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Was hat organisierte Kriminalität mit Terrorismus zu tun?

Kurz gesagt, 06.12.2019 Forschungsgebiete

Organisierte Kriminalität und Terrorismus können zusammenhängen. Die Absicht des US-Präsidenten Donald Trump, mexikanische Drogenkartelle als Terrorgruppen einzustufen, ist aber fehlgeleitet, sagen Wibke Hansen und Judith Vorrath.

Der amerikanische Präsident Donald Trump will mexikanische Drogenkartelle als terroristische Organisationen einstufen lassen. Der entsprechende Prozess sei bereits eingeleitet, verkündete er vergangene Woche in einem Interview. Zur Begründung verwies Trump auf die große Zahl an Drogentoten in den USA und die Gewaltopfer der Kartelle, darunter die kürzlich in Mexiko getöteten neun amerikanischen Mitglieder einer Mormonengemeinde.

Einige kriminelle Organisationen wenden gewalttätige Methoden an, die denen von Terrorgruppen ähneln. Gewaltakte wie Bombenanschläge machen kriminelle Vereinigungen aber nicht automatisch zu Terrororganisationen. Sie gleichzusetzen, ist vor allem aus drei Gründen nicht nur fragwürdig, sondern kontraproduktiv.

Kriminelle und terroristische Motive bleiben unterschiedlich

In der Debatte um einen Nexus von organisierter Kriminalität und Terrorismus spielen die Methoden und Motive der Täter eine zentrale Rolle. Besonders nach 9/11 verstärkte sich die Befürchtung, dass kriminelle und terroristische Organisationen schlagkräftige Verbindungen eingehen könnten, gerade dort, wo Staaten schwach sind. Tatsächlich finden sich aber kaum länger andauernde, »strategische« Allianzen. Dagegen zeigen sich Schnittstellen in der Logistik und Finanzierung islamistischer Terrororganisationen, wenn kriminelle Netzwerke ihnen beispielsweise Waffen liefern oder gefälschte Pässe bereitstellen. Seit dem Ende des Kalten Krieges finanzieren sich nichtstaatliche Gewaltakteure verstärkt aus dem illegalen Handel, seiner »Besteuerung« oder durch Kidnapping in den von ihnen kontrollierten Gebieten. Auch von den USA als terroristisch eingestufte Organisationen wie Al Qaida, der sogenannte Islamische Staat und ihre regionalen Ableger haben von Aktivitäten wie Ölschmuggel und Drogenhandel profitiert.

Solche Bezüge sind mit Blick auf mögliche Gegenmaßnahmen relevant, verändern aber nicht die Ziele und Motive terroristischer Organisationen. Umgekehrt mögen kriminelle Gruppen wie die Kartelle in Mexiko politischen Einfluss anstreben, wollen damit aber in der Regel ihre Geschäfte sichern. Ihr grundlegendes Motiv ist die Profitmaximierung, nicht eine politische Agenda. In einigen sehr gewaltsamen Kontexten, wie etwa in Mali, finden sich zwar Gruppierungen, bei denen kaum noch zwischen politisch motiviertem Terrorismus und profitgetriebener organisierter Kriminalität unterschieden werden kann. In Mexiko dürfte das aber weniger eine Rolle spielen und wird auch nicht zur Begründung des amerikanischen Vorhabens angeführt. Trumps geplanter Schritt scheint einem anderen Kalkül zu folgen.

Das  »Etikett« bestimmt die Gegenmaßnahmen

Organisierte Kriminalität und Terrorismus unterscheiden sich nicht nur semantisch, sondern die Kategorisierung als das eine oder das andere zieht bestimmte Maßnahmen nach sich. Auch wenn Präsident Trump, wie einige Beobachter vermuten, mehr an seiner Wiederwahl als an einer echten Lösung interessiert ist, geht es bei dem angestrebten Schritt nicht nur um Symbolik.

Schon frühere US-Administrationen hatten erwogen, die Drogenkartelle als Terrororganisation einzustufen, um mit größeren Ressourcen gegen sie vorgehen zu können. Darüber hinaus lässt sich gegenüber Terrorgruppen ein robusteres, oft militärisches Vorgehen leichter rechtfertigen. Unter dem Schlagwort des amerikanischen »War on Drugs« (Krieg gegen Drogen) erwies sich ein solches zwar bereits als eher kontraproduktiv. Dennoch hat es Präsident Trump explizit ins Gespräch gebracht und so die Furcht vieler Beobachter in Mexiko vor einer Intervention des amerikanischen Militärs verstärkt.

Ansätze zur Bekämpfung von Terrorgruppen wie auch von organisierter Kriminalität, beispielsweise die gezielte Verfolgung von Führungspersonen, wurden ohnehin auch in Mexiko bereits genutzt. Und so ist es unwahrscheinlich, dass neue Ansatzpunkte, die mit einer Umetikettierung der Drogenkartelle in terroristische Organisationen einhergehen, sowohl den grenzüberschreitenden Drogenhandel als auch die massive Gewalt in Mexiko wirklich eindämmen können.

Das Umfeld ist entscheidend

Kriminelle Akteure, die Gewalt und teilweise auch territoriale Kontrolle ausüben, sind besonders sichtbar. In der Regel sind sie aber in eine weit verzweigte politische Ökonomie eingebettet, in der mitunter auch Behörden und Sicherheitskräfte mit kriminellen Interessen verflochten sind — so auch in Mexiko. Der alleinige Fokus auf die Organisationen, ob als kriminell oder terroristisch eingestuft, kann den Blick auf dieses Umfeld verstellen. Zwar sind gezielte Maßnahmen der Strafverfolgung gegen konkrete Personen und Organisationen wichtig, in Kontexten mit starker Gewalt aber oftmals schwierig. Es gilt, beim Umfeld und den Bedingungen von organisierter Kriminalität anzusetzen. Den sichtbaren Teilen problematischer lokaler Macht- und Geschäftsstrukturen einfach das Label des Terrorismus anzuheften, greift zu kurz.

Bei transnationaler Kriminalität, wie im Fall von Mexiko, bedarf es ohnehin Maßnahmen über einzelne Länder hinaus. Denn zum einen werden Angebot und Nachfrage nach Drogen wie Kokain überwiegend anderswo bestimmt. Zum anderen ist der Drogenhandel mit weiteren Straftaten wie illegalen Waffengeschäften und Finanztranskationen verbunden. So übersieht auch Präsident Trump, dass nicht nur Drogen über die US-mexikanische Grenze gelangen. Für eine wirkungsvolle Bekämpfung verschiedener krimineller und auch terroristischer Aktivitäten über Staatsgrenzen hinweg kommt es letztlich auf das Zusammenwirken der Politik und Behörden aller betroffenen Seiten an. Daran ändert auch eine Umbenennung des Problems nichts.