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Spionage und Sabotage vor Europas Küsten – Kritische Infrastruktur im Fadenkreuz

Völkerrechtliche Spielräume für Abwehrmaßnahmen

SWP-Studie 2024/S 08, 28.02.2024, 26 Seiten

doi:10.18449/2024S08

Forschungsgebiete

Dr. iur. Christian Schaller ist Senior Fellow in der Forschungsgruppe Globale Fragen.

  • Russische Schiffe sind seit einigen Jahren damit beschäftigt, kritische Infrastruktur in den Gewässern rund um Europa auszukundschaften. Dieses »Mapping« dient offenbar der Vorbereitung möglicher Sabotage­akte und stellt somit eine erhebliche Sicherheitsbedrohung dar.

  • Nach internationalem Seerecht können Küstenstaaten solche Mapping-Aktivitäten jenseits staatlicher Territorialgewässer nicht ohne weiteres unterbinden.

  • Welche Eingriffsbefugnisse Küstenstaaten in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone haben, ist umstritten. Eine einheitliche Staatenpraxis ist nicht erkennbar. Dies eröffnet Argumentationsspielräume, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen Schiffe zu rechtfertigen, die an solchen Aktivitäten beteiligt sind.

  • Kommt es zu Sabotageakten, die die Schwelle zum bewaffneten Angriff überschreiten, besteht ein Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen.

Problemstellung und Schlussfolgerungen

Die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines im Sep­tem­ber 2022 vor der dänischen Insel Bornholm hat ge­zeigt, wie vulnerabel maritime Energieinfrastruktur ist. Die weitverzweigten Rohrleitungssysteme sowie Tausende Kilometer unterseeischer Daten- und Strom­kabel vor Europas Küsten lassen sich nicht effektiv vor gewaltsamen Einwirkungen schützen. Schwere Schiffsanker können dazu genutzt werden, Kabelstränge zu durchtrennen oder Rohrwandungen zu zer­stören. Im Oktober 2023 wurde die Gaspipeline Baltic­connector, die Finnland und Estland verbindet, ver­mutlich auf diese Weise schwer beschädigt. Hinzu kommen zahlreiche aktuelle Fälle, in denen Datenkabel auf dem Meeresboden gekappt wurden. Mit fern­gesteuerten Unterwasserfahrzeugen oder be­mann­ten U‑Booten lassen sich Sabotageakte selbst in größeren Tiefen punktgenau durchführen. Der Auf­wand sol­cher Aktionen ist gering im Vergleich zu den mög­lichen Auswirkungen. Angriffe gegen Knotenpunkte von Datenkabeln können die digitale Kommu­nikation über weite Entfernungen hinweg empfindlich stören. Angesichts zunehmender Vernetzung und immer größerer Abhängigkeiten kommt auch der Sabotage anderer maritimer Infrastruktur strategische Bedeu­tung zu. Hierzu zählen etwa Häfen, Offshore-Wind­parks, unterseeische Stromtrassen sowie Trans­port­leitungen für Öl und Gas.

Umso bedrohlicher ist es, dass russische Schiffe seit einiger Zeit systematisch die Verläufe von Kabeln und Rohrleitungen in europäischen Gewässern abfahren. Und auch in der Nähe großer Windparks werden im­mer wieder russische Schiffe gesichtet. Gegenwärtig er­streckt sich deren Operationsgebiet in erster Linie auf Nord- und Ostsee. Allerdings wurden vor der Küste Portugals und im Mittelmeer ebenfalls bereits ent­sprechende Aktivitäten registriert. In Reaktion auf diese Bedrohung hat die Nato damit begonnen, kriti­sche Unterwasser-Infrastruktur besser zu schützen. So hat die Organisation im Sommer 2023 eine Zelle eingerichtet, die die Überwachung solcher Infrastruktur koordinieren soll. Außerdem verstärken europäische Staaten ihre Marineverbände, um engmaschiger in Seegebieten patrouillieren zu können.

Doch welche Befugnisse bestehen gegenüber Schif­fen, die kritische Infrastruktur ausspähen oder mut­maßlich in Sabotageakte verwickelt sind? In der vor­liegenden Studie wird untersucht, welche Handlungsspielräume sich aus dem Völkerrecht ergeben.

Wenn nachfolgend von »Spionage« gesprochen wird, geht es um das Sammeln von Informationen über kritische Infrastruktur zur Vorbereitung mög­licher Sabotageakte, nicht um das Anzapfen von Datenkabeln oder um Wirtschaftsspionage.

Ob und zu welchen Zwecken Schiffe auf See Infor­mationen sammeln dürfen, hängt davon ab, wo sie sich aufhalten. Die Studie konzentriert sich auf die Gewässer vor Europas Küsten und damit im seerechtlichen Sinne auf den Bereich des Küstenmeers, auf Meerengen, die der internationalen Schifffahrt die­nen, sowie auf die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ).

In seinem Küstenmeer, bis maximal 12 Seemeilen, hat jeder Staat weitreichende Befugnisse, um aus­län­dische Schiffe daran zu hindern, Informationen zu sammeln, die für seine Sicherheit oder Verteidigung von Belang sind. Das Ausspähen von Infrastruktur in diesen Gefilden können die Küstenstaaten mit allen erforderlichen Mitteln unterbinden.

In Meerengen, in denen das Regime der Transitdurchfahrt gilt, sind zwar während der Durchfahrt bestimmte Aktivitäten verboten, beispielsweise hydro­graphische Vermessung ohne vorherige Geneh­mi­gung durch die Anliegerstaaten. Diese Staaten haben nach dem Seerecht jedoch keine Handhabe, solche Verbote unmittelbar durchzusetzen. Ein Zu­griff ist nur dann möglich, wenn das Verhalten eines Schiffes gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Rechts der Transitdurchfahrt herausfällt. Davon ist etwa aus­zugehen, wenn das Schiff in den Gewässern der Meer­enge hin- und herfährt und der Aufenthalt dort nicht dem Zweck des ununterbrochenen und zügigen Transits dient.

Am schwierigsten ist es in der AWZ, Maßnahmen gegen fremde Schiffe zu rechtfertigen, die unter dem Verdacht stehen, Infrastruktur auszukundschaften. Im Gegensatz zum Küstenmeer ist die AWZ nämlich nicht Teil des Hoheitsgebiets des Küstenstaats. Hier genießen alle Staaten – wie auf Hoher See – die Freiheit der Schifffahrt. Offen ist, ob Spionage zu den Aktivitäten zählt, die in Ausübung der Schifffahrtsfreiheit in der AWZ völkerrechtlich zulässig sind. Dies­bezüglich hat sich in der Staatenpraxis keine klare Linie herausgebildet. Zudem ist umstritten, ob Küstenstaaten neben den souveränen Rechten, die ihnen das Seerechtsübereinkommen der Ver­einten Nationen (SRÜ) zum Zwecke der Bewirtschaftung der AWZ ausdrücklich einräumt, auch ungeschriebene Rechte und Befugnisse haben, um ihre Sicherheits­interessen in der Zone durchzusetzen.

China verbietet sogar Vermessungsarbeiten und das Kartographieren der Gewässer in seiner AWZ. Die USA vertreten hingegen die Position, dass militärische und nachrichtendienstliche Erkundungstouren in der AWZ anderer Staaten grundsätzlich unter die Schiff­fahrtsfreiheit fallen und dass der Küstenstaat der­artige Operationen nicht unterbinden kann. Auch viele europäische Staaten sind der Auffassung, dass einem Küstenstaat keine ungeschriebenen Rechte und Befugnisse zustehen, um das Sammeln von Infor­mationen jenseits seines Küstenmeers zu kontrollieren. Damit befinden sich Deutschland und seine euro­päischen Partner in einem Dilemma: Nach ihrer Les­art fehlt es im Seerecht an einer Rechtsgrundlage, um russischen Spionageaktivitäten in der AWZ Einhalt gebieten zu können. Sollten die betreffenden Staaten ihre Haltung zur Frage ungeschriebener Rechte mit Blick auf die AWZ ändern, würden sie sich insoweit von der Position der USA entfernen und derjenigen Chinas annähern.

Unabhängig davon gilt jedoch, dass Küstenstaaten Eingriffe in ihre souveränen Nutzungsrechte in der AWZ nicht dulden müssen. Dementsprechend lässt sich argumentieren, dass Küstenstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen dürfen, um zumindest jene Infrastruktur wirksam zu schützen, die der Bewirtschaftung der Zone dient. Dazu würde konse­quenterweise gehören, dass möglichen Angriffen auf solche Einrichtungen und Anlagen rechtzeitig begeg­net werden darf. Diese Argumentation kann gleicher­maßen auf den Festlandsockel übertragen werden. Im Hinblick auf die Gefahr von Pipeline-Sabotage spielt auch der Schutz der lebenden Res­sour­cen der AWZ und des Festlandsockels eine wich­tige Rolle. Im SRÜ finden sich durchaus einige Rechts­grund­lagen, auf die sich Maßnahmen für einen ver­besser­ten Schutz kriti­scher Infrastruktur stützen lassen – ein­schließ­lich begrenzter Eingriffe in den Schiffsverkehr.

Sollte es zu zurechenbaren Sabotageakten kommen, die die Schwelle zum bewaffneten Angriff überschreiten, steht ohnehin das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der VN-Charta im Raum. Im Fall eines bewaffneten Angriffs gegen einen Nato-Mitgliedstaat würde die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages greifen.

Hintergrund

Im April 2023 berichteten skandinavische Medien ausführlich darüber, dass Russland ein großange­legtes Programm betreibt, um kritische Infrastruktur in Nord- und Ostsee auszukundschaften.1 Rund 50 Schiffe seien dort seit einigen Jahren damit beschäftigt, die Verläufe von Daten- und Stromkabeln sowie von Öl- und Gaspipelines auf dem Meeresboden syste­matisch zu erfassen, so der Bericht der Danish Broad­casting Corporation. Ebenfalls im Fokus stün­den die großen Offshore-Windparks in der Region. Darüber hinaus hätten sich russische Schiffe wiederholt in der Nähe von Tiefwasserhäfen, Brücken, Flughäfen und militärischen Einrichtungen sowie über Öl- und Gas­feldern aufgehalten.

Bei den Schiffen handele es sich teils um staatliche, teils um zivile Schiffe unter russischer Flagge. Einige seien Fischtrawler, die Technik an Bord hätten, um In­fra­struktur kartographieren zu können. Besonders auf­fällig seien jedoch Schiffe wie die Admiral Wladimirsky und die Yantar, die offiziell als Forschungsschiffe be­trieben werden, wohl aber zu den Flaggschif­fen der russischen Spionageflotte zählen. For­schungs­schiffe dieser Größe sind in der Lage, Objekte in extremen Tiefen ausfindig zu machen, und sie können als schwimmende Plattformen für unbemannte Unterwasserfahrzeuge und kleine U‑Boote dienen. Medien­berichten zufolge wird die Admiral Wladimirsky bei ihren Einsätzen sogar von schwer be­waffneten Ein­satz­kräften geschützt. Verdächtig sei, dass die Schiffe häufig ihre Positionssender ausschalteten, wenn sie sich bestimmten Objekten näherten oder sich in Küs­tennähe aufhielten.2

Dass Russland Spionageschiffe auf solche Erkundungstouren schickt, ist nicht neu. Seit 2014 haben diese Operationen indes zugenommen.3 Und das Einsatzgebiet ist keineswegs auf Nord- und Ostsee be­grenzt. So wurden in den vergangenen Jahren etwa auch vor Portugal und im Mittelmeer entsprechende Aktivitäten registriert. Sogar vor den Küsten der USA wurden russische Schiffe gesichtet, die Routen ab­fuhren, unter denen sich wichtige Kabeltrassen befin­den.4 Bereits zu Zeiten des Kalten Krieges griff die sowjetische Marine für Spionage- und Sabotage­aktio­nen immer wieder auf die eigene Fischfangflotte zurück.5 Die Mobilisierung ziviler Schiffe für solche Spezialoperationen ist offenbar auch unter Präsident Putin gängige Praxis.6

Expertinnen und Experten betrachten das »Mapping« kritischer Infrastruktur als Vorbereitung für künftige Sabotageakte.7 Im Cyberraum finden un­unterbrochen Attacken auf sensible Anlagen und Einrichtungen statt.8 Sabotageaktivitäten auszuweiten auf Infrastruktur im maritimen Raum ist eine zusätzliche Option für Moskau, um den Druck auf westliche Staaten zu erhöhen. Daher stellen die Spionageaktivitäten russischer Schiffe in europäischen Gewässern eine erhebliche Sicherheitsbedrohung dar. Die Nato und einzelne Mitgliedstaaten haben bereits erste Schritte unternommen, um gegen diese Bedrohung anzugehen und maritime kritische Infrastruktur besser zu schützen.9 Dies wirft nicht nur viele praktische Probleme auf,10 sondern auch rechtliche Fragen. In den folgenden Kapiteln wird erörtert, welche Handlungsspielräume nach internationalem Seerecht bestehen, um gegen Schiffe vor­zugehen, die in solche Spionageaktivitäten verwickelt sind.

Spionage im Küstenmeer

Spionage als solche ist völkerrechtlich nicht verboten.11 Gleichwohl kann ein bestimmtes Verhalten, das Spionagezwecken dient, im Einzelfall gegen Völkergewohnheitsrecht oder völkerrechtliche Verträge verstoßen. Nach einer in der Literatur weit verbreiteten Ansicht etwa ist das unerlaubte Eindringen von Spionen in fremdes Hoheitsgebiet eine Verletzung der territorialen Souveränität des betroffenen Staates.12 Zum Staatsgebiet zählen auch das Küstenmeer, der dazugehörige Meeresboden und Untergrund sowie der darüber befindliche Luftraum. Über unterseeische Kabel und Rohrleitungen sowie über Anlagen und Bauwerke im Küstenmeer übt der jeweilige Küstenstaat Hoheitsgewalt aus.

Konkrete Regelungen über die Nutzung des Küsten­meers finden sich in Teil II des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen (SRÜ) von 1982.13 Als Küstenmeer wird der Meeresstreifen behandelt, der mit einer Ausdehnung von bis zu 12 Seemeilen un­mittelbar an das Landgebiet und die inneren Gewäs­ser anschließt.14 Grundsätzlich genießen die Schiffe aller Staaten gemäß Artikel 17 SRÜ das Recht, das Küsten­meer friedlich zu durchfahren. Dies schließt auch Kriegsschiffe und U‑Boote ein.

Mit Blick auf die Aktivitäten russischer Schiffe stellt sich die Frage, ob das Sammeln von Informationen über Infrastruktur im Küstenmeer vom Recht auf fried­liche Durchfahrt gedeckt sein kann.

Das Sammeln von Informationen und das Recht auf friedliche Durchfahrt

In Artikel 18 Absatz 1 SRÜ ist geregelt, was unter »Durchfahrt« zu verstehen ist.15 Nach Absatz 2 der Vor­schrift muss die Durchfahrt ohne Unterbrechung und zügig erfolgen. Anhalten und Ankern ist von der Durchfahrt erfasst, soweit es zur normalen Schifffahrt gehört oder infolge höherer Gewalt oder eines Notfalls erforderlich wird. Schiffe hingegen, die im Küstenmeer hin- und herfahren und sich dort länger aufhalten, etwa um Daten zu sammeln, bewegen sich außerhalb des Anwendungsbereichs von Artikel 18 SRÜ.16 Ge­schieht das Sammeln von Daten jedoch, wäh­rend das Schiff das Küstenmeer zügig und auf direktem Weg durchquert, kommt es darauf an, ob die Tätigkeit als »friedlich« einzustufen ist.

Nach Artikel 19 Absatz 1 SRÜ ist die Durchfahrt friedlich, solange sie nicht den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenstaats beeinträchtigt. Als Beeinträchtigung in diesem Sinne und damit als »nichtfriedlich« gilt die Durchfahrt eines fremden Schiffes, wenn auf dem Schiff Handlungen vorgenommen werden, die in Artikel 19 Absatz 2 aufge­listet sind. Dazu zählen unter anderem Handlungen, die auf das Sammeln von Informationen zum Scha­den der Verteidigung oder Sicherheit des Küstenstaats gerichtet sind (lit. c). Ebenfalls erfasst sind beispielsweise das Aussetzen von militärischem Gerät (lit. f), Forschungs- und Vermessungsarbeiten (lit. j) sowie Handlungen, die auf die Störung von Kommunika­tionssystemen oder anderen Einrichtungen und An­lagen des Küstenstaats gerichtet sind (lit. k). Und selbstverständlich erfüllt auch jede Anwendung oder Androhung von Gewalt, die gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängig­keit des Küstenstaats gerichtet ist oder anderweitig die in der VN-Charta niedergelegten Prinzipien des Völkerrechts verletzt, den Tatbestand von Artikel 19 Absatz 2 SRÜ (lit. a). Im Übrigen führen sämtliche Aktivitäten, die nicht unmittelbar mit der Durchfahrt zusammenhängen, grundsätzlich dazu, dass die Durch­fahrt als nichtfriedlich im Sinne dieser Vor­schrift einzustufen ist (lit. l). Zudem verlangt das Rechts­regime der friedlichen Durchfahrt, dass Unter­seebote und andere Unterwasserfahrzeuge im Küstenmeer über Wasser fahren und ihre Flagge zeigen.17

Was das Sammeln von Informationen im Küstenmeer angeht, so ist zu differenzieren: Schiffe dürfen Daten erheben, die für eine sichere Navigation erfor­derlich sind, worunter auch Positionsdaten bestimmter Objekte fallen.18 Kritische Infrastruktur auszu­spähen ist jedoch mit dem Recht auf friedliche Durch­fahrt unter keinen Umständen vereinbar. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bereits konkrete Sabo­tage­akte geplant sind.19 In jedem Fall laufen solche Aktivitäten den Sicherheits- und Verteidigungs­inter­essen des Küstenstaats zuwider. Außerdem kann man argumentieren, dass es sich bei Maßnahmen, mit denen die Verläufe von Kabeln und Rohrleitungen auf dem Meeresboden erfasst und aufgezeichnet werden, um Vermessungsarbeiten (survey activities) im Sinne von Artikel 19 Absatz 2 lit. j SRÜ handelt.20

Eingriffsbefugnisse des Küstenstaats im Küstenmeer

Um eine nichtfriedliche Durchfahrt zu unterbinden, darf der Küstenstaat gemäß Artikel 25 Absatz 1 SRÜ in seinem Küstenmeer alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Welche Maßnahmen im Einzelfall zulässig sind, legt das SRÜ nicht fest. Das Spektrum reicht von einer Überprüfung des betreffenden Schif­fes über die Aufforderung, nichtfriedliche Aktivitäten zu unterlassen oder das Küstenmeer zu verlassen, bis hin zur Anwendung von Zwang. Dazu gehört auch, dass Einsatzkräfte des Küstenstaats das Schiff betreten und durchsuchen, Gegenstände beschlagnahmen, Perso­nen festnehmen und das Schiff in einem Hafen fest­setzen dürfen.21 Zu diesem Zweck ist es zulässig, Gewalt im notwendigen Umfang anzuwenden.22 Un­klar ist, ob und gegebenenfalls ab welcher Ver­dachts­stufe der Küstenstaat präventiv gegen Schiffe vor­gehen darf.23

Im Küstenmeer unterliegen Schiffe, die gegen die Ordnung der friedlichen Durchfahrt verstoßen, zwar grundsätzlich der vollständigen Hoheits­gewalt des jeweiligen Küstenstaats. Besonders be­handelt werden jedoch Kriegsschiffe und sonstige Staatsschiffe, die nicht Handelszwecken dienen. Sie sind ebenfalls an die Gesetze des Küstenstaats ge­bunden, durch Im­mu­nität aber vor dem Zugriff seiner Behörden geschützt. Ein Kriegsschiff, das die Gesetze und Vorschriften des Küstenstaats über die Durchfahrt selbst nach Auffor­de­rung nicht einhält, kann vom Küstenstaat immerhin gezwungen werden, das Küstenmeer sofort zu ver­lassen.24 Obwohl das SRÜ dies nur in Bezug auf Kriegs­schiffe regelt, lässt sich argumentieren, dass ein solches Vorgehen auch gegenüber sonstigen Staatsschiffen zulässig ist, die nicht Handelszwecken dienen.25

Nach Artikel 25 Absatz 3 SRÜ kann der Küstenstaat die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe in Teilen seines Küstenmeers vorübergehend aussetzen, sofern dies für seine Sicherheit unerlässlich ist. Um kritische Infrastruktur zu sichern, kann es durchaus zulässig sein, das Durchfahrtsrecht räumlich und zeitlich be­grenzt zu suspendieren.26 Unklar ist, ob eine konkrete Sicherheitsbedrohung vorliegen muss oder ob eine abstrakte Gefahr ausreicht. Jedenfalls kann man argu­mentieren, dass eine Sperrung so lange aufrecht­erhalten werden darf, wie die Bedrohung bzw. Gefah­renlage anhält.27

Darüber hinaus hat der Küstenstaat die Möglichkeit, die friedliche Durchfahrt hinsichtlich bestimmter Angelegenheiten gesetzlich zu regeln. Seine Recht­setzungsbefugnis erstreckt sich unter anderem auf den Schutz von Einrichtungen und Anlagen sowie von Kabeln und Rohrleitungen.28 Zu diesem Zweck kann ein Staat in seinem Küstenmeer Sicherheits­zonen um gefährdete Objekte einrichten, ebenso Schutzzonen oder Korridore für Kabel und Rohr­leitungen, und dort bestimmte Aktivitäten verbieten.29 Je ausgreifender solche Zonen sind und je stärker sie die friedliche Durchfahrt einschränken, desto eher dürfte dadurch Artikel 25 Absatz 3 SRÜ tangiert sein, der eine Aussetzung der friedlichen Durchfahrt nur unter engen Voraussetzungen gestattet.

Spionage in Meerengen, die der internationalen Schiff­fahrt dienen

In den Gewässern rund um Europa finden sich zahl­reiche Meerengen, die zum einen für die internationale Schifffahrt von kritischer Bedeutung sind und durch die zum anderen wichtige Kabeltrassen und Rohrleitungen verlaufen.30 Wie sich Schiffe auf der Durchfahrt verhalten müssen und welche Rechte und Pflichten Meerengen-Anliegerstaaten haben, ist in Teil III des SRÜ geregelt. Für einzelne Meerengen sind jedoch bereits seit langer Zeit spezielle internationale Übereinkünfte in Kraft, die das SRÜ unberührt lässt.31 In europäischen Gewässern betrifft dies etwa die däni­schen Belts und den Öresund32 sowie die türkischen Meerengen.33 Umstritten ist, ob auch die Straße von Gibraltar in diese Ausnahmekategorie fällt.34

Jene Meerengen, die von Teil III des SRÜ erfasst werden, lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: solche, in denen das Recht auf Transitdurchfahrt besteht (Artikel 37 bis 44 SRÜ), und solche, in denen die Ordnung der friedlichen Durchfahrt in modifizier­ter Form zur Anwendung kommt (Artikel 45 SRÜ).

Das Sammeln von Informationen in Meerengen, in denen das Recht der Transitdurchfahrt gilt

Das Recht der Transitdurchfahrt gilt gemäß Artikel 37 SRÜ in Meerengen, die der internationalen Schifffahrt zwischen einem Teil der Hohen See oder einer AWZ und einem anderen Teil der Hohen See oder einer AWZ dienen. Dazu zählen in europäischen Gewässern bei­spielsweise die Straße von Dover und der Nord­kanal zwischen Schottland und Nordirland.

Das Recht auf Transitdurchfahrt in diesen Meer­engen steht nach Artikel 38 Absatz 1 SRÜ allen Schiffen und Luftfahrzeugen zu, also auch Kriegsschiffen, U‑Boo­ten und Militärflugzeugen.

»Transitdurchfahrt« bedeutet nach Artikel 38 Ab­satz 2 SRÜ die in Übereinstimmung mit den einschlägigen Vorschriften erfolgende Ausübung der Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs »zum Zweck des ununterbrochenen und zügigen Transits durch die Meerenge«.35

Schiffe und Luftfahrzeuge, die das Recht der Transit­durchfahrt ausüben, unterliegen währenddessen be­stimmten Pflichten, die in Artikel 39 SRÜ aufgelistet sind. Insbesondere müssen sie die Meerenge unverzüglich durchfahren bzw. überfliegen. Sie dürfen keine Gewalt anwenden oder androhen, die gegen die Souveränität, territoriale Unversehrtheit oder politi­sche Unabhängigkeit der Meerengen-Anliegerstaaten gerichtet ist oder anderweitig die in der VN-Charta niedergelegten Prinzipien des Völkerrechts verletzt. Und es sind grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten ver­boten, die nicht mit dem normalen ununterbrochenen und zügigen Transit zusammenhängen, sofern sie nicht durch höhere Gewalt bedingt oder wegen eines Notfalls erforderlich sind. Darüber hinaus dürfen fremde Schiffe gemäß Artikel 40 SRÜ während der Transitdurchfahrt ohne vorherige Genehmigung der Anliegerstaaten keine Forschungs- oder Vermessungs­arbeiten durchführen.

Grundsätzlich ist es Schiffen gestattet, auch während der Transitdurchfahrt in Meerengen Daten zu sammeln, die für ein sicheres Navigieren erforderlich sind. Infrastruktur auszukundschaften ist jedoch keine Tätigkeit, die zum »normalen« Transit gehört, sofern man bei der Interpretation dieses Merkmals auf das Element der Fortbewegung (Transit als das Einfahren in die Meerenge und das Durchqueren und Verlassen derselben) abstellt und nicht auf das üb­liche Einsatzspektrum des jeweiligen Schiffes.36 Zusätzlich könnte man darauf abheben, dass es sich beim Erfassen und Aufzeichnen der Verläufe von Kabeln und Rohrleitungen auf dem Meeresboden um Survey-Aktivitäten im Sinne von Artikel 40 SRÜ han­delt.37 Folglich würde das Sammeln von Informationen über kritische Infrastruktur in einer Meerenge nicht nur gegen Artikel 39, sondern auch gegen Arti­kel 40 SRÜ verstoßen. Allerdings ist die Ausübung des Rechts auf Transitdurchfahrt nicht davon abhängig, ob das betreffende Schiff diese Vorschriften beachtet.38 Selbst wenn ein Schiff die beschriebenen Pflichten verletzt, ist es nicht automatisch von der Transitdurchfahrt ausgeschlossen.

In Meerengen, in denen das Recht der Transitdurchfahrt gilt, sind die Zugriffsmöglichkeiten der Anliegerstaaten begrenzt.

Das Regime der Transitdurchfahrt verleiht den Meerengen-Anliegerstaaten keine Zugriffsrechte, um die Einhaltung der Artikel 39 und 40 SRÜ gegenüber den betreffenden Schiffen oder Luftfahrzeugen un­mittelbar durchzusetzen. Dieses Rechtsregime ist nämlich darauf ausgelegt, einen möglichst reibungslosen internationalen Schiffs- und Flugverkehr zu gewährleisten. Generell darf die Transitdurchfahrt weder behindert noch ausgesetzt werden.39 Dem­entsprechend sind die Rechtsetzungs- und Eingriffsbefugnisse der Anliegerstaaten in Bezug auf Meer­engen, die unter Artikel 37 SRÜ fallen, wesentlich schwächer ausgeprägt als die Befugnisse eines Küsten­staats in seinem Küstenmeer.40 Betroffene Anliegerstaaten haben nur die Möglichkeit, Rechtsverletzungen, die die Besatzung eines fremden Schiffes wäh­rend der Ausübung des Rechts auf Transitdurchfahrt begangen hat, gegenüber dem jeweiligen Flaggenstaat geltend zu machen. Ins Leere läuft dieser Weg, wenn der Flaggenstaat das rechtsbrüchige Verhalten billigt oder es sogar angeordnet hat.

Anders ist der Fall eines Schiffes zu beurteilen, das sich in einer Meerenge aufhält, ohne diese im Sinne der Definition von »Transitdurchfahrt« zu durchqueren. In Artikel 38 Absatz 3 SRÜ ist geregelt, dass jede Ak­tivität, die keine Ausübung des Rechts auf Transitdurchfahrt darstellt, den anderen anwendbaren Bestim­mungen des SRÜ unterliegt. Daher lässt sich folgen­der­maßen argumentieren: Aktivitäten, die im Küsten­meer eines Meerengen-Anliegerstaats stattfinden, ohne dass das Recht auf Transitdurchfahrt greift, fallen unter das Regime der friedlichen Durchfahrt.41 Dies hat zur Folge, dass der rechtliche Handlungsspielraum des Anliegerstaats größer wird, da er nach Artikel 25 Absatz 1 SRÜ nun alle erforderlichen Maß­nahmen treffen darf, um eine nichtfriedliche Durch­fahrt zu verhindern (siehe dazu Seite 10f). Ein sol­cher Fall liegt vor, wenn ein Schiff, nachdem es in eine Meerenge eingefahren ist, einen Kurs einschlägt, der nicht mehr als ununterbrochener und zügiger Transit im Sinne von Artikel 38 Absatz 2 SRÜ be­trach­tet werden kann – etwa wenn das Schiff in der Meer­enge hin- und herfährt oder dort ohne Not seine Fahrt unter­bricht, um Daten zu sammeln.

Das Sammeln von Informationen in Meerengen, in denen die Ordnung der friedlichen Durchfahrt zur Anwendung kommt

Die zweite Kategorie von Meerengen, die von Teil III des SRÜ erfasst werden, bilden jene, in denen gemäß Artikel 45 die Ordnung der friedlichen Durchfahrt – in modifizierter Form – zur Anwendung kommt.

Hierzu gehören zum einen Meerengen, die zwar der internationalen Schifffahrt dienen und die einen Teil der Hohen See bzw. eine AWZ mit einem ande­ren Teil der Hohen See oder einer AWZ verbinden – die aber die geographische Besonderheit aufweisen, dass sie zwischen dem Festland und einer Insel ein und desselben Staates liegen. Seewärts der Insel muss dabei »ein in navigatorischer und hydrographischer Hinsicht gleichermaßen geeigneter Seeweg« durch die Hohe See oder eine AWZ vorhanden sein.42 Beispiele hierfür sind der Kalmarsund vor der Südostküste Schwedens, der Pentland Firth zwischen dem schotti­schen Festland und den Orkney-Inseln sowie die Straße von Messina zwischen Sizilien und dem ita­lienischen Festland.

Zum anderen findet das Regime der friedlichen Durchfahrt in solchen Meerengen Anwendung, die der internationalen Schifffahrt dienen und die das Küstenmeer eines Staates mit einem Teil der Hohen See oder mit der AWZ eines anderen Staates verbinden.43 In der Literatur wird darüber diskutiert, ob die Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer mit dem Asowschen Meer verbindet, prinzipiell in diese Kate­gorie fallen könnte.44 Beispiele außerhalb Euro­pas sind die Straße von Tiran und der Golf von Akaba.

In Meerengen, die sich den beiden genannten Kategorien zuordnen lassen, sind die Regelungs- und Eingriffsbefugnisse der Anliegerstaaten in Bezug auf die Durchfahrt weitreichender als in Fällen, in denen das Recht der Transitdurchfahrt besteht. Die Anliegerstaaten dürfen etwa Vorschriften zum Schutz von Einrichtungen, Anlagen, Kabeln und Rohrleitungen erlassen sowie Sicherheitszonen schaffen. Außer­dem dürfen sie alle erforderlichen Maßnahmen er­greifen, um eine nichtfriedliche Durchfahrt zu ver­hin­dern (siehe dazu Seite 10f). Allerdings gilt das Regime der friedlichen Durchfahrt in diesen Meer­engen nur in modifizierter Form. Anders als im Küstenmeer darf die Ausübung des Rechts auf friedliche Durchfahrt durch die Meerenge nämlich nicht ausgesetzt werden.45

Spionage in der AWZ

Die Spionageaktivitäten russischer Schiffe in den Gewässern rund um Europa dürften sich hauptsächlich auf Bereiche konzentrieren, die dem Rechts­regime der AWZ zuzuordnen sind. In dieser Zone be­finden sich nicht nur die großen Offshore-Wind­parks, sondern auch unzählige Kabel und Rohrleitungen, die über den Festlandsockel verlaufen.

Soweit es aus der Perspektive des Seerechts um Spio­nage jenseits des Küstenmeers geht, wird in der Literatur üblicherweise nur auf die Rechtsordnungen der AWZ und der Hohen See Bezug genommen, nicht auf das Festlandsockelregime. Letzteres spielt jedoch im Zusammenhang mit dem Mapping kritischer Infra­struktur eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zur Rechts­ordnung der AWZ enthält das Festlandsockel­regime nämlich Regelungen über die Rechtsstellung unter­see­ischer Kabel und Rohrleitungen. Diese Rege­lungen sind auch für den Schutz solcher Infrastruktur von Bedeutung.46

Die für die AWZ geltende Rechtsordnung soll sowohl den wirtschaftlichen Interessen des Küstenstaats in dieser Zone Rechnung tragen als auch den Schifffahrts- und sonstigen Nutzungsinteressen aller anderen Staaten. Der erarbeitete Kompromiss, der in Teil V des SRÜ zum Ausdruck kommt, lässt Raum für unterschiedliche Auslegungen. Mit Blick auf die Problematik von Spionage in der AWZ ist dies in zweierlei Hinsicht relevant: Erstens sind die Staaten uneins darüber, in welchen Fällen das Sammeln von Informationen in der AWZ zu den »anderen völkerrechtlich zulässigen Nutzungen des Meeres« im Sinne von Artikel 58 Absatz 1 SRÜ zählt. Zweitens nehmen einige Staaten in ihrer AWZ Rechte und Befugnisse in Anspruch, die über die in Teil V des SRÜ ausdrücklich verbrieften Rechte und Befugnisse hinausgehen (dazu sogleich ausführlicher). Strittig ist, ob ein Küstenstaat bestimmen kann, unter welchen Voraussetzungen fremde Schiffe in seiner AWZ militärische Manöver und Übungen abhalten dürfen. Uneinigkeit herrscht aber auch darüber, ob Küstenstaaten berechtigt sind, ausländische Schiffe in der AWZ daran zu hindern, hydro­graphische Vermessungsarbeiten vorzunehmen oder Informationen für sonstige Zwecke zu sammeln.

Die zentralen Streitpunkte

Während der Verhandlungen, die 1982 zur Verabschiedung des SRÜ geführt haben, wurde heftig dar­über gestritten, ob den Küstenstaaten Hoheits­befug­nisse eingeräumt werden sollten, die es ihnen gestat­ten würden, militärische Aktivitäten anderer Staaten in ihrer AWZ zu kontrollieren. Die Befürworter derart weitreichender Befugnisse konnten sich nicht durch­setzen. Einige Staaten haben bei der Unterzeichnung oder Ratifikation des SRÜ bzw. an­lässlich des Beitritts zu dem Abkommen förmliche Erklärungen abge­geben, die ihre Rechtsauffassung zu diesem Punkt dokumentieren sollen. Indien beispiels­weise vertritt die Position, dass das SRÜ die Staaten nicht dazu ermächtigt, ohne Zustimmung des jewei­ligen Küsten­staats militärische Übungen und Manö­ver in dessen AWZ und auf dessen Festlandsockel durchzuführen.47 Diese Haltung hat auch in der Gesetzgebung einzel­ner Länder ihren Niederschlag gefunden. Iran etwa verbietet jegliche Aktivitäten in seiner AWZ, die seinen Interessen zuwiderlaufen. Dazu gehören aus­ländische Militäraktivitäten ebenso wie das Sammeln von Informationen durch ausländische Schiffe.48

Eine ebenfalls sehr restriktive Linie verfolgt China. In der von ihm beanspruchten AWZ dürfen ohne Genehmigung chinesischer Behörden weder militärische Übungen oder Manöver stattfinden noch soge­nannte Survey- und Mapping-Aktivitäten, also das Vermessen und Kartographieren von See- und Unter­seegebieten, gleich zu welchem Zweck.49 US-amerika­nische Schiffe, die in diesen Gewässern unterwegs sind, um Daten zu erheben, werden von der chinesischen Marine regelmäßig abgefangen und bedrängt. Dabei kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Zwischenfällen, die zu diplomatischen und politischen Verwerfungen zwischen Washington und Peking geführt haben.50

Infokasten: Ausschließliche Wirtschaftszone und Festlandsockel

Ausschließliche Wirtschaftszone

Bei der AWZ handelt es sich um ein Gebiet, das unmittelbar an das Küstenmeer eines Küstenstaats grenzt. Die AWZ unterliegt nach Teil V des SRÜ einer besonderen Rechtsordnung, wonach den Küstenstaaten in der AWZ bestimmte exklusive Rechte und Befugnisse zustehen und gleichzeitig alle Staaten in dieser Zone die Freiheit der Schifffahrt und andere Freiheiten der Hohen See genießen.

In der AWZ verfügt der Küstenstaat gemäß Artikel 56 Ab­satz 1 SRÜ über souveräne Rechte zur Erforschung, Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der natürlichen Ressour­cen der Gewässer, des Meeresbodens und seines Untergrunds. Hinzu kommen souveräne Rechte in Bezug auf andere Tätig­keiten, die der wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone dienen, wie etwa die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind. Außerdem haben Küstenstaaten in ihrer AWZ Hoheitsbefugnisse, die sich auf die Errichtung und Nut­zung von künstlichen Inseln, Anlagen und Bauwerken be­ziehen, ferner auf die wissenschaftliche Meeresforschung sowie auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt. In ihrer seewärtigen Ausdehnung darf sich die AWZ nicht weiter als 200 Seemeilen über die Basislinien hinaus erstrecken, von denen aus auch die Breite des Küstenmeers gemessen wird.a

Festlandsockel

Der Festlandsockel umfasst als natürliche Verlängerung des Landgebiets den Meeresboden und den Untergrund jenseits des Küstenmeers bis zur äußeren Kante des Festlandrands. Die für den Festlandsockel geltenden Regelungen finden sich in Teil VI des SRÜ.

Obgleich der Festlandsockel nicht zum Staatsgebiet gehört, hat der Küstenstaat hier exklusiv bestimmte souveräne Rechte. Sie betreffen gemäß Artikel 77 SRÜ die Erforschung des Fest­landsockels und die Ausbeutung seiner natürlichen Ressourcen. Diese Rechte berühren nicht den Rechtsstatus der über dem Festlandsockel befindlichen Gewässer (AWZ und ggfs. Hohe See).b

Jeder Küstenstaat verfügt ungeachtet der geomorphologischen und geologischen Gegebenheiten über einen Festland­sockel, dessen seewärtige Ausdehnung bis zu 200 Seemeilen betragen darf (gemessen ab den Basislinien).c Soweit die äußere Kante des Festlandrandsd tatsächlich in einer größeren Ent­fernung verläuft, kann der Küstenstaat einen erweiterten Fest­landsockel beanspruchen.e

a Art. 57 SRÜ.

b Art. 78 Abs. 1 SRÜ.

c Art. 76 Abs. 1 Alt. 2 SRÜ.

d Art. 76 Abs. 3 SRÜ.

e Art. 76 Abs. 1 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4ff SRÜ.

Argumentativ stützt China seine Position zum einen auf eine restriktive Interpretation von Artikel 58 Absatz 1 SRÜ. So bestreitet Peking, dass mili­tärische Aktivitäten in der AWZ zu den »anderen völker­rechtlich zulässigen Nutzungen des Meeres« zählen, die mit der Schifffahrtsfreiheit zusammenhängen. Zum anderen reklamiert China, dass die Hoheitsbefugnisse, die einem Küstenstaat nach Arti­kel 56 Absatz 1 lit. b in Verbindung mit Teil XIII des SRÜ zustehen, wenn es um die Regulierung wissenschaftlicher Meeresforschung in der AWZ geht, auch bei Vermessungsaktivitäten zur Anwendung kom­men.51 Eine derart weite Auslegung ist jedoch mit dem traditionellen Verständnis des seerechtlichen Kon­zepts wissenschaftlicher Meeresforschung kaum vereinbar.

Was den Umfang der Rechte und Befugnisse von Küstenstaaten in der AWZ angeht, fehlt es an einer allgemeinen Staatenpraxis.

Der Hauptgegenspieler Chinas, auch was die Aus­legung des Seerechts zu diesen Fragen betrifft, sind die USA. Obgleich bislang nicht Partei des SRÜ, ver­wenden die USA viel Energie darauf, bestimmte Nor­men des Seerechts zu stärken, die für die Wah­rung ihrer nationalen Interessen von Bedeutung sind. In erster Linie geht es für die USA darum, die Freiheit der Schifffahrt durchzusetzen. Sie vertreten den Standpunkt, dass militärische Operationen und Übun­gen sowie andere militärisch relevante Aktivitäten auf Hoher See seit jeher völkerrechtlich zulässig sind; dies gelte gleichermaßen für den Bereich der AWZ.52 Demzufolge bedürften auch militärische Surveys – ebenso wie hydrographische Vermessungsarbeiten – in der AWZ grundsätzlich keiner Genehmigung durch den jeweiligen Küstenstaat.53

Viele europäische Staaten teilen diese Einschätzung.54 So erklärte die Bundesrepublik Deutschland anlässlich ihres Beitritts zum SRÜ im Jahr 1994, das SRÜ regele genau, welche ressourcenbezogenen Rechte und Hoheitsbefugnisse Küstenstaaten in ihrer AWZ hätten. Ungeschriebene Rechte und Befugnisse könnten die Küstenstaaten in der AWZ nicht geltend machen. Vor allem könne der Küstenstaat nicht das Recht beanspruchen, über militärische Übungen oder Manöver in seiner AWZ vorab informiert zu werden. Erst recht bedürften solche Aktivitäten nicht der Genehmigung durch den Küstenstaat, so die Auf­fassung der damaligen Bundesregierung.55

Die russische AWZ-Gesetzgebung orientiert sich unmittelbar am Wortlaut von Artikel 58 Absatz 1 SRÜ. Dementsprechend heißt es in dem Gesetz, die Russische Föderation werde in ihrer AWZ weder die Schifffahrt behindern noch andere Staaten daran hindern, in dieser Zone sonstige Rechte und Frei­heiten im Einklang mit den allgemein anerkannten Prinzipien und Normen des Völkerrechts auszuüben.56 Gleichzeitig besteht laut Russlands Maritimer Doktrin von 2022 ein nationales Interesse daran, die souve­ränen Rechte und Hoheitsbefugnisse der Russischen Föderation in der AWZ und auf dem Festlandsockel zu behaupten.57 Ob Russland militärische Übungen oder Erkundungstouren westlicher Schiffe in seiner AWZ dulden würde, scheint angesichts der zunehmen­den Spannungen höchst fraglich.

Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich hinsichtlich des Umfangs der Rechte und Befugnisse von Küs­tenstaaten in der AWZ sowie hinsichtlich dessen, was als völkerrechtlich zulässige Nutzung der AWZ gelten soll, keine allgemeine (d. h. keine hinreichend weit verbreitete, repräsentative und konsistente) Staatenpraxis herausgebildet hat, die als Recht anerkannt wäre. Mit anderen Worten: Keine der hier dargestellten Positionen kann für sich in Anspruch nehmen, Völkergewohnheitsrecht widerzuspiegeln.

Leerstellen im SRÜ – Europa im Dilemma

In den 1970er und frühen 1980er Jahren, als die Ver­handlungen für das SRÜ stattfanden, war der Schutz maritimer kritischer Infrastruktur kein beherrschendes Thema in den Debatten. Insbesondere war noch nicht absehbar, wie wichtig Kabelinfrastruktur für digitale Kommunikation und wie groß die Abhängigkeit von solcher Infrastruktur einmal sein würde. Zudem wurde es nicht als regelungsbedürftiges Prob­lem des Seerechts angesehen, dass maritime Infrastruktur verstärkt zum Ziel von Sabotage werden könnte. Mithin mag das SRÜ in dieser Hinsicht aus heutiger Perspektive lückenhaft erscheinen. Immer wieder werden im internationalen Seerecht Justierun­gen vorgenommen, um bisher unbeachteten Heraus­forderungen Rechnung zu tragen.

Eine internationale Konvention von 1988, die sogenannte SUA-Konvention,58 sollte zum Beispiel helfen, rechtswidrige Handlungen zu unterbinden, die gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt gerichtet sind. Die Sicherheit von Plattformen auf dem Fest­land­sockel wird in einem Protokoll zur Konvention geson­dert behandelt.59 2005 wurden die Konvention und das Protokoll ergänzt, um terroristische Akte gegen Schiffe und Plattformen sowie die Proliferation von Massenvernichtungswaffen auf dem Seeweg effektiver bekämpfen und ahnden zu können.60

Die Konvention und ihre nunmehr drei Protokolle sehen vor, dass die Vertragsstaaten ihre Gerichts­barkeit auf die in den Übereinkommen definierten Tatbestände ausweiten und bei der Verfolgung zu­sammenarbeiten. Zwar wurde 2005 auch ein Verfah­ren für das Boarding von Schiffen eingeführt;61 Vor­aus­setzung für eine solche Maßnahme ist jedoch grundsätzlich die Zustimmung des Flaggenstaats. Im Fall von Straftaten gegen Plattformen auf dem Fest­landsockel ist die damals beschlossene Boarding-Regelung nicht anwendbar.62 Alles in allem lassen sich aus der SUA-Konvention und ihren Protokollen keine Befugnisse ableiten, die es einem Küstenstaat gestatten würden, ausländische Spionageschiffe aus seiner AWZ zu verbannen oder verdächtige Schiffe ohne Absprache mit dem Flaggenstaat polizeilichen Kontrollen zu unterziehen.

Das Szenario, das in dieser Studie behandelt wird – dass ganze Flotten von Schiffen im Staatsauftrag aus­schwärmen, um systematisch kritische Infrastruktur auszukundschaften –, lässt sich anhand der bestehen­den seerechtlichen Regelungen insgesamt nur unzu­reichend erfassen.63 Insbesondere räumt das SRÜ den Küstenstaaten keine Hoheitsbefugnisse ein, die es ihnen erlauben würden, solche Mapping-Aktivitäten in ihrer AWZ zu unterbinden. Und es ist nicht abseh­bar, dass die Vertragsparteien des SRÜ den 1982 müh­sam erarbeiteten Kompromiss, der die besondere Rechts­ordnung der AWZ trägt, wieder aufbrechen werden, um das Verhältnis von Rechten und Pflichten in dieser Zone neu auszutarieren. Vielmehr werden die einzelnen Lager weiter versuchen, ihre Auslegungen durchzusetzen.

Für die USA und viele europäische Staaten stellt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderung allerdings ein Problem. Die Position, die sie bis­her vertreten haben – dargestellt auf Seite 17 –, steht ihnen, juristisch betrachtet, nun im Weg, wenn es dar­um geht, russische Spionageaktivitäten vor ihren Küsten abzuwehren. Noch einmal: Hydrographische und militärische Vermessungsarbeiten in der AWZ unterliegen nach Auffassung der USA und vieler euro­päischer Staaten grundsätzlich nicht der Genehmigung und Kontrolle durch den jeweiligen Küstenstaat. Auch sonstige Unternehmungen in der AWZ, die auf das Sammeln von Informationen gerichtet sind, be­dür­fen nach dieser Auffassung nicht der Zustimmung des Küstenstaats, es sei denn, es handelt sich um wissenschaftliche Meeresforschung. Wie lässt sich dieses Dilemma auflösen?

Argumentationsspielräume

Eines der tragenden Prinzipien des Seevölkerrechts besteht darin, dass die Hohe See friedlichen Zwecken vorbehalten ist – dies gilt auch für die AWZ.64 Was unter »friedlich« in diesem Sinne zu verstehen ist, war lange Zeit umstritten, bestimmt sich der herr­schen­den Meinung zufolge jedoch nach Artikel 2 Ziffer 4 der VN-Charta, dem völkerrechtlichen Gewalt­verbot.65 Artikel 301 SRÜ greift das Gewaltverbot auf. In dieser Vorschrift heißt es, dass sich die Vertragsstaaten bei der Ausübung ihrer Rechte aus dem Ab­kommen jeder Anwendung oder Androhung von Gewalt enthalten müssen, die gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet oder sonst mit den in der VN-Charta niedergelegten Grundsätzen des Völkerrechts un­vereinbar ist. Was aber folgt daraus, wenn sich ein Staat unfriedlich verhält?

Das SRÜ bietet für solche Fälle kein spezielles Instrumentarium. Stattdessen kommen jene völkerrechtlichen Regelungen zur Anwendung, die die An­drohung und Anwendung von Gewalt in den inter­nationalen Beziehungen generell einhegen sollen, das sogenannte ius contra bellum. Auf Konstellationen, in denen der Anwendungsbereich von Artikel 2 Ziffer 4 der VN-Charta tangiert ist, wird im nachfolgenden Kapitel (Seite 22ff) noch gesondert eingegangen. Spio­nage als solche stellt jedenfalls keine Verletzung des Gewaltverbots dar.66

Argumentationsspielräume, um Eingriffe gegen Spionageschiffe zu rechtfertigen, eröffnen sich eher in anderer Hinsicht: Jeder Küstenstaat hat grundsätzlich das Recht, Eingriffe in seine souveränen Rechte abzuwehren, die ihm Teil V des SRÜ zum Zwecke der wirtschaftlichen Nutzung der AWZ ausdrücklich und ex­klusiv einräumt (siehe insbesondere Artikel 56 SRÜ).67 Dies gilt ebenso für die souveränen Rechte, die sich auf die Erforschung des Festlandsockels und die Aus­beutung seiner natürlichen Ressourcen beziehen (Artikel 77 SRÜ).68

Küstenstaaten müssen die Möglichkeit haben, ihre souveränen Rechte in der AWZ und auf dem Festlandsockel zu wahren.

Die Sabotage von Anlagen und Bauwerken, die der Küstenstaat für die in Artikel 56 bzw. Artikel 77 SRÜ vorgesehenen Zwecke in seiner AWZ und auf seinem Festlandsockel errichtet hat, stellt eine Verletzung seiner souveränen Rechte dar. Unter die Zweckbeschrei­bungen dieser beiden Artikel fallen etwa Windparks mit ihren Kabeltrassen sowie Bohrplattformen und dazugehörige Rohrleitungen, die der Ausbeutung von Öl- und Gasvorkommen auf dem Festlandsockel dienen.

Im Arctic Sunrise-Fall hat ein Schiedsgericht 2015 festgestellt, dass terroristische Angriffe gegen Anlagen und Bauwerke in der AWZ den Küstenstaat unmittelbar in seinem Recht beeinträchtigen, die nichtlebenden natürlichen Ressourcen des Meeresbodens aus­zubeuten.69 Gegen Schiffe, die unter dem begründeten Verdacht stünden, in einen solchen Angriff ver­wickelt zu sein, sei auch präventives Handeln gerecht­fertigt, so das Schiedsgericht.70 Allerdings trafen die Richter keine Aussage darüber, auf welcher recht­lichen Grundlage derartige Maßnahmen zulässig sein sollen. Es sei jedoch vernünftigerweise davon auszu­gehen, dass der Küstenstaat gefährliche Situationen verhindern dürfe, die zu Personenschäden oder Sach­schäden an Anlagen und Ausrüstung führen könnten. Außerdem habe der Küstenstaat ein legitimes Inter­esse sicherzustellen, dass es bei »essentiellen Opera­tio­nen« nicht zu Unterbrechungen oder Verzögerungen komme. Und nicht zuletzt gehe es auch darum, die Meeresumwelt vor nachteiligen Auswirkungen zu schüt­zen, die etwa durch Schäden an einer Ölbohrplattform entstehen können.71

Eingriffsbefugnisse zum Schutz der Meeresumwelt und lebender Ressourcen

Artikel 79 Absatz 2 SRÜ erwähnt das Recht des Küstenstaats, angemessene Maßnahmen zu treffen, um Verschmutzungen zu verhüten, die von Rohr­leitungen ausgehen können.72 Gemäß Artikel 208 Absatz 1 und Artikel 214 SRÜ sind die Küstenstaaten sogar dazu verpflichtet, Rechtsvorschriften zur Ver­hütung von Verschmutzungen zu erlassen und durch­zusetzen. Die beiden zuletzt genannten Artikel er­strecken sich allgemein auf Tätigkeiten auf dem Mee­res­boden sowie auf den Betrieb von Anlagen und Bauwerken ­– vorausgesetzt, der Küstenstaat hat die Hoheitsgewalt über die betreffende Tätigkeit bzw. Einrichtung.

Wird als Folge der Zerstörung einer Pipeline Öl frei­gesetzt, schädigt dies nicht nur die Meeresumwelt. Es bewirkt eben auch, dass der Küstenstaat seine sou­veränen Rechte in Bezug auf die Ausbeutung und Erhaltung der lebenden Ressourcen der AWZ und des Festlandsockels im betroffenen Gebiet nur noch ein­geschränkt ausüben kann.

Der Wahrung dieser Rechte dient im Übrigen Artikel 73 Absatz 1 SRÜ, und zwar unabhängig vom Anliegen des Meeresumweltschutzes. Nach dieser Vorschrift kann der Küstenstaat die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um nationale Vorschriften durchzusetzen, die sich auf die Erforschung, Aus­beutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der leben­den Ressourcen in der AWZ beziehen. Dies schließt unter anderem ein, dass fremde Schiffe, die im Ver­dacht stehen, gegen die geltenden Vorschriften ver­stoßen zu haben, angehalten, überprüft und gege­benenfalls festgehalten werden dürfen.

Jedoch fehlt im SRÜ eine Artikel 73 Absatz 1 entsprechende Regelung, die es dem Küstenstaat gestatten würde, solche polizeilichen Maßnahmen einzuleiten, um nationales Recht auch im Zusammenhang mit der Erforschung, Ausbeutung, Erhal­tung und Bewirtschaftung der nichtlebenden Res­sourcen der AWZ oder des Festlandsockels durchzusetzen. Doch wird Artikel 73 Absatz 1 als Rechtsgrundlage in Erwägung gezogen, soweit es darum geht, schädigende Einwirkungen auf Pipelines zu ver­hindern, die dazu führen könnten, dass die Meeres­umwelt und mit ihr die lebenden Ressourcen der AWZ durch austretendes Öl in Mitleidenschaft ge­zogen werden.73

Eingriffsbefugnisse in Sicherheitszonen

Eingriffsbefugnisse gegen verdächtige Schiffe lassen sich darüber hinaus aus Artikel 60 Absatz 4 SRÜ ab­leiten. Nach dieser Regelung darf der Küstenstaat, wo es notwendig ist, angemessene Sicherheitszonen ein­richten, in denen er geeignete Maßnahmen ergreifen kann, um die Sicherheit von Anlagen und Bauwerken zu gewährleisten, die der wirtschaftlichen Nutzung der AWZ dienen. Artikel 60 gilt laut Artikel 80 SRÜ sinngemäß ebenso für den Festlandsockel.

Innerhalb solcher Sicherheitszonen kann der Küs­ten­staat beispielsweise Schifffahrtswege festlegen; er kann das Befahren der Zone aber auch vollständig ver­bie­ten, wenn es zum Schutz des Objekts erforderlich ist.74 Das vorschriftswidrige Einfahren in eine Sicher­heits­zone berechtigt den Küstenstaat zwar grund­sätz­lich nicht dazu, das betreffende Schiff ohne Zustimmung des Flaggenstaats aufzubringen.75 Sofern aber begrün­deter Verdacht besteht, dass das Schiff in Akti­vi­täten verwickelt ist, die die Zerstörung oder Beschä­digung der Infrastruktur in der Sicherheits­zone zum Ziel haben, muss der Küstenstaat wirksam eingreifen können.76

Umstritten ist allerdings, ob der Küstenstaat Sicher­heitszonen in seiner AWZ und auf seinem Festlandsockel auch über Kabeln und Rohrleitungen einrichten darf. Hierfür fehlt es an einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage im SRÜ. Gleichwohl haben einige Staaten bereits Schutzkorridore ausgewiesen, dar­unter Australien und Neuseeland.77 Die Befürworter dieser Praxis argumentieren, dass sich aus den souve­ränen Rechten, die dem Küstenstaat in seiner AWZ und auf seinem Festlandsockel zustehen, die Befugnis ableiten lasse, zum Zwecke der Durchsetzung dieser Rechte entsprechende Zonen und Korridore zu schaffen.78

Besonderheiten bei Transitkabeln und Transitleitungen

An Grenzen stößt die Argumentation, wonach der Küstenstaat zur Wahrung seiner souveränen Rechte aus Artikel 56 und Artikel 77 SRÜ in seiner AWZ und auf seinem Festlandsockel Maßnahmen gegen aus­ländische Schiffe ergreifen darf, um die Integrität maritimer Infrastruktur aktiv zu schützen, in folgen­dem Fall: wenn es sich um »fremde« Infrastruktur handelt, die nicht der Ausübung dieser souveränen Rechte dient. Von Bedeutung ist dies insbesondere für Transitkabel und Transitleitungen, die über den Fest­landsockel führen. Sofern diese nicht in das Küstenmeer münden und nicht im Zusammenhang mit der Ausbeutung der AWZ oder des Festlandsockels ge­nutzt werden, liegen die Hoheitsbefugnisse bei den­jenigen Staaten, die für die Verlegung verantwortlich sind. Die betreffenden Staaten tragen dann auch die Verantwortung für einen reibungslosen und sicheren Betrieb. Und sie haben zumindest das Recht, die Kabel und Leitungen zu inspizieren79 und mit Hilfe geeigneter Vorrichtungen dauerhaft zu überwachen.80

Außerdem, so wird in der Literatur argumentiert, müsse es jedem Staat gestattet sein, eigene Kabel vor Angriffen und anderen rechtswidrigen Einwirkungen auch anderweitig zu schützen, etwa auf Grundlage des passiven Personalitätsprinzips81 oder des Schutz­prinzips.82 Dies schließe Maßnahmen zur Identifizierung verdächtiger Schiffe und zur Dokumentation von Vorfällen ein. Das SRÜ stehe dem nicht entgegen.83 Diese Argumentation konzentriert sich auf unter­seeische Kommunikationskabel, lässt sich aber auf Hochspannungskabel und Rohrleitungen übertragen.

Wenn es zu Sabotageakten kommt

Sollte sich die Befürchtung bestätigen, dass maritime kritische Infrastruktur tatsächlich vermehrt durch Sabotage zerstört oder anderweitig ausgeschaltet wird, stellt sich die Frage, wie die betroffenen Staaten hierauf reagieren dürfen. Im Raum stehen dann nicht nur polizeiliche Maßnahmen gegen einzelne Schiffe, sondern gegebenenfalls auch der Einsatz militärischer Gewalt gegen den für den Angriff verantwortlichen Staat. Somit rückt aus völkerrechtlicher Sicht das ius contra bellum ins Blickfeld.

Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammen­hang die Frage, wann ein Sabotageakt gegen kritische Infrastruktur als bewaffneter Angriff im Sinne von Artikel 51 der VN-Charta zu werten ist. Im Fall eines bewaffneten Angriffs darf der betroffene Staat näm­lich seinerseits Gewalt anwenden, um sich zu ver­teidigen. Als Verteidigungsmaßnahmen kommen sowohl konventionelle militärische Maßnahmen als auch Cyberoperationen in Betracht – vorausgesetzt, sie sind notwendig und verhältnismäßig. Darüber hinaus würde ein bewaffneter Angriff gegen einen Nato-Mitgliedstaat die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages auslösen.84

Die USA vertreten traditionell die Auffassung, dass jede völkerrechtswidrige Gewaltanwendung den be­troffenen Staat dazu berechtigt, notwendige und ver­hältnismäßige Maßnahmen zur Selbstverteidigung zu ergreifen. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat jedoch in seiner Nicaragua-Entscheidung aus dem Jahr 1986 unterschieden zwischen den allerschwersten Formen der Gewaltanwendung (»most grave forms of the use of force«), die einen bewaffneten Angriff dar­stellen, und anderen, weniger schweren Formen der Gewaltanwendung.85 Zur Beschreibung dessen, was einen bewaffneten Angriff ausmacht, hat der Gerichts­hof insbesondere auf das Ausmaß und die Folgen der Gewaltanwendung (»scale and effects«) abgestellt.86 Anders als bisherige US-Regierungen orientieren sich viele Staaten und die Mehrheit der Stimmen in der Völkerrechtswissenschaft an dieser prinzipiellen Unterscheidung. Danach besteht ein Recht auf Selbstverteidigung erst dann, wenn die Gewalt eine gewisse Schwelle überschreitet und da­durch zu einem bewaffneten Angriff wird. Sabotageakte, die nicht als bewaffneter Angriff zählen, darf der betroffene Staat nur mit verhältnismäßigen Gegen­maßnahmen unterhalb der Schwelle des Gewalt­einsatzes beantworten.

Die Anwendung von Artikel 51 der VN-Charta wirft im Fall der Sabotage von Kabeln und Pipelines viele Fragen auf.

Bei der Anwendung von Artikel 51 der VN-Charta in Fällen, in denen Sabotage­akte gegen maritime kri­ti­sche Infrastruktur gerichtet sind, können sich be­son­dere Probleme ergeben. Zum einen ist unklar, unter welchen Voraussetzungen Anschläge auf Kabel und Rohrleitungen außerhalb des Küstenmeers – also jenseits aller Staatsgrenzen – als bewaffneter Angriff gegen einen Staat im Sinne von Artikel 51 der VN-Charta eingestuft werden können. Zum anderen sind das Beschädigen der Rohrwandung einer Pipeline und erst recht das Durchtrennen eines Kabels Eingriffe, die, verglichen mit konventionellen militärischen Maß­nahmen, den Einsatz physischer Gewalt nur in relativ geringer Dosis erfordern. In solchen Fällen lässt sich das Vorliegen eines bewaffneten Angriffs mit Blick auf das Schwellenkriterium (scale and effects) allenfalls begründen, wenn der Akt nicht isoliert betrachtet wird, sondern auch bestimmte Folgen, die der Ausfall der jeweiligen Infrastruktur mit sich bringt, in die Kalkulation miteinbezogen werden.

Das erstgenannte Problem – Artikel 51 der VN-Charta setzt einen bewaffneten Angriff voraus, der sich gegen einen Staat richtet – stellt sich bereits im Rah­men von Artikel 2 Ziffer 4 der VN-Charta. Denn das Gewalt­verbot gilt nur zwischen Staaten »in ihren internationalen Beziehungen«. Konkret bedeutet das: Zwischen der attackierten Infrastruktur und dem Staat, der sich im Sinne von Artikel 2 Ziffer 4 als Adressat der Gewalt­anwendung bzw. als angegriffen im Sinne von Arti­kel 51 betrachtet, muss eine Ver­bindung bestehen.87

Das Sprengen einer Pipeline in fremdem Küstenmeer – das heißt im Hoheitsgebiet des jeweiligen Küstenstaats – durch Akteure, deren Verhalten einem anderen Staat zurechenbar ist,88 stellt eindeu­tig eine Verletzung des Gewaltverbots dar und, je nach Schwere und Folgen, möglicherweise auch einen bewaffneten Angriff. In dieser Konstellation ergibt sich die Verbindung daraus, dass das Objekt auf Staatsterritorium angegriffen wurde.

Fraglich ist, ob es sich um eine zwischenstaatliche Konstellation handelt, wenn die Sabotage außerhalb staatlicher Hoheitsgewässer erfolgt, sprich in der AWZ oder auf Hoher See. In der AWZ verfügt der Küstenstaat nur über bestimmte funktionsgebundene sou­veräne Rechte, übt dort aber keine Souveränität aus.89 Soweit es um Sabotageakte gegen Windparks oder Bohrplattformen in der AWZ bzw. auf dem Festlandsockel geht, könnte auf die ausschließlichen Rechte und Hoheitsbefugnisse abgestellt werden, die dem Küstenstaat in Bezug auf derartige Anlagen und Bau­werke gemäß Artikel 60 und Artikel 80 SRÜ zustehen. Nach dieser Sichtweise wäre ein Sabotageakt gegen eine solche Einrichtung in der AWZ bzw. auf dem Festlandsockel als Gewaltanwendung und gegebenenfalls als bewaffneter Angriff gegen den Küstenstaat zu werten. Weniger plausibel erscheint es, denjenigen Staat als angegriffen zu betrachten, in dem das Unter­nehmen, das die jeweilige Infrastruktur betreibt, seinen Sitz hat. Dann hätte sich zum Beispiel der An­schlag auf die Nord-Stream-Pipelines gegen die Schweiz gerichtet, wo das Betreiberkonsortium seinen Haupt­sitz unterhält.

Was Sabotageakte gegen unterseeische Kabel und Rohrleitungen in der AWZ bzw. auf dem Festland­sockel anbetrifft, so ist die Zuordnung auf »Opferseite« in dergleichen Fällen ohnehin komplizierter. Hebt man wiederum auf das hoheitliche Verhält­nis ab, ist folgendermaßen zu differenzieren: Küsten­staaten haben Hoheitsbefugnisse über Kabel und Leitungen auf dem Festlandsockel gemäß Artikel 79 Absatz 4 SRÜ.90 Kabel und Leitungen, die nicht unter Artikel 79 Absatz 4 SRÜ fallen, unterliegen grundsätzlich der Hoheitsgewalt derjenigen Staaten, die für die Ver­legung verantwortlich sind. Die Hoheitsbefugnisse dieser Staaten ergeben sich auf dem Festlandsockel aus Artikel 79 Absatz 1 SRÜ sowie auf dem Boden der Hohen See jenseits des Festlandsockels aus Artikel 87 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 112 Absatz 1 SRÜ.91 Derjenige Staat, der im Einzelfall Hoheitsbefugnisse ausübt, wäre nach dieser Betrachtungsweise auch zur Selbstverteidigung berechtigt.

Ein Küstenstaat wird jedoch nicht schon deshalb zum Angegriffenen im Sinne von Artikel 51 der VN-Charta, weil Kabel oder Rohrleitungen sabotiert wer­den, die durch seine AWZ und über seinen Festlandsockel verlaufen. Dementsprechend haben etwa die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen und die damalige schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson im September 2022 rasch klargestellt, dass sie die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines in der dänischen bzw. schwedischen AWZ nicht als bewaffneten Angriff gegen ihre Länder betrachten.92 Die Bewertung wäre möglicherweise anders ausgefallen, hätte es sich um dänische oder schwedische Infrastruktur gehandelt.

Doch wie ist der Fall aus Sicht jener Staaten zu be­urteilen, die von den Folgen eines Sabotageaktes zwar besonders schwer betroffen sind, die über die sabo­tierte Infrastruktur aber keine Hoheitsbefugnisse aus­üben? Auf dieses Szenario ist sogleich noch näher einzugehen.

Dies führt zum oben erwähnten zweiten Problem: scale and effects. Im Fall eines Sprengstoffanschlags auf eine Ölbohrinsel, bei dem hoher Sachschaden ent­steht und gegebenenfalls Personen verletzt oder getötet werden, kann von einem bewaffneten Angriff im Sinne von Artikel 51 der VN-Charta ausgegangen wer­den. Diskussionswürdig ist indes, ob die Beschädigung einer Pipeline bzw. das Durchtrennen eines Kabels als Gewaltanwendung93 die Schwelle zum bewaffneten Angriff überschreitet. Wie das Nicaragua-Urteil des IGH nahelegt, ist nicht allein das Ausmaß der Gewalt­anwendung ausschlaggebend für das Vorliegen eines bewaffneten Angriffs, sondern es sollen auch die Folgen der Gewaltanwendung berücksichtigt werden.

Bei Sabotageakten gegen unterseeische Kabel oder Rohrleitungen kann es durchaus passieren, dass die Folgen des Ausfalls der jeweiligen Infrastruktur etliche Staaten stärker treffen als den Betreiberstaat, der die Hoheitsgewalt über das zerstörte Kabel oder die zerstörte Leitung hat. Man stelle sich vor, dass es infolge eines relativ einfachen Sabotageaktes in Tei­len einer Region zu massiven Ausfällen im Internet­verkehr oder bei der Stromversorgung kommt oder dass bei einem Staat Engpässe in der Versorgung mit Öl und Gas eintreten. Unklar ist, ob sich Staaten, die auf diese Weise betroffen sind, ebenfalls auf Arti­kel 51 der VN-Charta berufen können. Hiervon wäre wohl auszugehen, wenn klar ist, dass der Angriff gerade diese Staaten treffen sollte. Im Zusammenhang mit Cyberattacken werden vergleichbare Prob­leme schon seit längerer Zeit diskutiert.94 Mit Blick auf die in dieser Studie aufgeworfenen Fragen steht die Debatte allerdings noch am Anfang.95

Fazit und Ausblick

Ob Spionage in der AWZ zu den völkerrechtlich zu­lässigen Meeresnutzungen zählt, die von der Freiheit der Schifffahrt gedeckt sind, ist umstritten. Die USA und viele europäische Staaten, darunter Deutschland, vertreten die Position, dass ein Küstenstaat nach gel­ten­dem Völkerrecht keine Handhabe hat, das Sam­meln von Informationen durch ausländische Schiffe jen­seits seines Küstenmeers zu unterbinden, selbst wenn es sich um Informationen handelt, die seine Sicherheit betreffen. Nach dieser Lesart besteht, juristisch gesehen, keine Möglichkeit, russische Schiffe in der AWZ daran zu hindern, kritische Infrastruktur aus­zu­kundschaften. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stellen diese Akti­vi­täten jedoch eine massive Bedrohung der europäischen Sicherheit dar.

Deshalb sollten die Bundesrepublik und ihre euro­päischen Partner ihre Rechtsauffassungen zu den rele­vanten seerechtlichen Fragen nachschärfen. Im­mer­hin hat die Bundesregierung anlässlich des deut­schen Beitritts zum SRÜ im Jahr 1994 eine Erklärung ab­gegeben, in der sie unter anderem darauf hinweist, dass die Freiheit der Schifffahrt, des Überflugs und anderer völkerrechtlich zulässiger Nutzungen in der AWZ nicht so ausgelegt werden dürfe, dass dadurch die Sicherheit von Küstenstaaten oder deren völkerrechtlich verbriefte Rechte beeinträchtigt würden.96

Ein konsequentes Vorgehen gegen ausländische Schiffe, die im Verdacht stehen, Informationen zur Vorbereitung möglicher Sabotageakte zu sammeln, lässt sich durchaus auch in der AWZ rechtfertigen. In der vorliegenden Studie wurden entsprechende Argumentationsspielräume ausgeleuchtet. Das zent­rale Argument lautet: Küstenstaaten müssen keine Aktivitäten dulden, die ihren souveränen Nutzungsrechten in der AWZ und auf dem Festlandsockel zuwiderlaufen. Dies beinhaltet, dass sie die erforderlichen Maßnahmen treffen dürfen, um zumindest jene Infrastruktur wirksam zu schützen, die der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der AWZ und des Festlandsockels dient. Zum Teil finden sich im SRÜ Hoheitsbefugnisse, die in diese Richtung zie­len oder zumindest in diesem Sinne ausgelegt werden können, etwa Artikel 60 Absatz 4 (Maßnahmen in Sicherheitszonen), Artikel 73 Absatz 1 (Maßnahmen zum Schutz der lebenden Ressourcen in der AWZ) oder Artikel 79 Absatz 2 SRÜ (Maßnahmen zur Ver­hü­tung von Verschmutzungen durch Rohrleitungen).

Im Übrigen bliebe noch die Möglichkeit, sich auf ungeschriebene Rechte und Hoheitsbefugnisse zu berufen, um neben den im SRÜ verbrieften souveränen Nutzungsrechten gleichermaßen die vitalen Sicherheitsinteressen in der AWZ und auf dem Fest­landsockel durchzusetzen. Damit würde der Küstenstaat für sich in Anspruch nehmen, dort generell bestimmte sicherheitsrelevante Aktivitäten regulieren und kontrollieren zu können. Dies ist allerdings ein Ansatz, der mit der von Deutschland und zahlreichen anderen europäischen Staaten bislang vertretenen Position kaum vereinbar ist. Käme man in westlichen Hauptstädten vor dem Hintergrund der wachsenden Bedrohung für kritische Infrastruktur gleichwohl zu dem Ergebnis, die eigene Haltung zu diesem Punkt zu überdenken, würde man sich insoweit der Sichtweise Chinas, Indiens und Irans annähern – ein Dilemma, das sich wohl nicht auflösen ließe.

Abkürzungsverzeichnis

Abs.

Absatz

Alt.

Alternative

AP

The Associated Press

Art.

Artikel

AWZ

Ausschließliche Wirtschaftszone

BBC

British Broadcasting Corporation

DW

Deutsche Welle

EEZ

Exclusive Economic Zone

EJIL

European Journal of International Law

ICJ

International Court of Justice

IGH

Internationaler Gerichtshof

IHO

International Hydrographic Organization

IMO

International Maritime Organization

ITLOS

International Tribunal for the Law of the Sea

lit.

litera (Buchstabe)

Nato

North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantikvertrags-Organisation)

Rn.

Randnummer

SRÜ

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982

SUA-Konvention

Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation

UK

United Kingdom

UN

United Nations

UNCLOS

United Nations Convention on the Law of the Sea

UNTS

United Nations Treaty Series

VN

Vereinte Nationen

Lektüreempfehlung

Daniel Voelsen (Hg.)

Maritime kritische Infrastrukturen. Strategische Bedeutung und geeignete Schutzmaßnahmen

Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2024 (SWP-Studie 3/2024)

Endnoten

1

Niels Fastrup/Lisbeth Quass/Frederik Hugo Ledegaard Thim, »Skyggekrigen – Afsløring: Russiske spionskibe forbereder mulig sabotage mod havvindmøller, gasrør og strømkabler i Danmark og Norden«, Danish Broadcasting Corporation (DR) (online), 19.4.2023, <https://www.dr.dk/ nyheder/indland/moerklagt/afsloering-russiske-spionskibe-forbereder-mulig-sabotage-mod>. Siehe auch die deutschsprachige TV-Dokumentation »Putins Schattenkrieg«, ZDF, <https://www.zdf.de/dokumentation/putins-schattenkrieg>. Für weitere Berichterstattung und Einschätzungen siehe z. B. Joe Barnes, »Russian ›Spy Ships‹ Threaten to Sabotage UK Energy Supply«, in: The Telegraph (online), 19.4.2023, <http://www.telegraph.co.uk/world-news/2023/04/19/russia-ukraine-war-spy-ships-europe-energy-infrastructure/>; Kate Connolly, »Russian Spy Network Operating in North Sea, Investigation Claims«, in: The Guardian (online), 19.4.2023, <http://www.theguardian.com/world/2023/apr/19/russian-spy-network-operating-in-north-sea-investigation-claims>; Julian Staib, »Spionierende Fischkutter und falsche Forschungs­schiffe«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (online), 20.4.2023, <https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/schiffe-aus-russland-spionieren-in-der-nord-und-ostsee-18834253.html>; Christian Bueger, »Russian ›Spy Ship‹ in North Sea Raises Concerns about the Vulnerability of Key Maritime Infrastructure«, in: The Conversation (online), 20.4.2023, <https://the conversation.com/russian-spy-ship-in-north-sea-raises-concerns-about-the-vulnerability-of-key-maritime-infra structure-204205>; Morten Soendergaard Larsen, »Russian ›Ghost Ships‹ Are Turning the Seabed Into a Future Battlefield«, in: Foreign Policy (online), 2.5.2023, <https://foreign policy.com/2023/05/02/russia-europe-denmark-spy-surveil lance-ships-seabed-cables/>; Sidharth Kaushal, »Stalking the Seabed: How Russia Targets Critical Undersea Infrastructure«, London: Royal United Services Institute for Defence and Security Studies (RUSI), 25.5.2023 (Commentary), <https://rusi.org/explore-our-research/publications/commen tary/stalking-seabed-how-russia-targets-critical-undersea-infrastructure>. Sämtliche Webseiten, auf die in dieser Studie verwiesen wird, wurden zuletzt am 28.2.2024 ein­gesehen.

2

 Siehe die Berichterstattung [wie Fn. 1].

3

 Bueger, »Russian ›Spy Ship‹ in North Sea« [wie Fn. 1].

4

 Siehe z. B. David E. Sanger/Eric Schmitt, »Russian Ships Near Data Cables Are too Close for U.S. Comfort«, in: The New York Times (online), 25.10.2015, <http://www.nytimes.com/ 2015/10/26/world/europe/russian-presence-near-undersea-cables-concerns-us.html>.

5

 Kaushal, »Stalking the Seabed« [wie Fn. 1].

6

 Siehe die Maritime Doktrin der Russischen Föderation, 31.7.2022, Abs. 84 und 85 (9) (in der englischsprachigen Übersetzung von Anna Davis and Ryan Vest, Newport, RI: Russia Maritime Studies Institute, US Naval War College), <https://usnwc.edu/Research-and-Wargaming/Research-Centers/Russia-Maritime-Studies-Institute>.

7

 Für eine Zusammenfassung dieser Einschätzungen siehe Fastrup/Quass/Ledegaard Thim, »Skyggekrigen – Afsløring« [wie Fn. 1]; Barnes, »Russian ›Spy Ships‹« [wie Fn. 1]; Connolly, »Russian Spy Network Operating in North Sea« [wie Fn. 1] und Staib, »Spionierende Fischkutter« [wie Fn. 1].

8

 Siehe European Repository of Cyber Incidents (EuRepoC), <https://eurepoc.eu/>. Zugang auch über <https://www.swp-berlin.org/die-swp/ueber-uns/organisation/swp-projekte/ european-repository-on-cyber-incidents-eurepoc>.

9

 Siehe Lorne Cook, »NATO Moves to Protect Undersea Pipelines, Cables as Concern Mounts over Russian Sabotage Threat«, in: AP (online), 16.6.2023, <https://apnews.com/ article/nato-russia-sabotage-pipelines-cables-infrastructure-507929033b05b5651475c8738179ba5c>; Bundesministerium der Verteidigung, »Deutscher Ex-General leitet NATO-Zelle zum Schutz von Unterwasserinfrastruktur«, Berlin, 8.5.2023, <https://www.bmvg.de/de/aktuelles/verbesserungen-schutz-kritischer-unterwasserinfrastruktur-5616738>; UK Prime Minister’s Office u. a., »PM Accelerates Military Support to Northern Europe Following Visit to Sweden«, Pressemitteilung, 13.10.2023, <http://www.gov.uk/government/news/pm-accelerates-military-support-to-northern-europe-following-visit-to-sweden>.

10

 Siehe z. B. Christian Bueger/Tobias Liebetrau, »Critical Maritime Infrastructure Protection: What’s the Trouble?«, in: Marine Policy, 155 (2023), Article 105772; Daniel Voelsen (Hg.), Maritime kritische Infrastrukturen. Strategische Bedeutung und ge­eignete Schutzmaßnahmen, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Februar 2024 (SWP-Studie 3/2024).

11

 Ausdrücklich Notiz von Spionage nimmt das Völkerrecht nur im Zusammenhang mit Kriegen und anderen internationalen bewaffneten Konflikten (»wartime espionage«). Wie sich das Völkerrecht jenseits dieser Kategorien zum Phänomen der Spionage positioniert, ist in der Literatur umstritten. Einige Stimmen sehen Spionage in den inter­nationalen Beziehungen mangels einer entsprechenden Verbotsnorm grundsätzlich als zulässig an. Dem wird unter anderem entgegengehalten, dass Spionage auf dem Territorium eines anderen Staates zumindest der völkerrechtlichen Verpflichtung zuwiderlaufe, die territoriale Souveränität des anderen Staates zu achten. Wiederum andere Autorinnen und Autoren konstatieren, dass dem Völkerrecht in der Welt der Spionage, realistisch betrachtet, keine Bedeutung zu­komme. Ein generelles Verbot von Spionage ergibt sich aus dem Völkerrecht jedenfalls nicht. Zur Debatte siehe A. John Radsan, »The Unresolved Equation of Espionage and Inter­national Law«, in: Michigan Journal of International Law, 28 (2007) 3, S. 595–623 (601ff).

12

 Siehe z. B. Simon Chesterman, »The Spy Who Came In from the Cold War: Intelligence and International Law«, in: Michigan Journal of International Law, 27 (2006) 4, S. 1071–1130 (1082); Sophie Duroy, The Regulation of Intelligence Activ­ities under International Law, Cheltenham (UK)/Northampton, MA: Edward Elgar Publishing, 2023, S. 50ff.

13

 UN Convention on the Law of the Sea, 10.12.1982, United Nations Treaty Series (UNTS), Bd. 1833 (1994), S. 3. Russland zählt zu den Vertragsparteien. Im Übrigen spiegelt das Übereinkommen in vielen Vorschriften Völkergewohnheitsrecht wider.

14

 Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 SRÜ.

15

 Gemäß Art. 18 Abs. 1 SRÜ bedeutet »Durchfahrt« die Fahrt durch das Küstenmeer zu dem Zweck, (a) es ohne Ein­laufen in die inneren Gewässer oder Anlaufen einer Reede oder Hafenanlage außerhalb der inneren Gewässer zu durch­queren oder (b) in die inneren Gewässer einzulaufen oder sie zu verlassen oder eine solche Reede oder Hafenanlage anzu­laufen oder zu verlassen.

16

 Robin Churchill/Vaughan Lowe/Amy Sander, The Law of the Sea, 4. Aufl., Manchester: Manchester University Press, 2022, S. 142.

17

 Art. 20 SRÜ.

18

 James Kraska, »Intelligence Collection and the Inter­national Law of the Sea«, in: International Law Studies, 99 (2022), S. 602–637 (620f).

19

 Siehe Richard A. Barnes, »Article 19«, in: Alexander Proelss (Hg.), United Nations Convention on the Law of the Sea. A Commentary, München: Verlag C. H. Beck/Oxford: Hart Publishing/Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 2017, S. 186–196 (193, Rn. 17).

20

 Siehe z. B. die von der International Hydrographic Or­gani­zation (IHO) verwendete Definition des Begriffs survey: »[t]he act or operation of making measurements for determining the relative position of points on, above or beneath the earth’s surface«. Siehe auch die IHO-Definition des Begriffs hydrographic survey: »[a] survey having for its principal pur­pose the determination of data relating to bodies of water. A hydrographic survey may consist of the determination of one or several of the following classes of data: depth of water; configuration and nature of the bottom; directions and force of currents; heights and times of tides and water stages; and location of topographic features and fixed objects for survey and navigation purposes«, IHO Hydrographic Dictionary, <http://iho-ohi.net/ S32/engView.php?>.

21

 Siehe Richard A. Barnes, »Article 25«, in: Proelss (Hg.), United Nations Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 19], S. 222–226 (224f, Rn. 5ff); Natalie Klein, »Lawful Responses to Passage Violations, Rules of Escort, and the Use of Force under UNCLOS«, in: Benny Spanier/Orin Shefler/Elai Rettig (Hg.), UNCLOS and the Protection of Innocent and Transit Passage in Maritime Chokepoints, Maritime Policy & Strategy Research Center, University of Haifa/Konrad-Adenauer-Stiftung, Novem­ber 2021, S. 23–30 (24); Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 149 und 164f.

22

Siehe International Tribunal for the Law of the Sea (ITLOS), The M/V »Saiga« (No. 2) Case (Saint Vincent and the Grenadines v. Guinea), Judgment, 1.7.1999, Abs. 155f.

23

 Wolfgang Graf Vitzthum, »Maritimes Aquitorium und Anschlusszone«, in: ders. (Hg.), Handbuch des Seerechts, München: Verlag C. H. Beck, 2006, S. 63–159 (124, dort Fn. 338).

24

 Art. 30 SRÜ. Dazu Graf Vitzthum, »Maritimes Aquito­rium und Anschlusszone« [wie Fn. 23], S. 126ff (Rn. 127ff).

25

 Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 164.

26

 Mikhail Kashubsky/Anthony Morrison, »Security of Offshore Oil and Gas Facilities: Exclusion Zones and Ships’ Routeing«, in: Australian Journal of Maritime and Ocean Affairs, 5 (2013) 1, S. 1–10 (3).

27

 Barnes, »Article 25« [wie Fn. 21], S. 226 (Rn. 14).

28

 Art. 21 Abs. 1 lit. b und lit. c SRÜ.

29

 Für die Umsetzung derartiger Maßnahmen im Küstenmeer enthält das SRÜ keine Vorgaben. In der Literatur wird jedoch argumentiert, dass Sicherheitszonen einen Radius von mehr als 500 Metern um das jeweilige Objekt haben dürften, sofern die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer hierdurch nicht behindert werde. Siehe Kashubsky/ Morrison, »Security of Offshore Oil and Gas Facilities« [wie Fn. 26], S. 2. Dazu auch Sarah Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz. Eine völkerrechtliche Untersuchung am Beispiel der Ostsee, Berlin/Heidelberg: Springer, 2011, S. 181; Tara Davenport, »Submarine Communications Cables and Law of the Sea: Problems in Law and Practice«, in: Ocean Development & International Law, 43 (2012) 3, S. 201–242 (217f).

30

 Siehe die Abbildungen bei Katya Adler, »A Journey to the Site of the Nord Stream Explosions«, BBC News, 18.11.2022, <https://www.bbc.com/news/world-63636181>.

31

 Art. 35 lit. c SRÜ.

32

 Zur Rechtslage in diesen Meerengen Alex G. Oude Elferink, »The Regime of Passage through the Danish Straits«, in: International Journal of Marine and Coastal Law, 15 (2000) 4, S. 555–566.

33

 Zur Rechtslage dort Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 185f.

34

Dazu Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 184.

35

 Erfasst wird auch eine Durchfahrt, die dem Zweck dient, einen Meerengen-Anliegerstaat unter Beachtung seiner Einreise­bedingungen aufzusuchen oder ihn zu verlassen.

36

 Was unter einem »normalen« Transit (normal modes of continuous and expeditious transit) im Sinne von Art. 39 Abs. 1 lit. c SRÜ zu verstehen ist, wird kontrovers diskutiert. Siehe z. B. Moritaka Hayashi, »Military and Intelligence Gathering Activities in the EEZ: Definition of Key Terms«, in: Marine Policy, 29 (2005) 2, S. 123–137 (134): »[…] that mode which is normal or usual for navigation by the particular type of ship or aircraft […] in given circumstances«. Einige Autoren argumentieren jedoch, dass nachrichtendienstliche Aktivi­täten in Meerengen durchaus mit dem Regime der Transitdurchfahrt vereinbar sein können. Siehe James Kraska, »Putting Your Head in the Tiger’s Mouth: Submarine Espionage in Territorial Waters«, in: Columbia Journal of Trans­national Law, 54 (2015) 16, S. 164–247 (222); Todd Emerson Hutchins, »Maritime Espionage and the Legal Consequences of the United States’ Potential Ratification of the United Nations Convention on the Law of the Sea«, in: National Security Law Journal, 8 (2021) 1, S. 1–53 (29f).

37

 Siehe oben, Fn. 20.

38

 Bing Bing Jia, »Article 39«, in: Proelss (Hg.), United Nations Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 19], S. 300–305 (301, Rn. 2); Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 174 und 177.

39

 Art. 38 Abs. 1 und Art. 44 SRÜ.

40

 Zu den Rechtsetzungsbefugnissen siehe Art. 42 SRÜ (im Vergleich zu Art. 21). Zu den Eingriffsbefugnissen siehe ledig­lich Art. 233 SRÜ. Eine Vorschrift wie Art. 25 SRÜ exis­tiert unter dem Regime der Transitdurchfahrt nicht.

41

 Bing Bing Jia, »Article 38«, in: Proelss (Hg.), United Nations Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 19], S. 293–300 (299, Rn. 21); Churchill/Lowe/Sander, The Law of the Sea [wie Fn. 16], S. 175. Anderer Auffassung: Graf Vitzthum, »Maritimes Aqui­torium und Anschlusszone« [wie Fn. 23], S. 144f (Rn. 173).

42

 Art. 45 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 38 Abs. 1 SRÜ.

43

 Art. 45 Abs. 1 lit. b SRÜ.

44

 Siehe z. B. Valentin J. Schatz/Dmytro Koval, »Ukraine v. Russia: Passage through Kerch Strait and the Sea of Azov – Part II: Ukraine’s Rights of Passage through Kerch Strait«, Völkerrechtsblog, 12.1.2018, <https://voelkerrechtsblog.org/ ukraine-v-russia-passage-through-kerch-strait-and-the-sea-of-azov-2/>.

45

 Art. 45 Abs. 2 SRÜ.

46

 Art. 79 SRÜ.

47

 India, Declaration (upon Ratification), 29.6.1995. Ähn­lich lautende Erklärungen haben Bangladesch, Brasilien, Cabo Verde, Ecuador, Malaysia, Pakistan, Thailand und Uruguay abgegeben. Die Erklärungen sind hinterlegt in: UN Treaty Collection, Status of Treaties, Chapter XXI: Law of the Sea, UN Convention on the Law of the Sea (Datenbank), <https://treaties.un.org/pages/ViewDetailsIII.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=XXI-6&chapter=21&Temp=mtdsg3&clang=_en>.

48

 Act on the Marine Areas of the Islamic Republic of Iran in the Persian Gulf and the Oman Sea, 2.5.1993, Art. 16. Das Gesetz ist hinterlegt in: UN Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Maritime Space: Maritime Zones and Maritime Delimitation (Datenbank), <http://www.un.org/ Depts/los/LEGISLATIONANDTREATIES/claims.htm>.

49

 Surveying and Mapping Law of the People’s Republic of China, 28.12.1992 (zuletzt geändert am 27.4.2017), hinterlegt in: UN Food and Agriculture Organization, FAOLEX (Datenbank), <http://www.fao.org/faolex/results/ details/en/c/LEX-FAOC173733/>.

50

 Zu diesen Zwischenfällen siehe Isaac B. Kardon, China’s Law of the Sea. The New Rules of Maritime Order, New Haven, CT/ London: Yale University Press, 2023, S. 191ff.

51

 Siehe ebd., S. 197f.

52

 Stellungnahme der USA, 8.3.1983, Third UN Conference on the Law of the Sea (1973–1982), Doc. A/CONF.62/WS/37 and Add.1–2, Official Records, Vol. XVII, S. 240 und 243f.

53

 Siehe Sam Bateman, »Hydrographic Surveying in the EEZ: Differences and Overlaps with Marine Scientific Research«, in: Marine Policy, 29 (2005) 2, S. 163–174 (165).

54

 So z. B. Belgien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich. Siehe die ent­sprechenden Erklärungen, hinterlegt in: UN Treaty Collection, UN Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 47].

55

 Germany, Statement (upon Accession), 14.10.1994, hinterlegt in: UN Treaty Collection, UN Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 47].

56

 Federal Act on the Exclusive Economic Zone of the Russian Federation, 2.12.1998, Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1, hinterlegt in: UN Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Maritime Zones and Maritime Delimitation [wie Fn. 48].

57

 Maritime Doktrin der Russischen Föderation [wie Fn. 6], Abs. 9 (2).

58

 Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation, 10.3.1988, UNTS, Bd. 1678 (1988), S. 221.

59

 Protocol for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Fixed Platforms Located on the Continental Shelf, 10.3.1988, UNTS, Bd. 1678 (1988), S. 304.

60

 Protocol of 2005 to the Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation, 14.10.2005, IMO Doc. LEG/CONF. 15/21, 1.11.2005; Protocol of 2005 to the Protocol for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Fixed Platforms Located on the Continent­al Shelf, 14.10.2005, IMO Doc. LEG/CONF. 15/22, 1.11.2005.

61

 Protocol of 2005 to the Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation [wie Fn. 60], Art. 8 Abs. 2 (fügt der Konvention von 1988 einen neuen Art. 8bis hinzu).

62

 Siehe Protocol of 2005 to the Protocol for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Fixed Platforms Located on the Continental Shelf [wie Fn. 60], Art. 2 (ändert Art. 1 Abs. 1 des Protokolls von 1988).

63

 Beispielsweise enthält Art. 113 SRÜ Rechtsetzungspflichten für die Verfolgung von Straftaten, die sich gegen Kabel und Rohrleitungen richten. Diese Pflichten gelten nicht nur für die Hohe See, sondern auch für die AWZ (Art. 58 Abs. 2 SRÜ). So muss jeder Vertragsstaat die vorsätzliche oder fahrlässige Unterbrechung oder Beschädigung eines Kommunikationskabels, eines Hochspannungskabels oder einer Rohrleitung durch Schiffe, die unter seiner Flagge fahren, oder durch Personen, die seiner Gerichtsbarkeit unterstehen, unter Strafe stellen. Strafbewehrt soll schon jedes Verhalten sein, das darauf gerichtet oder dazu geeignet ist, eine solche Unterbrechung oder Beschädigung herbeizuführen. Auch das Übereinkommen zum Schutz untersee­ischer Telegraphenkabel von 1884 (Convention for the Pro­tection of Submarine Telegraph Cables, 14.3.1884), das noch immer in Kraft ist, geht davon aus, dass die Straf­gerichts­barkeit dem Flaggenstaat sowie dem Staat zufällt, dessen Nationalität die Täter besitzen. Es sieht in Art. X zwar vor, dass Schiffe, die im Verdacht stehen, Kabel beschädigt zu haben, von Kriegsschiffen oder anderen speziell autorisierten Schiffen der Vertragsparteien zum Zwecke der straf­rechtlichen Beweisaufnahme kontrolliert werden dürfen. Zulässig sind solche Kontrollen auch gegenüber Schiffen fremder Staatszugehörigkeit (ausgenommen sind lediglich fremde Kriegsschiffe und Staatsschiffe, die nicht Handelszwecken dienen). Diese Kontrollbefugnis beschränkt sich jedoch auf die Feststellung der Staatszugehörigkeit des verdächtigen Schiffes. Weitere Schritte zur Verfolgung der Tat bleiben dem Flaggenstaat vorbehalten.

64

 Art. 58 Abs. 2 i. V. m. Art. 88 SRÜ.

65

Siehe z. B. Douglas Guilfoyle, »Article 88«, in: Proelss (Hg.), United Nations Convention on the Law of the Sea [wie Fn. 19], S. 682–686 (685, Rn. 5).

66

 Tobias Kliem, »You Can’t Cyber in Here, This Is the War Room! A Rejection of the Effects Doctrine on Cyberwar and the Use of Force in International Law«, in: Journal on the Use of Force and International Law, 4 (2017) 2, S. 344–370 (355f); Olivier Corten, The Law Against War, 2. Aufl., Oxford: Hart Publishing, 2021, S. 100.

67

 Siehe dazu die Auflistung im Infokasten auf S. 16.

68

 Siehe dazu den Infokasten auf S. 16.

69

 Arbitral Tribunal, Arctic Sunrise Arbitration (Kingdom of the Netherlands v. Russian Federation), Award on the Merits, 14.8.2015, Abs. 314.

70

 Ebd.

71

 Ebd., Abs. 327.

72

 Wolf argumentiert, dass aus Art. 79 Abs. 2 SRÜ auch eine konkurrierende strafrechtliche Jurisdiktion des Küstenstaats über ein fremdes Schiff hergeleitet werden könne, das eine Unterbrechung einer von einem dritten Staat verlegten Rohrleitung verursacht habe (Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz [wie Fn. 29], S. 231).

73

 Ebd., S. 230.

74

 Proelss, »Article 60«, in: ders. (Hg.), United Nations Con­ven­tion on the Law of the Sea [wie Fn. 19], S. 464–480 (476, Rn. 24).

75

Arctic Sunrise Arbitration [wie Fn. 69], Abs. 244.

76

 Ebd., Abs. 278. Siehe auch ITLOS, The ›Arctic Sunrise‹ Case (Kingdom of the Netherlands v. Russian Federation), Order, 22.11.2013, Joint Separate Opinion of Judge Wolfrum and Judge Kelly, Abs. 12; siehe auch ebd., Dissenting Opinion of Judge Golitsyn, Abs. 25.

77

 Siehe Stuart Kaye, »The Protection of Platforms, Pipelines and Submarine Cables under Australian and New Zea­land Law«, in: Natalie Klein/Joanna Mossop/Donald R. Rothwell (Hg.), Maritime Security. International Law and Policy Perspectives from Australia and New Zealand, Abingdon: Routledge, 2010, S. 186–201; Holly Elizabeth Matley, »Closing the Gaps in the Regulation of Submarine Cables: Lessons from the Australian Experience«, in: Australian Journal of Maritime & Ocean Affairs, 11 (2019) 3, S. 165–184 (173ff).

78

 Stuart Kaye, Submission: Proposed Protection Zones off Sydney, 26.10.2006, zitiert in: Wolff Heintschel von Heinegg, »Pro­tecting Critical Submarine Cyber Infrastructure: Legal Status and Protection of Submarine Communications Cables under International Law«, in: Katharina Ziolkowski (Hg.), Peacetime Regime for State Activities in Cyberspace. International Law, Inter­national Relations and Diplomacy, Tallinn: NATO Cooperative Cyber Defence Centre of Excellence, 2013, S. 291–318 (312). Siehe auch Davenport, »Submarine Communications Cables and Law of the Sea« [wie Fn. 29], S. 219. Für eine kritischere Einschätzung siehe z. B. Rainer Lagoni/Alexander Proelß, »Festlandsockel und ausschließliche Wirtschaftszone«, in: Graf Vitzthum (Hg.), Handbuch des Seerechts [wie Fn. 23], S. 161–286 (212f, Rn. 166ff); Heintschel von Heinegg, »Pro­tecting Critical Submarine Cyber Infrastructure«, S. 312f. Differenzierend Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeres­umweltschutz [wie Fn. 29], S. 197 und 217ff.

79

 In Bezug auf Kabel siehe Heintschel von Heinegg, »Pro­tecting Critical Submarine Cyber Infrastructure« [wie Fn. 78], S. 303 und 315. In Bezug auf Rohrleitungen siehe Wolf, Unterseeische Rohrleitungen und Meeresumweltschutz [wie Fn. 29], S. 230.

80

 Dazu Yoram Dinstein/Arne Willy Dahl, Oslo Manual on Select Topics of the Law of Armed Conflict. Rules and Commentary, Cham: Springer, 2020, S. 56f.

81

 Das passive Personalitätsprinzip greift, wenn sich eine Tat gegen Personen eigener Staatsangehörigkeit oder Objekte eigener Staatszugehörigkeit richtet.

82

 Das Schutzprinzip kommt zur Anwendung, wenn sich eine Tat gegen bestimmte inländische Rechtsgüter richtet.

83

 Siehe Heintschel von Heinegg, »Protecting Critical Sub­marine Cyber Infrastructure« [wie Fn. 78], S. 317f. So auch Dinstein/Dahl, Oslo Manual [wie Fn. 80], S. 61f.

84

 Siehe bereits entsprechende Warnungen von Seiten des Nato-Generalsekretärs Jens Stoltenberg, zitiert von Katya Adler, »A Journey to the Site of the Nord Stream Explosions« [wie Fn. 30].

85

 International Court of Justice (ICJ), Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment, 27.6.1986, ICJ Reports 1986, S. 14–150 (101) [Abs. 191].

86

 Ebd., S. 103 (Abs. 195). Vgl. auch ICJ, Case Concerning Oil Platforms (Islamic Republic of Iran v. United States of America), Judgment, 6.11.2003, ICJ Reports 2003, S. 161–219 (186f) [Abs. 51].

87

 Siehe Islamic Republic of Iran v. United States of America [wie Fn. 86], S. 191f (Abs. 64).

88

 Im Völkerrecht haben sich einigermaßen klare Prinzipien für die Zurechnung herausgebildet. In der Praxis liegen die Probleme eher bei der Ermittlung der Tathergänge und bei der Identifizierung von Tätern und Hintermännern.

89

 Deshalb wird zum Beispiel beim Anzapfen von Datenkabeln unterschieden: Innerhalb des Küstenmeers wird ein solcher Eingriff als Souveränitätsverletzung betrachtet, außerhalb der Hoheitsgewässer hingegen nicht. Siehe Michael N. Schmitt (Hg.), Tallinn Manual 2.0 on the International Law Applicable to Cyber Operations, 2. Aufl., Cambridge: Cambridge University Press, 2017, S. 257.

90

 Gemäß Art. 79 Abs. 4 SRÜ hat der Küstenstaat das Recht, Bedingungen festzulegen, unter denen Kabel und Rohrleitungen über den Festlandsockel auf sein Territorium und in sein Küstenmeer führen dürfen. Außerdem übt der Küstenstaat Hoheitsgewalt über Kabel und Rohrleitungen aus, die seine souveränen Rechte am Festlandsockel tangieren. Dies betrifft Kabel und Rohrleitungen, die im Zusammenhang mit der Erforschung des Festlandsockels oder der Ausbeutung seiner Ressourcen verlegt oder genutzt werden. Ebenso fallen darunter Kabel und Rohrleitungen zum Betrieb von künstlichen Inseln, Anlagen oder Bauwerken, die den Hoheitsbefugnissen des Küstenstaats unterliegen.

91

 Dazu Lagoni/Proelß, »Festlandsockel und ausschließ­liche Wirtschaftszone« [wie Fn. 78], S. 206f.

92

 Siehe »Denmark, Sweden View Nord Stream Leaks as ›Sabotage‹«, in: DW (online), 27.9.2022, <https://www.dw. com/en/denmark-sweden-view-nord-stream-pipeline-leaks-as-deliberate-actions/a-63251217>.

93

 Umstritten ist, ob eine gewaltsame Handlung bereits eine gewisse Mindestintensität aufweisen muss, um überhaupt vom Gewaltverbot nach Art. 2 Ziffer 4 der VN-Charta erfasst zu werden. Dazu Tom Ruys, »The Meaning of ›Force‹ and the Boundaries of the Jus ad Bellum: Are ›Minimal‹ Uses of Force Excluded from UN Charter Article 2(4)?«, in: American Journal of International Law, 108 (2014) 2, S. 159–210.

94

 Siehe z. B. Schmitt (Hg.), Tallinn Manual 2.0 [wie Fn. 89], S. 344 und 346.

95

 Zum ius contra bellum siehe z. B. Danae Azaria/Geir Ulfstein, »Are Sabotage of Submarine Pipelines an ›Armed Attack‹ Triggering a Right to Self-defence?«, EJIL:Talk! (Blog), 18.10.2022, <https://www.ejiltalk.org/are-sabotage-of-submarine-pipelines-an-armed-attack-triggering-a-right-to-self-defence/>; Alexander Lott, »Attacks against Europe’s Offshore Infrastructure within and beyond the Territorial Sea under Jus ad Bellum«, EJIL:Talk! (Blog), 17.10.2023, <https://www.ejiltalk.org/attacks-against-europes-offshore-infrastructure-within-and-beyond-the-territorial-sea-under-jus-ad-bellum/>.

96

 Germany, Statement (upon Accession), 14.10.1994 [wie Fn. 55].

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