Direkt zum Seiteninhalt springen

Streit um Wirtschaftspartnerschaftsabkommen der EU mit Afrika

Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen EU und Ländern in Afrika, Karibik und Pazifik sollen der Entwicklung dieser Regionen dienen. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird heftig diskutiert. Evita Schmieg gibt Antworten auf vier der wichtigen Fragen.

Kurz gesagt, 08.11.2016 Forschungsgebiete

Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen EU und Ländern in Afrika, Karibik und Pazifik sollen der Entwicklung dieser Regionen dienen. Ob das tatsächlich der Fall ist, wird heftig diskutiert. Evita Schmieg gibt Antworten auf vier der wichtigen Fragen.

Europa hat ProbIeme mit der Handelspolitik – TTIP ist weiter heftig umstritten, CETA zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Nun zeichnen sich neue Probleme bei den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Regionen in Afrika, Karibik und Pazifik (AKP) ab, den sogenannten Economic Partnership Agreements (EPAs), die ebenfalls noch ratifiziert werden müssen. Kritiker der EPAs fürchten nicht den Ausverkauf europäischer Standards, sondern die Zerstörung der schwächeren afrikanischen Partnermärkte. Auch in Afrika selbst sind die EPAs umstritten; so wollen Tansania und Nigeria nicht unterzeichnen. Vier Fragen werden diskutiert.

Wieso kann es nicht bei der einseitigen Marktöffnung der EU bleiben?

Mit den EPAs sollen die Handelsbeziehungen EU – AKP dauerhaft auf eine WTO-konforme Grundlage gestellt werden. Sie sehen eine Marktöffnung auf beiden Seiten vor – geringer auf Seiten der Partnerländer – und sollen dem Oberziel nachhaltiger Entwicklung dienen. Ohne die Abkommen droht wegen der einseitigen Marktöffnung der EU gegenüber den afrikanischen Staaten eine Streitschlichtung in der Welthandelsorganisation (WTO), wie sie die EU bereits einmal verloren hat: Lateinamerikanische Länder hatten in den neunziger Jahren geklagt, dass die einseitigen Zollvergünstigungen der EU für Bananen aus AKP-Staaten gegen das Diskriminierungsverbot der WTO verstoßen würden. Dazu kommt, dass eine handelspolitische Diskriminierung von mit den AKP vergleichbaren Ländern auch politisch nicht zu rechtfertigen ist. Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten sieht heute ohnehin aufgrund nicht vorhandener eigener Kolonialvergangenheit keinen Anlass für eine Sonderbehandlung der AKP.

Die einseitige Handelsliberalisierung hatte die Entwicklung der AKP-Staaten ohnedies nur wenig befördern können: Weder konnte diese Ländergruppe ihren Anteil an den EU-Importen substanziell erhöhen noch die Rohstoffdominanz bei den Exporten (über 70 Prozent) verringern. Hierfür müsste es diesen Ländern gelingen, Rahmenbedingungen wie Rechtssicherheit innerhalb transparenter und partizipativer Regierungsführung zu schaffen, Infrastruktur aufzubauen und korrupte bürokratische Strukturen abzubauen. All dies ist wichtiger als der Zollabbau. Bei vielen Produkten sind nicht Zölle die größte Hürde, sondern die Schwierigkeit, europäische technische und Gesundheitsstandards einzuhalten. Nur wenn diese Themen im Zuge umfassender Reformen auch angegangen werden, kann der Zugang zum EU-Markt zu Industrialisierung und Entwicklung beitragen. Dabei ist der vollkommen freie Zugang zum EU-Markt unter den EPAs erheblich besser als die vorhergeltenden Regelungen, nach denen nur 97 Prozent der Importe aus den AKP-Staaten frei waren und gerade die wettbewerbsfähigeren (Agrar-)Sektoren der AKP ausgeschlossen blieben. 

Sind afrikanische Regionen zu schwach für die EPAs?

Viele afrikanische Länder sind extrem abhängig von Exporten und Importen, exportieren aber häufig vor allem Rohstoffe, die kaum Wertschöpfung im Inland schaffen. Die Frage ist deshalb, wie der Außenhandel zu nachhaltiger Entwicklung beitragen kann. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, Sektoren, die heute oder künftig wichtig für Ernährungssicherung oder Beschäftigung sind, mit Zöllen zu schützen. Zugleich sollte der Import für Produkte liberalisiert werden, die lokal nicht hergestellt werden können oder deren Input in die eigene Produktion die Wettbewerbsfähigkeit steigert. Die EPAs gewährleisten hier die nötige Flexibilität. So sehen sie zum Beispiel vor, dass bis zu 25 Prozent des Handels der Partnerländer von der Öffnung ausgenommen werden dürfen. Auch erlauben es die EPAs, entstehende Industrien zu schützen oder soziale und ökologische Standards zu erhöhen. Schutzklauseln sollen verhindern, dass ein plötzlicher Anstieg der Importe aus Europa die lokalen Märkte zerstört. Dies sind im Prinzip entwicklungsorientierte Bestimmungen, die sich aber in der Praxis erst bewähren müssen. Der geplante Mechanismus, Abkommenswirkungen laufend zu überprüfen, muss deshalb schnell eingerichtet werden. Zugleich muss die EU bei der Umsetzung zeigen, dass sie dem formulierten Entwicklungsziel getreu bereit ist, die Bestimmungen flexibel anzuwenden. Nur so können Probleme der Liberalisierung verringert werden.

Behindert Handelsliberalisierung Entwicklung?

Handelsliberalisierung führt nicht automatisch zu Entwicklung, vielmehr kann Marktöffnung kurzfristig zu Arbeitslosigkeit und Strukturverwerfungen führen. Zugleich hat es aber kein Land geschafft, durch Protektionismus langfristig zu Wohlstand zu kommen. Erfolgreich waren Länder, die ihre Märkte maßvoll öffneten und dies mit Reformen flankierten. In der Regel bedürfen Unternehmen Unterstützung, um das Potenzial eines verbesserten Zugangs zu Partnermärkten zu nutzen. Auch muss der Staat den Verlierern der Handelspolitik helfen, wieder Beschäftigung zu finden. Entwicklungsländer aber haben häufig weder Kapazitäten noch Finanzmittel, um Handelsreformen derart einzubetten. Hier ist die Unterstützung durch handelsbezogene Entwicklungspolitik gefragt. Es kommt daher darauf an, dass die EU ihren Versprechungen hierzu auch Taten folgen lässt.

Schaden EPA’s Menschenrechten und Nachhaltigkeit?

Die afrikanischen EPAs bleiben mit ihren Formulierungen hinter den Menschenrechts- und Nachhaltigkeitsstandards manch anderer Abkommen zurück, weil die afrikanischen Partnerländer weitergehende Formulierungen ablehnten. Es wäre trotzdem falsch, wenn die europäische Seite die EPAs deshalb nicht ratifizieren würde. Denn ohne EPAs wird es möglicherweise keinerlei Ansatzpunkte für eine Zusammenarbeit bei diesen Themen geben. Die zu schaffenden EPA-Institutionen, insbesondere der Beratende Ausschuss, in dem die Zivilgesellschaft bzw. Gewerkschaften repräsentiert sind, und der parlamentarische Ausschuss bieten eine gute Grundlage, um die Themen im Rahmen der Abkommensumsetzung weiterzuverfolgen. Alle Akteure sollten diese Institutionen entsprechend nutzen. Die Parlamente könnten sich im Ratifizierungsprozess zudem für eine das Abkommen begleitende Auslegungserklärung einsetzen, die diese Themen weiter stärkt.