Dr. Peter Lintl ist Leiter des Projekts »Israel in einem konfliktreichen regionalen und globalen Umfeld: Innere Entwicklungen, Sicherheitspolitik und Außenbeziehungen«. Das Projekt ist in der SWP-Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika angesiedelt und wird vom Auswärtigen Amt gefördert.
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In Israel wogt ein Kulturkampf: um die Identität des Staates, seine Leitnormen, das Verhältnis von Religion und Staat und generell um die Frage, was Jüdischsein im »Staat der Juden« bedeuten soll.
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Gestritten wird zwischen Ultraorthodoxen bzw. Charedim und der übrigen israelischen Bevölkerung, wobei sich der Anteil der Ersteren daran seit 1980 von vier auf zwölf Prozent verdreifacht hat und bis 2040 auf über 20 Prozent ansteigen dürfte. Das hat Folgen für die Debatte.
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Die Weltanschauung der Charedim steht jener der Mehrheitsbevölkerung häufig diametral entgegen. Sie akzeptiert als Grundlagen jüdischen Lebens und jüdischer Identität nur die Thora und die religiösen Gesetze (Halacha), ist ihrem Wesen nach antidemokratisch, setzt auf hierarchische Gesellschaftsstrukturen mit Rabbinern an der Spitze und ist weitgehend azionistisch.
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Dennoch sind die Charedim auf den Staat und seine Institutionen angewiesen, wollen sie ihre Lebenswelt bewahren. Ihre (wachsende) »Gesellschaft der Lernenden« mit vom Wehrdienst befreiten und auf Erwerbsarbeit verzichtenden Thoraschülern muss finanziert, das Bildungssystem als zentrale Säule der Ultraorthodoxie vor Eingriffen von außen geschützt werden. Das lässt sich nur über Beteiligung am demokratischen Prozess erreichen.
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Die charedischen Parteien bewegen sich daher in einem Spannungsfeld aus Rückzug und Einflussnahme: Sie versuchen – neben dem Milieuschutz – einerseits, als »Verteidiger des jüdischen Charakters des Staates« Tendenzen entgegenzuwirken, die ihrer Vorstellung des Judentums entgegenlaufen, und andererseits, religionsrechtlichen Prinzipien mehr Geltung in Staat und Gesellschaft zu verschaffen. Dieser Gestaltungswille ist neu.
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Die Charedim verändern Staat und Gesellschaft und werden dadurch selbst verändert. Die innergemeinschaftlichen Antworten darauf reichen von Plädoyers für Isolation über den Wunsch nach Integration in den Staat bis hin zu Forderungen nach dessen Übernahme.
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Für die internationalen Partner Israels wird der zunehmende Einfluss der Charedim für größeren Verhandlungsbedarf sorgen, insbesondere wenn ein Anliegen liberale und emanzipatorische Werte betrifft.
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Schlussfolgerungen
2 Der israelische Kulturkampf: Genese und Konfliktlinien
2.1 Demographie als Schlüssel zur Macht?
3 Wer sind die Charedim? Identität und Grundüberzeugungen
3.1 Thorastudium, Segregation und strikte Hierarchien
4 Jüdisch und/oder demokratisch? Das Staatsverständnis der Charedim
4.3 Fokussierung auf die jüdische Identität des Staates
5 Zielsetzungen und Strategien der ultraorthodoxen Parteien
5.1 Die Schlüsselstellung der ultraorthodoxen Parteien im politischen System
6 Konfliktfelder des Kulturkampfes
6.1 Keine Normen außer der Thora: Gegen Verfassung und Obersten Gerichtshof
6.2 Wächter über das Verhältnis von Religion und Staat: Konversion und Schabbatruhe
6.4 Die Auseinandersetzungen um den öffentlichen Raum
7 Exkurs: Der Konflikt mit den Palästinensern
8 Die Zukunft der ultraorthodoxen Gesellschaft
8.1 Politische Entwicklungen innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft
Problemstellung und Schlussfolgerungen
Seit Beginn der 2000er Jahre hat sich eine innerisraelische Auseinandersetzung verschärft, die den Staat seit seiner Gründung begleitet: jene um die Identität Israels. Insbesondere unter den jüdischen Israelis hat sich ein »Kulturkampf« entwickelt, der eine besondere Schärfe dadurch gewinnt, dass normative Fragen schnell mit grundsätzlichen Debatten über die Identität des Staates verbunden werden. Staatspräsident Reuven Rivlin sieht dies im Kontext des Entstehens einer »neuen israelischen Ordnung«. Seit der säkulare Zionismus an Bindekraft verloren habe, verhandelten Israels vier »Stämme« – der säkulare und der religiöse Zionismus, die israelischen Araber und die Ultraorthodoxen – eine neue gesellschaftliche Ordnung. Fluchtpunkt dieser Debatten ist nach wie vor die Frage nach der Bedeutung Israels als »jüdischer Staat«.
In diesen Auseinandersetzungen spielen die Ultraorthodoxen bzw. Charedim eine Sonderrolle: In der ohnehin tief gespaltenen israelischen Gesellschaft sind sie die einzige jüdische Strömung, deren Weltanschauung nicht auf dem Zionismus fußt. In ihrem Selbstverständnis begreifen sie sich als nicht-moderne, traditionelle Juden, die das authentische Judentum repräsentieren.
Dies führt zu einem doppelten Spannungsverhältnis, und zwar zu Staat und Mehrheitsgesellschaft. Einerseits betrachten die Charedim den Staat als Bedrohung ihrer Identität. Andererseits dient er ihnen ebenso wie die jüdischen Mitbürger als Projektionsfläche für die eigene Weltanschauung. Letzteres zeigt sich im Politischen insbesondere seit der Jahrtausendwende. Zu diesem Zeitpunkt beginnen Auseinandersetzungen um Sonderrechte der Charedim, wie Wehrdienstbefreiung und schulische Autonomie, die Gerichte zu beschäftigen und in Wahlkämpfe Einzug zu halten. Gleichzeitig verdrängen sie die religiösen Zionisten Schritt für Schritt aus deren Rolle als »Bewahrer der jüdischen Identität des Staates«. Stattdessen versuchen sie nun ihr Verständnis religiös-orthodoxer Prinzipien im Staat zu verankern.
Dieser Gestaltungsanspruch ist neu und macht die Charedim zu exponierten Akteuren im Kulturkampf, in dem es zwar nicht nur um die Charedim, aber immer wieder um deren Einfluss und Stellung im Staat geht. Das ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil der Anteil der – traditionell kinderreichen – Ultraorthodoxen an der israelischen Bevölkerung disproportional steigt: von vier Prozent im Jahr 1980 auf zwölf Prozent heute. 2040 wird er vermutlich bei mehr als 20 Prozent liegen.
Was bedeuten diese Entwicklungen für Israel? Wie verändern die Charedim Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und wie lauten ihre Zielsetzungen? Worum kreisen die Auseinandersetzungen konkret, wenn von staatlicher Identität die Rede ist? Wo liegen die Grenzen ultraorthodoxer Politik? Und wie verändert der Zuwachs ihrer Bedeutung im Staat die Charedim selbst?
Drei Konfliktfelder sind im Rahmen dieses Aushandlungsprozesses besonders relevant: Das erste betrifft die jüdische Identität des Staates, das neue Selbstverständnis der Charedim und die aktive Gestaltung des Staates durch ihre Parteien. Letztere läuft unter anderem darauf hinaus, jegliche Form normativer, vor allem liberaler Verfasstheit des Staates oder seiner zentralen Institutionen zu verhindern oder zu neutralisieren, die dem charedischen Weltbild entgegensteht. Dabei setzen die Charedim darauf, die substanziell liberalen Aspekte der israelischen Demokratie zugunsten einer prozeduralen Demokratie ohne normative Grundlagen zurückzudrängen. Außerdem beanspruchen sie die Deutungshoheit über das Verhältnis von Religion und Politik. Dies äußert sich einerseits in dem Bemühen, jede Liberalisierung oder Säkularisierung zu unterbinden, und andererseits in dem kontinuierlichen Versuch, den eigenen Überzeugungen zur Durchsetzung zu verhelfen – etwa mit Blick auf die Schabbatruhe oder die Frage, wer als Jude in Israel anerkannt wird.
Das zweite Konfliktfeld bezieht sich auf Sonderrechte für die Gemeinschaft der Charedim. Ein großer Teil der Israelis kritisiert eine privilegierte Behandlung auf Kosten der Mehrheit. Dies betrifft vor allem die Befreiung vom Militärdienst und die staatliche Bezuschussung von rund 50 Prozent der erwachsenen ultraorthodoxen Männer, die wegen des Thorastudiums keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Für die Charedim sind dies zentrale Elemente ihres Milieus, die vor staatlichen Eingriffen zu schützen sind. Die daraus erwachsenden Konflikte führen immer wieder zu Koalitionskrisen oder gar Neuwahlen, verweisen aber auch auf den Kulturkampf und damit verbunden die Frage, nach welchen Normen der Staat Prioritäten setzen soll.
Das dritte Konfliktfeld findet vor allem außerparlamentarisch statt und bezieht sich auf Fragen öffentlicher Normativität: Der Zuzug von Charedim in nicht-ultraorthodoxe Viertel führt oftmals zur Verdrängung der dort lebenden Bevölkerung und ändert die Funktionslogik öffentlicher Räume – etwa wenn Freizeiteinrichtungen durch religiöse ersetzt werden. Hinzu kommen Auseinandersetzungen um die restriktiven Regelungen der ultraorthodoxen Gemeinschaft gegenüber Frauen, die in charedisch dominierten Gebieten aus dem öffentlichen Raum gedrängt werden.
Die Charedim selbst geraten in eine doppelte Dynamik: Sie suchen zum einen den Staat zu verändern und befürchten zum anderen, durch die Verstrickung in Politik und Mehrheitsgesellschaft selbst verändert zu werden. Die Antworten auf diese Dynamiken fallen unterschiedlich aus. Plädieren die einen für Isolation, setzen andere auf Integration in den Staat, wieder andere gar auf dessen Übernahme.
Wohin der wachsende Einfluss der Charedim letztlich konkret führen wird, bleibt abzuwarten. Offenkundig aber ist schon jetzt, dass die Ultraorthodoxen jene Trends in Israel katalysieren, die liberale Staatsvorstellungen zugunsten religiöser schwächen. Dies zeigt sich auch in dem Bemühen, demokratische Konsensfindung durch rigide Durchsetzung von Mehrheitsentscheidungen abzulösen. Insbesondere in rechts-konservativ dominierten Koalitionen lässt sich dies deutlich beobachten.
Außenpolitisch wird der Machtzuwachs der Charedim nur mittelbare Folgen zeitigen. Das Ausland ist jenseits der Diaspora für die im Wesentlichen auf ihre Gemeinschaft hin orientierten Ultraorthodoxen schlicht nicht von Belang. Vermutlich werden sich die Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft in den USA weiter verschlechtern, die mehrheitlich liberal und reformjüdisch eingestellt ist. Nicht unwahrscheinlich ist auch, dass die Charedim in Bezug auf die palästinensischen Gebiete eher rechts-konservative Positionen unterstützen werden – das allerdings weniger aus ideologischen denn aus pragmatischen Gründen, um an entsprechenden Regierungskoalitionen beteiligt zu bleiben.
Für Israels Partner wird die ausgeprägtere Teilhabe der Charedim an Politik und Gesellschaft mittelfristig bedeuten, dass es immer dann, wenn Fragen von Interesse für die Charedim berührt sind, (noch) diffizilerer Übersetzungsleistungen bedarf, um gemeinsame Werte und Ziele zu identifizieren. Auf diversen Feldern – insbesondere was liberale und emanzipatorische Politik betrifft – wird der Dialog auch deutlich schwieriger werden.
Der israelische Kulturkampf: Genese und Konfliktlinien
Israel befindet sich derzeit in einem Identitätskonflikt. Gerungen wird um die Frage, welche Normen und Werte den Charakter des Staates bestimmen sollen.1 Die Hegemonie des säkularen Zionismus erodiert, und die Zusammensetzung der Bevölkerung verändert sich zugunsten der Ultraorthodoxen. In Israel, dessen Einwohnerschaft den Staat mehrheitlich als jüdischen begreift, hat diese demographische Verschiebung Folgen für das Selbstverständnis: Welche Auffassung des Jüdischen (religiös, national oder kulturell-philosophisch) soll welche Rolle im Staat spielen? Und was bedeutet überhaupt die Aussage, dass der Staat jüdisch ist?2
Mit den Differenzierungs- und Säkularisierungsprozessen des Judentums im sogenannten langen 19. Jahrhundert bildeten sich unterschiedliche jüdische Identitäten heraus: unter anderem ein progressives und ein Reformjudentum, ein nationales Judentum und eben auch die Ultraorthodoxie. Seitdem herrscht Uneinigkeit, ob man unter »jüdisch« primär ein national-politisches Phänomen, ein kulturell-philosophisches oder ein religiöses verstehen soll und wie man sich zur religiösen Tradition verhält: Muss diese säkularisiert, reformiert oder unverändert beibehalten werden? An diesen Streitfragen entzündet sich der sogenannte jüdische Kulturkampf, ein Begriff, der zwar dem christlich-deutschen Kontext entlehnt ist, aber frühzeitig auch im jüdischen Zusammenhang Anwendung fand.3 In Israel wird der Terminus nun für die andauernden Konflikte um diese Themen benutzt.
Dabei ist der Begriff »Kulturkampf« im Laufe der Zeit erweitert worden. Insbesondere im Fahrwasser des sogenannten cultural turn4 dient er im Rahmen sozialwissenschaftlicher Konfliktanalysen dazu, zu betonen, dass nicht nur Klassenfragen, sondern auch milieuspezifische Weltanschauungen und kulturelle Praktiken für gesellschaftliche Konflikte konstitutiv sein können.5 Das in den USA verbreitete Verständnis von cultural wars (nicht zu verwechseln mit Huntingtons »Kampf der Kulturen«) ist gleichfalls Ausdruck dieser Entwicklungen.6 Obwohl der Terminus »Kulturkampf« selten vollkommen losgelöst von religiösen Kontexten verwendet wird, meint er heute oft eine Auseinandersetzung um Normen, Werte und Praktiken, die mit der Herausbildung soziomoralischer und politischer Lager verbunden sind.
In Israel geht es weiterhin um die klassischen Streitpunkte, wenn auch unter anderen Vorzeichen und zugespitzt auf den Charakter des Gesamtstaates. Die Intensität des israelischen Kulturkampfs ist verknüpft mit den sich ändernden Hegemonien im Staat und der daraus folgenden politischen Logik. Zur Staatsgründung war in Israel der sozialdemokratische Republikanismus vorherrschend, der ein konkordanzdemokratisches Regierungssystem begünstigte, in dem die Arbeitspartei sich bemühte, Minderheiten durch Kompromisse zu integrieren.7 Der am weitesten reichende Kompromiss war das sogenannte Status-quo-Abkommen: Im Gegenzug dafür, dass die Charedim sich international nicht gegen die Gründung des zionistischen Staates aussprachen, wurden ihnen religiös-orthodoxe Mindeststandards im Staat zugesichert. Dazu gehörten das religiöse Personenstandsrecht, koscheres Essen in öffentlichen Einrichtungen, der Schabbat als Ruhetag in Israel sowie eine weitgehende Autonomie in Erziehungsfragen.8
Der Kulturkampf hat sich als zweitwichtigste innenpolitische Konfliktlinie etabliert.
Mit dem Wahlsieg des konservativen Likud 1977 endete nicht nur die sozialdemokratische Ära, sondern auch die konkordanzdemokratische Prägung des Systems. Seitdem entwickelte sich eine Konkurrenzdemokratie innerhalb eines Zwei-Block-Systems, bei der tendenziell säkulare, linke (die »Tauben« im Friedensprozess) und liberale Parteien den eher konservativ bis illiberalen, religiösen und politisch rechten Parteien (»Falken«) gegenüberstehen. Die Logik der Konkurrenzdemokratie zielt nicht mehr auf Kompromiss, sondern auf Durchsetzung der eigenen Interessen, und verschärft damit soziale Spannungen. Die dominierende Konfliktlinie für die politische Strukturierung und Koalitionsbildung ist bis heute der jeweilige Umgang mit den besetzten palästinensischen Gebieten. Die politisch links stehenden Fraktionen plädieren für Rückzug aus den besetzten Gebieten, die rechten Parteien lehnen dies ab.9
Seit der Jahrtausendwende etablieren sich die Streitfragen des israelischen Kulturkampfes zur zweitwichtigsten Konfliktlinie.
Dabei werden, wie die israelischen Politikwissenschaftler Asher Cohen und Bernard Susser bemerken, zum einen die Natur und Identität des Staates Israel mit zunehmender Schärfe verhandelt,10 zum anderen spitzen sich die Positionen zum Verhältnis von Staat und Religion zu: Säkulare wie Religiöse suchen immer häufiger die jeweils eigene Weltsicht als normativ einzig richtige und rechtlich verbindliche durchzusetzen. Diese Abkehr vom Kompromiss spiegelt sich auch in gesellschaftlichen Trends wider.11 Die säkulare Mehrheit (wenngleich schrumpfend)12 löst sich zunehmend selbst von den Restbeständen religiös-traditioneller Praktiken wie Schabbatruhe und Speisegesetzen (Kaschrut), während sich gleichzeitig eine »Religionisierung« oder »Charedisierung« von Staat, Gesellschaft und öffentlichen Normen vollzieht. Sichtbar wird dieser Prozess auch dadurch, das sich dafür im Hebräischen Neologismen eingebürgert haben: Ha’data‘ah (Religionisierung) bzw. Hitcharedut (Charedisierung).
Hier wird deutlich, dass der Kulturkampf nicht nur, aber insbesondere zwischen der wachsenden Gruppe der Charedim und der säkular-zionistischen Mehrheitsgesellschaft geführt wird: 2017 bezeichneten in einer Umfrage 77 Prozent der Befragten diese Spannung als den akutesten innerjüdischen Konflikt.13 So denken 90 Prozent der Säkularen, dass Religion und Staat getrennt werden sollten,14 während 82 Prozent der Charedim vom Staat die Förderung religiöser Werte und Überzeugungen erwarten.15 Solche Konflikte um die Vorherrschaft erzeugen oftmals Ängste: Weite Teile der israelischen Gesellschaft empfinden den Einfluss der Charedim auf ihr Leben als zu groß. Der Rechtswissenschaftler Mordechai Kremnitzer spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer »hegemonialen Minderheit«.16 Zudem beklagt eine große Mehrheit die Ungleichheit bei der Verteilung von Lasten und Pflichten. 90 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Umfrage sehen die Charedim als ökonomische Belastung.17 Einer Studie der Universität Haifa zufolge befindet sich Israel auf dem Weg zu einem »religiösen Staat«,18 entsprechend mehren sich Befürchtungen vor einer »Übernahme durch die Ultraorthodoxen«, einer »jüdischen Version des Irans«19 oder gar vor einer »Auslöschung«20 der säkularen Israelis.
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Quellen: Ahmad Hleihel, Fertility among Jewish Women in Israel, by Level of Religiosity, 1979–2017, Jerusalem: Central Bureau of Statistics |
Die Charedim wiederum begrüßen zwar die Bevölkerungsentwicklung, weisen diese Szenarien aber als ungerechtfertigt zurück.21 Sie seien nur ein weiterer Versuch, die Charedim von ihren Prinzipien abzu-
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Quelle: Tabelle A/3: Bevölkerung 1, nach Bevölkerungsgruppe, Alter und Geschlecht, 2018, Jerusalem: Israel Democracy Institute, 2018 [hebr.], <https://www.idi.org.il/media/11668/a0318.xlsx> (eingesehen am 19.10.2020). |
bringen und ihrer Identität zu berauben.22 Denn aus ihrer Sicht herrscht in Israel ein säkulares Zwangsregime.23 Ängste der Säkularen zerstreuen sie: Der Knessetabgeordnete Yitzhak Pindrus beispielsweise betont, die Charedim würden sich in erster Linie um sich selbst kümmern, da sie ständig fürchten müssten, dass die Finanzierung ihrer Schulen wegbreche.24 Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Mosche Gafni, der Vorsitzende der ultraorthodoxen Partei Degel HaThora, räumt durchaus ein, dass es einen Kampf um die Beziehung zwischen Religion und Staat gebe, und warnt vor Israels Entwicklung zu einem nicht-jüdischen Staat.25
Grafik 3 |
Quelle: Tabelle A/1: Bevölkerungsschätzungen nach Bevölkerungsgruppe und Alter, Schätzung 2009 und Prognose 2017–2065, Jerusalem: |
Demographie als Schlüssel zur Macht?
Die Charedim sind mit durchschnittlich 7,1 Kindern pro Frau die mit Abstand am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe Israels. Dabei steht Israel im internationalen Vergleich mit einer Geburtenrate von durchschnittlich 3,1 Kindern pro Frau bereits mit großem Abstand an der Spitze der OECD-Länder.26
Während zur Staatsgründung 1948 circa 35 000 bis 45 000 Charedim27 in Israel lebten, sind es siebzig Jahre später durch eine stabil hohe Geburtenrate über eine Million. Damit stellen sie rund 12 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zwar beeinflussen auch die Einwanderungswellen die Zahl der Charedim, doch wurden weit weniger Immigranten in das ultraorthodoxe Milieu sozialisiert als in das nationalreligiöse, traditionell-religiöse oder säkulare. Betrachtet man die Statistiken, erkennt man auch das weitere Wachstumspotenzial: Je jünger die Bevölkerungskohorte, desto größer der Anteil der Charedim.
Prognosen gehen daher von einem im Wesentlichen ungebremsten Fortgang dieser Entwicklung aus.28 Dem Zentralen Statistikbüro Israels zufolge könnte sich die Zahl der Charedim – bleibt die Geburtenrate in etwa auf dem Niveau der letzten vierzig Jahre – bis 2037 auf über 2,3 Millionen mehr als verdoppeln. Jeder vierte jüdische Israeli (24 Prozent) wäre dann ultraorthodox. Der Anteil an der Gesamtbevölkerung betrüge 19 Prozent. Bis 2065 könnten die Charedim sogar knapp 6,5 von 20 Millionen Israelis stellen.29
Nicht alle Charedim bleiben ihrem Herkunftsmilieu dauerhaft treu. In Studien aus jüngerer Zeit wird darauf verwiesen, dass zwischen 10 und 18 Prozent jährlich die ultraorthodoxe Gemeinschaft verlassen.30 Ob die Bevölkerungsentwicklung der Charedim dadurch tatsächlich gebremst wird, wird sich noch zeigen müssen.31
Der generelle Trend aber wird sich fortsetzen, und damit wächst auch – sowohl aus makroökonomischer als auch aus gesellschaftspolitischer Sicht – die Notwendigkeit, die Ultraorthodoxen stärker als bisher in die israelische Gesellschaft einzubinden. Eine solche Integration bedeutet aber im Umkehrschluss, dass auch ihre Überzeugungen verstärkt in die Gesellschaft getragen werden, was zu einer Verschärfung der normativen Fragestellungen im Kulturkampf führt. Überspitzt gesagt: Für die Mehrheit liegt die Hoffnung in einer Anpassung der Charedim. Umgekehrt ist gerade das Bemühen der Charedim, den Staat religiöser zu machen, ein Zeichen ihrer Bereitschaft, sich in den Staat zu integrieren und ihre Gemeinschaft ihm gegenüber zu öffnen.32 Die politischen und gesellschaftlichen Konflikte, die man in Israel derzeit beobachten kann, sind demnach wohl tatsächlich Geburtswehen einer »neuen israelischen Ordnung«, in der die Charedim kontinuierlich an Bedeutung gewinnen.
Wer sind die Charedim? Identität und Grundüberzeugungen
Zusammen mit den religiösen Zionisten bilden die Charedim eine der beiden Hauptströmungen der jüdischen Orthodoxie in Israel. Zu den Ultraorthodoxen zählen die beiden europäisch-stämmigen (aschkenasischen) Traditionen der sogenannten Litauer und der Chassiden sowie die nicht-europäischen, sephardischen Charedim. Innerhalb dieser drei Hauptgruppen gibt es, insbesondere bei den Chassiden, eine Vielzahl von Untergruppierungen, hinzu kommt eine kleine Minderheit explizit anti-zionistischer Gruppierungen – wie Edah Charedit oder Neturei Karta –, die den Staat Israel ablehnen, sich nicht an Wahlen beteiligen und jegliche Staatsförderung ausschlagen. Die deutliche Mehrheit (> 90 Prozent) der Charedim ist jedoch azionistisch. Praktisch bedeutet dies, dass sie dem Zionismus innerhalb gewisser Grenzen neutral gegenüberstehen, die Existenz des Staates begrüßen, aber jeden Einfluss auf ihre Lebensweise abwehren. Politisch sind die Charedim in Parteien entsprechend ihrer religiösen Hauptströmungen organisiert. Die Partei der chassidischen Charedim, Agudat Israel, bildet mit Degel HaThora (der Partei der »Litauer«) als Vereintes Thorajudentum (VTJ) eine Fraktionsgemeinschaft, die sephardischen Charedim haben sich in der Schas zusammengeschlossen. Die Unterstützung in der ultraorthodoxen Gemeinschaft ist hoch, sie sind Milieuparteien par excellence.33 Zwar ging die Wählerschaft innerhalb der Charedim zwischen 1999 und 2015 von 93,3 Prozent sukzessive auf 82,9 Prozent (und die Wahlbeteiligung von 91,8 Prozent auf 84,4 Prozent) zurück, was mit den bereits angedeuteten Diversifikations- und Integrationsprozessen zu tun hat. Nach intensiven Wahlkämpfen konnte die Parteien in den Wahlen vom April und September 2019 aber wieder über 90 Prozent der ultraorthodoxen Wählerschaft auf sich vereinigen.34 Trotz vieler interner Differenzen ermöglicht ihnen dieses bemerkenswert hohe Niveau an Zustimmung ein weitgehend homogenes Auftreten.
Sie eint eine kritische Sichtweise auf moderne Werte, Normen oder politische Prinzipien und die Ablehnung jeglichen nicht-jüdischen Einflusses. Mit dieser Einstellung unterscheiden sich die Charedim von sämtlichen anderen jüdischen Strömungen. Ausschlaggebend für die Ultraorthodoxen ist eine Weltsicht, die auf den von Gott offenbarten Gesetzen (der Halacha) und deren traditionellen Interpretationen (etwa im Talmud) beruht. Die daraus abgeleiteten Regeln und Gesetze berühren oftmals jedes kleinste Detail des Lebens und sind für die Charedim Ausdruck des Bundes mit Gott und die Existenzgrundlage des jüdischen Volkes. Ihre Einhaltung ist mithin die »Essenz der Aufgabe des Volkes, sein Zweck und sein Existenzrecht«.35
Die Charedim verstehen sich als die letzte Strömung im Judentum, die allein Werten der jüdischen Tradition und religiösen Prinzipien anhängt. Sie tendieren dazu, Ultraorthodoxie mit Judentum gleichzusetzen: Alle anderen Varianten gelten ihnen als illegitime Abweichungen und werden abgelehnt.
Thorastudium, Segregation und strikte Hierarchien
Die gelebte Praxis des Thorastudiums ist die Basis der ultraorthodoxen Gesellschaft. Sie ist der Hauptbestandteil ihres Bildungssystems, das – obwohl staatlich finanziert – säkulare Fächer wie Mathematik, Hebräisch, Geographie oder Naturwissenschaften in den Religionsschulen nur am Rande berücksichtigt.36 Denn die Kontrolle der Lehrpläne durch den Staat wird von den Charedim weitgehend obstruiert. Das ist bemerkenswert und international einzigartig: Der Staat zahlt für religiöse Privatschulen, auf deren Unterrichtsinhalte er kaum Einfluss hat.37 Mehr noch: Die Schulen und Textbücher vermitteln zwar Solidarität mit den jüdischen Mitbürgern als Juden, zeichnen sie aber zugleich als potenzielle Bedrohung für die ultraorthodoxe Identität.38 Durchgesetzt haben diese beachtliche Autonomie die charedischen Parteien.
Von deren politischem Einfluss hängt auch ab, inwieweit die erwachsenen ultraorthodoxen Männer möglichst einem Thorastudium in Vollzeit nachgehen können – ein Ideal, das sich unter der Prämisse torato omanuto (in etwa: die Thora ist seine Berufung) herausgebildet hat. Denn die Generationen nach dem Holocaust – durch den die Charedim zu einer verschwindend geringen Minderheit dezimiert wurden – leben mit dem Selbstverständnis, die letzten Bewahrer der jüdischen Tradition und der göttlichen Wahrheit zu sein. Der Wiederaufbau der im Holocaust zerstörten Welt steht unter dem Leitmotiv: »Uns ist nichts geblieben außer der Thora.«39 Bis heute liegt der Fokus der politischen Arbeit daher in Erhalt und Ausbau einer Gesellschaft, deren Lebensmittelpunkt das Thorastudium ist. Diese »Gesellschaft der Lernenden«40 ist Strukturträgerin der charedischen Lebenswelt, hat aber auch zur Folge, dass rund 50 Prozent der ultraorthodoxen Männer freiwillig erwerbslos und auf staatliche Alimentierung angewiesen sind.
Der Schutz der ultraorthodoxen Lebenswelt ist ein Hauptziel der politischen Arbeit.
Das separate Schulsystem dient zudem als Mittel »kultureller Verschanzung«, wie einer der führenden Kenner der Charedim, Benjamin Brown, es nennt.41 Hintergrund dieser Isolation in einen Rückzugsort vor der Außenwelt ist die Befürchtung, die moderne, säkulare israelische Kultur und deren Protagonisten könnten die ultraorthodoxe Gemeinschaft negativ beeinflussen. Der Freiheitsbegriff der Nicht-Orthodoxen beispielsweise wird als Abkehr von den religiösen Gesetzen begriffen, welche die Integrität der Gemeinschaft bedrohen kann.
Die Mehrheit der Charedim bevorzugt daher ein Leben in Nachbarschaften, in denen unter anderem der Schabbat strikt eingehalten, koscheres Essen verkauft und auf aus ihrer Sicht moralisch fragwürdige Angebote wie Kino oder Theater verzichtet wird. Perspektiven auf Sexualität und Geschlechterrollen sind zudem enorm restriktiv. Der Kontakt zwischen Männern und Frauen ist strikt geregelt und nach Möglichkeit zu minimieren.
Wie groß der Abstand der Charedim zum Rest der israelischen Gesellschaft sein kann, zeigt sich während der Corona-Pandemie: Als das Militär im Frühjahr 2020 in der ultraorthodoxen Stadt Bnei Brak den Lockdown organisierte, wurden Soldaten mit Jiddisch-Hebräisch-Wörterbüchern ausgestattet, da nicht alle Charedim ein gutes Neuhebräisch sprechen.42 Und im Herbst 2020 steigen die Infektionszahlen gerade in den ultraorthodoxen Gemeinschaften stark an. Die Menschen leben zwar teils abgeschottet, aber in räumlicher Enge. Gerade die Kombination aus Misstrauen gegenüber staatlichen Autoritäten und der als existenziell empfundenen Notwendigkeit, weiter die Thora zu studieren und die Synagoge zu besuchen, schuf Situationen, in denen große Menschenmengen miteinander in Kontakt kamen, ohne Hygienekonzepte zu beachten.
In einer Gesellschaft, für die in jeder Lebenslage die Konformität ihrer Handlungen mit den religiösen Gesetzen maßgeblich ist, kommt den Rabbinern eine Schlüsselrolle zu. Eine Handvoll führender Rabbiner – sogenannte Poskim (Entscheider) – agiert als Wegweiser bei ungeklärten Sachverhalten, aber auch als Ratgeber in alltäglichen Fragen (etwa zu Heirat, Beruf, Gesundheit, Finanzen oder zum Umgang mit modernen Technologien wie Internet oder Smartphone). Nicht immer sind die Antworten der Poskim eindeutig, und nicht immer können sie mit ihren Urteilen Entwicklungen in der ultraorthodoxen Gesellschaft aufhalten. Zum Beispiel steigen trotz vieler Warnungen der Rabbiner vor der Gefährlichkeit des Internets für die spirituelle Integrität der Gemeinschaft die Nutzerzahlen kontinuierlich an: Gaben 2008 nur 28 Prozent der Charedim an, im Internet zu surfen, waren es elf Jahre später schon 49 Prozent.43 Aber trotz der Tatsache, dass nicht alle Warnungen und Einschränkungen umgesetzt werden, gilt die rabbinische Entscheidung als normsetzend für das öffentliche wie private Leben der Charedim. 77 Prozent folgen laut einer Umfrage der Weisung der Rabbiner, auch wenn sie der eigenen Überzeugung widerspricht.44
Die Politik ist davon nicht ausgenommen, im Gegenteil. Ein kleiner Kreis von Rabbinern im Besitz der sogenannten Thorameinung (Da‘at Thora)45 fungiert als letztgültige Instanz für alle politischen Entscheidungen der Charedim. Im »Rat der Thoragrößen« (für Agudat Israel und Degel HaThora) bzw. dem »Rat der Thoraweisen« (für die Schas) haben sie das letzte Wort über alle politischen Aktivitäten der Parteien. Doch auch hier beruht die hierarchische Struktur letztlich auf Freiwilligkeit und dem Zwang zu sozialer Konformität; darüber hinaus gibt es keine Mittel, die Urteile der Rabbiner durchzusetzen.
Jüdisch und/oder demokratisch? Das Staatsverständnis der Charedim
Das Verhältnis zwischen Charedim und Israel als jüdischem und demokratischem Staat ist komplex. Es bewegt sich zwischen einem theoretisch-theologischen Standpunkt der Ablehnung und pragmatischer Anpassung, zwischen Kritik an der staatlichen Ordnung und den Werten der zionistischen Mehrheitsgesellschaft und der fortschreitenden Integration in den Staat Israel. Beide Elemente – das jüdische wie das demokratische – stellen die Ultraorthodoxen vor Herausforderungen. Die grundlegende Frage lautet aus ihrer Sicht, wie sich der Staat zur jüdischen Tradition verhält. In dieser Hinsicht kann man einen klaren Trend feststellen: Die theoretischen Argumente, warum der Staat abzulehnen sei, rücken in den Hintergrund. Stattdessen wird der Staat – der Juden immerhin ein religiöses Leben ermöglicht – zunehmend positiv gesehen.
Ein jüdischer Staat?
Um in den Augen der Charedim ein genuin jüdischer Staat zu sein, müsste Israel auf den Prinzipien der Thora und der Halacha aufgebaut, also gewissermaßen theokratisch sein. Dies hatten die Führer der Charedim vor der Staatsgründung gefordert – wohl wissend, dass dieses Ansinnen abgelehnt werden würde.46 Da der Staat nun kein halachischer ist, müssen die Charedim bis heute mit der Realität eines Staates umgehen, der nicht ihrem Verständnis des Jüdischseins entspricht. Dafür gibt es in der ultraorthodoxen Weltanschauung (Haschkafa) drei dominante Plausibilisierungen. Erstens: Der Staat ist ein modernes, zionistisches Unterfangen, das darauf zielt, das jüdische Volk »zu einem Volk wie alle anderen Völker« zu machen und das von Gott verhängte Exil in einem Akt menschlicher Selbstermächtigung zu beenden. Damit liegt dem Staat Israel ein häretisches Verständnis des Judentums zugrunde, eine Abwendung von Gott und der Thora.47 Zweitens: Der Staat ist ein rein bürokratischer Apparat, der je nach seinem Verhalten gegenüber den Charedim bzw. dem Judentum mal positiv, mal negativ bewertet wird.48 Diese Auffassung unterstreicht ebenfalls die Distanz zum Staat und wird oft als spirituelle Fortsetzung des jüdischen Exils (»Exil im Heiligen Land«) umschrieben.49 Drittens: Der Staat hat keine theologische Bedeutung, wird aber als Staat von und für Juden anerkannt, wodurch er an utilitärer Relevanz gewinnt. Er kann ein »sicherer Hafen« sein und es dem jüdischen Volk ermöglichen, Grundlagen der jüdischen Tradition und der Religionsgesetze einzuhalten.50 Entsprechend wachsen die Erwartungen an den Staat, religiöse Prinzipien umzusetzen.
Diese drei Ansätze schließen einander nicht aus, vielmehr werden sie je nach Kontext gewichtet. Für den Mainstream der Charedim hat die grundsätzliche Kritik am Staat zwar theologisch Bestand, ist aber lebensweltlich deutlich abgemildert zu einer Art »nicht-zionistischem Zionismus«,51 der es ihnen erlaubt, den Staat zu unterstützen und gleichzeitig ideologisch Distanz zu wahren. Insbesondere den misrachischen Charedim der Schas gelingt es, die Staatlichkeit, eine eingeschränkte Akzeptanz des Zionismus und die Prämissen der Ultraorthodoxie zu vereinen.52 Die beißendste Kritik richtet sich heute gegen säkulare Regierungen und politische Versuche, Einfluss auf die ultraorthodoxe Lebensweise zu nehmen. Zwar sehen sich die Charedim heute nicht mehr in ihrer Existenz bedroht, aber immer noch als eine Bevölkerung unter »Fremdherrschaft«.53
Bei aller politischen Annäherung bleibt die Abgrenzung zur jüdisch-zionistischen Mehrheitsgesellschaft bestehen: Eine klare Mehrheit der Ultraorthodoxen bezeichnet sich nicht als Zionisten, und nur ein Drittel identifiziert sich mit dem Staat.54 Gleichzeitig betrachten immerhin 65 Prozent von ihnen den Staat Israel mittlerweile als wichtig für das langfristige Überleben des jüdischen Volkes,55 und 89 Prozent sehen die Charedim in der Pflicht, dessen jüdischen Charakter mitzugestalten.56
Ein demokratischer Staat?
Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf das demokratische System Israels. Zwar akzeptieren die Charedim Demokratie de facto als politisches System, aber primär aus pragmatischen Gründen. Aus religionsrechtlicher Perspektive stehen sie demokratischen Prinzipien skeptisch gegenüber. »Demokratie«, so schrieb der wohl einflussreichste Rabbiner in der Geschichte Israels, Menachem Schach (1898–2001), »ist treif [unkoscher], und ihre Absicht ist es, die Thora zu zerstören«.57 Aus ultraorthodox-halachischer Sicht ist das nur konsequent: In einem jüdischen Gemeinwesen können demokratische Prinzipien keine Relevanz haben, da die Rabbiner den Weg weisen. »Jede Regierung«, erklärte ein ultraorthodoxer Autor bereits zur Staatsgründung, »die mit Souveränität und legislativer Autorität über die Thora prahlt, ist illegal, selbst wenn sie vom ganzen Volk gewählt wurde.«58
Dennoch haben sich die Mehrheitsführer der Charedim – die strikt antizionistische Minderheit bleibt außen vor – parteipolitisch im israelischen Parlament engagiert, um Einfluss darauf zu nehmen, wie der Staat über die Geschicke der Charedim entscheidet.59 Man operiert im politischen System, um größeren Schaden von der Gemeinde abzuwenden, auch wenn man es für illegitim hält. »Die charedische Öffentlichkeit spielt das demokratische Spiel in ihren ›auswärtigen Beziehungen‹ zur nicht-charedischen Öffentlichkeit, weil sie keine Wahl hat, aber sie macht das ex post facto und nicht a priori«, so Benjamin Brown. »Sie zieht weder Werte aus der Demokratie, noch versucht sie, diese zu übernehmen.«60 Der ultraorthodoxe Journalist Eli Lipshitz bestätigt diese Sicht, wenn er im Dezember 2019 schreibt: »Die Charedim sind keine Demokraten, und sie sind sicherlich keine Liberalen.«61
Entsprechend utilitär ist ihr Zugang zur Demokratie. Ihr werden bei allem Pragmatismus dort klare Grenzen gesetzt, wo sie ultraorthodoxen Prinzipien widerspricht oder gar die Souveränität der Thora infrage stellt. Konkret: Liberale Werte wie Gleichheit, Freiheit oder Autonomie des Einzelnen vertragen sich nicht mit der Fokussierung auf ein thorabasiertes Kollektiv, das auf den Rat der Rabbiner vertraut. Die Frage, ob der Staat jüdisch und demokratisch sein solle oder welches der beiden Merkmale sie bevorzugen würden, beantworteten denn auch 84 Prozent der Charedim mit »jüdisch«. Zwölf Prozent favorisierten »jüdisch und demokratisch« und nur zwei Prozent »demokratisch«.62 In einer weiteren Umfrage sprachen sich mehr als 80 Prozent für die Halacha als Rechtsgrundlage des Staates aus,63 in einer anderen Studie waren es sogar 86 Prozent.64 83 Prozent finden überdies, dass in Streitfragen die Halacha Vorrang vor demokratischen Prinzipien haben sollte.65
Fokussierung auf die jüdische Identität des Staates
Was also tun? Die Frage, was sie mit dem Staat anfangen sollen, stellt die Charedim vor ein Dilemma. Ihre Interpretation der Tradition bietet darauf keine Antwort. Das Ideal eines Staates, der auf Thora und Halacha beruht, ist kein unmittelbares politisches Ziel, und zwar aus zwei Gründen: Erstens wissen die Charedim, dass sie dies als Minderheit politisch nicht durchsetzen können, und aufzwingen will man der säkularen Bevölkerung den halachischen Lebensstil nicht. Dies wäre aus Sicht der ultraorthodoxen Elite weder praktisch noch moralisch oder religionsgesetzlich geboten.66 Die »Rückkehr« der Säkularen zur Religion ist im Denken der Charedim wenigstens bis dato kein politischer Auftrag.67 Das bekräftigte auch Mosche Gafni (VTJ) in der Knesset: »[I]ch will, dass der Staat Israel ein halachischer Staat wird. Aber ich weiß, dass ich es nicht jetzt will.«68 Zweitens gibt es keine Aussage der Thoragrößen dazu, wie der Staat denn aussehen sollte, wenn die Mehrheiten anders lägen. Sie haben keine politische Utopie für den Staat Israel entwickelt. Dies liegt vor allem daran, dass moderne Konzepte wie Ideologie und Staatlichkeit für die Rabbiner nicht in die Logik der vom jüdischen Exil geprägten Halacha übersetzbar sind und jeder Versuch in diese Richtung als Häresie wahrgenommen wird.69 Rebbe Horowitz aus dem Thorarat der Agudat Israel erklärt offen, er sei froh, dass die Charedim nicht die Mehrheit im Staat haben, weil er nicht wisse, wie man einen Staat mit der Verantwortung verwalten könne, die Thora einzuhalten.70
Dennoch führte der politische Machtzuwachs der Charedim unter anderem dazu, dass deren eigene Integration in Staat und politisches System voranschritt. Damit änderte sich die Auffassung ihrer Rolle im Staat. Sie sehen sich zunehmend als Hüter der jüdischen Identität des Staates und seiner jüdischen Bürger – eine Rolle, aus der sie die religiös-zionistischen Parteien effektiv verdrängt haben. Bereits seit der Jahrtausendwende, aber insbesondere seit den 2010er Jahren kann man einen wachsenden Gestaltungswillen der Charedim mit Blick auf die jüdisch-religiösen Aspekte der staatlichen Identität beobachten. »Wir sind hier«, so formulierte es der Abgeordnete Yaakov Asher (VTJ) 2017, »um den jüdischen Charakter des Staats zu bewahren.«71 Auch Gafni erkennt »einen dramatischen Wandel. Wir sehen nicht mehr nur auf uns selbst, sondern alles ist von Interesse für uns. […] Wir können uns nicht von Gesetzgebung und Regierungsentscheidungen zurückziehen, die letztlich den Staat Israel als jüdischen Staat verletzen würden.«72 Am offensivsten artikulierte zuletzt im Mai 2020 Mosche Abutbol (Schas) diesen Anspruch im Parlament: »Wirklich wichtig ist uns Charedim der jüdische Charakter des Staates, der nicht nur ein Staat der Juden sein soll, sondern ein jüdischer Staat nach unserer Weltanschauung.«73
Der »jüdische Charakter des Staates« – das betrifft ein breites Spektrum von Details der Lebensführung bis hin zu Grundmerkmalen der Verfasstheit. Dabei ist der ultraorthodoxe Standpunkt nicht revolutionär.74 Es geht derzeit nicht um die Verwirklichung eines ultraorthodoxen Staates, sondern um einen Transformationsprozess, allerdings ohne ein klar definiertes handlungsleitendes Ziel. Da der Thorastaat ein theoretisches Abstraktum bleibt, beschränkt sich der Gestaltungswille darauf, religiöse Prinzipien und religiöses Leben im Staat noch fester als bisher zu verankern.
Zielsetzungen und Strategien der ultraorthodoxen Parteien
Drei Themen stehen im Fokus ultraorthodoxer Politik. Das erste ist die klassische Klientelpolitik, in diesem Fall wesentlich die Finanzierung und der Schutz des charedischen Milieus vor dem Staat. Dies erfolgt vor allem durch Koalitionsvereinbarungen75 – bzw. gesetzliche Nachbesserungen und Vorstöße – in Kombination mit der strategischen Besetzung politischer Ämter. Letzteres zeigt sich besonders deutlich in der seit 2020 amtierenden Regierung: Neben dem Innenministerium, dem Ministerium für Wohnungsbau und dem Ministerium für religiöse Angelegenheiten haben die Charedim sich Posten als stellvertretende Minister im Finanz-, Wohlfahrts, Erziehungs- und Verkehrsministerium gesichert. Einige dieser Stellvertreterposten sind dezidiert mit der Zuständigkeit für die Belange der Ultraorthodoxen verknüpft – was deren Autonomie im Staat noch vorantreibt. Traditionell haben sie zudem den Vorsitz im Finanzkomitee der Knesset inne.
Zweitens geht es um das Verhältnis von Staat und Religion sowie um die jüdische Identität des Staates, die erstmals 2001 in einen Koalitionsvertrag Eingang fand. Besonders detailliert wird jeweils auf den sogenannten Status quo eingegangen. Das Ringen um die Deutungshoheit in dieser Frage manifestiert sich unter anderem in mehreren Schabbatklauseln (in der Regel zu Handel, Verkehr, Arbeitstätigkeiten), in Klauseln zu den Speisegesetzen (Kaschrut), zur Konversion und zur Rolle der Rabbinatsgerichte. Zudem findet sich seit 1992 in jedem Koalitionsvertrag eine Klausel, nach der alle Entscheidungen über Religion und Staat einstimmig in der Koalition zu treffen sind, was den Charedim de facto ein Vetorecht verleiht. Darüber hinaus ist es ihnen gelungen, eine Hegemonie in den wichtigen religiösen Institutionen zu erlangen. Alle Einrichtungen, die mehr oder weniger das religiöse Leben im Staat bestimmen, sind von den Charedim dominiert.76
Das dritte Thema ist relativ jung und betrifft die Anpassung der Rahmenbedingungen im öffentlichen Raum an ultraorthodoxe Bedürfnisse. Seit 2006 finden sich auch Klauseln in den Koalitionsverträgen, nach denen die Beeinträchtigung des ultraorthodoxen Lebensstils vermieden werden soll oder eigene Viertel für ultraorthodoxe Gemeinden auszuweisen bzw. neue Städte zu bauen sind. Dazu gehört auch die 2015 erstmals in den Koalitionsvertrag aufgenommene Klausel, dass für die besonderen religiösen Bedürfnisse der Charedim geeignete Arbeitsplätze geschaffen werden müssen.77 Hinzu kamen in der letzten Legislaturperiode zahlreiche weitere Gesetzesvorschläge,78 etwa das verpflichtende Ausweisen eines Eruvs (eine Gegend, in der das Tragen von Dingen am Schabbat außerhalb der Wohnung erlaubt ist), Vorstöße bezüglich sogenannter Schabbataufzüge (die am Schabbat automatisch in jedem Stockwerk halten) oder zur Ermöglichung von Geschlechtertrennung in Einrichtungen und Veranstaltungen. Ein weiteres Zeichen für die sich ändernde gesellschaftliche Zusammensetzung sind Gesetzesvorschläge zu Zentren, Stipendien und Gedenktagen zu Ehren verstorbener Thoragrößen oder zur Etablierung eines »Thora-Hauses« in Jerusalem. Außer zahlreichen öffentlichen Einrichtungen, die nach prominenten Zionisten benannt wurden (das Shimon Peres Center, der Flughafen Ben Gurion etc.), wird man in Zukunft wohl auch ein Ovadia-Yosef- oder Menachem-Schach-Zentrum zur Verbreitung von Thorawissen finden können.
Die Schlüsselstellung der ultraorthodoxen Parteien im politischen System
Grundlegend für den Einfluss der Charedim ist die politische Schlüsselstellung, die sie seit den 1990er Jahren zwischen dem rechten und linken Block einnehmen. Obwohl sie nur über 10 bis 15 Prozent der Knessetmandate verfügen, verleiht ihnen diese Stellung überproportional großen Einfluss und bringt sie in die Rolle der Königsmacher. Möglich ist dies, da die entscheidende Konfliktlinie – der Umgang mit den besetzten palästinensischen Gebieten – für die Parteien der Charedim von nachgeordneter Bedeutung ist. Die Charedim entziehen sich dieser Frage zugunsten politischer Flexibilität. »Niemand weiß«, so der Vorsitzende des Thorajudentums Litzman in einem Interview 2017, »ob ich für einen territorialen Kompromiss bin, für Eretz Israel HaShlema [das ganze Land Israel] oder ob ich eine Zweistaatenlösung unterstütze«.79
Auch wenn die Charedim eher den Positionen der israelischen Rechten zuneigen, stützen sie auch Mitte-links-Regierungen. Alle drei nicht vom Likud geführten Regierungen seit 1990 kamen mit den Stimmen der Charedim ins Amt. Für die meisten Likudregierungen gilt dies aber auch. Insgesamt waren die Charedim seit 1990 nur rund fünf Jahre nicht in der Regierung, aber an acht von zehn Koalitionen beteiligt.
Solche Beteiligungen sind essenziell für die Ultraorthodoxen, deren Strukturen von der Regierungspolitik abhängig sind. Finanzierung und Unabhängigkeit ihrer Religionsschulen – der Kern ihrer kulturellen Identität – sind nur durch eine Regierungsbeteiligung gesichert. Dies trifft auch für die Befreiung vom Militärdienst zu. Daher ist eine gewisse politische Flexibilität zum Schutz des eigenen Milieus geboten.
Gleichwohl kann man seit 2015 einen Rechtsruck bei den Parteien der Charedim beobachten. Insbesondere in den Wahlkämpfen 2019 und 2020 haben sie sich mit der politischen Rechten identifiziert.80 Das mag künftige Koalitionsbildungen einschränken; angesichts der rechts-konservativen Mehrheit, die sich im Israel der letzten zwanzig Jahre verfestigt hat, ist eine Fortsetzung der Regierungsbeteiligung allerdings wahrscheinlich.
Geht es um Fragen des Kulturkampfes, verlaufen die Konfliktlinien ohnehin anders. Dann befinden sich die Charedim bis dato immer in der Opposition. Auseinandersetzungen um die Verfasstheit des Staates sind dafür ein gutes Beispiel.
Konfliktfelder des Kulturkampfes
Keine Normen außer der Thora: Gegen Verfassung und Obersten Gerichtshof
Israel besitzt auch nach siebzig Jahren Staatlichkeit keine Verfassung. Zentraler Streitpunkt ist, dass eine Verfassung »Prinzipien und Werte, an die eine Gesellschaft glaubt und nach denen sie leben will, artikulieren« soll. Dies ist in Israel bislang an »unterschiedlichen Ansichten über den gewünschten Charakter des Staates Israel als jüdischem Staat« gescheitert.81
Die Parteien der Charedim haben sich seit jeher gegen eine Verfassung ausgesprochen. In keiner anderen Frage wird die ideologische Divergenz zwischen den Charedim und der Mehrheitsgesellschaft so deutlich. Ultraorthodoxe Politiker betonen, nur die Thora könne als Verfassung dienen: »Alle Verfassungen, die vom Menschen gemacht werden, haben keinen Platz in Israel. Falls sie der Thora Israels widerspricht, ist sie unzulässig, und ist sie identisch mit der Thora Israels, ist sie überflüssig.«82 Diese 1950 geäußerte Position überdauerte noch jede Verfassungsdiskussion.
Anschaulich konnte man den Konflikt während des drei Jahre tagenden Komitees zur Vorbereitung einer Verfassung (2003–2005) beobachten. Der Vertreter der Charedim, Avraham Ravitz, stellte zum Beispiel das Prinzip der Volkssouveränität ebenso infrage83 wie die Definition Israels als »jüdisch und demokratisch«.84 Der Widerstand der Charedim war letztlich maßgeblich für das Scheitern der Verfassungsentwürfe.85 Weitere Anläufe wurden wegen der Aussichtlosigkeit eines solchen Unterfangens seitdem nicht mehr unternommen.
Auch der Verabschiedung von Grundgesetzen mit verfassungsähnlichem Charakter stehen die Charedim kritisch gegenüber. Aus den 1992 verabschiedeten Grundgesetzen »Menschenwürde und Freiheit« und »Beschäftigungsfreiheit« hat der Oberste Gerichtshof zum Beispiel ein Normenkontrollrecht extrapoliert, das Verfassungsklagen zulässig macht. Angesichts der Tatsache, dass beide Gesetze klassisch liberale Gesetze sind und der Gerichtshof vielen seiner Urteile auch normative und emanzipatorische Überlegungen zugrunde legt,86 führte dies zum Konflikt zwischen Charedim und Gerichtshof. Und dies ist nicht der einzige.
Obwohl der Gerichtshof oftmals Rücksicht auf die kulturellen Besonderheiten der Charedim nimmt, bekommen Institutionen, die gegen ultraorthodoxe Praktiken, Vorrechte oder auf deren Einfluss zurückgehende Normen klagen, in vielen Fällen Recht. So ist der Gerichtshof maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Wehrdienstbefreiung der Charedim keine rechtliche Gültigkeit besitzt, hat verschiedentlich befunden, dass die Budgetierung ultraorthodoxer Schulen bzw. der Schüler dem Gleichheitsprinzip widerspreche, dass die Finanzierung ihres Bildungssystems von der Einhaltung eines Kernlehrplans abhängig zu machen sei und dass die Befugnisse rabbinischer Gerichtshöfe zu beschränken seien. Weiterhin hat das Gericht die Einfuhr von Schweinefleisch erlaubt, den rechtlichen Status nicht-orthodoxer jüdisch-religiöser Strömungen aufgewertet und verschiedentlich Urteile zugunsten der Geschlechtergleichstellung gefällt. Mehrfach erlaubte er außerdem die Öffnung von Geschäften und Freizeiteinrichtungen am Schabbat.
Zionismus oder Halacha: Was ist Grundlage des Jüdischen?
Beigetragen zur Verschärfung des Konflikts haben auch liberale Gesetzesdeutungen einzelner Richter zur Frage der Identität des Staates. So hat etwa der Langzeitvorsitzende Aharon Barak in Bezug auf den jüdischen Charakter des Staates geäußert, dass dieser sicherlich nicht religiös zu verstehen sei. Vielmehr seien es die »gemeinsamen universalistischen Rechte einer demokratischen Gesellschaft, die sich in der jüdischen Tradition« entwickelten, welche den Staat als jüdisch auszeichnen.87
In Reaktion auf diesen, wie es eine ultraorthodoxe Zeitung bezeichnet, »liberalen Terror«88 versuchen die Charedim – in Kooperation mit rechts-konservativen Fraktionen – seit einiger Zeit, die Befugnisse des Gerichtshofs einzuschränken. Der bedeutendste Vorstoß ist die immer wieder eingebrachte Grundgesetzänderung »Überstimmungsklausel« (Pisgat HaHitgabrut), die es dem Parlament erlauben würde, Urteile des Obersten Gerichtshofs und damit den Status des Gerichts als Verfassungsgericht durch eigene Abstimmungen auszuhebeln.89 Manche Varianten dieser Überstimmungsklausel gehen so weit, dass sie Urteile des Gerichts über Entscheidungen der Exekutive unmöglich machen und damit die Gewaltenteilung weitgehend aufheben würden.90 Insbesondere in der letzten Legislaturperiode gab es dazu heftige Diskussionen. Das Vorhaben scheiterte jedoch an der Kulanu, einer zeitweisen Abspaltung des Likud.91
Aus Sicht der Charedim dient die Klausel dazu, einen allzu selbstbewussten liberalen Gerichtshof in die Schranken zu weisen. Als entschiedene Kritiker einer in ihrem Kern liberalen Demokratie und in Abwesenheit eines religiösen Staates arbeiten sie auf ein Demokratieverständnis hin, das rein prozeduralen und majoritären Prinzipien folgt.
Trotz ihrer generell ablehnenden Haltung zu Regelungen staatlicher Verfasstheit legten die Charedim in den 2010er Jahren erstmals selbst Vorschläge für Grundgesetze vor. Darin ging es um verpflichtende Thorastudien für alle und die Festschreibung des Status quo im Verhältnis von Ultraorthodoxie und Staat. Auch dem sogenannten Nationalstaatsgesetz,92 das Israel als jüdischen Nationalstaat definiert, stimmten sie letztlich zu – nachdem ihnen versichert worden war, dass es keine negativen Auswirkungen auf den Status quo haben würde. Eher symbolischer Natur war der außerparlamentarische Vorstoß eines ultraorthodoxen Think-Tanks, die Souveränität der Thora grundgesetzlich zu verankern93 – gleichwohl ist auch dies ein Zeichen für ein Fortschreiten der politischen Integration. Neben dem Versuch, normative Verfasstheiten des Staates zu neutralisieren, wenn sie der ultraorthodoxen Weltanschauung entgegenstehen, kann man also auch erste Schritte sehen, das charedische Verständnis des Jüdischen in der Verfasstheit Israels zu verankern.
Wächter über das Verhältnis von Religion und Staat: Konversion und Schabbatruhe
Mit dem »Jüdischen« eng verknüpft ist die Frage, wer in Israel überhaupt als Jude gilt und welche Institution dies entscheiden kann. Laut dem sogenannten Rückkehrrecht und seiner säkular-zionistischen Logik darf jede Person einwandern, die Kind oder Enkelkind eines jüdischen Elternteils ist. Auch ein jüdischer Ehepartner ermöglicht die Immigration. Nach religiösem Recht gilt aber nur als Jude, wer Kind einer jüdischen Mutter oder zum Judentum konvertiert ist. Das heißt, nicht jede Person, die in Israel als Jude einwandert, wird im religiösen Sinn auch als solcher anerkannt. Dies führt zu Problemen bei Eheschließungen, Scheidungen, Geburten oder Todesfällen, da Israel kein ziviles Personenstandsrecht kennt. Insbesondere Immigranten aus der Sowjetunion, Äthiopien und den USA (die nach den in Israel nicht anerkannten Reformkonversionen ins Land kamen) sind davon betroffen. Unterdessen gibt es rund 400 000 (rund 4,5 Prozent) sogenannte »nicht-jüdische Juden«94 in Israel. Im nächsten Jahrzehnt soll diese Zahl laut einem Bericht aus dem Büro des Premierministers auf 500 000 ansteigen.95
Eine Konversion zum Judentum ist oft schwierig, da in Israel nur die orthodoxe Konversion anerkannt wird. Dies umfasst einen mehrjährigen Prozess, in dem potenzielle Konvertiten und ihre Familien ihr Leben nach der Halacha auszurichten haben und am Ende eine Prüfung vor einem der überwiegend mit ultraorthodoxen Richtern besetzten rabbinischen Gerichtshöfe ablegen müssen.96 Eine Vereinfachung der Konversion scheitert bislang am Widerstand der Charedim, die alle ihre Möglichkeiten nutzen – Gesetzesvorlagen, ministeriale Beschlüsse, das Oberrabbinat oder den Obersten Rabbinischen Gerichtshof.
Die wohl größte Kontroverse diesbezüglich entzündete sich in den nuller Jahren an dem Versuch, in einer staatlichen Behörde (Maarach HaGiur) eine vereinfachte Konversion anzubieten. Besetzt mit nationalreligiösen Rabbinern, unterstand die Behörde nicht dem Oberrabbinat, sondern dem Premierminister.97 Explizites Ziel, ja sogar erklärte »nationale Mission« dieses Projektes war es, so viele »nicht-jüdische jüdische« Einwanderer wie möglich zu konvertieren.98 Nach ohnehin harscher Kritik von charedischer Seite hob der Oberste Rabbinische Gerichtshof 2008 Tausende dieser Konversionen auf der Grundlage eines Einzelfalles auf, aus dem die Rabbiner extrapolierten, dass alle Konversionen der Behörde zweifelhaft seien.99 Der Vorsitzende Richter beharrte auf der Notwendigkeit dieses Urteils, weil jene Konversionen Israel als jüdischen Staat gefährdet hätten. Nicht der Zionismus, also nationalstaatliche Logik, sei die Grundlage des Jüdischen, sondern die Halacha.100 Zwar wurde das Urteil vom (säkularen) Obersten Gerichtshof wegen Verfahrensfehlern aufgehoben,101 dennoch hatte es Konsequenzen: Einige Rabbiner verweigerten – obwohl im staatlichen Dienst –weiterhin die Anerkennung jener Konversionen und stellten das Urteil des Obersten Rabbinatsgerichts über das des Obersten Gerichtshofs.102
Einen weiteren Verstoß zur Vereinfachung des Konversionsprozesses unternahm die Regierung, als die Charedim 2013 bis 2015 in der Opposition saßen. Die Administration verabschiedete ein Gesetz, das die vier staatlichen Konversionsgerichte (die direkt den beiden Oberrabbinaten unterstanden) um lokale rabbinische Tribunale erweiterte, die nicht nur mit ultraorthodoxen Richtern besetzt waren. Die Oberrabinate erklärten daraufhin, dass weiterhin nur streng halachische Kriterien maßgeblich wären und dass sie die Autorität hätten, vereinfachte Konversionen zu verhindern.103 Zudem wurde die Gesetzeslage in der nächsten Legislaturperiode, als die Charedim wieder am der Regierung beteiligt waren, in ihrem Sinne geändert.104
In dieser Frage reicht der Machtanspruch der Ultraorthodoxen auch über Israel hinaus. Die rabbinischen Gerichtshöfe erkennen nur eine sehr begrenzte Zahl außer-israelischer Konversionsgerichte an. Dies führt in steter Regelmäßigkeit zu Krisen, unter anderem mit den vom Reformjudentum dominierten jüdischen Gemeinden der USA.
Religiöse Prinzipien halten schrittweise Einzug in den Staat.
Nicht weniger umstritten ist die Frage, wie der Schabbat in Israel einzuhalten ist. Umfragen zufolge ist eine stabile Mehrheit von 60 bis 78 Prozent aller jüdischen Israelis dafür, Cafés, Restaurants, Geschäfte usw. am Schabbat zu öffnen und öffentlichen Nahverkehr zu erlauben.105 Unter den Säkularen erreichen die Zustimmungsraten meist über 90 Prozent. Genau umgekehrt ist das Bild bei den Charedim: In allen Umfragen lehnen mindestens 90 Prozent von ihnen eine solche Öffnung ab.106
Dennoch konnte man in den letzten Jahrzehnten in gewissen Bereichen eine Liberalisierung beobachten: Kinos, Freizeitparks, Cafés, Restaurants und sogar Zoos öffneten sukzessive auch am Schabbat – zumindest in Städten mit säkularen Mehrheiten.107 Dagegen gehen die Charedim vor, und zwar unter Rückgriff auf die staatliche Rechtsetzung.
Als beispielsweise die säkular geprägte Stadt Tel Aviv 2014 eine Verordnung zur Lockerung der Schabbatöffnungszeiten für Supermärkte und Kioske erließ, gab es zunächst eine Klage von Vertretern kleinerer Geschäfte, die befürchteten, Kunden an die großen Supermärkte zu verlieren, da sie nicht alle Öffnungszeiten mittragen konnten. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Verordnung mit dem Verweis, lebensweltliche Praktiken seien den jeweiligen Gemeinderegularien anzupassen.108 Daraufhin gab es verschiedene Vorstöße von ultraorthodoxer Seite, bestehende gesetzliche Regelungen restriktiver zu gestalten. Letztlich wurde auf ihren Druck hin ein Gesetz verabschiedet, das den Innenminister – oftmals von der Schas-Partei – ermächtigt, die Öffnungszeiten betreffende Verordnungen zu überstimmen bzw. abzulehnen.109
Auf ähnliche Weise wurde 2019 der Vorstoß Tel Avivs attackiert, am Schabbat öffentliche und kostenlose Buslinien zu betreiben. Bislang sind nur zahlungspflichtige öffentliche Verkehrsmittel am Schabbat verboten.110 Mosche Gafni (VTJ) kündigte daraufhin an, er werde in der nächsten Regierungskoalition ein Gesetz einbringen, das jeglichen öffentlichen Nahverkehr am Schabbat verbiete.111
In welchen Umfang der Staat Bauarbeiten am Schabbat zulässt, ist ein weiterer Streitpunkt. Auf Regierungsebene führen diese Themen rekurrierend zu Krisen. Anlass waren zuletzt Arbeiten am Eisenbahnnetz, die laut Bahngesellschaft nötig waren, um das Streckennetz aufrechtzuerhalten.112 So war die Bahn laut der Zeitung Haaretz zwanzig Jahre lang verfahren113 – und die Charedim hatten dies stillschweigend toleriert. Als jedoch auf ultraorthodoxen Websites Berichte über trotz angeblichen Stopps fortgesetzte Bauarbeiten am Schabbat erschienen,114 geriet die ultraorthodoxe Führung unter Druck. Eine Koalitionskrise war die Folge.115 Daraufhin trat Gesundheitsminister Yaakov Litzman (VJT) aus Protest zurück. Entschärft wurde die Krise erst durch eine Änderung des Arbeitsstundengesetzes, nach der in jede Entscheidung über eine Arbeitserlaubnis am Schabbat folgende Überlegungen einbezogen werden müssen: Gibt es eine Alternative zur Arbeit am Schabbat, was sagt »das israelische Erbe« (also die religiöse Tradition) dazu? Auch der potenzielle Schaden für die ansässigen Gemeinden müsse bedacht werden. Obwohl diese Gesetzesänderung letztlich kosmetischer Natur ist, zeigt sie doch, wie religiöse Prinzipien schrittweise im Staat Einzug halten.
Milieuverteidigung unter Druck: Wehrpflicht und Bildungssystem im Zeichen des demographischen Wandels
Die Diskussion über die Wehrdienstbefreiung der Ultraorthodoxen sorgt seit 1999 regelmäßig für politische Krisen, dominierte Wahlkämpfe und führte 2012 sogar zum Scheitern einer Koalition. David Ben Gurion hatte nach der Staatsgründung alle ultraorthodoxen Frauen und bis zu 400 Thoraschüler vom Militärdienst befreit, um die Ultraorthodoxen für die erste Regierungskoalition zu gewinnen. Die Zahlen für die Männer wurden kontinuierlich erhöht, bis Menachem Begin 1977 allen Vollzeitthorastudenten den Wehrdienst erließ – ein Zugeständnis an Agudat Israel für den Eintritt in seine Likud-geführte Koalition.116 Aufgrund der stetig wachsenden charedischen Bevölkerungsgruppe gingen dem Staat immer mehr Rekruten verloren: Betraf die Wehrdienstbefreiung ursprünglich 3,1 Prozent aller Männer im wehrfähigen Alter, waren es im Jahr 1977 schon 8 Prozent und 2019 schließlich 16 Prozent.117
Seit der Jahrtausendwende wurde dies zum Politikum – interessanterweise nicht primär wegen Rekrutenmangels und möglichen Einschränkungen der Verteidigungsfähigkeit. Gestritten wird vielmehr über die ungleiche Lastenverteilung.118 Die ultraorthodoxe Wehrdienstverweigerung stellt eine der Grundübereinkünfte der jüdischen Israelis infrage: den Gesellschaftsvertrag der zionistischen Mehrheitsgesellschaft, die sich als Nation unter Waffen begreift. In der Debatte geht es daher auch um Fragen israelischer Identität, bürgerlicher Pflichten und gesellschaftlicher Solidarität.119
Und wieder sind die Mehrheiten geradezu spiegelbildlich verteilt. Plädieren die jüdischen Israelis in den letzten zwanzig Jahren kontinuierlich mit deutlicher Mehrheit (knapp 80 Prozent) für einen verpflichtenden Wehrdienst der Charedim,120 sprachen sich 78 Prozent der Charedim 2017 dagegen, nur 5 Prozent dafür und 12 Prozent nur unter der Bedingung dafür aus, dass keine Thorastudenten eingezogen würden.121 Immer wieder wird das Argument vorgebracht, der Militärdienst werde nur gefordert, um jungen Ultraorthodoxen die israelischen Gepflogenheiten aufzuzwingen.122
Was ist wichtiger: der Staat oder die Tradition?
Denn während für die Zionisten der Militärdienst zur Raison d’être eines Staates gehört, der gegründet wurde, um die Sicherheit des jüdischen Volkes zu garantieren, beharren die Charedim darauf, dass die Einhaltung der Gebote und die Bewahrung der Tradition wichtiger seien als der Staat. Insbesondere weisen sie die zionistische Geringschätzung (Shlilat HaGalut) der für sie prägenden vorstaatlichen jüdischen Exilkultur weit von sich. Ein Anwalt der ultraorthodoxen Parteien formulierte dies im Kontext einer Anhörung so: »Wer im Staat die ultimative Zuflucht sieht, wer […] die existierende israelische Kultur […] der verabscheuungswürdigen und dunklen Kultur von Tausenden Jahren überlegen sieht, kann nicht verstehen, warum die physische Verteidigung des Heimatlandes nicht das wichtigste Prinzip ist.«123
Die politische Auseinandersetzung um den Wehrdienst zeigt in vielerlei Hinsicht paradigmatisch, mit welchen Mitteln die Charedim ihr Milieu erfolgreich verteidigen und warum Entscheidungen gegen sie so schwer durchzusetzen sind – selbst wenn es theoretisch parlamentarische Mehrheiten dafür gäbe. Nachdem Ehud Barak 1999 eigentlich unter dem Slogan »Am Echad, Gius Echad« (Ein Volk, eine Wehrpflicht) angetreten war, die Charedim für das Militär zu verpflichten, sah er sich zur Koalitionsbildung auf deren Parteien angewiesen. Die Kompromisslösung (das »Tal-Gesetz«) kam den Ultraorthodoxen deutlich entgegen, wurde aber nicht mehr verabschiedet, da die Koalition nach zwei Jahren aus anderen Gründen zerbrach. Der bis dato oppositionelle Likud unter Ariel Scharon formte eine neue Koalition mit den Charedim und verabschiedete nun mehr oder weniger jenes Tal-Gesetz, das er vorher vehement abgelehnt hatte.124
Doch damit war die Geschichte nicht zu Ende. Mit dem Gesetz wurden zwar die Grundlagen für die Rekrutierung von Charedim für das Militär geschaffen, allerdings, wie von ultraorthodoxen Parteien gefordert, ohne Zwangsmaßnahmen für Thoraschüler, was dazu führte, dass bis 2007 weiterhin kaum Ultraorthodoxe dienten. Im weiteren Verlauf wurde mehrmals gegen das Gesetz geklagt, unter anderem vom Movement for Quality of Government. Nachdem der Gerichtshof mehrere Übergangsfristen für eine gesetzliche Nachbesserung eingeräumt hatte, urteilte er 2012 schließlich, dass aufgrund der unveränderten Situation immer noch keine Wehrgerechtigkeit im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes herrsche, und verlangte entsprechende gesetzliche Regelungen.125 Dies führte dazu, dass die Charedim 2013 bis 2015 aus der Regierung gedrängt wurden. Kaum waren sie erneut an einer Koalition beteiligt, wurde die zwischenzeitlich verabschiedete striktere Gesetzgebung weitestgehend wieder aufgehoben. Da die derzeitigen Regelungen wiederum vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurden, ist der Weg für einen weiteren Konflikt zwischen Charedim und Oberstem Gerichtshof vorgezeichnet.
Interessant sind in diesem Zusammenhang zwei Beobachtungen, welche die Frage aufwerfen, ob es sich bei den Auseinandersetzungen um den Wehrdienst nicht eigentlich um ein Schattenboxen handelt. Zwar wurde die Zahl der wehrpflichtigen ultraorthodoxen Rekruten seit 2007 stetig angehoben, aber nie über zehn Prozent (max. 2 850) eines Jahrgangs hinaus. Das vom Gesetzgeber 2012 festgesetzte Ziel von 5 200 pro Jahr wurde nie erreicht. Außerdem setzte das Militär einem Investigativbericht zufolge in den letzten Jahren die Zahl der Rekrutierten oftmals zu hoch an und registrierte viele von ihnen als Charedim, die wohl eher den religiösen Zionisten zuzurechnen waren.126 Denn, und dies ist die zweite Beobachtung, die Armeeführung scheint eher zögerlich zu sein, den Wehrdienst der Charedim einzufordern. Die Hürden und Kosten für die Integration der Ultraorthodoxen in den Militärdienst sind hoch, eine Bevölkerungsgruppe gegen ihren Willen einzugliedern ist ohnehin kaum möglich.127 Zudem ist fraglich, ob die ultraorthodoxen Rekruten aus sicherheitspolitischer Perspektive wirklich gebraucht werden oder ob die Zahl der Rekruten nicht auch ohne sie ausreicht.
In Bezug auf das Schulsystem der Charedim sind zwei Bereiche gesellschaftlich umstritten: erstens der Status der Religionsschulen als staatlich (teil-)finanzierte Einrichtung bei gleichzeitiger Lehrautonomie mit eingeschränkt säkularen Bezügen,128 zweitens die Alimentierung der erwachsenen Vollzeitthoraschüler und die wirtschaftlichen Folgen dieser gewählten Erwerblosigkeit für den Staat.
Grafik 4 |
Quelle: Tabelle D/2: Beschäftigung bei Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren nach Bevölkerungsgruppe und Geschlecht, 1995 bis 2008, Jerusalem: Israel Democracy Institute [hebr.], <https://www.idi.org.il/media/13661/d0219.xlsx> (eingesehen am 19.10.2020). |
Als 1999 mit der Klage einer säkularen Nichtregierungsorganisation vor dem Obersten Gerichtshof um Durchsetzung der staatlichen Aufsichtspflicht über die ultraorthodoxen Schulen ein Konflikt um das Schulsystem entbrannte,129 nahm die Auseinandersetzung im Weiteren einen ähnlichen Verlauf wie jene um die Wehrpflichtbefreiung. Der Oberste Gerichtshof ordnete an, dass ein vom Bildungsministerium festzulegender Kernlehrplan für säkulare Fächer (Mathematik, Englisch, Hebräisch, Naturwissenschaften etc.) erlassen werden müsse.130 Zunächst wurde eine Entscheidung darüber verschleppt, da Ultraorthodoxe in der Regierung saßen.131
Nach mehreren Klagen und Aufschüben fällte der Gerichtshof ein Urteil, das die Regierung zwang, einen Kernlehrplan zu implementieren. Auf Druck der ultraorthodoxen Parteien wurde daraufhin 2008 das Gesetz »Erziehungseinrichtungen einzigartiger Kulturen«132 verabschiedet, das neue Ausnahmeregelungen für ihre Schulen begründet. In den Oppositionsjahren der Charedim von 2013 bis 2015 entflammte die Diskussion erneut. Auf Drängen der säkularen Partei Yesh Atid wurden nun tatsächlich ein Kernlehrplan mit säkularen Fächern implementiert und dessen Nichteinhaltung sanktioniert. Zudem kürzte der Staat die Finanzierung ultraorthodoxer Schulen und Studierender um rund 50 Prozent und hob entsprechende Sondergesetze auf. Mit der Rückkehr der Charedim in die Regierung 2015 wurde die Uhr wieder zurückgedreht: Die allermeisten Verpflichtungen auf einen Kernlehrplan sind seitdem für alle ultraorthodoxen Schulen außer Kraft, die Finanzierung hat wieder den Status quo ante erreicht.133
Eng damit verknüpft ist die Debatte über ultraorthodoxe Männer, die sich ausschließlich dem religiösen Studium widmen und dafür ein staatliches Stipendium erhalten. Laut dem Büro des Premierministers entsprechen die Einkünfte dieser sogenannten Kollel-Studenten rund 80 bis 110 Prozent des Mindestlohns. Für einen substanziellen Anteil daran kommt die Staatskasse auf, der Rest wird privat finanziert.134 Rund 50 Prozent der ultraorthodoxen Männer sind heute auf diese Unterstützung angewiesen. Damit ist die Rate der Beschäftigten seit ihrem Tiefststand 2002 (35 Prozent) zwar deutlich gestiegen, befindet sich aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.135 Aber selbst wenn mehr Charedim prozentual einer Arbeit nachgingen, würde sich die absolute Zahl der Kollel-Studenten kontinuierlich erhöhen. Allein von 2013 bis 2018 stieg sie um 30 000 auf über 85 000.136
Die Beschäftigungsrate ultraorthodoxer Frauen ist deutlich höher; sie stieg im gleichen Zeitraum von 51 Prozent auf 73 Prozent.137 Beide stehen jedoch in scharfem Kontrast zur Beschäftigungsrate nicht-ultraorthodoxer jüdischer Männer (86,5 Prozent) und Frauen (81 Prozent) in Israel. Das hat auch Konsequenzen für das Leben der Charedim: Mehr als die Hälfte (52,6 Prozent) lebt unter der Armutsgrenze (Landesdurchschnitt: 21,9 Prozent).138 Neben der geringen Berufstätigkeit trägt die unzureichende Ausbildung dazu bei, dass Charedim für den Arbeitsmarkt schlecht gerüstet sind und vornehmlich Jobs im Niedriglohnsektor139 oder in Teilzeit finden.140 Der Kinderreichtum verschärft die Problematik: Laut einer OECD-Studie leben ultraorthodoxe Familien mit mehr als sechs Kindern (Durchschnitt: 7,1) trotz Median-Einkommen und Doppelverdienst meist unter der Armutsschwelle, sind also working poor.141
Die fortschreitende Einbindung der Charedim hat für die Mehrheitsgesellschaft einen Preis.
Dies führt zu gesellschaftlichen Kontroversen. Eine Mehrheit der Israelis betrachtet die Charedim als wirtschaftliche Belastung. In einer rekurrierenden Umfrage werden sie durchgehend als diejenige Gruppierung genannt, die am wenigsten zur israelischen Gesellschaft beiträgt.142
Aber auch in Wirtschaftsgutachten wird gewarnt. Der staatliche Auditor bezifferte in seinem Jahresbericht 2011 die Gesamtkosten für die israelische Wirtschaft, die mit der geringen Beschäftigungsrate einhergehen, auf vier Milliarden Schekel (NIS) – circa eine Milliarde Euro.143 Im Arbeitsministerium ging man im Juli 2019 davon aus, dass die niedrigen Beschäftigungsraten der Charedim die Wirtschaft bei unveränderten Bedingungen bis 2030 pro Jahr 40 Milliarden NIS kosten werden (bei einem Bruttoinlandsprodukt von 1,174 Billionen NIS) – extrapoliert auf 2065 wird mit über 400 Milliarden NIS jährlich gerechnet.144 Die israelische Zentralbank fürchtet auf lange Sicht sogar den Bankrott des Staates.145
Vor diesem Hintergrund hat es politisch immer wieder Vorstöße gegeben, die Ultraorthodoxen durch eine Mischung aus negativen (Kürzung von Kindergeld, Einkommenszuschüssen und anderen Geldern) und positiven Anreizen (negative Einkommenssteuer, spezielle Beschäftigungsprogramme, Kindertagesstätten) zur Erwerbsarbeit zu bewegen. Größere politische Spielräume gibt es aber immer nur, wenn die Charedim nicht an der Regierung beteiligt sind. Daher ist es auch nicht überraschend, dass das 2010 formulierte Regierungsziel, 63 Prozent der männlichen Charedim bis zum Jahr 2020 in Arbeit zu bringen, klar verfehlt wurde.146
Dennoch kann man einen positiven Trend in der Beschäftigungsrate sehen. Dies hat auch mit Entwicklungen in der ultraorthodoxen Gemeinschaft zu tun: Die schwierige wirtschaftliche Situation, eine Reihe von Ultraorthodoxen, die nur zum Schein in Religionsschulen eingeschrieben ist (sogenannte drop-outs), die zunehmende Integration von Ultraorthodoxen in die Gesellschaft sowie die Abnahme des Gefühls der existenziellen Bedrohung haben ein Umdenken in der ultraorthodoxen Elite bewirkt. Konnte man noch 2008 vom Leiter eines Netzwerks von Religionsschulen hören: »Das jüdische Volk und die Welt existieren wegen der Thora. […] Arbeit ist keine Option«,147 so hat sich diese Sichtweise relativiert. Die Rabbiner geben jungen Männern auf Arbeitssuche mitunter offen, mitunter schweigend ihre Zustimmung. Tatsächlich plädieren ultraorthodoxe Parteien heute in bestimmten Sektoren sogar für die Einführung von Quoten für Charedim.148 Allerdings beharren sie darauf, dass die Arbeitsplätze den Bedürfnissen ihrer Gemeinde angepasst werden. Die fortschreitende Einbindung der Charedim hat, so zeigt sich, für die Mehrheitsgesellschaft einen Preis.
Die Auseinandersetzungen um den öffentlichen Raum
Hitcharedut – Charedisierung. Unter diesem Begriff werden in Israel Entwicklungen (und Konflikte) zusammengefasst, die damit zusammenhängen, dass Ultraorthodoxe ihre angestammten Wohnviertel verlassen und in nicht-charedische Gegenden ziehen. Bis Ende der 1980er Jahre wohnten die meisten Charedim vor allem in Bnei Brak und Jerusalem (wo auch heute noch rund 40 Prozent aller Charedim leben). Das Bevölkerungswachstum führte jedoch zu einer Krise am ultraorthodoxen Wohnungsmarkt. Bis 2035 fehlen laut Ministerium für Wohnungsbau 200 000 Wohnungseinheiten für charedische Familien.149
Zwei Lösungsmöglichkeiten stehen im Raum: zum einen der Bau neuer ultraorthodoxer Städte, die speziell auf die Bedürfnisse der Charedim ausgelegt sind und als Rückzugsort vor der nicht-ultraorthodoxen Gesellschaft dienen. Die prominentesten Beispiele sind die drei Städte Beitar Illit, Modiin Illit und Elad, in denen dem Ideal einer räumlichen und soziomoralischen Separation vom Rest der Gesellschaft Rechnung getragen wird. Beitar Illit hat sogar dezidiert damit geworben, die erste Stadtgründung für Ultraorthodoxe zu sein, da »räumliche Trennung am ehesten dazu geeignet ist, einen unabhängigen Lebensstil zu wahren«.150 Auf diesem Weg lassen sich Auseinandersetzungen zwischen den Charedim und anderen religiösen Strömungen vermeiden, allerdings korreliert die Zahl der arbeitenden Charedim eindeutig mit der Heterogenität der von ihnen bewohnten Viertel. Je homogener also die Gemeinschaft, desto geringer der Prozentsatz der Arbeitenden, desto größer die Armut und desto religiöser der Fächerkanon an den Schulen.151
Zum anderen werden Ultraorthodoxe außerhalb ihrer angestammten Viertel bzw. Städte angesiedelt. Beispiele dafür finden sich etwa in Aschdod, Netanya, Arad, Beit Schemesch, Safed oder auch Jerusalem. Dies führt aber oftmals zu Konflikten mit den Alteingesessenen um Fragen von Integration, Teilhabe und öffentlicher Normativität.
In Israel dreht sich Gentrifizierung nicht um Klasse, sondern um Religion.
Diese laufen häufig nach zwei, zumeist ineinandergreifenden Mustern ab.152 Anfangs suchen sich die Zugezogenen weitgehend von der Umgebungsgesellschaft zu separieren, bis hin zur Errichtung von Trennmauern, Zäunen und Sichtschutzanlagen.153 Gleichzeitig setzen Bemühungen ein, den separierten Raum auszuweiten. Dies wird unterstützt durch Lokalpolitiker und eine nationale Gesetzgebung, die es den Charedim ermöglicht, die Finanzierung ihrer Schulen auch von Gemeinden einzufordern,154 wodurch sie ihren Einflussbereich langsam ausdehnen. Wellen geschlagen hat die Veröffentlichung eines Investorenplans auf einer ultraorthodoxen Website, dem zufolge »die ultraorthodoxe Öffentlichkeit nicht länger ihre Absicht verberge, säkulare Viertel mit der Absicht der Charedisierung zu übernehmen«.155
In vielen Nachbarschaften kommt es tatsächlich zur Verdrängung der Eingesessenen. Eine Studie für Jerusalem kommt zu dem Ergebnis, dass deren beschleunigte Abwanderung ungefähr bei einem Anteil von 12 Prozent Ultraorthodoxer in einer Nachbarschaft beginnt.156 Der soziale Druck in Richtung einer Normvorstellung, die nicht die eigene ist, wächst, die Viertel verändern ihre Struktur. Einrichtungen wie Cafés, Restaurants oder Kinos verlieren an Kunden und müssen nicht selten schließen, gleichzeitig vermeiden viele Unternehmen Verstöße gegen den ultraorthodoxen Codex– aus Angst vor Protesten, Vandalismus oder Boykott der Charedim, der deutliche wirtschaftliche Einbußen mit sich brächte. In Israel geht es nach Ansicht der Journalistin Shoshana Kordova bei Gentrifizierung nicht um Klasse, sondern um Religion157 – was die Bedeutung des Kulturkampfes als soziale Konfliktlage unterstreicht.
Besonders umstritten ist die Präsenz von Frauen im öffentlichen Raum. Wo ultraorthodoxe Gemeinde sich etablieren, werden öffentliche Bilder von Frauen übersprayt, Frauen durch Schautafeln aufgefordert, auf »freizügige« Kleidung zu verzichten, oder bekommen eigene Bürgersteige zugewiesen. Im Extremfall werden sie bei Nichtbefolgung der Regeln auch attackiert. Dieser Prozess ist in Israel als Hadarat Naschim (Ausschluss von Frauen aus der Öffentlichkeit) bekannt geworden.
Die staatlich gewollte Integration der Charedim ebnet Geschlechtertrennung den Weg.
Zahlreich sind die Orte, an denen Geschlechtertrennung Einzug findet: Das reicht von (sogenannten Mehadrin-)Bussen über Friedhöfe, Privatkliniken, Arbeitsplätze, öffentliche Veranstaltungen bis hin zu Flugzeugen der EL AL.158 Dabei lehnen 79 Prozent der jüdischen Israelis Geschlechtertrennung in öffentlichen Räumen ab.159 Gegen viele dieser Praktiken wurde erfolgreich geklagt; gleichwohl kann man feststellen, dass sich die Praxis der Geschlechtertrennung fortsetzt, etwa indem auf die Freiwilligkeit der Geschlechtertrennung hingewiesen oder auf private Anbieter ausgewichen wird.160 Verstärkt wird dieser Prozess durch die wachsende Bedeutung der Charedim als potenzielle Kunden: Werbestrategien oder Unternehmen in ihren Geschäftsräumen gehen auf die Rollenpräferenzen der Ultraorthodoxen ein. Ikea etwa hat einen eigenen Katalog für die Charedim herausgegeben, in dem nur ultraorthodoxe Männer zu sehen sind.161
Gleichzeitig ebnet die staatlich gewollte Integration der Charedim der Geschlechtertrennung den Weg. Das gilt insbesondere im Armeedienst sowie in Einrichtungen für berufliche Weiterbildung wie Universitäten oder Colleges. Dort werden Programme angeboten, zu denen Frauen weder als Studentinnen noch als Lehrerinnen oder Dozentinnen zugelassen sind, um den Ultraorthodoxen den Einstieg in eine Berufsqualifizierung zu erleichtern. Fast alle akademischen Einrichtungen verfügen mittlerweile über nach Geschlechtern getrennte Bereiche samt entsprechenden Eingängen, Fluren oder Bibliothekszeiten.162 Die Armee wiederum verbannte Soldatinnen aus bestimmten Militärbasen, zu denen nur noch Ehefrauen Zutritt haben.163 In einigen Fällen verweigerten Charedim die Teilnahme an Militärveranstaltung, weil dort Sängerinnen auftreten sollten.164
Zusammenfassend kann man sehen, welches Konfliktpotenzial das Aufeinandertreffen der jeweiligen Normvorstellungen mit sich bringt. Besonders schwierig wird es dort, wo Verdrängungsprozesse einsetzen, wo gefühlte rote Linien überschritten oder Grundrechte verletzt werden. Umgekehrt zeigt sich, dass dort, wo die Integration gewünscht wird, Zugeständnisse an charedische Normvorstellungen gemacht werden müssen. Die zunehmende Präsenz der Charedim in der israelischen Gesellschaft verändert – fast schon automatisch – auch Normen im öffentlichen Raum und verlangt nach ständiger Abwägung, welchen Preis die säkulare Mehrheitsgesellschaft für die Integration der Charedim zu zahlen bereit ist.
Exkurs: Der Konflikt mit den Palästinensern
Die charedischen Parteien waren mit Blick auf den Konflikt mit den Palästinensern lange offen für Friedensverhandlungen. Erst in den letzten Jahren verorten sie sich in dieser Frage weiter rechts.
Diese zurückhaltende Positionierung der Charedim – vor allem der Litauer – geht zurück auf eine theologische Prämisse aus der Zeit des jüdischen Exils. Demnach sollte das Judentum »nicht gegen die Völker der Welt« rebellieren.165 In konkrete Politik übersetzt bedeutete dies Rücksichtnahme auf die Vereinten Nationen (als Vertreter der »Völker der Welt«) und insbesondere die USA als Führungsmacht. Explizit stand der Rabbiner Schach sowohl dem Siedlungsbau als auch der Annexion Ostjerusalems kritisch gegenüber. Auch unterstützte er, vor dem Hintergrund des religiösen Gebots, Leben zu schützen, das Prinzip »Land gegen Frieden« – er war also bereit, Territorien aufzugeben.166 Der langjährige spirituelle Führer der Schas, Ovadia Yosef, sprach sich ebenfalls für dieses Prinzip aus und ermöglichte eine Koalition zwischen Schas und der Arbeitspartei, als es um die Verabschiedung der Oslo-Abkommen ging.167 Die Rabbiner der Chassidim und die Partei Agudat Israel vertreten in diesen Fragen keine einheitliche Meinung, tendieren aber mehrheitlich zu einer rechts-konservativen Position.
Die Charedim rücken in der Gebietsfrage nach rechts.
Doch im Zuge des ungelösten Konflikts rückten die Charedim ebenso wie weite Teile der israelischen Gesellschaft nach rechts. Dazu kommt, dass nach dem Ableben der einflussreichen Rabbiner Schach (2001) und Yosef (2013) im Westjordanland Siedlungen für die Charedim errichtet bzw. deutlich ausgebaut wurden. Insbesondere die Schas hat seitdem eine ideologische Wende vollzogen. Auch wenn Fragen nach dem Umgang mit dem Westjordanland nach wie vor für sie nicht im Mittelpunkt stehen, unterstützt sie Netanyahu und tritt unterdessen für eine Ausweitung der israelischen Souveränität auf das Jordantal ein.168
Die Fraktionsgemeinschaft Vereintes Thorajudentum schließt eine Gebietsrückgabe zwar derzeit aus, da die Aussichten auf einen Frieden mit den Palästinensern schlecht stehen.169 Wenn sich durch eine Abtretung jüdisches Leben schützen ließe, gilt die Ablehnung aber nicht grundsätzlich, wie der Abgeordnete Yaakov Asher 2019 erläuterte.170 Vor allem der einflussreiche VJT-Vorsitzende und dienstälteste Parlamentarier der Knesset, Moshe Gafni, steht in vielerlei Hinsicht in der Tradition des Rabbiners Schach, was Belange des Konflikts betrifft. Auch gegenüber der Linken hat er wenig Berührungsängste.171 Manche seiner Stellungsnahmen wären für rechte Politiker nicht vorstellbar. »Die Palästinenser«, ließ er beispielsweise 2017 verlauten, »waren vor uns da […], wir haben sie von hier vertrieben.«172 Gleichzeitig erkennt auch er, dass die internationale Situation sich insbesondere seit der Regierungsübernahme Donald Trumps verändert hat. Das halachische Gebot, nicht gegen die Völker der Welt zu rebellieren, legt vor diesem Hintergrund eine weniger versöhnliche Haltung gegenüber den Palästinensern nahe.173 Im neuen Koalitionsvertrag sichern die Parteien der Charedim Netanyahu sogar Unterstützung zu, sollte er sich zu Annexionen palästinensischer Gebiete entschließen. Medienberichten zufolge soll allerdings Gafni für den Vorbehalt verantwortlich sein, dass vor einer solchen Gebietsaneignung die ausdrückliche Zustimmung der USA einzuholen ist.174
Von der Gebietsfrage abgesehen pflegen die Parteien der Charedim zu jenen der israelischen Araber ein überwiegend gutes Verhältnis. Verschiedentlich kooperiert man sogar bei Gesetzesinitiativen zu religiösen, sozialen oder milieuspezifischen Themen.175 Mitunter wird dies regelrecht inszeniert: Bekannt geworden ist eine Rede von Israel Eichler (VTJ) 2014 in der Knesset, in der er den israelischen Arabern auf Arabisch seine Solidarität ausdrückt – wofür ihm der arabische Abgeordnete Ahmad Tibi auf Jiddisch dankt.176
Unklar bleibt, wie sich die Charedim künftig im Konflikt mit den Palästinensern positionieren werden. Man kann eine deutliche Diskrepanz zwischen politischer Elite und ihren Wählern erkennen, die viel radikalere Sichtweisen vertreten: 59 Prozent von ihnen wollen die Araber aus Israel vertrieben sehen.177 Dies scheint auch eine Generationenfrage zu sein. Tendenziell gilt bei den Charedim wie in der gesamten jüdisch-israelischen Gesellschaft: je jünger, desto weiter rechts.178 Das lässt sich auch im Parlament beobachten: Der jüngste Abgeordnete von Degel HaThora, Yitzhak Pindrus, positioniert sich deutlich weiter rechts als seine älteren Kollegen.
Die Zukunft der ultraorthodoxen Gesellschaft
Der von der Mehrheitsgesellschaft beklagten Charedisierung entspricht auf ultraorthodoxer Seite ein gegenläufiger Trend, den man als »Israelisierung« bezeichnen kann.179 Das zeigt sich bei einem Teil der ultraorthodoxen Bevölkerung – den sogenannten neuen Charedim – seit der Jahrtausendwende etwa durch Teilnahme an kulturellen Events, Besuch von Cafés und Einkaufszentren oder auch daran, dass sie in gemischte Viertel ziehen. Die Beschäftigtenrate unter den Männern steigt ebenso wie die Bereitschaft, neben dem Thorastudium säkulare Fächer zu akzeptieren und akademische Abschlüsse anzustreben, Militärdienst zu leisten und das Internet zu nutzen. Die Veränderungen in dieser Gruppe sind maßgeblich – wenn auch nicht ausschließlich – dafür verantwortlich, dass die Arbeitslosigkeit männlicher Charedim seit 2002 auf 50 Prozent zurückging und parallel dazu die Rate der erwachsenen Vollzeitthorastudenten sank.
Dennoch sind die »neuen« Charedim keineswegs homogen. Vielmehr handelt es sich um eine lose Verbindung unterschiedlicher Akteure, die vor allem der Wunsch nach Veränderung eint. Entsprechend variieren die Einschätzungen der Gruppengröße; die Annahmen reichen von 8 bis 30 Prozent der ultraorthodoxen Bevölkerung.180
Die neuen Charedim sind Ausdruck der Anpassung an faktische Gegebenheiten.
Diese Zeichen werden mancherorts als die lange erwartete Transformation oder Modernisierung der Charedim gedeutet. Stimmen in Wissenschaft und Gesellschaft bezweifeln, dass sich das Gesellschaftsmodell der Charedim in Israel auf Dauer halten kann. Früher oder später würden ökonomische Zwänge und gesellschaftliche Integrationsprozesse zu einem grundlegenden Wandel der Charedim führen. Tatsächlich gibt es dafür bei der großen Mehrheit der neuen Charedim jedoch kaum Anhaltspunkte. Die Veränderungen scheinen im Wesentlichen den faktischen Gegebenheiten geschuldet zu sein: der relativen Armut, dem Verlust des Ideals, dass jeder ein herausragender Thoragelehrter werden könnte, der Wahrnehmung, dass der Staat Israel nicht existenzbedrohend ist, und sicherlich auch der zum Teil erzwungenen Öffnung durch staatliche Maßnahmen oder das Internet.
Dabei bleibt diese Gruppe ganz überwiegend Teil der ultraorthodoxen Welt (nur zwei bis sieben Prozent fordern radikale Brüche).181 Ihre Angehörigen sehen die Thoraschüler weiterhin als Elite der Gesellschaft und akzeptieren den Führungsanspruch der Rabbiner. Es handelt sich nicht um eine Glaubenskrise.182 Zahlreiche Frauen unter den neuen Charedim sind an Änderungen der Geschlechtertrennung oder anderer geschlechtsspezifischer ultraorthodoxer Praktiken nicht interessiert.183
Die Rabbiner – und durch sie die führenden charedischen Politiker – betrachten die Entwicklungen dennoch kritisch, oftmals sogar als Gefahr für die Integrität der Gemeinschaft. Noch hat sich kein bekannter Rabbiner auf die Seite der neuen Charedim geschlagen, auch wenn es erste Zugeständnisse der Elite in Bezug auf den Wunsch nach Berufstätigkeit und sogar nach stärkerer Einbeziehung säkularer Fächer in den Unterrichtskanon gibt. Ohne diese Unterstützung aber hat die Gruppe es schwer.
Dennoch steht die Frage im Raum, wie tragfähig die Autorität der Rabbiner in Zukunft sein wird. Nach dem Tod der überragenden Leitfiguren Schach und Yosef beanspruchten mehrere Rabbiner die Führungsrolle, was zu Autoritätskonflikten und Splittergruppen führte. Darunter leidet die Autorität der rabbinischen Da‘at Thora bis heute.
Die größte Herausforderung aber stellen das Internet und die neuen Medien dar.184 Dank der hier gebotenen Möglichkeiten zu – relativ – zensurfreier Meinungsäußerung185 formierte sich eine Art ultraorthodoxer Öffentlichkeit, in der politische Meinungsbildung stattfindet. Trotz des Primats der Rabbinermeinung konnte man in den letzten Jahren erste Fälle von entsprechendem medialem agenda setting erleben, auf das sich die ultraorthodoxen Politiker zu reagieren gezwungen sahen. Man denke nur an das oben genannte Beispiel von Bauarbeiten der israelischen Staatsbahn am Schabbat. In actu festgehalten wurde dieser Wandlungsprozess beispielsweise 2017 in einem Interview – das insofern ein bemerkenswertes Zeitdokument ist – mit dem VTJ-Knessetabgeordneten Menachem Moses, der diesen Prozess, an ultraorthodoxe Journalisten gewandt, moniert: »Ich kann nicht respektieren, dass ihr uns die Tagesordnung diktiert. Wir haben eine Tagesordnung, die uns durch den Rat der Thoragrößen gegeben wurde.«186
Politische Entwicklungen innerhalb der ultraorthodoxen Gemeinschaft
Darüber hinaus zeigt sich der Wandel in einer politischen Ausdifferenzierung bei der Frage, welche Rolle die Charedim im Staat spielen sollen. Auch wenn sich die jeweiligen Gruppengrößen nicht genau beziffern lassen, kann man doch vor dem Hintergrund von Umfragen und der Analyse von Meinungsäußerungen heuristisch grob drei prinzipielle Tendenzen187 identifizieren: Isolation, Integration und Übernahme.
Das (mit wohl mehr als 50 Prozent) größte, aber schrumpfende Lager folgt dem klassischen ultraorthodoxen Modell der Isolation: kein säkulares Bildungssystem, kaum Internet, mehrheitlich koschere Telefone (mit diversen Einschränkungen, was das Surfen im Internet und die Installation von Apps betrifft) und Konzentration auf einen abgeschiedenen Lebensstil. Hier gilt im Wesentlichen die Überzeugung, dass die Charedim die Politik nur instrumentell zur Verteidigung des eigenen Milieus und gegebenenfalls zur Erhaltung »jüdischer Mindeststandards« im Staat begreifen und sich ansonsten weiterhin von Staat und Gesellschaft fernhalten sollen. Das gelte selbst dann, wenn die Ultraorthodoxen eines Tages die Bevölkerungsmehrheit stellen sollten, so der ultraorthodoxe Autor und politische Berater Avraham Kroiser.188 Der soziale Frieden wird aus dieser Sicht dadurch gewährleistet, dass beide Seiten – Ultraorthodoxe auf der einen und alle anderen israelischen Juden auf der anderen – nicht in die Autonomie der jeweils anderen Seite eingreifen.189 Daher kommen aus diesem Lager immer wieder ernstgemeinte Vorschläge, zur Minimierung des Konfliktpotenzials weitgehende strukturelle oder sogar politische Autonomie für die Charedim im Staat anzustreben.190 Das heißt nicht, dass diese Gruppe theoretisch nicht auch einen halachischen Staat bevorzugte; aber das ist eine eher distanzierte Hoffnung, kein politisches Programm.
Die anderen beiden Grupperungen, die für Integration oder Übernahme stehen, entstanden beide maßgeblich mit der zunehmenden Involvierung der Charedim ins öffentliche Leben. In vielen Punkten sind sie sich ähnlich, insbesondere was die Offenheit gegenüber Ausbildungs- und Erziehungsfragen, nicht-ultraorthodoxer Literatur und Unterhaltung oder Berufstätigkeit betrifft. Ein Unterschied zeichnet sich aber in politischen Fragen ab.
Die erste Gruppe begreift sich immer mehr als Teil des Staats und plädiert für soziale wie politische Integration. Einer ihrer Protagonisten fordert den Wandel des »Thora-Extremismus« hin zu einem thorabasierten Konservatismus, der die vorsichtige Einbindung in den Staat erlaubt,191 sich aber auch staatsbürgerlicher Verantwortung stellen muss. Deswegen sei von den parlamentarischen Repräsentanten gemeinwohlorientierte Politik, nicht nur Milieupolitik gefragt.192 Der Aspekt der Integration geht bei dieser Gruppierung mit der Anerkennung von demokratischen Prinzipien und Meinungspluralität einher.
Die andere Gruppe hingegen beurteilt dies genau gegenteilig und befürwortet eine »Übernahme« des Staates.193 Ja, es gebe die Notwendigkeit politischer Integration, allerdings eher im Sinne einer Beeinflussung des Staates und seiner Normen durch die Charedim. Auch wenn das Thema »halachischer Staat« nicht offensiv angesprochen wird, versucht diese Gruppe, aus der weithin geteilten – wenn auch abstrakten – Utopie eines religiösen Staates eine politische Vision abzuleiten. Es werde, so ein Kommentator in sozialen Medien, einen hart geführten Kampf um die Normativität in der Öffentlichkeit geben. Denn nur wenn alle die religiösen Mindeststandards einhielten, könnten die Charedim überhaupt am öffentlichen Leben teilnehmen.194 Ein weiterer Vertreter dieser Gruppe spricht davon, dass die Charedim jedes Recht hätten, eine ultraorthodoxe Version des Staates zu entwickeln – auch wenn sich diese gegen die Vorstellungen anderer Staatsbürger richte; das sei schließlich das Wesen von Politik. In diesen Zusammenhang fordert er von den ultraorthodoxen Politikern, auf eine Charedisierung der Öffentlichkeit hinzuwirken – ob als Anwendung der »Moral der Propheten« und Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, als teilweise Geltung der religiösen Gesetze in der Öffentlichkeit oder sogar als volle Kontrolle der Öffentlichkeit durch die Halacha.195 Wieder andere betonen, dass man erst einmal ein Verständnis davon gewinnen müsse, wie aus ultraorthodoxer Sicht ein Staat geführt werden könne, um dann eine Staatsvorstellung als politisches Programm formulieren zu können.196
Welches Lager wird sich durchsetzen? Werden sich Rabbiner finden, die auch halachische Positionen für Integration oder Übernahme formulieren? An diesen Fragen wird sich die weitere Entwicklung der Charedim in Staat und Gesellschaft entscheiden – mit Folgen für ganz Israel.
Schlussfolgerungen
Die Charedim verändern den Staat – mal durch bewusstes und aktives Handeln, mal allein durch ihre physische Anwesenheit an Orten, an denen sie vorher nicht präsent waren, in jedem Fall aber durch ihre Lebensweise, die auf die Gesamtgesellschaft immer weiter ausgreift: weil eine substanzielle Zahl der Männer nicht arbeitet, nur wenige im Militär dienen, weil sie eine andere Konsumkultur als die übrigen Israelis pflegen und sich der Markt daran anpasst.
All diese Facetten sind Teil des israelischen Kulturkampfes, der Politik auf kommunaler Ebene ebenso berührt wie Grundsatzfragen staatlicher Identität. Die Analyse hat dies anhand dreier Konfliktfelder gezeigt.
Das erste betrifft die jüdische Identität des Staates. In dieser Frage entwickelten die ultraorthodoxen Parteien etwa seit der Jahrtausendwende ein neues Selbstverständnis als Verteidiger des jüdischen Charakters Israels. Dies äußert sich erstens in dem Versuch, zu verhindern, dass der Staat und dessen Institutionen rechtlich durch Normen bestimmt werden, die der charedischen Weltsicht entgegenstehen. Derartige Vorgaben suchen sie zu neutralisieren, wie in der Debatte über Verfassung und Grundgesetze, aber auch bei dem Ansinnen zu beobachten ist, ein Verfahren zur parlamentarischen Überstimmung des Obersten Gerichtshofs zu etablieren, der als zu liberal empfunden wird. Darin kann man ein Bemühen erkennen, die substanziell liberalen Aspekte der israelischen Demokratie zugunsten einer rein prozedural verstandenen Demokratie ohne normative Grundlagen zurückzudrängen. In Bezug auf das Verhältnis von Religion und Politik bemühen sich die Charedim, zweitens, mit einigem Erfolg, die politische Hoheit über dieses Verhältnis zu gewinnen. Wie an den Beispielen Schabbatruhe und Konversion gezeigt wurde, setzen sie ihre politischen Überzeugungen oftmals auch gegen Mehrheiten durch und verhindern weitergehende Liberalisierungen.
Das zweite Konfliktfeld betrifft Sonderrechte der ultraorthodoxen Gemeinschaft zum Schutz ihres Milieus vor dem Einfluss des Staates. Dies betrifft insbesondere Belange der Wehrpflicht, der ultraorthodoxen Schulbildung und der Erwerbstätigkeit ultraorthodoxer Männer (auf die rund 50 Prozent von ihnen zugunsten lebenslangen Thorastudiums verzichten). Dies führt zu politischen Auseinandersetzungen nicht nur über Fragen der Wehr- und Verteilungsgerechtigkeit, sondern auch über wirtschaftliche Konsequenzen für den Staat, solange der Prozentsatz der berufstätigen Charedim nicht deutlich steigt. Bis dato verteidigen die Charedim dieser Sonderrechte mit bemerkenswertem Erfolg. Der hängt allerdings, auch das hat sich gezeigt, allein von ihrer Regierungsbeteiligung ab.
Das letzte Konfliktfeld betrifft die Normativität im öffentlichen Raum. Je größer der ultraorthodoxe Bevölkerungsteil, desto mehr wird der öffentliche Raum zum Austragungsort von Auseinandersetzungen um Identitätsfragen und Lebensstile. Die analysierten Beispiele – die sogenannte Charedisierung von Wohnvierteln und die Diskussion über die Rolle und öffentliche Sichtbarkeit von Frauen – zeigen, wie die Gesellschaft allein durch die Präsenz der Charedim verändert wird: In gemischten Stadtvierteln werden oftmals nicht-ultraorthodoxe Anwohner verdrängt, Unterhaltungs- und Kultureinrichtungen durch Einrichtungen des ultraorthodoxen Milieus ersetzt, Frauen in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Die Charedim fordern das zionistisch geprägte Selbstverständnis des jüdischen Staates grundsätzlich heraus: An die Stelle der Nation als Kern des Judentums setzen sie die religiösen Gesetze. Deshalb bekommen selbst kleinere Konflikte schnell eine essenzielle Dimension, da sie sowohl mit Fragen nach dem »richtigen« Lebensweg als auch mit solchen des Selbstverständnisses und Charakters des Staates verknüpft werden. Dies wird auch im Versuch der juristischen Klärung von Konflikten evident: Für die Charedim sind die staatlichen Gerichte sui generis ein normatives Problem, da ihre Urteilsfindung nicht auf der Halacha beruht. Die Frage nach dem richtigen Verständnis des Jüdischen durchzieht daher alle Konfliktfelder.
Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung lautet, dass die Mehrheitsgesellschaft vor einer Art Aporie steht: Versucht sie nicht, die Charedim zu integrieren, wird dies den Konflikt um die Sonderrechte der Ultraorthodoxen verschärfen. Versucht sie, die Charedim zu integrieren, bedeutet das im Umkehrschluss, dass auch deren Normen in das gesamtgesellschaftliche Leben stärker als bisher Einzug halten werden.
Die Hoffnung, dass sich die Charedim durch eine weitergehende Integration verändern und an die Mehrheitsgesellschaft anpassen, erfüllt sich nur bedingt. Die deutlichste Veränderung kann man im Kontext des Phänomens der sogenannten neuen Charedim sehen – einer heterogenen Strömung, die sich für Berufstätigkeit, säkulare Bildung und Beteiligung an der israelischen Gesellschaft öffnet. Diese Trends gehen aber selten mit einer fundamentalen Änderung der ultraorthodoxen Weltanschauung einher. Dennoch gibt es unterschiedliche Haltungen zur Rolle der Ultraorthodoxen im Staat. Zwar spricht sich wohl das Gros auch der neuen Charedim – den Weisungen der Rabbiner folgend – nach wie vor für das Lebensmodell der Isolation aus. Aber zwei (Unter-) Strömungen plädieren für eine stärkere Involvierung in den Staat. Während die eine für Integration und Moderation des von einigen Rabbinern beschworenen »Thora-Extremismus« eintritt, befürwortet die andere eine entschiedene Politisierung der ultraorthodoxen Weltanschauung im Sinne einer ultraorthodoxen Staatsvorstellung. Beide Gruppen harren indes noch rabbinischer Unterstützung.
Vor dem Hintergrund des dynamischen Bevölkerungswachstums der Charedim wird die Frage nach deren innergesellschaftlichen Entwicklungen für die Zukunft Israels entscheidend sein. Es geht also laut Neri Horowitz vom Israel Democracy Institute nicht nur darum, wie viele Charedim es geben wird, sondern auch darum, welche Art von Ultraorthodoxie sie pflegen werden.197
Die Fragen, inwiefern ihre Parteien dann noch als einheitlicher Block auftreten können und wie sich das Wahlverhalten der Charedim entwickeln wird, sind ebenfalls davon betroffen. Nicht unwahrscheinlich ist außerdem das Szenario, dass der gesellschaftliche Konflikt zwischen den Charedim und dem Rest der israelischen Gesellschaft so dominant wird, dass er die andere Konfliktlinie ablöst – die Auseinandersetzung mit den Palästinensern. Damit würden die charedischen Parteien vermutlich ihre politische Schlüsselposition als Königsmacher politisch diverser Koalitionen einbüßen. Der Kulturkampf gewänne dadurch an Dynamik.
Was man heute schon sagen kann: Die Angst vor einer religiösen Übernahme oder gar eine »israelische Version des Irans« ist trotz aller demographischen Projektionen nicht gerechtfertigt. Viel spricht jedoch für zwei parallele Entwicklungen: Zum einen wird Israel wohl eine stärkere Versäulung erfahren, mit neu entstehenden säkularen und ultraorthodoxen Regionen und Stadtvierteln. Zum anderen wird das Land durch den Einfluss der Charedim konservativer und religiöser werden. Dies zeigt sich nicht nur in der Politik, sondern auch im öffentlichen Leben. All dies gehört zu den Geburtswehen der »neuen israelischen Ordnung«. Der Prozess ihrer Aushandlung wird noch einige Jahre dauern.
Abkürzungen
CBS |
Central Bureau of Statistics (Jerusalem) |
IDF |
Israel Defense Forces |
IDI |
The Israel Democracy Institute (Jerusalem) |
IRAC |
Israel Religious Action Center (Jerusalem) |
JCSS |
Jaffee Center for Strategic Studies (Tel Aviv) |
JTA |
Jewish Telegraphic Agency |
NIS |
New Israeli Shekel |
OECD |
Organisation for Economic Co-operation and Development |
TOI |
Times of Israel |
VTJ |
Vereintes Thorajudentum |
Literaturhinweise
Peter Lintl
Israel vor wegweisenden Wahlen. Eine neue Rechtsregierung könnte den Staat grundlegend verändern
SWP-Aktuell 18/2019, April 2019
Peter Lintl / Stefan Wolfrum
Israels Nationalstaatsgesetz.
Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System
SWP-Aktuell 50/2018, September 2018
Yoram Peri
The Widening Military–political Gap in Israel. Former Chiefs of Staff Fight for Principles of Statism
SWP Comment 2/2020, Januar 2020
Peter Lintl
Auswirkungen des ungelösten Konflikts auf israelische Machtkonstellationen und Akteursperspektiven
in: Peter Lintl (Hg.), Akteure des israelisch-palästinensischen Konflikts
SWP-Studie 2/2018, März 2018, S. 9–30
Gil Murciano
Unpacking the Global Campaign to Delegitimize Israel. Drawing the Line between Criticism of Israel and Denying Its Legitimacy
SWP Research Paper 7/2020, Juni 2020
Lidia Averbukh
Israel auf dem Weg in den »Orient«?
Mizrachische Juden gewinnen kulturell und politisch an Bedeutung
SWP-Aktuell 16/2017, März 2017
Muriel Asseburg / Peter Lintl
Annexionen im Westjordanland: Die Europäer müssen ihr Gewicht in die Waagschale werfen
Kurz gesagt, 14.5.2020
Endnoten
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- 2
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Menachem Mautner, »Protection of Liberal Rights amidst a ›War of Cultures‹ (Kulturkampf) between Secular and Religious Groups«, in: Israel Yearbook on Human Rights, 48 (2018), S. 125–160; Gideon Katz, »The Israeli Kulturkampf«, in: Israel Affairs, 14 (2008) 2, S. 237–254; Steffen Hagemann, Kulturkampf in Israel? Jüdische Identität und religionspolitische Konfliktfelder, Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2015. Eine andere Position vertritt Natan Sznaider, »Das Phantom des Kulturkampfs«, in: Jüdische Allgemeine, 16.11.2010.
- 3
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Das bezieht sich nur auf die jüdischen Israelis, für die arabischen Israelis galt dies nicht.
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Bis dato spricht gegen diese Einwände, dass sich die Bevölkerungsentwicklung der Charedim genau so vollzogen hat wie vom Zentralen Statistikbüro 2012 erstmals berechnet.
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Aharon Rose, »In einem unauflöslichen spirituellen Pendel«, in: Eretz Acheret, Juli 2001 [hebr.], ˂https://tinyurl. com/y3lcx5zd˃ (eingesehen am 18.6.2020).
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Siehe zur Genese: Daniel Mahla, Orthodox Judaism and the Politics of Religion: From Prewar Europe to the State of Israel, New York: Cambridge University Press, 2020, S. 159–184.
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Rabbi Shmuel Jakobovits, Jewish Solidarity: Antidote to Assimilation. Selected Essays of a Haredi Spokesman, Jerusalem: The Harav Lord Jakobovits Torah Institute of Contemporary Issues, 2004, S. 21.
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Eldad J. Pardo/Tehila Gamliel, Haredi Textbooks in Israel. Reinforcing the Barricades, Jerusalem: IDI, 2017.
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Benjamin Brown, »Von politischem Separatismus zu kultureller Verschanzung – der Hazon Ish und die Formation des charedischen Judentums in Eretz Israel«, in: Mordechai Bar-On/Zvi Zameret, On Both Sides of the Bridge. Religion and State in the Early Years of Israel, Jerusalem: Yad Yitzhak Ben Tzvi, 2002, S. 363–412 (398f) [hebr.].
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Brown, »Von politischem Separatismus« [wie Fn. 39].
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Joseph Friedensohn, »A Concise History of Agudath Israel«, in: Yaakov Rosenheim Memorial Anthology, New York: Orthodox Library, 1968, S. 23; Rabbi Elhonon Wasserman, Epoch of the Messiah, Jerusalem: Ohr Elchonon Publications, 1977.
- 48
-
Insbesondere der führende Rabbiner der frühen Staatszeit, der »Chason Ish«, war ein Vertreter dieser Sichtweise; siehe Brown, »Von politischem Separatismus« [wie Fn. 39].
- 49
-
Mosche Scheinfeld, Das Exil der göttlichen Präsenz in Israel, Oktober 1948 [hebr.], <https://tinyurl.com/yxzu4qr7> (eingesehen am 18.6.2020).
- 50
-
Der prominente Litauer Rabbiner Menachem Schach (1898–2001) betonte: »Ein Einzelner, der den Schabbat entweiht, mag Entschuldigungen haben. […] Aber was ist mit jenen, die alle staatlichen Mittel zur Verfügung haben? […] Sprechen wir hier nicht über freie Juden in unserem Staat, dem Staat Israel?« Eliezer Menachem Schach, Michatvim uMaamarim, Bde. 1 und 2, Bnei Brak: o. Verlag, 1987/88, S. לו [hebr.].
- 51
-
Benjamin Brown, »Teil zwei: Das Charedische Judentum und der Staat«, in: Yedidia Stern u. a., Wenn das Judentum auf den Staat trifft, Jerusalem: IDI, 2015, S. 79–268 (100) [hebr.].
- 52
-
Nissim Leon, Misrachische Ultraorthodoxie und Nationalismus in Israel, Jerusalem: Van Leer, 2016 [hebr.]
- 53
-
Jakobovits, Jewish Solidarity [wie Fn. 35], S. 67.
- 54
-
Ein weiteres Drittel identifiziert sich nicht mit dem Staat, ein Drittel bleibt ambivalent. Shaharit, Survey of the Ultra-orthodox Community, Tel Aviv 2014, <https://tinyurl.com/ yxp9fduc> (eingesehen am 18.6.2020).
- 55
-
Bei allen anderen jüdischen Strömungen Israels sind es über 90 Prozent. Pew Research Center, Israel’s Religiously Divided Society [wie Fn. 15].
- 56
-
Shaharit, Political Possibilities [wie Fn. 44].
- 57
-
Eliezer Menachem Schach, Michtavim uMaamarim, Bnei Brak: o. Verlag, 1994/5, Bd. 5, S. עד [hebr.].
- 58
-
Scheinfeld, Das Exil [wie Fn. 49].
- 59
-
Rafael Grozovsky, Die Probleme der Zeit, Bnei Brak: Nezach, 1959, S. 15 [hebr.].
- 60
-
Benjamin Brown, Zittern vor der Volksherrschaft: Die charedische Kritik an der israelischen Demokratie, Jerusalem: IDI, 2012, S. 40f [hebr.].
- 61
-
Eli Lipshitz, »Die Haltung der Charedim zum Staat Israel: Eine Roadmap«, in: Zarich Iyun, Dezember 2019 [hebr.], <https://tinyurl.com/y5a7cfov> (eingesehen am 18.6.2020).
- 62
-
Israeli Democracy Index 2018, Jerusalem: IDI, 2019, S. 72ff, <https://tinyurl.com/y24fc9l9> (eingesehen am 18.6.2020).
- 63
-
Shaharit, Survey of the Ultra-orthodox Community [wie Fn. 54].
- 64
-
Pew Research Center, »Large Divide among Jews on Whether Halakha Should be State Law«, New York, 1.3.2016, ˂https://tinyurl.com/yx9vcnzj˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 65
-
Dass., Israel’s Religiously Divided Society [wie Fn. 15].
- 66
-
Brown, Zittern vor der Volksherrschaft [wie Fn. 60], S. 44.
- 67
-
Yated Neeman Editorial, »Chareidi Politics Is Just Politics by Chareidim«, in: Chareidi, 7.7.2004, <https://tinyurl.com/ y2cfg7yj> (eingesehen am 18.6.2020).
- 68
-
20. Knesset, 281. Sitzung, 29.11.2017 [hebr.], <https:// tinyurl.com/y2782fgm> (eingesehen am 18.6.2020).
- 69
-
Benjamin Brown, »Den Willen Gottes aus der Realität ableiten – die Kontroverse um den Stellenwert der Geschichte bei der Richtungsbestimmung des Judentums«, in: Avi Sagi/Dov Schwartz (Hg.), Einhundert Jahre religiöser Zionismus, Bd. 3, Jerusalem: Bar Ilan University Press, 2002,
S. 77–106 (94) [hebr.]. - 70
-
Mendi Grossman, »Der Bostoner Admor: Ich fürchte mich vor einem halachischen Staat«, in: Maariv, 3.3.2015 [hebr.], <http://tinyurl.com/oh5j54f> (eingesehen am 18.6.2020).
- 71
-
Jakov Grudka, »Aufregung um die Supermärkte. ›Ein säkularer Mann weinte an meinem Telefon‹«, in: BeChadrei Charedim, 28.12.2017 [hebr.], <https://tinyurl.com/y3fzu635> (eingesehen am 18.6.2020).
- 72
-
Gafni im Gespräch mit Cohen, »Ich will keinen halachischen Staat« [wie Fn. 25].
- 73
-
Ari Kalman, »Golan zu Abutbol: ›Wäre es nach den Charedim gegangen – der Staat wäre nicht gegründet worden‹«, in: BeChadrei Charedim, 4.5.2020 [hebr.], <https:// www.bhol.co.il/news/1097007> (eingesehen am 18.6.2020).
- 74
-
Dieser Wandel entspricht dem Übergang vom »Welterschaffer« zum »Weltveränderer«, den Almond u. a. in ihrer Kategorisierung streng religiöser Bewegungen beschrieben haben. Gabriel A. Almond u. a., Strong Religion. The Rise of Fundamentalisms around the World, Chicago: Chicago University Press, 2003, S. 145–190.
- 75
-
Alle Koalitionsverträge [hebr.] finden sich auf der Website der Knesset: <https://tinyurl.com/y2s79avh> (eingesehen am 18.6.2020).
- 76
-
Dana Blandner/Itzhak Galnoor, The Handbook of Israel’s Political System, Cambridge: Cambridge University Press, 2018, S. 747ff.
- 77
-
Likud und Vereintes Thorajudentum, Koalitionsvertrag zur Erstellung der 34. Regierung des Staates Israel, 2015 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y444zz9f˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 78
-
Statt alle Gesetzestexte einzeln aufzulisten, sei hier auf die Website <https://mishmar.org.il/> verwiesen, auf der man (auf Hebräisch) Gesetzesvorschläge aufgeschlüsselt nach Themen, Personen, Parteien etc. einsehen kann.
- 79
-
Michael Tuchfeld, »Ich sage nicht nein zu einer Koalition mit Gabbai«, in: Makor Rishon, 10.11.2017 [hebr.].
- 80
-
So ist der Vorsitzende der Schas gemeinsam mit Netanyahu auf einem Wahlkampfplakat zu sehen.
- 81
-
»Die Knesset als konstituierende Autorität: Verfassung und Grundgesetze«, in: Website der Knesset [hebr.], <https:// tinyurl.com/y42wlve8> (eingesehen am 18.6.2020).
- 82
-
Meir-David Levonstein, 113. Sitzung der Ersten Knesset,
7.–8. Februar 1950, S. 744 [hebr.]. - 83
-
Abraham Ravitz, Protokoll des Verfassungskomitees/ 6523//Protokoll-Nr. 21 vom 1.6.2003, S. 28 [hebr.].
- 84
-
Ders., Protokoll des Verfassungskomitees/6465//Protokoll-Nr. 11 vom 18.5.2003, S. 13 [hebr.].
- 85
-
Gideon Alon, »A Constitution for Israel? Not with This Coalition«, in: Haaretz, 18.1.2005, <https://tinyurl.com/ y44uappe> (eingesehen am 18.6.2020).
- 86
-
Menachem Mautner, Law and the Culture of Israel, Oxford: Oxford University Press, 2011, S. 143–157.
- 87
-
Aharon Barak, Constitutional Revolution, S. 31f, zitiert nach: Steven V. Mazie, Israel’s Higher Law. Religion and Liberal Democracy in the Jewish State, Oxford: Lexington Books, 2006, S. 37.
- 88
-
Israel Cohen, »Eine scharfe Attacke auf den Obersten Gerichtshof in der charedischen Presse: ›Liberaler Terror‹«, in: Kikar HaShabbat, 13.9.2017 [hebr.], <https://tinyurl.com/ y2s79avh> (eingesehen am 18.6.2020).
- 89
-
Michael Malchieli, »Grundgesetzvorschlag zur Menschenwürde und Freiheit (Korrektur – Überstimmungsklausel)«, 12.3.2018, ˂https://tinyurl.com/y8ucpnn7˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 90
-
Alon Harel, »The Israeli Override Clause and the Future of Israeli Democracy«, Verfassungsblog, 15.5.2018, <https:// tinyurl.com/y7gvuhk7> (eingesehen am 18.6.2020).
- 91
-
Peter Lintl, »Israel on Its Way to a Majoritarian System? The Current Government’s Fight against Principles of Liberal Democracy, the ›Constitutional Revolution‹ and the Supreme Court«, Israeli European Policy Network Papers 2018, <https:// tinyurl.com/yd33fh85> (eingesehen am 18.6.2020).
- 92
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Peter Lintl/Stefan Wolfrum, Israels Nationalstaatsgesetz. Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, September 2018 (SWP-Aktuell 50/2018), <https://www.swp-berlin.org/ publikation/israels-nationalstaatsgesetz/> (eingesehen am 15.10.2020).
- 93
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HaRav Lord Jakobvits Torah Institute of Contemporary Research, Grundgesetzvorschlag: Die Souveränität der Thora, Jerusalem 2004/5 [hebr.] <https://tinyurl.com/qwfb2ua> (eingesehen am 18.6.2020).
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Asher Cohen/Bernard Susser, »Jews and Others: Non-Jewish Jews in Israel«, in: Israel Affairs, 15 (2009) 1, S. 52–65.
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Netanel Fisher, Die Herausforderung der Konversion in Israel, Jerusalem: IDI, 2015, S. 77 [hebr.].
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Ja’akov Grudka, »Katz’ Strategie: Die Bahn[gesellschaft] wird am Samstag arbeiten, aber die Informationen werden vor den Medien verborgen bleiben«, in: BeChadrei Charedim, 3.12.2017 [hebr.], <https://tinyurl.com/y4cbwf4q> (eingesehen am 18.6.2020).
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Udi Spiegel, »Charedim, ›das Volk‹ und ›die Armee des Volkes‹: Der Diskurs über die ›Rekrutierung der Charedim zum Armeedienst‹ als Ausdruck des Kampfes für den Erhalt der kollektiven Identität in Israel«, in: Politika: The Israeli Journal of Political Science & International Relations, (Sommer 2007), S. 67–91 (75f) [hebr.].
- 119
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Ebd., S. 75ff.
- 120
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Asher Arian, Israeli Public Opinion on National Security 1999, Tel Aviv: Jaffee Center for Strategic Studies (JCSS), Juli 1999 (Memorandum Nr. 53), S. 40, <https://tinyurl.com/ y568bcak> (eingesehen am 18.6.2020); Jeremy Sharon, »Four Out of Five Israeli Jews Want Haredim to Serve in Army«, in: Jerusalem Post, 6.3.2018, <https://tinyurl.com/y3bkgdb6> (eingesehen am 18.6.2020).
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David Rosenberg, »Poll: Haredim Oppose IDF Draft – and Shaming of Haredi Soldiers«, Israel National News, 17.2.2017, <https://tinyurl.com/y2ymoeho> (eingesehen am 18.6.2020).
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15. Knesset, Protokoll der 126. Sitzung, 3.7.2000 [hebr.], <https://tinyurl.com/yyntzabc> (eingesehen am 18.6.2020).
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Bericht unter dem Vorsitz von Richter Zvi A. Tal [wie Fn. 116].
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15. Knesset, Protokoll der 334. Sitzung, 23.7.2002 [hebr.], <https://tinyurl.com/y3zmz9mc> (eingesehen am 18.6.2020).
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Spiegel, »Charedim, ›das Volk‹ und ›die Armee des Volkes‹« [wie Fn. 118].
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Asher Maoz, »Religious Education in Israel«, in: Derek H. Davis/Elena Miroshnikova (Hg.), The Routledge International Handbook of Religious Education, London/New York: Routledge, 2013, S. 166–174 (172).
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Die Befreiung vom Militärdienst erfolgt für Vollzeitthorastudenten bis zum Alter von 24 Jahren. Wenden sich junge Männer vorher vom Vollzeitstudium ab, können sie eingezogen werden. Das bremst den Trend zur Erwerbstätigkeit in dieser Altersgruppe.
- 136
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Lee Cahaner/Gilad Malach, »Education«, in: Statistical Report on Ultra-Orthodox Society in Israel, Jerusalem: IDI, 2020, ˂https://tinyurl.com/yxqdsp2a˃ (eingesehen am 18.6.2020).
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Eitan Regev, Patterns of Haredi Integration in the Labor Market, Jerusalem: Taub Center for Social Policy Studies in Israel, 23.12.2017, S. 33.
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Malach/Cohen/Zicherman, Master Plan [wie Fn. 117], S. 92.
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Shahar Ilan, »Exclusion of Haredi Jews from Workforce Could Cost Israeli Market over $100 Billion a Year, Official Says«, Ctech-Website, 14.7.2019, <https://tinyurl.com/yytc2gwk> (eingesehen am 18.6.2020).
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Assaf Geva, »Die demographischen Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die Steueraggregate der Jahre 2014–2059«, Jerusalem: Israelische Zentralbank, 2015, S. 13 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/ycqdnfv8˃ (eingesehen am 18.6.2020).
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Büro des Premierministers, »Festlegung von Beschäftigungszielen 2010–2020 – Regierungsresolution Nr. 1994«, 15.7.2010 [hebr.], <https://tinyurl.com/ybk9mmh6> (eingesehen am 18.6.2020).
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Yair Ettinger, »›Work Is Not an Option‹«, in: Haaretz, 4.11.2008, ˂https://www.haaretz.com/1.5054494˃ (eingesehen am 18.6.2020).
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Tali Cheruti-Sover, »Wie viele Charedim arbeiten im Dienst des Staates? Kein Mensch weiß es«, The Marker, 11.12.2018 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y2z5fjwl˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 149
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Ministerium für Bau- und Wohnungswesen, Staatlicher Wohnungsbauplan für den ultraorthodoxen Sektor, Dezember 2019, S. 24 [hebr.], <https://tinyurl.com/y7qsthh4> (eingesehen am 18.6.2020).
- 150
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Stadtverwaltung Beitar Illit, »Plan Outline«, Website der Stadtverwaltung, <https://tinyurl.com/y8jkn9b6> (eingesehen am 18.6.2020 via archive.org).
- 151
-
Regev, Patterns of Haredi Integration [wie Fn. 139].
- 152
-
Yosseph Shilhav, »The Emergence of Ultra-Orthodox Neighborhoods in Israeli Urban Centers«, in: Efraim Ben-Zadok (Hg.), Local Communities and the Israeli Polity, Albany: State University of New York Press, 1993, S. 157–187.
- 153
-
Lauren E. Bohn, »Jerusalem’s Secular Minority Battles to Hold Its Own«, in: Times of Israel, 11.11.2012, <https:// tinyurl.com/y25spt4b> (eingesehen am 18.6.2020).
- 154
-
Mazal Mualem, »Likud Mayors Complain to Netanyahu about Shas Control of Municipal Budgets«, in: Haaretz, 10.2.2010, <https://www.haaretz.com/1.5027833> (eingesehen am 18.6.2020).
- 155
-
Ursprünglich veröffentlicht auf der nicht mehr existenten Website »ladaat.net«, wiederveröffentlicht auf: BeChadrei Charedim: »Krieg um das Haus: Kontrolle über säkulare Nachbarschaften«, 3.11.2010 [hebr.], <https://tinyurl. com/y39wtfow> (eingesehen am 18.6.2020).
- 156
-
Adi Finkelstein, Tipping Points and the Local Housing Market: Dynamics of Segregation and Integration in Jerusalem, Jerusalem: Hebrew University, M.A. Thesis, 2018.
- 157
-
Kordova, »Haredization« [wie Fn. 11].
- 158
-
Statt vieler Einzelbelege siehe Orly Erez-Likhovski/Riki Shapira-Rosenberg, Excluded, for God’s Sake: Gender Segregation and the Exclusion of Women in the Public Sphere in Israel 2013–2014, Jerusalem: Israel Religious Action Center (IRAC), Israel Movement for Reform and Progressive Judaism, 2015, <https://tinyurl.com/y4oz8gek> (eingesehen am 6.9.2020).
- 159
-
Pew Research Center, Israel’s Religiously Divided Society [wie Fn. 15].
- 160
-
Allison Kaplan Sommer, »From Tel Aviv to El Al, Israel Is Backsliding on Gender Segregation«, in: Haaretz, 25.6.2018, <https://tinyurl.com/ycs36smt> (eingesehen am 18.6.2020).
- 161
-
TOI Staff, »IKEA Issues Catalog for Haredim – with No Photos of Women«, in: Times of Israel, 15.2.2017, ˂https:// tinyurl.com/y8huyjqr˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 162
-
Or Kashti, »Dress Codes and Separate Entrances: Gender Segregation in Israeli Universities Expands beyond the Classroom«, in: Haaretz, 27.7.2018, <https://tinyurl.com/ y3czh5fj> (eingesehen am 18.6.2020).
- 163
-
Amos Harel, »IDF wartet nicht auf das neue Rekrutierungsgesetz«, in: Haaretz, 2.1.2014 [hebr.], <https://tinyurl. com/y445f4pn> (eingesehen am 18.6.2020).
- 164
-
Kobi Nahsoni, »Haredi Soldier Warns: We’ll Leave IDF over Women’s Singing«, Ynetnews, 4.1.2012, <https://tinyurl. com/y63khdto> (eingesehen am 18.6.2020).
- 165
-
Aviezer Ravitzky, Messianism, Zionism and Jewish Religious Radicalism, Chicago: Chicago University Press, 1996, S. 211–235.
- 166
-
Eliezer Menachem Schach, Michtavim uMaamarim, Bd. 1/2, Bnei Brak: o. Verlag, 1987/88 (5748). Siehe die Briefe mit den Nummern ו,ז, טז [hebr.].
- 167
-
Die Schas ermöglichte die Oslo-Abkommen, indem sie sich enthielt.
- 168
-
Chadaschot Kipa, »Schas wird die Übertragung der Souveränität aufs Jordantal und die Besiedlung von Judäa und Samaria unterstützen«, in: Kipa, 22.1.2020 [hebr.], <https:// tinyurl.com/vc9sc8a> (eingesehen am 18.6.2020).
- 169
-
Uri Kalman, »Die Staatsverpflichtung der Führer des Thorajudentums für die ultraorthodoxe Öffentlichkeit«, in: BeChadrei Charedim, 3.9.2019 [hebr.], ˂https://www.bhol.co.il/ news/1028460˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 170
-
David Ben-Bassat, »Interview mit Yaakov Asher«, in: haNivcharim, 14.4.2019 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/ y8cmosp9˃ (eingesehen am 18.6.2020) [ab 17:40].
- 171
-
Yotam Berger/Noa Shpigel, »Gafni: Ich tendiere nach links, aber ich werde mich nicht mit dem Reformjudentum gemein machen«, in: Haaretz, 12.6.2017 [hebr.], ˂https:// tinyurl.com/yyr6qxqq˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 172
-
Yakov Dagan, »Gafni: Ich tendiere nach links – Die Palästinenser waren vor uns hier«, Aktualik, 12.6.2017 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y6xgjfbd> (eingesehen am 18.6.2020).
- 173
-
Cohen, »Ich will keinen Halacha-Staat« [wie Fn. 25].
- 174
-
Avi Rabina, »Auf Forderung Gafnis: Jahadut HaThora integriert Vorbehalt in die Souveränitätsklausel ein«, in: Kikar HaShabbat, 18.5.2020 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/ yxous6e2˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 175
-
Cohen, »Ich will keinen Halacha-Staat« [wie Fn. 25].
- 176
-
Adam Soclof, »Haredi Knesset Member Protests in Arabic; Arab MK Offers Yiddish ›Thank You‹«, Jewish Telegraphic Agency, 1.8.2013, ˂https://tinyurl.com/ycsp6map˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 177
-
Pew Research Center, Israel’s Religiously Divided Society [wie Fn. 15].
- 178
-
Shachar Ilan, »Die Demographie wirkt sich aus: Die israelische Jugend ist rechter und religiöser«, Calcalist, 8.9.2019 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y4pwucmb˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 179
-
Mendi Großman, »Detaillierte Untersuchung: Die Charedim im Netz und das Verhältnis zum Staat« in: Kikar HaShabbat, 10.9.2019 [hebr.], <https://tinyurl.com/y2nnrxzb> (eingesehen am 18.6.2020).
- 180
-
Haim Dayan, »Beyond the ›Principle of Mediocrity‹: The Self-rejuvenating Haredi (Ultra-Orthodox) Stream and Its Social-ethical Challenges«, in: Forschung zur ultraorthodoxen Gesellschaft, 2017 (5), S. 1–34 (19) [hebr.]; Gilad Malach u. a., »Elements of Modern Life or ›Modern Ultra-Orthodoxy‹? Numerical Assessment of Modernization Processes in Ultra-Orthodox Society«, in: Democratic Culture/תרבות דמוקרטית, 17 (2017), S. 19–51 (42) [hebr.]; Reuven Gal, Was geschieht in ultraorthodoxen Haushalten?, Haifa: Mosad Shmuel Neeman, April 2018, S. 9 [hebr.], <https://tinyurl.com/y9nnfh63> (eingesehen am 18.6.2020).
- 181
-
Malach u. a., »Elements of Modern Life« [wie Fn. 180].
- 182
-
Mati Horowitz, »20 Jahre nach der Erfindung der neuen Charedim: Wohin geht’s?«, in: Kikar HaShabat, 11.7.2017 [hebr.], <https://tinyurl.com/y2nnrxzb> (eingesehen am 18.6.2020).
- 183
-
Michal Lev, »Die ultraorthodoxen Frauen brauchen keine Rettung«, in: Haaretz, 2.9.2019 [hebr.], <https:// tinyurl.com/y36j3xqf> (eingesehen am 18.6.2020).
- 184
-
Yoel Cohen, »The Media Challenge to Haredi Rabbinic Authority«, in: ESSACHESS. Journal for Communication Studies, 10 (2017) 2(20), S. 113–128.
- 185
-
Dabei gibt es dennoch viele Beispiele freiwilliger Selbstzensur. Siehe dazu: Eli Palei, »Who Shapes Public Opinion?«, in: Zarich Iyun, Dezember 2019, <https://tinyurl.com/ y64a2fbx>; Mordecai Plaut, »Why We Censor«, Deiah veDibur, 21.12.2005. ˂https://tinyurl.com/yxl46lp3˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 186
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Yakov Grodka, »Moses enthüllt im Interview mit ›BeChadrei‹«, in: Bechadrei Charedim, 11.12.2017 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y5z7689j˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 187
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Die Unterscheidung fußt auf Hintergrundgesprächen, einer Analyse von Medien- und Meinungsbeiträgen und Diskussionen in sozialen Medien sowie auf verschiedenen Umfragen, vor allem von Shaharit und Lee Cahaner.
- 188
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Avraham Kroiser, »Zusammen leben«, Tzarich Iyun, 18.3.2018 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y9aht5k6˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 189
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Jakobovits, Jewish Solidarity [wie Fn. 35].
- 190
-
Israel Cohen, »HaModia: Errichten einer ultraorthodoxen Autonomie, die nicht von Israel abhängt«, in: Kikar HaShabbat, 10.4.2013 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/ybbbsvan˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 191
-
Yehoshua Pfeffer, »Toward a Conservative Chareidi-ism«, in: Ḥakirah, the Flatbush Journal of Jewish Law and Thought, 23 (Herbst 2017), S. 17–42, ˂https://tinyurl.com/y42ltglb˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 192
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Eli Lipshitz, »Integration ohne Verantwortung: Ein Rezept für Katastrophe«, Tzarich Iyun, 23.8.2019 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/y35t5knr˃ (eingesehen am 18.6.2020); Yehoshua Pfeffer, »Charedi Politics: Between Poland and Jerusalem«, Tzarich Iyun, Juli 2019, ˂https://tinyurl.com/ y2opdk7d˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 193
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Shaharit beziffert die Gruppe, die den Wunsch nach »Übernahme« habe, auf 21,6 Prozent der Charedim. Shaharit, Survey of the Ultra-orthodox Community [wie Fn. 54].
- 194
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<https://tinyurl.com/y3d2b8jg>. Der Beitrag von Jechsekiel R. findet sich unter den Kommentaren zum ursprünglichen Posting.
- 195
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David Fischhof, »›Was macht euch zu Juden?‹ – Solidaritätspolitik«, Tzarich Iyun, 26.12.2019 [hebr.], ˂https:// tinyurl.com/yyflfhap˃ (eingesehen am 18.6.2020).
- 196
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Raheli Ibenboim, »Eines Tages wird hier ein ultraorthodoxer Staat sein«, in: Kikar haShabbat, 2.11.2014 [hebr.], ˂https://tinyurl.com/ycdurx77˃ (eingesehen am 18.6.2020).
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Meirav Arlosorov, »15–18 Prozent verlassen die u