und Verteidigungsminister einzurichten. Dort könnten diese Staaten erstens ihre China-Politik miteinander abstimmen, um kollektiv die eigene Verhandlungsposition gegenüber Druck aus Peking zu stärken; zweitens könnte gemeinsam geplant werden, wie sich die Arbeitsteilung zwischen Amerika und seinen demokratischen Verbündeten verbessern ließe; und drittens wären die USA mit einer G10 noch stärker in eine Staatengruppe eingebunden, die mildernd auf Washingtons China-Politik einwirken und die amerikanische Akzeptanz für Chinas wirtschaftlichen Aufstieg schrittweise erhöhen könnte. Zudem würde so die Verhandlungsposition Deutschlands und Europas gegenüber China wie Amerika gestärkt und ein Rückfallnetz für den Fall geschaffen, dass die USA nicht mehr als demokratischer Bündnispartner verfügbar wären.
China und Europa
Der chinesische Markt ist und bleibt für viele deutsche und europäische Unternehmen von großer Bedeutung. Eine generelle wirtschaftliche Entkopplung von der Volksrepublik liegt nicht im Interesse Deutschlands und Europas; zudem ist die Kooperation mit China unerlässlich, um vielfältige globale Herausforderungen wie Klimaschutz, Pandemie-Bekämpfung oder Abrüstung bewältigen zu können. Allerdings muss Deutschland, muss Europa lernen, im Austausch mit dem Land nicht nur partikuläre Wirtschaftsinteressen zu verfolgen, sondern auch die geopolitischen Implikationen der Beziehungen in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist, wie sich die Zusammenarbeit mit Peking längerfristig auf Europas Position in der Welt auswirkt.
Die chinesischen Interessen sind – auch gegenüber Europa – vorrangig geleitet von der Machtabsicherung des Regimes im Inneren und dem Machtausbau nach außen. Fundament der geostrategischen Interessen Deutschlands und Europas können nur die europäischen Werte, Normen und Ordnungsvorstellungen sein. Das erfordert, regelgebundenes und völkerrechtskonformes Handeln zu verteidigen. Dabei sollte immer auch deutlich werden, dass es nicht darum geht, sich dem weltpolitischen Aufstieg Chinas entgegenzustellen oder gar einem Systemwechsel im Land den Weg zu ebnen. Es geht allein um Pekings Regelverletzungen und dementsprechend darum, China auf ein Verhalten als »responsible stakeholder«, als verantwortungsbewusstes Mitglied der Staatengemeinschaft festzulegen.
Zu diesem Zweck sollten mit Peking neue Kooperationsmodelle ausgelotet werden, die eine effektivere Zusammenarbeit ermöglichen, etwa zu wirtschaftlichen Fragen, globalen Problemen und dem Engagement im Rahmen internationaler Organisationen. Dabei muss Deutschland internationale Regeln immer auch selbst beherzigen, also praktizieren, was es China predigt. Doppelstandards und damit den Verlust der eigenen Glaubwürdigkeit gilt es zu vermeiden. Zugleich haben sich Deutschland und Europa auf den Fall vorzubereiten, dass Peking rote Linien überschreitet – dann müssten die Kooperationen mit dem Land eingestellt werden, selbst wenn das mit hohen Kosten verbunden wäre. Grundlage der deutschen und europäischen Beziehungen mit China bildet seit je die Prämisse, dass eine Veränderung des Status quo zwischen Volksrepublik und Taiwan, das heißt deren Vereinigung, nur friedlich und mit Zustimmung einer demokratischen Mehrheit auf der Insel zustande kommen darf. Auch die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik steht in der Verantwortung, das Risiko einer Eskalation in dieser Frage zu mindern. Denn sollte Peking versuchen, Taiwan mit Gewalt zu unterwerfen, hätte dies weitreichende Konsequenzen für die Sicherheit in der Region und für die internationale Ordnung.
Sanktionen gegen das chinesische Regime können ein angemessenes Mittel sein, um Solidarität mit Verbündeten zu praktizieren, die wie Australien und Südkorea subversiven oder einschüchternden Maßnahmen Chinas ausgesetzt sind. Deutschland und Europa müssten in solchen Fällen mit Gegensanktionen durch Peking rechnen, die deutsche und europäische Marktpositionen in China schädigen könnten. Die Kosten und Risiken derartiger Maßnahmen sind jedoch abzuwägen gegen übergeordnete, elementare Ziele und Werte der deutschen und europäischen Politik.
Voraussetzung hierfür ist eine klar formulierte, gemeinsame Strategie gegenüber der Volksrepublik, wie sie die Bundesregierung gegenwärtig für Deutschland erarbeitet (der inzwischen bekannt gewordene Entwurf erscheint in diesem Sinne vielversprechend). Nur mit einer verbindlichen Strategie ist es möglich, das Verhältnis zu China umfassend zu bewerten und im Sinne der eigenen Zielsetzungen zu gestalten. Sinnvoll wären hier politische Lenkungsgremien sowohl auf nationaler wie auf europäischer Ebene, bei denen alle Fäden der bilateralen Beziehungen erfasst und koordiniert werden. Konkret schlagen wir dazu vor, die Ausgestaltung der deutschen bzw. der europäischen China-Politik jeweils einer Lenkungsgruppe zu übertragen, die einen langfristigen strategischen Kurs gewährleistet. Dieses Gremium, in dem alle Ressorts vertreten sein sollten, die für einzelne Aspekte der bilateralen Beziehungen zuständig sind, sollte (analog zum Bundessicherheitsrat) beim Kanzleramt bzw. auf europäischer Ebene in der EU-Kommission angesiedelt werden.
Deutschlands Verantwortung: Schlussfolgerungen für die Berliner Außenpolitik
Die von der Bundesregierung ausgerufene Zeitenwende muss in all ihren Implikationen entschlossen umgesetzt werden. Nur so ist es möglich, sich im Ringen der Großmächte zu behaupten und eine internationale Ordnung zu wahren, die freiheitlich-demokratischen Grundwerten entspricht. Im Einzelnen ziehen wir dazu aus unserer Analyse folgende Schlussfolgerungen:
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Deutschland muss seine außenpolitische Position realistisch bewerten. Der Glaube an Wandel durch Handel und Dialog, wie ihn die Berliner Außenpolitik lange Zeit gegenüber Russland kultivierte, hat in den osteuropäischen Partnerländern tiefes Misstrauen ausgelöst. Dort entstanden Sorgen, dass Deutschland womöglich bereit wäre, die Interessen der Ukraine und der östlichen Nato-Partner den eigenen guten (Geschäfts-)Beziehungen mit Russland zu opfern. Ähnliche Vorbehalte gibt es auch gegen Deutschlands Beziehungen zu China.
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Deutschland muss seine Partner (wie Amerika) und Gegenspieler (wie Russland und China) besser und unvoreingenommener kennen und verstehen lernen. Das ist eine Frage von Wissen und macht es nicht zuletzt erforderlich, die deutsche Amerika-, Russland- und China-Politik der letzten beiden Dekaden aufzuarbeiten. Entsprechende Themen sollten auch vom Bundestag aufgegriffen und bearbeitet werden.
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Deutschlands Stärke liegt in seiner Fähigkeit, gleichgesinnte Partner zu mobilisieren. Als Mittelmacht kann es sich um einen konzentrischen Multilateralismus bemühen, in dessen Mittelpunkt eine zur G10 erweiterte G7 als maßgebliches Koordinations- und Lenkungsformat stehen sollte. Die traditionellen Säulen von EU- und Nato-Institutionen blieben dabei erhalten. Taiwan wäre – unter Respektierung des Ein-China-Prinzips – eng an eine solche G10 anzubinden.
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In dem Maße, wie Deutschland dazu beiträgt, Sicherheit und Stabilität Europas im geopolitischen Umfeld (Osteuropa, südliches Mittelmeer, Afrika) zu stärken, trägt es auch zur US-garantierten Sicherheit im Indopazifik bei. Um die eigene Handlungsfähigkeit zu erhöhen, wurden im Sinne einer besseren Lastenteilung höhere Investitionen in die Bundeswehr und ein größerer deutscher Beitrag im westlichen Bündnis vereinbart. Es gilt nun, entsprechende Schritte rasch und effizient voranzutreiben. Gemäß ihren Möglichkeiten sollten Deutschland und die EU aber auch im Indopazifik wirksamer zur Sicherheit und zur Wahrung der regelbasierten internationalen Ordnung beitragen.
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Deutschlands ökonomische Stärke und seine Rolle als Handelsmacht geben ihm besonderen Einfluss im Rahmen der EU-Außenwirtschaftspolitik. Zugunsten des handelspolitischen Multilateralismus sollte Deutschland darauf hinwirken, dass die WTO gestärkt wird und die EU der Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership (CPTPP) beitreten kann, zu der sich elf asiatisch-pazifische Staaten zusammengeschlossen haben. Der transatlantische Trade and Technology Council, in dem Amerika und EU ihre Handels- und Technologiepolitik gegenüber China abstimmen, sollte im Sinne der G10 durch Einbeziehung der asiatisch-pazifischen Partner erweitert und institutionell verstetigt werden.
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Als multilateralistische Mittelmacht kann Deutschland das Umfeld Chinas gestalten, indem es durch internationale Partnerschaften dabei hilft, die liberale Ordnung zu stärken, zu verteidigen und zu reformieren. Geschehen kann dies etwa im Rahmen der Reform der VN-Entscheidungsmechanismen, bei der Besetzung von Führungspositionen in internationalen Organisationen oder bei der Verteidigung liberaler Prinzipien im VN‑Menschenrechtsrat. Deutschland und die EU müssen dazu Entwicklungs- und Schwellenländer wirksam unterstützen, indem sie ihnen beim Aufbau von Infrastruktur und beim Klimaschutz attraktive Angebote machen.
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Wie effektiv der liberaldemokratische Multilateralismus ist, wird wesentlich bestimmt durch Reichweite und Tiefe praktizierter Solidarität in der Auseinandersetzung mit seinen wichtigsten Antipoden China und Russland. Diese Art der Solidarität ist im Gegensatz zu ihrer bloß rhetorischen Variante mit Selbstbeschränkungen und Kosten verbunden – und damit auch mit politisch heiklen Fragen der Lastenteilung. Wir schlagen vor, im Rahmen der G10 einen Solidaritätsfonds aufzulegen, der als gemeinschaftliches Instrument gegen chinesische Wirtschaftssanktionen dienen soll. Zugleich regen wir an, bei der G10 regelmäßige Treffen der Außen- und der Verteidigungsminister abzuhalten. In diesem Format ließen sich allgemein die Strategien gegenüber Russland wie China abstimmen und koordinieren.
Abkürzungen
AI Artificial Intelligence
AIIB Asian Infrastructure Investment Bank
BIP Bruttoinlandsprodukt
BRI Belt and Road Initiative
CCTV China Central Television
CMSI China Maritime Studies Institute
CPTPP Comprehensive and Progressive Trans-Pacific Partnership
CSIS Center for Strategic and International Studies
CSS Center for Security Studies (ETH Zürich)
EU Europäische Union
FBI Federal Bureau of Investigation
FONOP Freedom of Navigation Operation
G7 Gruppe der Sieben
IISS International Institute for Strategic Studies
KPCh Kommunistische Partei Chinas
Nato North Atlantic Treaty Organization
NBA National Basketball Association
OECD Organisation for Economic Co-operation and Development
PIIE Peterson Institute for International Economics
PwC PricewaterhouseCoopers
SCO Shanghai Cooperation Organisation
SIPRI Stockholm International Peace Research Institute
SWIFT Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication
TPP Transpacific Partnership
VN Vereinte Nationen
WTO World Trade Organization
Literaturhinweise
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Kollektive Gegenmachtbildung – US‑Chinapolitik unter Präsident Biden
SWP-Aktuell 2/2022, Januar 2022
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SWP-Studie 1/2020, Februar 2020
Peter Rudolf
Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt
SWP-Studie 23/2019, Oktober 2019
Anhang: Mögliche Entwicklung der Rüstungsausgaben von USA und China
Wie rasant Chinas Rüstungsausgaben seit den 1990er Jahren gestiegen sind, zeigt sich, wenn man die tatsächliche Entwicklung mit Prognosen der RAND Corporation von 2005 vergleicht. Der US-Thinktank veröffentlichte damals eine Schätzung, wie stark das Land bis 2025 aufrüsten würde, blieb damit aber deutlich hinter dem realen Aufwuchs der chinesischen Militärmacht zurück.130 Das Wachstumspotential der Volksrepublik über diese beiden Dekaden hinweg wurde in der Studie dramatisch unterschätzt.
Wie könnten sich Chinas Verteidigungsausgaben in Relation zu den amerikanischen künftig entwickeln? Die folgenden Berechnungen gehen davon aus, dass die Spannungen im sino-amerikanischen Verhältnis erhalten bleiben. Die Projektionen beziehen nur zwei Parameter ein: Annahmen über die Entwicklung der Wirtschaftsleistung in den beiden Ländern (bemessen am Bruttoinlandsprodukt) sowie über den Anteil der Rüstungsaufwendungen am BIP in Prozent.
Entwicklung des BIP bis 2050
Für die USA halten wir bis 2050 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate zwischen null und 2,5 Prozent für denkbar. Der günstigste Wachstumspfad basiert auf der Annahme, dass tiefgreifende politische Reformen es der amerikanischen Gesellschaft ermöglichen werden, ihre Innovationskraft zu entfalten und von einer positiven demographischen Situation zu profitieren. Als mittlere Rate setzen wir ein jährliches Wachstum von 1,5 Prozent an – ein Wert, der sich an vorliegenden Langzeitprojektionen orientiert, etwa von PwC aus dem Jahr 2017 oder der OECD von 2021.131 Dieser Entwicklungspfad entspricht also gängigen Prognosen.
Unser drittes Szenario geht davon aus, dass es den USA nicht gelingen wird, ihre politischen Defizite zu beheben. In der zweiten Hälfte des Zeitraums bis 2050 würden die Schäden des weltweiten Klimawandels ebenso wie innenpolitische Dysfunktionalität die Wachstumsgewinne der ersten Hälfte aufzehren – mit dem Ergebnis eines Null-Wachstums. Im Fall der Volksrepublik gehen wir von einem langsamer wachsenden Bruttoinlandsprodukt aus. Dafür sprechen die rasche Alterung der chinesischen Gesellschaft und die tendenziell abnehmenden Potentiale nachholender Entwicklung, aber auch die Folgen des Klimawandels. Eine wichtige Rolle dürfte wiederum spielen, welchen Weg das Land politisch einschlägt. Käme es zu einer liberalen Neuorientierung, könnte dies zusätzliche Wachstumsimpulse generieren. Plausibel erscheinen daher eine obere Grenze von 5 Prozent durchschnittlichen Wachstums, ein mittlerer Entwicklungspfad von 3 Prozent und eine Untergrenze mit einer Rate von einem Prozent, wobei sich auch hier die Probleme eher in der zweiten Hälfte des Zeitraums bemerkbar machen würden.
Entwicklung der Militärausgaben als Anteil des BIP
Für die USA gilt die Annahme, dass der künftige Anteil der Rüstungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in etwa den vergangenen Werten seit der Jahrhundertwende entsprechen dürfte; wir veranschlagen in diesem Sinne einen Anteil von 4 Prozent (2021 lag er bei 3,5 Prozent). Eine Steigerung über 4 Prozent ist angesichts der amerikanischen Staatsverschuldung unwahrscheinlich. Plausibel erscheint dagegen, dass sich der Anteil rückläufig entwickeln könnte, bedenkt man die Probleme der US-Gesellschaft und des Staatshaushaltes. Unsere alternative Annahme unterstellt deshalb einen Durchschnittswert von 3 Prozent. Im Fall Chinas schätzt man den Rüstungsanteil am BIP für die letzte Dekade auf einen Wert zwischen 1,3 Prozent (IISS) und 1,7 Prozent (SIPRI). Unseren Berechnungen legen wir die zwei alternativen Annahmen von 2 Prozent bzw. 3 Prozent zugrunde. Bei diesen höheren Werten wird vorausgesetzt, dass die Spannungen mit Amerika weiter zunehmen und Chinas Wachstumsraten sinken, was die Fixierung der KPCh-Führung auf Sicherheitsfragen paradoxerweise eher vergrößern als verkleinern dürfte. Die Ergebnisse dieser Berechnungen finden sich in Graphik 5 (S. 47) zusammengefasst. Aus den Szenarien ergibt sich, dass Chinas Rüstungsausgaben bis 2050 – je nach Annahmen – möglicherweise erheblich größer sein werden als jene der Vereinigten Staaten.
Endnoten
- 1
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Vgl. aber etwa Kevin Rudd, The Avoidable War. The Dangers of a Catastrophic Conflict between the US and Xi Jinping’s China, New York 2022, S. 56ff; Kenneth Lieberthal/Wang Jisi, »Addressing U.S.-China Strategic Distrust«, Washington, D. C.: Brookings Institution, März 2012, <https://www. brookings.edu/wp-content/uploads/2016/06/0330_china_ lieberthal.pdf> (eingesehen am 2.11.2021). In diesen Studien wird der jeweiligen Wahrnehmung der anderen Seite große Bedeutung beigemessen.
- 2
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Vgl. etwa David Shambaugh, Beautiful Imperialist. China Perceives America, 1972–1990, Princeton: Princeton University Press, 1991; University of Southern California, USC US-China Institute, American Perceptions of China. How Have American Attitudes towards China Changed?, 3.3.2022, <https://china.usc. edu/american-perceptions-china> (eingesehen am 19.1.2023); Douglas G. Spelman (Hg.), The United States and China: Mutual Public Perceptions, Washington, D. C.: Woodrow Wilson International Center for Scholars, Kissinger Institute on China and the United States, 2011.
- 3
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- 4
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- 5
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- 6
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- 7
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Vgl. Felix Heiduk/Gudrun Wacker (Hg.), Vom Asien-Pazifik zum Indo-Pazifik. Bedeutung, Umsetzung und Herausforderung, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2020 (SWP-Studie 09/2020), doi: 10.18449/2020S09.
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- 22
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- 23
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Vgl. hierzu die Analysen des Policy Institute der Asia Society und der Rhodium Group: The China Dashboard, abrufbar unter <https://chinadashboard.gist.asiasociety.org/ winter-2021/page/overview> (eingesehen am 28.2.2022), sowie Chimits u.a., Is This Time Different? [wie Fn. 3].
- 24
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Dong Wang, »The Xi-Obama Moment. A Post-Summit Assessment«, Seattle, 21.10.2013, <https://www.nbr.org/ publication/the-xi-obama-moment-a-post-summit-assessment> (eingesehen am 2.11.2021).
- 25
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Lieberthal/Jisi, »Addressing U.S.-China Strategic Distrust« [wie Fn. 1].
- 26
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- 27
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- 28
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- 29
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Zur chinesischen Sichtweise auf den Konflikt im Südchinesischen Meer vgl. z.B. Fu Ying/Wu Shicun, »South China Sea: How We Got to This Stage«, in: The National Interest, 9.5.2016, <https://nationalinterest.org/feature/south-china-sea-how-we-got-stage-16118> (eingesehen am 19.1.2023).
- 30
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- 32
-
Michael R. Pompeo, »Communist China and the Free World’s Future. Address by Secretary of State Michael R. Pompeo at the Nixon Library«, Yorba Linda, 29.7.2020, <https://www.nixonfoundation.org/2020/07/event-recap-secretary-pompeo-nixon-library-2/> (eingesehen am 19.1.2023).
- 33
-
Vgl. die Grundsatzrede von Außenminister Antony Blinken am 26. Mai 2022 an der George Washington University: Antony J. Blinken, »The Administration’s Approach to the People’s Republic of China«, <https://www.state.gov/the-administrations-approach-to-the-peoples-republic-of-china/> (eingesehen am 19.1.2023).
- 34
-
Ashley J. Tellis (Hg.), Strategic Asia 2020, Seattle: National Bureau for Asian Research, 2020 (Strategic Asia); Keith Crane u.a., Modernizing China’s Military. Opportunities and Constraints, Santa Barbara: RAND Corporation, 2005, <https://www.rand. org/content/dam/rand/pubs/monographs/2005/RAND_MG260-1.pdf> (eingesehen am 15.7.2022).
- 35
-
»Kommuniqué der G7 Staats- und Regierungschefs«, G7‑Gipfeltreffen in Elmau, 28.6.2022 (Arbeitsübersetzung), <https://www.g7germany.de/resource/blob/974430/2059932/ 10a1cf2421ccdcdd442648a1e64d7ed8/kommuniqu%C3%A9-g7-arbeitsuebersetzung-data.pdf?download=1> (eingesehen am 19.1.2023); NATO 2022 Strategic Concept, Adopted by Heads of State and Government at the NATO Summit in Madrid, 29.6.2022, <https://www.nato.int/strategic-concept/index. html> (eingesehen am 19.1.2023).
- 36
-
Joseph R. Biden, »Why America Must Lead Again. Rescuing U.S. Foreign Policy after Trump«, in: Foreign Affairs, 99 (2020) 2, S. 64–76. Vgl. auch The White House, National Security Strategy, Oktober 2022, S. 7, <https://www.white house.gov/wp-content/uploads/2022/10/Biden-Harris-Administrations-National-Security-Strategy-10.2022.pdf> (eingesehen am 19.1.2023).
- 37
-
Vgl. Alexander Cooley/Daniel Nexon, Exit from Hegemony. The Unraveling of the American Global Order, New York: Oxford University Press, 2020, S. 18ff. Cooley und Nexon verweisen auf die Verbindung zwischen der Theorie Hegemonialer Stabilität im akademischen Kontext und politischen Konzeptionen amerikanischer Führung.
- 38
-
Hilde Eliassen Restad, American Exceptionalism. An Idea That Made a Nation and Remade the World, London 2015.
- 39
-
Christopher M. Tuttle, »Foreign Policy Bipartisanship’s Mixed Blessings«, Council on Foreign Relations (Blog), 31.5.2022, <https://www.cfr.org/blog/foreign-policy-bipartisanships-mixed-blessings> (eingesehen am 17.6.2022).
- 40
-
Phelim Kine, »›Tough on China‹ Gains Traction As Electoral Test«, Politico, 10.2.2022, <https://www.politico. com/newsletters/politico-china-watcher/2022/02/10/tough-on-china-gains-traction-as-electoral-test-00007570> (eingesehen am 14.2.2022).
- 41
-
Jacob Knutson, »McConnell, 25 Senate Republicans Say They Support Pelosi’s Taiwan Trip«, Axios (online), 2.8.2022, <https://www.axios.com/2022/08/02/pelosi-taiwan-trip-senate-republicans> (eingesehen am 19.9.2022).
- 42
-
Zum CHIPS and Science Act siehe unten S. 25.
- 43
-
Vgl. z.B. Rush Doshi, The Long Game. China’s Grand Strategy to Displace American Order, New York: Oxford University Press, 2021; Ely Ratner u.a., »Rising to the China Challenge. Renewing American Competitiveness in the Indo-Pacific«, 28.1.2020, <https://www.cnas.org/publications/reports/rising-to-the-china-challenge> (eingesehen am 19.9.2022); Melanie Hart/Kelly Magsamen, »Limit, Leverage, and Compete: A New Strategy on China«, 3.4.2019, <https://www.american progress.org/article/limit-leverage-compete-new-strategy-china/> (eingesehen am 19.9.2022).
- 44
-
The White House, National Security Strategy [wie Fn. 36], S. 8 (Übersetzung durch die Autoren).
- 45
-
Blinken, »The Administration’s Approach to the People’s Republic of China« [wie Fn. 33].
- 46
-
Vgl. Marco Overhaus/Peter Rudolf/Laura von Daniels, »Die Wahrnehmung Chinas in den USA«, in: Lippert/Perthes (Hg.), Strategische Rivalität zwischen USA und China [wie Fn. 31], S. 17–21.
- 47
-
Quincy Institute for Responsible Statecraft, »East Asia«, <https://quincyinst.org/category/east-asia/> (eingesehen am 19.1.2023) (Übersetzung durch die Autoren).
- 48
-
Beverly Gage, »The Koch Foundation Is Trying to Reshape Foreign Policy. With Liberal Allies«, in: The New York Times (online), 10.9.2019, <https://www.nytimes.com/interactive/ 2019/09/10/magazine/charles-koch-foundation-education. html> (eingesehen am 20.9.2022).
- 49
-
Mohamed Younis, »New High in Perceptions of China as U.S.’s Greatest Enemy«, Gallup, 16.3.2021, <https://news. gallup.com/poll/337457/new-high-perceptions-china-greatest-enemy.aspx> (eingesehen am 11.3.2022).
- 50
-
Craig Kafura u.a., Divisions on US-China Policy: Opinion Leaders and the Public, 1.2.2021, <https://www.thechicago council.org/research/public-opinion-survey/divisions-us-china-policy-opinion-leaders-and-public> (eingesehen am 16.6.2022).
- 51
-
Robert E. Scott/Zane Mokhiber, »Growing China Trade Deficit Cost 3.7 Million American Jobs between 2001 and 2018. Jobs Lost in Every U.S. State and Congressional District«, Washington, D. C.: Economic Policy Institute, 30.1.2020, <https://www.epi.org/publication/growing-china-trade-deficits-costs-us-jobs/> (eingesehen am 14.3.2022); Carl F. Bergsten, The United States vs. China. The Quest for Global Economic Leadership, Cambridge, UK/Medford, MA 2022, S. 194–198. Laut Ryan Hass ging das relative Wirtschaftswachstum Chinas vor allem auf Kosten der EU und Japans, nicht der USA. Ryan Hass, Stronger. Adapting America's China Strategy in an Age of Competitive Interdependence, New Haven/ London: Yale University Press, 2021, S. 37f.
- 52
-
Sascha Lohmann/Johannes Thimm, Verletzliche Staaten von Amerika. Die Covid-19-Pandemie als Hypothek für die Zukunft, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, November 2020 (SWP-Studie 24/2020), doi: 10.18449/2020S24.
- 53
-
Jin Kai, »How Trump Fueled Anti-Asian Violence in America«, in: The Diplomat (online), 8.6.2021, <https://the diplomat.com/2021/06/how-trump-fueled-anti-asian-violence-in-america/> (eingesehen am 19.1.2022); Eva Oer, »Antiasiatischer Hass in den USA: Nicht mehr Opfer sein«, in: taz (online), 24.3.2022, <https://taz.de/Antiasiatischer-Hass-in-den-USA/!5840396/> (eingesehen am 31.3.2022).
- 54
-
Blinken, »The Administration’s Approach to the People’s Republic of China« [wie Fn. 33].
- 55
-
Vgl. z.B. Maurice R. Greenberg, »We Want to Rebuild U.S. Relations with China«, in: The Wall Street Journal (online), 7.7.2022, <https://www.wsj.com/articles/we-want-to-rebuild-us-china-relations-trade-business-economic-growth-antony-blinken-foreign-policy-11657141306> (eingesehen am 8.7.2022).
- 56
-
Jack Nicas/Daisuke Wakabayashi, »Inside Apple’s Compromises in China: A Times Investigation«, in: The New York Times (online), 17.5.2021, <https://www.nytimes.com/2021/ 05/17/technology/apple-china-censorship-data.html> (eingesehen am 25.10.2022).
- 57
-
Janan Ganesh, »America’s Political and Business Elites No Longer Agree on China«, in: Financial Times (online), 19.10.2021, <https://www.ft.com/content/77bb9c77-2e4b-4169-bfd6-615eeb95be23> (eingesehen am 22.10.2021).
- 58
-
Kiran Stacey/Caitlin Gilbert, »Big Tech Increases Funding to US Foreign Policy Think-Tanks«, in: Financial Times (online), 1.2.2022, <https://www.ft.com/content/4e4ca1d2-2d80-4662-86d0-067a10aad50b> (eingesehen am 14.2.2022).
- 59
-
Kurt M. Campbell/Ely Ratner, »The China Reckoning. How Beijing Defied American Expectations«, in: Foreign Affairs, 97 (2018) 2, S. 90–100. Für eine gegenläufige Kritik siehe Fareed Zakaria, »The New China Scare. Why America Shouldn’t Panic About Its Latest Challenger«, in: Foreign Affairs, Januar/Februar 2020, <https://www.foreignaffairs. com/articles/china/2019-12-06/new-china-scare> (eingesehen am 19.1.2023).
- 60
-
Bob Davis, »Can Engagement With China Ever Work?«, in: Foreign Policy (online), 24.4.2022, <https://foreignpolicy. com/2022/04/24/china-review-engagement-economy/> (eingesehen am 6.5.2022).
- 61
-
Vgl. eine Rede des FBI-Direktors: Christopher Wray, »Countering Threats Posed by the Chinese Government Inside the U.S.«, 31.1.2022, <https://www.fbi.gov/news/ speeches/countering-threats-posed-by-the-chinese-government-inside-the-us-wray-013122> (eingesehen am 27.9.2022).
- 62
-
Vgl. z.B. Graham Allison/Jonah Glick-Unterman, The Great Military Rivalry: China vs the U.S., Cambridge: Belfer Center for Science and International Affairs, Dezember 2021, <https://www.belfercenter.org/publication/great-military-rivalry-china-vs-us> (eingesehen am 4.2.2022).
- 63
-
Graham Allison/Kevin Klyman/Karina Barbesino/Hugo Yen, The Great Tech Rivalry: China vs the U.S., Cambridge: Belfer Center for Science and International Affairs, Dezember 2021, <https://www.belfercenter.org/publication/great-tech-rivalry-china-vs-us> (eingesehen am 4.2.2022).
- 64
-
Erich Schwartzel, »How Brad Pitt Got Banned – and Mickey Mouse Nearly Was – from China«, in: The Washington Post (online), 27.3.2022, <https://www.washingtonpost.com/ history/2022/03/27/china-brad-pitt-disney-sony/> (eingesehen am 25.10.2022).
- 65
-
»A Tale of Two Top Guns«, The Journal (Podcast des Wall Street Journal), 1.6.2022, <https://www.wsj.com/podcasts/the-journal/a-tale-of-two-top-guns/83a9cc37-429f-4ff0-aaf9-8eab5d4b93e7> (eingesehen am 25.10.2022).
- 66
-
Mark Fainaru-Wada/Steve Fainaru, »NBA Owners, Mum on Troubled China Relationship, Have More Than $10 Billion Invested There«, in: ESPN (online), 19.5.2022, <https://www. espn.com/nba/story/_/id/33938932/nba-owners-mum-china-relationship-more-10-billion-invested-there> (eingesehen am 25.10.2022).
- 67
-
Yu Xie u.a., Caught in the Crossfire: Fears of Chinese-American Scientists, Asian American Scholar Forum, 21.9.2022, <https:// arxiv.org/pdf/2209.10642> (eingesehen am 27.9.2022).
- 68
-
Sha Hua/Karen Hao, »U.S.-China Tensions Fuel Outflow of Chinese Scientists From U.S. Universities«, in: The Wall Street Journal (online), 22.9.2022, <https://www.wsj.com/ articles/u-s-china-tensions-fuel-outflow-of-chinese-scientists-from-u-s-universities-11663866938> (eingesehen am 27.9.2022); Aruna Viswanatha, »Justice Department Shifts Approach to Chinese National-Security Threats«, in: The Wall Street Journal (online), 23.2.2022, <https://www.wsj.com/ articles/justice-department-shifts-approach-to-chinese-national-security-threats-11645646452> (eingesehen am 27.9.2022).
- 69
-
Zu einer solchen Auffassung kommt Doshi, The Long Game [wie Fn. 43], S. 4; vgl. auch Graham Allison, der sich auf John K. Fairbank beruft: Graham Allison, Destined for War. Can America and China Escape Thucydides’s Trap?, Brunswick (Victoria) 2017, S. 110.
- 70
-
So wollte Trump kein Statement zum 30. Jahrestag des Massakers vom Platz des Himmlischen Friedens veröffentlichen. Die Proteste in Hongkong bezeichnete er in einem Telefonat mit Xi Jinping als innere Angelegenheit Chinas, und bei einem Treffen während des G20-Gipfels in Osaka bestärkte er den Staatsführer sogar darin, die Uiguren in Lagern zu internieren. John Bolton, The Room Where It Happened. A White House Memoir, New York 2020, S. 309−312.
- 71
-
John Hudson, »As Tensions with China Grow, Biden Administration Formalizes Genocide Declaration against Beijing«, in: The Washington Post, 30.3.2021, <https://www. washingtonpost.com/national-security/china-genocide-human-rights-report/2021/03/30/b2fa8312-9193-11eb-9af7-fd0822ae4398_story.html> (eingesehen am 24.7.2022).
- 72
-
Vgl. Rudolf, Kollektive Gegenmachtbildung [wie Fn. 31]. Informationen zum Summit for Democracy unter <https:// www.state.gov/summit-for-democracy/>.
- 73
-
The White House, National Security Strategy [wie Fn. 36], S. 8–12.
- 74
-
Zu den angenommenen Absichten Chinas, die US-Vorherrschaft abzulösen, vgl. Paul Heer, »What Biden and Blinken Got Right on China«, in: The National Interest (online), 3.6.2022, <https://nationalinterest.org/feature/what-biden-and-blinken-got-right-china-202782> (eingesehen am 24.7.2022).
- 75
-
In der akademisch-theoretischen Debatte sehen offensive Realisten ebenso wie Anhänger der liberalen Theorie, darunter auch Neokonservative, China gleichermaßen als Rivalen. Vgl. John J. Mearsheimer, »The Inevitable Rivalry: America, China, and the Tragedy of Great-Power Politics«, in: Foreign Affairs, 100 (2021) 6, S. 48–58; Robert Kagan, »The Price of Hegemony: Can America Learn to Use Its Power?«, in: Foreign Affairs Magazine (online), 6.4.2022, <https://www. foreignaffairs.com/articles/ukraine/2022-04-06/russia-ukraine-war-price-hegemony> (eingesehen am 20.4.2022).
- 76
-
The White House, National Security Strategy [wie Fn. 36], S. 8f (Übersetzung durch die Autoren).
- 77
-
Vgl. z.B. George Friedman/Meredith LeBard, The Coming War with Japan, New York 1991.
- 78
-
Public Law No: 117–167, <https://www.congress.gov/ bill/117th-congress/house-bill/4346/text> (eingesehen am 19.1.2023).
- 79
-
Victoria Cooper, »Explainer: The CHIPS and Science Act 2022«, United States Studies Center, 11.8.2022, <https://www. ussc.edu.au/analysis/explainer-the-chips-and-science-act-2022> (eingesehen am 2.11.2022).
- 80
-
Salman Ahmed u.a., Making U.S. Foreign Policy Work Better for the Middle Class, Washington, D. C.: Carnegie Endowment for International Peace, 23.9.2020, <https://carnegie endowment.org/2020/09/23/making-u.s.-foreign-policy-work-better-for-middle-class-pub-82728> (eingesehen am 25.1.2022); The White House, »Remarks by President Biden on America’s Place in the World«, 5.2.2021, <https://www.whitehouse. gov/briefing-room/speeches-remarks/2021/02/04/remarks-by-president-biden-on-americas-place-in-the-world/> (eingesehen am 2.11.2022).
- 81
-
Im Senat war das Abstimmungsergebnis 64 zu 33, <https://www.senate.gov/legislative/LIS/roll_call_votes/vote 1172/vote_117_2_00271.htm>, im Repräsentantenhaus 243 zu 187 <https://clerk.house.gov/Votes/2022404> (eingesehen am 19.1.2023).
- 82
-
Vgl. hierzu und zum Folgenden: Gregory C. Allen, »Choking Off China’s Access to the Future of AI«, Washington, D. C.: Center for Strategic and International Studies (CSIS), Oktober 2022, <https://www.csis.org/analysis/choking-chinas-access-future-ai> (eingesehen am 26.10.2022).
- 83
-
Derek Scissors, Partial Decoupling from China: A Brief Guide, Washington, D. C.: American Enterprise Institute, Juli 2020, <https://www.aei.org/research-products/report/partial-decoup ling-from-china-a-brief-guide/> (eingesehen am 24.3.2022).
- 84
-
Scott Lincicome/Alfredo Carrillo Obregon, The (Updated) Case for Free Trade, Washington, D. C.: Cato Institute, 19.4.2022 (Policy Analysis, Nr. 925), <https://www.cato.org/ policy-analysis/updated-case-free-trade> (eingesehen am 20.4.2022).
- 85
-
Bergsten, The United States vs. China [wie Fn. 51].
- 86
-
Der Begründer des Begriffs Containment, George Kennan, bezog ihn auf den politischen und ideologischen Einfluss des sowjetischen Kommunismus, später wurden mit dem Konzept auch gewaltsame Interventionen gerechtfertigt. Vgl. George F. Kennan, »Containment Then and Now: Containment: 40 Years Later«, in: Foreign Affairs Magazine (online), Frühjahr 1987, <https://www.foreignaffairs.com/ articles/1987-03-01/containment-40-years-later> (eingesehen am 12.4.2022).
- 87
-
Blinken, »The Administration’s Approach to the People’s Republic of China« [wie Fn. 33].
- 88
-
Asien-Koordinator Kurt Campbell, Handelsministerin Gina Raimondo, Finanzministerin Janet Yellen und Außenminister Antony Blinken wollen asiatische Länder durch Handelsbeziehungen enger an die USA binden. Die Handelsbeauftragte Katherine Tai und einige Mitglieder im Wirtschaftsrat des Weißen Hauses sind dafür, amerikanische Arbeitsplätze durch protektionistische Maßnahmen zu schützen. Ein drittes Lager besteht um den bisherigen Stabschef des Weißen Hauses, Ron Klain, und den Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates, Brian Deese. Sie sorgen sich, dass die Zustimmungswerte des Präsidenten unter Inflation und Lieferengpässen als Folge der Auseinandersetzung mit China leiden könnten. Bob Davis, »Biden Promised to Confront China. First He Has to Confront America’s Bizarre Trade Politics«, Politico (online), 31.1.2022, <https://www. politico.com/news/magazine/2022/01/31/biden-china-trade-politics-00003379> (eingesehen am 15.3.2022).
- 89
-
Allison, Destined for War [wie Fn. 69], S. 212f; Hass, Stronger [wie Fn. 51], S. 7, 9, 40.
- 90
-
Richard Haass, Foreign Policy Begins at Home. The Case for Putting America’s House in Order, New York 2014.
- 91
-
Angela J. Davis, Policing the Black Man. Arrest, Prosecution, and Imprisonment, New York 2018; Martin Gilens/Benjamin I. Page, »Testing Theories of American Politics: Elites, Interest Groups, and Average Citizens«, in: Perspectives on Politics, 12 (2014) 3, S. 564–581; Laura Bronner/Nathaniel Rakich, »Advantage, GOP«, in: FiveThirtyEight, 29.4.2021, <https://five thirtyeight.com/features/advantage-gop/> (eingesehen am 24.7.2022); Ezra Klein/Kate Shaw, »The Ezra Klein Show: How to Understand the Supreme Court’s Shift to the Right«, in: New York Times, 1.7.2022, <https://www.nytimes.com/2022/07/ 01/opinion/ezra-klein-podcast-kate-shaw.html> (eingesehen am 24.7.2022).
- 92
-
Richard Wike/Jacob Poushter/Laura Silver/Janell Fetterolf/Mara Mordecai, America’s Image Abroad Rebounds with Transition from Trump to Biden. But Many Raise Concerns about Health of U.S. Political System, Pew Research Center, 10.6.21, <https://www.pewresearch.org/global/2021/06/10/americas-image-abroad-rebounds-with-transition-from-trump-to-biden/> (eingesehen am 25.7.2022); vgl. auch Robert Manning/Mathew Burrows, »The Problem with Biden’s Democracy Agenda«, War on the Rocks (online), 27.7.2021, <https:// warontherocks.com/2021/07/the-problem-with-bidens-democracy-agenda/> (eingesehen am 3.2.2022).
- 93
-
Richard L. Hasen, »Identifying and Minimizing the Risk of Election Subversion and Stolen Elections in the Contemporary United States«, in: Harvard Law Review Forum, 135 (2022), S. 265–301.
- 94
-
Majda Ruge/Jeremy Shapiro, »Polarised Power: The Three Republican ›Tribes‹ That Could Define America’s Relationship with the World«, European Council on Foreign Relations, 17.11.22, <https://ecfr.eu/article/polarised-power-the-three-republican-tribes-that-could-define-americas-relationship-with-the-world/> (eingesehen am 21.11.2022).
- 95
-
Oskar Weggel, Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1989, S. 365.
- 96
-
Shambaugh, Beautiful Imperialist [wie Fn. 2].
- 97
-
Vgl. David Shambaugh, China Goes Global: The Partial Power, New York: Oxford University Press, 2013.
- 98
-
Ein Jahr später wurde der Ausdruck korrigiert; fortan sprach man nur noch von »Chinas friedlicher Entwicklung« statt von seinem »Aufstieg«.
- 99
-
Yan Xuetong, »How China Can Defeat America«, in: The New York Times, 20.11.2011, <https://www.nytimes.com/ 2011/11/21/opinion/how-china-can-defeat-america.html> (eingesehen am 19.1.2023).
- 100
-
Peter Rudolf, Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2019 (SWP-Studie 23/2019), S. 9, doi: 10.18449/2019S23.
- 101
-
Vgl. Ian Bond/François Godement/Hanns W. Maull/Volker Stanzel, Rebooting Europe’s China Strategy, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Mai 2022 (Special publication), doi: 10.18449/2022Special01.
- 102
-
Vgl. Chen Dongxiao, »China-U.S. Strategic Collaboration: Four Cases and Their Lessons«, in: China-US Focus, Shanghai: Shanghai Institutes for International Studies, 16.1.2021, <https://www.chinausfocus.com/d/file/202101/ 591844ec7653405ec5f73e5dc5bce50b.pdf> (eingesehen am 19.1.2023).
- 103
-
Eric Heginbotham, Chinese Views of the Military Balance in the Western Pacific, Newport, Rhode Island: U.S. Naval War College, China Maritime Studies Institute (CMSI), 2021 (CMSI China Maritime Report Nr. 14), S. 1, <https://digital-commons.usnwc.edu/cgi/viewcontent.cgi?article=1013& context=cmsi-maritime-reports> (eingesehen am 19.1.2023) (Übersetzung durch die Autoren).
- 104
-
Vgl. das vertrauliche »Dokument Nr. 9«, November 2013: »Kommuniqué über den aktuellen Stand der ideologischen Sphäre« (Guanyu dangqian yishi xingtai lingyu qingkuang de tongbao), in welchem vor »westlichen« Konzepten wie Konstitutionalismus, universellen Werte, Neoliberalismus, Pressefreiheit, Zivilgesellschaft und vor deren Verbreitung in China gewarnt wurde.
- 105
-
Vgl. Yan Xuetong, »China’s Ukraine Conundrum. Why the War Necessitates a Balancing Act«, in: Foreign Affairs, 2.5.2022, <https://www.foreignaffairs.com/articles/ china/2022-05-02/chinas-ukraine-conundrum> (eingesehen am 19.1.2023).
- 106
-
Vgl. Dirk Schmidt, »Die Außenpolitik der Volksrepublik China«, in: Jürgen Kerwer/Angelika Röming (Hg.), Die Volksrepublik China – Partner und Rivale, Wiesbaden: Hessische Landeszentrale für politische Bildung, 2018, S. 107–148.
- 107
-
Ebd., S. 116f.
- 108
-
Vgl. Nele Noesselt/Ulrike Gansen/Martin Miller/Jonas Seyferth, »Konstitutionalisierungsprozesse in der chinesischen Staatstheorie: Top-Down-Orchestrierung institutioneller Reformen«, in: The German Journal on Contemporary Asia, 152/153 (2019), S. 2.
- 109
-
Vgl. Jilin Xu, »The Specter of Leviathan: A Critique of Chinese Statism since 2000«, in: Rethinking China’s Rise, Cambridge: Cambridge University Press, 2018, S. 20–60.
- 110
-
Yuan Peng, »Xinguan yiqing yu bainian bianju« [Die neue Corona-Pandemie und ein Jahrhundert der Veränderungen], Aisixiang, 17.6.2020, <http://www.aisixiang. com/data/121742.html> (eingesehen am 19.1.2023).
- 111
-
Yuan Peng, »Zhongguo weisheme bu jieshou meiguo ›cong shili diwei chufa‹ de duihua?« [Warum akzeptiert China den US-Dialog nicht »ausgehend von seiner Position der Stärke«?], SINA Finance, 21.10.2021, <https://finance.sina. com.cn/review/hgds/2021-10-21/doc-iktzscyy0932586.shtml> (eingesehen am 19.1.2023).
- 112
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Dai Xu, »2020 dui meiguo 4 ge xiangbudao de 10 dian renshi« [Vier Überraschungen und zehn Einsichten zu den USA im Jahr 2020], Sina Finance, 8.5.2020, <https://k.sina.com. cn/article_5395803974_1419d6f4601900yoga.html?from= finance> (eingesehen am 26.1.2023).
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Beispielsweise Hu Wei, »Possible Outcomes of the Russo-Ukrainian War and China’s Choice«, in: US-China Perception Monitor, 12.3.2022, <https://uscnpm.org/2022/03/12/ hu-wei-russia-ukraine-war-china-choice/> (eingesehen am 19.1.2023).
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Interview der Autorin mit einem chinesischen Russland-Experten via Videokonferenz am 8.3.2022.
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Lippert/Perthes (Hg.), Strategische Rivalität zwischen USA und China [wie Fn. 31], S. 13.
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Vgl. »The Pulse: Chinese Public Opinion«, U.S.-China Perception Monitor, September 2021, <https://uscnpm.org/the-pulse/#q1-tcc-riwi> (eingesehen am 19.1.2023).
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So etwa Umfragen des U.S.-China Perception Monitor oder des Pew Research Center.
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Vgl. Nadine Godehardt, Wie China Weltpolitik formt. Die Logik von Pekings Außenpolitik unter Xi Jinping, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2020 (SWP-Studie 19/2020), S. 5, doi: 10.18449/2020S19.
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Foreign Affairs Committee (Großbritannien), In the Room: the UK’s Role in Multilateral Diplomacy, London, 17.6.2021, <https://publications.parliament.uk/pa/cm5802/cmselect/ cmfaff/199/19902.htm> (eingesehen am 19.1.2023).
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Beispielsweise leiten KPCh-Funktionäre schon vier der 15 VN-Sonderorganisationen, mehr als jedes andere Land (die USA leiten zwei, Deutschland keine).
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Vgl. Godehardt, Wie China Weltpolitik formt [wie Fn. 119].