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Rückkehr aus unruhigen Gewässern des Indo-Pazifiks

Bilanz und Folgerungen nach Fahrt der Fregatte »Bayern«

SWP-Aktuell 2022/A 22, 10.03.2022, 8 Seiten

doi:10.18449/2022A22

Forschungsgebiete

Nach fast siebenmonatiger Fahrt im Indischen und Pazifischen Ozean ist die Fregatte »Bayern« nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Mit der Entsendung des Schiffes wollte Deutschland vor allem ein sichtbares politisches Zeichen für seine Bereitschaft set­zen, sich aktiver für Stabilität und Sicherheit im indopazifischen Raum zu engagieren. Im Rückblick hat die Mission dazu beigetragen, die Beziehungen mit Partnern der Region durch militärpolitische und diplomatische Gespräche sowie gemeinsame Übungen von Streitkräften zu beleben und zu vertiefen. Nun gilt es, den entstandenen Schwung in den Beziehungen aufrechtzuerhalten, etwa indem Konsultationen fortgesetzt werden. Dem Anspruch, mit der Fregattenfahrt zum Erhalt der regel­basierten Ordnung und des internationalen Rechts beizutragen, ist Deutschland je­doch nicht oder allenfalls in geringem Maße gerecht geworden. Zu klären ist, welche Folgerungen die Bundesrepublik für ihr künftiges Indo-Pazifik-Engagement zieht.

Mit der Fregatte »Bayern« und ihrer rund 240 Mann starken Besatzung hat von August 2021 bis Mitte Februar 2022 erst­mals seit rund zwanzig Jahren ein deutsches Kriegsschiff im Indo-Pazifik gekreuzt. Zu den Stationen gehörten Hafenbesuche in Pakistan, Australien, Guam, Japan und Südkorea sowie nach Durchfahrt des Süd­chinesischen Meeres weitere Stopps in Singapur, Vietnam, Sri Lanka und Indien. Es handelte sich um eine Ausbildungs- und Präsenzfahrt, die kein Bundestagsmandat voraussetzt; der Auftrag der Fregatte war somit primär politischer Natur. Im Sinne der von der Bundesregierung im September 2020 verabschiedeten Leitlinien zum Indo-Pazifik möchte Deutschland sein Engagement in diesem Raum ausweiten, um des­sen gewachsener politischer wie wirtschaftlicher Bedeutung gerecht zu werden. Die Entsendung der Fregatte war somit eine praktische Operationalisierung der Leit­linien und ein sichtbares Zeichen deutscher Präsenz in der Region.

Mit dem indo-pazifischen Raum verbinden die Bundesrepublik zum einen wirt­schaftliche Interessen. Der Anteil von Deutschlands Warenhandelsaustausch mit den dortigen Ländern beläuft sich auf etwa 20 Prozent, gemessen am Gesamtaufkommen. Dabei wird ein Großteil des Handels über maritime Verbindungswege abgewickelt. Deutsche Auslandsinvestitionen im indo-pazifischen Raum sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen.

Zum anderen beruht das deutsche Inter­esse auf der Grundannahme, dass Entwicklungen in dieser dynamischen Region maß­geblich Einfluss haben auf die Zukunft der internationalen regelbasierten Ordnung, von der Sicherheit und Wohlstand der Bun­desrepublik abhängen. Sorge bereitet dabei nicht nur, dass die amerikanisch-chinesi­sche Rivalität primär in diesem Raum aus­getragen wird. Im Fokus steht insbesondere auch Chinas regionales Auftreten, bei dem es internationale Regeln zu umgehen sucht und mit der Macht des Stärkeren Interessen durchsetzt – beispielsweise im Kontext sei­ner Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer.

Vor diesem Hintergrund hatte die Entsendung der Fregatte sowohl eine diplomatische als auch eine sicherheitspolitische Zielsetzung. So sollte die Präsenz des Schif­fes dazu beitragen, Deutschlands Beziehungen in die Region neu zu beleben und einen Anstoß für sicherheits- bzw. militär­politische sowie diplomatische Konsultationen mit verschiedenen Ländern zu geben. Gleichzeitig wollte man sich durch die Aktion aber auch gemeinsam mit Partnern für die »Einhaltung des Völkerrechts und die Stärkung der Sicherheit« in diesem Raum einsetzen, wie der damalige Außen­minister Heiko Maas beim Auslaufen der Fregatte erklärte.

Angesichts zahlreicher internationaler Verpflichtungen und begrenzter Ressourcen war die Indo-Pazifik-Fahrt für die Deutsche Marine ein gewaltiger Kraftakt. Nun gilt es, Bilanz zu ziehen. Hat Deutschland seine Ziele mit Entsendung der »Bayern« erreicht? Wie waren die Reak­tionen in der Region? Und welche Konsequenzen ergeben sich aus den Erfahrungen für das deutsche Engagement im Indo-Pazifik?

Türöffner: Impuls zur Vertiefung von Beziehungen

Eine Vielzahl bilateraler Konsultationen bei Hafenbesuchen und verschiedene kleinere Übungen mit regionalen Partnern entlang der Schiffsroute sprechen für eine insgesamt positive Bilanz, was das Ziel angeht, die deutschen Beziehungen mit der Region zu intensivieren und zu vertiefen. Bereits im Vorfeld führte Deutschland jeweils mit Australien und mit Japan – im letzteren Fall erstmals – sogenannte »Zwei plus zwei«-Gespräche der Außen- und Verteidigungsminister, um insbesondere Planungen für die Mission der »Bayern« abzusprechen.

Im Zuge der Indo-Pazifik-Fahrt traf dann der (mittlerweile zurückgetretene) Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, unter anderem in Australien, Japan, Südkorea, Singapur und Indien mit seinen dortigen Amtskollegen zu militär­politischen Konsultationen zusammen. In Japan fand zusätzlich ein Treffen zwischen dem Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, und dem japanischen Generalstabschef Yamazaki Koji statt. Die hochrangige deutsche Präsenz wurde in den Partnerländern als Zeichen der Wert­schätzung und Verbundenheit aufgenommen.

Neben militärpolitischen Konsultationen gab es begleitend auch diplomatische Tref­fen, bei denen regionale Entwicklungen, das deutsche Engagement sowie die Zu­sammenarbeit mit dem jeweiligen Land thema­tisiert werden konnten. Durch diese Ge­spräche haben deutsche Vertreter tiefere Einblicke in sicherheitspolitische Entwicklungen der Region und die Sichtweisen von Partnerländern gewinnen können. Insofern fungierte die Fahrt der »Bayern« als Tür­öffner für den bilateralen Austausch. Für Partner in der Region war die Präsenz der Fregatte wiederum ein Signal, dass Deutsch­land bereit ist, sich aktiver mit den Belan­gen des Indo-Pazifiks auseinanderzusetzen.

Diverse Auftritte und Medieninterviews deutscher Vertreter – insbesondere in Aus­tralien, Japan, Singapur und Indien – lenk­ten vor Ort auch die öffentliche Aufmerksamkeit auf das deutsche Engagement. Problematisch war dabei jedoch, dass Vize­admiral Schönbachs Verlautbarungen nicht immer den Positionen der Bundesregierung entsprachen. Dies galt vor allem für seine umstrittenen Äußerungen in Indien zum Russland-Ukraine-Konflikt, die wenig später zu seinem Rücktritt führten. Schönbach wiederholte bei regionalen Auftritten aber auch mehrfach die Auffassung, eine Prä­senz der Deutschen Marine im Indo-Pazifik sei künftig alle zwei Jahre denkbar und sinnvoll. Zwar gab er damit noch kein kon­kretes Versprechen, dennoch weckte er in der Region unweigerlich Erwartungen, die – werden sie nicht erfüllt – dazu führen könnten, dass Partner sich enttäuscht sehen und die deutsche Entschlossenheit zum Engagement in Zweifel gerät.

Neben den genannten Konsultationen trug die Mission der »Bayern« auch dazu bei, die sicherheitspolitische Zusammen­arbeit zu vertiefen, indem die Fregatte sich an vorwiegend bi- und trilateralen Übungen mit den Streitkräften der Gastländer betei­ligte. Bedenkt man, dass die Bundeswehr bislang nur wenig Kontakt mit dem Militär asiatischer Länder hatte, gaben diese Manö­ver beidseitig die Möglichkeit, sich besser miteinander vertraut zu machen. So wur­den mit verschiedenen Partnern sogenannte Passing Exercises (kurz PASSEX) durch­geführt, die aus Teilübungen in Navigation und Kommunikation bestehen und dabei helfen, die Interoperabilität zwischen bei­den Seiten zu erhöhen. Insgesamt bot die Fregattenfahrt den so beteiligten Seestreitkräften eine Gelegenheit, ihre jeweiligen Verfahrensweisen in unterschiedlichen Bereichen kennenzulernen und abzustimmen.

Die Schiffsmission unterstreicht, dass maritime Diplomatie als Instrument der Politik eine Aufgabe mit wachsender Bedeu­tung für die deutschen und europäischen Seestreitkräfte jenseits ihrer heimi­schen Gewässer ist. Dieser Auftrag bestand auch schon bisher, doch ist er während der letzten Jahrzehnte im Zeichen von Stabili­sierungsoperationen und Krisenmanagement in den Hintergrund getreten.

Mehr Schein als Sein: Stärkung der regelbasierten Ordnung

Fraglich scheint indes, inwieweit die Ent­sendung der »Bayern« dem Anspruch ge­recht wurde, einen Beitrag zum Erhalt der regelbasierten Ordnung, zur Achtung des Völkerrechts und zur Sicherheit in der Region zu leisten.

Dass die Fregatte rund vier Wochen lang die Überwachung von Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen gegenüber Nordkorea unterstützte, wurde von der Bundesregierung wiederholt als Beitrag zur Aufrechterhaltung der regelbasierten Ord­nung hervorgehoben. Dabei handelte es sich allerdings nicht um eine direkte deut­sche Beteiligung an der VN-Mission, wozu es auch eines Mandats des Bundestages bedurft hätte, sondern um eine Unterstützungsleistung durch Weitergabe bestimmter Lagebildinformationen. Zu diesem Zweck wurden zwei deutsche Marine­offi­ziere zur Enforcement Coordination Cell im japanischen Yokosuka abgestellt, wo die Daten teilnehmender Schiffe gesammelt werden.

Angezweifelt werden muss jedoch, ob die »Bayern« einen wahrnehmbaren Nutzen für die Gesamtmission unter VN-Mandat er­bracht hat. Parallel zu der Unterstützungsleistung beteiligte sie sich an dem von Japan ausgerichteten Großmanöver »An­nu­al Exer­cise 2021«, das auch amerikanische, austra­lische wie kanadische Schiffe und Verbände einschloss. Das Bundesministe­rium der Verteidigung beschrieb dies als einen opera­tiven Höhepunkt der Fregattenfahrt. Wäh­rend des neuntägigen Manövers hielt sich das deutsche Kriegsschiff in der Philippinensee auf, schwerpunktmäßig südöstlich der japanischen Insel Okinawa. Damit be­fand es sich jenseits der Hauptschifffahrtsrouten und in einer Entfernung von bis zu 1 000 Kilometern von der korea­nischen Halbinsel. Da die Reichweite des Radars zur Schiffsortung schätzungsweise 40 bis 50 Kilometer betragen haben dürfte, konnte die Fregatte hier wohl nur wenig zur Lage­bildaufklärung im Sinne der VN-Mission beitragen. Hinzu kommt, dass an­gesichts der Kombination beider Aktivitäten im gleichen Zeitraum notwendigerweise eine Priorisierung zugunsten des Manövers er­folgt sein wird. Auch während des an­schlie­ßenden Hafenbesuchs in Südkorea hat die »Bayern« wohl kaum Daten für die VN-Mission gesammelt. Daher scheint der Bei­trag zur Sanktionsüberwachung eher eine öffentlichkeitswirksame Geste mit gerin­gem operativen Mehrwert gewesen zu sein. Immerhin signalisierte Deutschland damit aber politische Unterstützung für die Part­ner, die an der Überwachungsmission teilnehmen.

Die Kluft zwischen dem erklärten Ziel, für eine regelbasierte maritime Ordnung einzutreten, und der Realität der Fregattenfahrt klaffte in Bezug auf China noch deut­licher auseinander. Gerade in den umstrittenen Gewässern des Südchinesischen Mee­res hat Beijing in den letzten Jahren seine Ansprüche einseitig und gewaltsam durch­gesetzt. Es wurden künstliche Inseln auf­geschüttet, darauf Militäranlagen wie Start- und Landebahnen installiert und so Fakten geschaffen. Mit Militär, Küstenwache sowie als Zivilisten auftretenden Milizen schüch­tert China die Sicherheitskräfte und Fischer von Nachbarstaaten in diesem Seegebiet ein. Das Urteil des Internationalen Schieds­gerichtshofs in Den Haag von Juli 2016, das Chinas »historische« Ansprüche auf beinahe das gesamte Südchinesische Meer zurückgewiesen hatte, erklärte Beijing für »null und nichtig«. Im September 2021 trat zu­dem ein chinesisches Gesetz in Kraft, nach dem bestimmte Handelsschiffe beim Durch­queren des Südchinesischen Meeres detail­lierte Informationen an die Behörden der Volksrepublik übermitteln müssen. Kein anderer Akteur der Region fordert die regel­basierte maritime Ordnung, die auf dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) basiert, stärker heraus als China. Dass Beijing maritime Grenzen und Gebiets­ansprüche ausdehnt und dabei geltendes Seerecht missachtet, stellt einen gefähr­lichen Eingriff in den internationalen See­verkehr sowie die generelle Freiheit der Seewege dar.

Die »Bayern« fuhr zwar durch das Südchinesische Meer, blieb dabei aber auf den üblichen internationalen Handelsrouten und verzichtete (soweit öffentlich bekannt) auf militärische Übungen wie etwa Start und Landung eines Hubschraubers. Damit vermied Deutschland eine klare Positionierung für das Völkerrecht, auch was die Entscheidung des Internationalen Schiedsgerichtshofs von 2016 betrifft – die für Berlin laut eigenen Indo-Pazifik-Leitlinien »eine maßgebliche Bedeutung« hat. Man könnte das Vorgehen der Fregatte im Gegenteil als Anerkennung chinesischer Ansprüche auf das Südchinesische Meer verstehen. Denn nach dem Seerechtsübereinkommen (Artikel 17 bis 25) haben Handels- und Kriegsschiffe in Terri­torial­gewäs­sern anderer Staaten nur ein Recht auf »friedliche Durchfahrt«. Dabei müssen sie sich entlang der kürzesten Routen und damit der üblichen Handelsstrecken be­wegen, und Kriegsschiffe dürfen keine militärischen Übungen durchführen. Han­delt es sich dagegen um eine Fahrt auf Hoher See, genießen Schiffe – einschließlich Kriegsschiffe – nahezu uneingeschränkte Bewegungsfreiheit und können auch Manöver abhalten. Anstatt mit völker­rechtlichen Scheuklappen zu agieren, hätte Deutschland also ein Zeichen gegen Chinas rechtswidrige Gebietsansprüche setzen können, indem es den engen Verhaltens­kodex einer »friedlichen Durchfahrt« über­treten hätte.

Anfänglich war zudem ein Fregatten­besuch in der chinesischen Hafenmetropole Shanghai vorgesehen. Wäre es dazu gekom­men, hätte Deutschlands Positionierung noch unklarer gewirkt. So hätte ein Stopp in China vor der Fahrt durch das Südchinesische Meer wie ein Genehmigungsgesuch gewirkt und damit den Anschein verstärkt, Deutschland respektiere die Ansprüche der Volksrepublik. Entsprechend irritiert äußer­ten sich beispielsweise Beobachter in Japan oder Australien über den Besuchsplan. Zur Vermeidung der Taiwan-Straße hätte die Fregatte nach dem möglichen Besuch in Shanghai auf ihrem Kurs gen Süden wohl auch einen großen Bogen östlich um Tai­wan gemacht – Deutschlands Zögern, sich für den seerechtlichen Status der Taiwan-Straße als internationales Gewässer ein­zu­setzen, wäre so unterstrichen worden. Im Endeffekt lehnte die chinesische Führung den Hafenbesuch der »Bayern« ab und verwies dabei auf mangelndes Vertrauen zwischen beiden Ländern.

Laut der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte das Angebot der Hafenvisite zum Ziel, mit China »im Dialog zu bleiben«. Die deutschen Leitlinien betonen ebenfalls einen »inklusiven« Ansatz in der Region, der alle Akteure – auch China – einschließt. Da­hinter steht einerseits die Hoffnung, mit Beijing in Zukunft bei gemeinsamen Inter­essen weiter kooperieren zu können, etwa zur Bewältigung der Klimakrise, in Handels­fragen oder bei Abrüstungsbemühungen. Andererseits gründet dieser Ansatz auch auf der deutschen Sorge, die sino-amerika­nische Konfrontation im asiatischen Raum könnte sich verfestigen, was eine regionale Blockbildung und Polarisierung befördern würde. In der Tat fürchten vor allem die Länder Südostasiens, dass wachsende Span­nungen zwischen den Großmächten sie zunehmend vor die Wahl stellen könnten – zwischen China als größtem Wirtschafts­partner und den USA als sicherheitspolitischem Garanten. Es ist daher gut und wichtig, wenn Deutschland den Dialog mit China sucht und in der Region zur Deeska­lation beitragen möchte. Der Versuch, mit der Fregattenfahrt beides zu vereinen – Einsatz für das Völkerrecht und Austausch mit Beijing –, muss aber als gescheitert gelten.

Der Blick nach vorn

Russlands Krieg gegen die Ukraine lenkt die politische Aufmerksamkeit hierzulande wieder mehr auf europäische Sicherheitsfragen. Dennoch wird der indo-pazifische Raum weiter eine wichtige Rolle für Deutschland und Europa spielen. Daher sollte die Bundesrepublik ihr Engagement in der Region fortsetzen.

Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung nach Abschluss der Fregattenfahrt gefordert, die gesammelten Erfahrungen zu reflektieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. Insbesondere gilt es, das Unternehmen politisch auszuwerten. Wel­che Sichtweisen und Erwartungen wurden im Indo-Pazifik gegenüber dem deutschen und europäischen Engagement dort vor­gebracht? Haben die Gespräche und Konsul­tationen darüber Aufschluss gegeben, in welchen Bereichen Deutschland bzw. Europa einen Mehrwert für die regionale Stabilität und Sicherheit leisten könnte?

Überlegungen zu den Schlussfolgerungen für die künftige Indo-Pazifik-Politik lassen sich nach drei Gesichtspunkten glie­dern. Zu fragen ist erstens nach der Aus­gestaltung der Beziehungen mit Partnern in der Region, zweitens nach dem militä­rischen Engagement und drittens nach dar­über hinausgehenden Beiträgen Deutschlands auf sicherheitspolitischem Feld.

Den Schwung für die Beziehungspflege nutzen

Die Mission der »Bayern« hat in Deutschlands Beziehungen mit wichtigen Partnern des Indo-Pazifiks eine große Dynamik ent­faltet, die es nun durch weitere Gespräche und darauf aufbauende Initiativen fort­zusetzen gilt. Ansonsten droht die Wirkung der Fregattenfahrt schnell zu verpuffen. Durch Vertiefung des Austauschs kann sich die Bundesrepublik aktiver mit den sicher­heitspolitischen und sonstigen Belangen der Region auseinandersetzen, was dazu beiträgt, destabilisierenden Faktoren und Trends zu begegnen. Regelmäßige Konsultationen mit wichtigen Partnern wie Japan, Australien, Indien oder einzelnen südostasiatischen Staaten würden die Möglichkeit bieten, gemeinsame Interessen auszuloten oder Herangehensweisen an Probleme der Region abzustimmen. Um sicherheitspolitische Fragen zu erörtern, könnte etwa das »Zwei plus zwei«-Dialogformat mit Japan und Australien fortgesetzt werden. Dies wäre auch ein Signal an die Region, dass Deutschland sein dortiges Engagement beibehält.

Zudem erscheint es sinnvoll für Deutschland, mit asiatischen Partnern über das Verhältnis zwischen China und Russland und den Umgang damit zu beraten. Vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine suchten diese beiden Länder zunehmend den Schulterschluss, wie ihr bilaterales Gipfeltreffen Anfang Februar 2022 verdeut­lichte. Moskau und Beijing verfolgen zwar nicht immer die gleichen Ziele, wie sich auch im Ukraine-Krieg zeigt, und ihre Be­ziehungen sind geprägt durch eine Macht­asymmetrie. Doch beide fordern die regel­basierte Ordnung massiv heraus. Seine völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine bereitete Russland über Jahre hinweg vor, indem es Grauzonen-Taktiken zwischen Frieden und Krieg anwandte, Desinfor­mationskampagnen betrieb und Cyber-Angriffe durchführte. Auch China bedient sich solcher Mittel, besonders gegenüber Nachbarstaaten. Ein Austausch über Stra­tegien im Umgang mit solchem Verhalten läge also im Interesse Deutschlands bzw. Europas und der asiatischen Partner.

Militärisches Engagement: Mehr Bundeswehr-Präsenz?

Die Fregatte hat aus funktional-maritimer Sicht zahlreiche Kenntnisse gesammelt. Dies betrifft etwa Nautik und Navigation, Verfahren in der Zusammenarbeit mit Hafenbehörden, die Etablierung logistischer Versorgungswege von Deutschland aus sowie klimatische, aber auch kulturelle Besonderheiten der Region. Nach zwanzigjähriger Abwesenheit vom Indo-Pazifik waren solche Wissensbestände nicht mehr vorhanden. Nun bietet sich also die Chance, den Erfahrungsschatz durch systematische Auswertung dauerhaft zu bewahren. Soll­ten die Deutsche Marine oder andere Teil­streitkräfte künftig in der Region eingesetzt werden, ließen sich damit lange Vorbereitungszeiten umgehen, Planungsfehler minimieren und etwaige Missverständnisse vermeiden.

Mit Blick auf die Zukunft muss sich die Bundesregierung damit auseinandersetzen, inwiefern sie weitere Bundeswehreinheiten in die Region entsenden will. Im Raum steht die Forderung Schönbachs nach regel­mäßiger Schiffspräsenz in diesen Gewässern. Derzeit laufen zudem von der voran­gegangenen Bundesregierung eingeleitete Planungen, kommenden Sommer Eurofighter sowie Tank- und Transportflugzeuge der deutschen Luftstreitkräfte im Rahmen von Langstreckenverlegungen nach Australien und Japan zu entsenden. Dort sollen sie an Manövern teilnehmen und damit das anhaltende deutsche Engagement im Indo-Pazifik unterstreichen. Mit solchen Entsen­dungen kann Deutschland angesichts be­grenzter Fähigkeiten und Ressourcen der Bundeswehr nur politische bzw. symbolische Ziele verfolgen – wie etwa die Zusam­menarbeit mit Partnerländern zu intensivieren oder die Einhaltung internationalen Rechts anzumahnen. Dabei gilt es aber ab­zuwägen, inwiefern entsprechende Verle­gungen die militärischen Spannungen in der Region befeuern könnten.

Sollten derartige Einsätze als wünschens­wert beurteilt werden, muss Berlin ent­schei­den, wo die Prioritäten der Bundeswehr liegen. Deren personelle und mate­rielle Lücken sind so groß, dass Deutsch­land in den letzten Jahren wiederholt ge­zwungen war, die Entsendung eigener Einheiten zu Nato-Einsatzverbänden (beispielsweise vor der Küste Libyens) oder zu VN- und EU-Mis­sionen (wie etwa der Anti-Piraterie-Mission vor Somalia) zumindest zeitweise auszusetzen. Auch die von Kanzler Olaf Scholz an­gekündigte Aufstockung der Bundeswehr-Mittel wird daran allenfalls mittelfristig etwas ändern können. Bei der Marine als kleinster Teilstreitkraft sind die Kapazitätsengpässe besonders deutlich. Gut geeignet für einen Einsatz im Indo-Pazifik sind von den 45 Schiffen der Deutschen Marine gemäß ihrer Ausrüstung nur 15 Ein­heiten (zwölf Fregatten, drei Einsatzgruppenversorger). Weitere fünf Korvetten wären dazu, gemessen an Reichweite, Ver­sorgungs­güterkapazitäten an Bord und Seetauglichkeit, nur bedingt geeignet. Von diesen 15 bzw. maximal 20 zur Verfügung stehen­den Einheiten wiederum ist zu jedem Zeit­punkt nur etwa ein Viertel bis ein Drit­tel einsatzbereit, da bei allen Schiffen durch Ausbildungs- und Instandhaltungszyklen längere Ausfallzeiten entstehen. Entsprechend schwierig ist für die Marine eine Ent­sendung in den Indo-Pazifik, zumal ein solcher Einsatz das jeweilige Schiff und des­sen Besatzung über mehrere Monate bindet. Angesichts des Ukraine-Krieges kommen auf die Bundeswehr im Nato-Rahmen wohl zwangsweise weitere Aufga­ben im euro-atlantischen Bereich zu. Die Marine bei­spielsweise wird verstärkt zur Lagebildaufklärung in der Ostsee und im Nordatlantik beitragen müssen. Deutschland hat also abzuwägen, wie es die begrenzten Bundeswehrkapazitäten am sinnvollsten einsetzt.

In diesem Zusammenhang sollte auch überlegt werden, inwiefern die Teilnahme an einer gemeinsamen europäischen Prä­senz im Indo-Pazifik möglich wäre. Im Februar 2022 beschloss der Europäische Rat, im nordwestlichen Indischen Ozean ein Meeresgebiet auszuweisen, in dem EU-Mitgliedstaaten zu einer koordinierten mari­timen Präsenz beitragen und so für ge­meinsame Werte und Interessen einstehen. Damit konkretisiert sich die Idee einer maritimen Präsenz, wie sie die EU-Strategie zur Kooperation im Indo-Pazifik von Sep­tember 2021 enthält. Vorstellbar wäre eine gelegentliche deutsche Beteiligung mit einem Schiff im Rahmen eines europäischen Verbandes oder im Rahmen perso­nel­ler Abstellung zur Planung und Führung eines solchen Verbandes.

Weitere sicherheitspolitisch-maritime Beiträge

Unabhängig von solchen Erwägungen kann Deutschland aber auch andere Mittel nut­zen, um zur maritimen Sicherheit und regelbasierten Ordnung im Indo-Pazifik bei­zutragen. Neben der Intensivierung sicher­heitspolitischer Dialoge mit der Region hat die Bundesregierung in den letzten zwei Jahren bereits eine Reihe von Schritten unternommen, die in die richtige Richtung weisen und auf die aufgebaut werden sollte.

Auf einfachem diplomatischen Wege kann Deutschland Initiative zeigen, indem es sich öffentlich zu völkerrechtlichen Fragen und maritimen Konflikten positioniert. So wies die Bundesrepublik gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien im September 2020 mit einer Verbalnote an die VN Beijings Ansprüche auf das Süd­chinesische Meer zurück, wobei man sich auf das Seerechtsübereinkommen und das Urteil des Internationalen Schiedsgerichtshofs von 2016 bezog. Im Juni 2021 äußerte sich Deutschland mit den anderen G7-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung besorgt über die Entwicklungen im Süd­chinesischen Meer ebenso wie im Ostchinesischen Meer, wo China die von Japan kontrollierten Senkaku-(Diaoyutai‑)Inseln beansprucht. Solche Erklärungen verdeut­lichen, dass Deutschland den maritimen Spannungen im Indo-Pazifik nicht gleich­gültig gegenübersteht und völkerrechts­widriges Handeln verurteilt.

Ebenso kann die Bundesrepublik einen Beitrag zur maritimen Sicherheit leisten, indem sie etwa das bestehende, vom Aus­wärtigen Amt finanzierte Schulungsprojekt in Südostasien zum Seerecht fortführt und ausbaut. Mit diesem Programm werden Vertreterinnen und Vertreter der Vereinigung südostasiatischer Länder (ASEAN) bzw. Ministerialbeamte ihrer Mitgliedstaaten darin geschult, wie das VN-Seerechtsüber­einkommen auszulegen und anzuwenden ist. In diesem Zusammenhang sollte Deutschland auch an Länder wie die Philip­pinen oder Vietnam appellieren, ihre mari­timen Ansprüche klar auf Basis des Über­einkommens zu definieren.

Neben Staaten, die rechtswidrig handeln, gefährden auch nichtstaatliche Akteure die maritime Ordnung im Indo-Pazifik, so etwa in Südostasien. Fälle von Piraterie, bewaff­neten Raubüberfällen auf See, illegaler Fischerei oder maritimem Schmuggel sind dort an der Tagesordnung. Um diese trans­nationalen Probleme anzugehen, bedarf es vielfach ebenfalls einer zwischenstaatlichen Kooperation, die auf internationalem Recht basiert. Deutschland könnte hier seine Unterstützung für kooperative Ansätze an­bieten, denen regionale Staaten aufgrund ungelöster maritimer und territorialer Streitigkeiten oft mit Vorsicht begegnen. Da Fragen zur Auslegung internationalen Rechts in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen, könnte die Bundesregierung dabei auf dem erwähnten Schu­lungsprojekt zum Seerecht aufbauen bzw. entsprechende Ausbildungsprogramme anbieten.

Im August 2021 trat Deutschland dem Regional Cooperation Agreement on Com­bating Piracy and Armed Robbery against Ships in Asia (ReCAAP) bei. Mit diesem Abkommen soll die zwischenstaatliche Kooperation verbessert werden, um in Asien Piraterie und Raubüberfälle auf See zu bekämpfen. Für den Austausch von Informationen zum Lagebild und zu sicher­heitsrelevanten Übergriffen wurde in Singa­pur das sogenannte Information Fusion Centre eingerichtet. Dafür stellt Deutschland nun permanent einen Verbindungs­offizier der Marine ab. Da es regionalen Staaten an Fähigkeiten für die Lagebild­erfassung eher mangelt, ist dies ein sinn­voller Beitrag zur maritimen Sicherheit.

Angesichts der großen Herausforderungen für die maritime Ordnung im Indo-Pazifik und Deutschlands Interessen in der Region ist ein aktiveres Engagement der Bundesregierung vonnöten. Auch jenseits der begrenzten Ressourcen der Bundeswehr bieten sich Deutschland eine Reihe von Möglichkeiten, sein Engagement zu ver­tiefen.

Dr. Alexandra Sakaki ist Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Asien. Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2022

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