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Saudi-Arabien: Zwiespältiger Partner in der Terrorismusbekämpfung

Saudi-Arabien ist ein wichtiger Partner in der Terrorismusbekämpfung geworden, der zugleich den ideologischen Boden für den Jihadismus bereitet. Die Möglichkeiten aber, mäßigend auf das Königreich einzuwirken, sind begrenzt, analysiert Guido Steinberg.

Kurz gesagt, 24.05.2017 Forschungsgebiete

Saudi-Arabien ist ein wichtiger Partner in der Terrorismusbekämpfung geworden, der zugleich den ideologischen Boden für den Jihadismus bereitet. Die Möglichkeiten aber, mäßigend auf das Königreich einzuwirken, sind begrenzt. Eine Analyse von Guido Steinberg.

Der saudi-arabischen Führung ist sehr daran gelegen zu zeigen, dass das Königreich für den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) und al-Qaida gebraucht wird. So wurde der Besuch des US-Präsidenten am Wochenende von einer breit angelegten PR-Kampagne flankiert, in deren Zuge eine internationale Konferenz zur Terrorismusbekämpfung ausgerichtet wurde. Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Politik des Landes nicht nur Teil der Lösung, sondern auch Teil des Problems ist.

Saudi-Arabien als Teil der Lösung

Es hat lange gedauert, bis die saudische Herrscherfamilie überhaupt verstanden hatte, wie gefährlich der Terrorismus auch für das eigene Land ist. Dass der al-Qaida-Führer Usama Bin Laden bis zu seiner Ausbürgerung 1994 Saudi war, dass Geldspenden für die Organisation oft aus dem Königreich kamen und dass Saudis die meisten ausländischen Kämpfer in den Kriegsgebieten der islamischen Welt stellten, konnte Riad nicht davon überzeugen, al-Qaida auch im Inland entschlossen zu bekämpfen. Symptomatisch war eine Äußerung des Innenministers Prinz Naif Al Saud nach dem 11. September 2001, »die Zionisten« hätten die Anschläge von New York und Washington verübt.

Dies änderte sich im Mai 2003 schlagartig, als al-Qaida in Saudi-Arabien eine Terrorkampagne begann, die für einige Monate sogar die Stabilität des Gesamtstaates zu bedrohen schien. Mit Hilfe der US-Regierung gelang es den saudi-arabischen Sicherheitskräften, die Gruppe zu zerschlagen und – unter Führung des stellvertretenden Innenministers Prinz Muhammad Ibn Naif – die Sicherheitskräfte neu aufzustellen. Zwar wichen viele saudische Jihadisten nun in den Jemen aus, wo sich seit 2006 eine eigene al-Qaida-Regionalorganisation bildete, doch schafften es die Saudis, Anschläge in Saudi-Arabien abzuwenden. Überdies verstärkten die saudischen Behörden auch die Zusammenarbeit mit den USA und europäischen Behörden. Saudische Informationen trugen dazu bei, dass im Oktober 2010 in den Emiraten und in Großbritannien zwei in Druckerpatronen versteckte Bomben gefunden wurden, bevor sie in Frachtflugzeugen auf dem Weg in die USA detonieren konnten. Die saudi-arabische Regierung setzte ihre teils enge Zusammenarbeit mit westlichen Sicherheitsbehörden in den nächsten Jahren fort. Es war dann nur folgerichtig, dass sich Saudi-Arabien an der US-geführten Koalition gegen den IS in Syrien beteiligte und mit harten Strafen gegen alle reagierte, die sich der Organisation anschlossen oder sie unterstützten. Heute ist Saudi-Arabien ein sehr effektiver Partner in der Terrorismusbekämpfung.

Saudi-Arabien als Teil des Problems

Zugleich verbreitet aber das Königreich auch eine Islaminterpretation, die dem IS als Grundlage seiner Weltanschauung dient. Es handelt sich um den sogenannten Wahhabismus, zu dessen Charakteristika die strikte Abgrenzung von allen nicht-wahhabitischen Muslimen gehört. In vergangenen Jahrhunderten war das Bündnis zwischen der saudischen Herrscherfamilie und den wahhabitischen Religionsgelehrten die Basis für eine aggressive Expansion in die benachbarten Regionen. Dieses alte Bündnis ist bis heute intakt, und auch wenn das religiöse Establishment an Macht verloren hat, dominiert es immer noch die Religionspolitik und damit auch Teile der Justiz und des Erziehungswesens in Saudi-Arabien.

Das Missionszentrum der Wahhabiten ist die Islamische Universität Medina. Hier studieren vor allem ausländische Muslime, die zu Predigern und Gelehrten ausgebildet werden und die saudi-arabisch-wahhabitische Weltanschauung anschließend in ihre Heimatländer tragen. Dies hat zu der seit den 1970er Jahren zu beobachtenden weltweiten Verbreitung des Salafismus beigetragen, der zum wichtigsten Rekrutierungspool der Jihadisten geworden ist. Einige Absolventen haben sich von Saudi-Arabien abgewandt und den Jihadisten angeschlossen, verfügen aufgrund ihres Studiums in Medina aber über eine herausragende Reputation, die ihnen die Rekrutierung weiterer Kämpfer erleichtert. Der wichtigste Unterschied zwischen ihrer Lehre und der der Wahhabiten ist, dass sie die Entscheidung über den Beginn eines Heiligen Krieges (Jihad) nicht dem Herrscher überlassen, sondern selbst treffen. Wie katastrophal die Folgen der saudi-arabischen Salafismus-Förderung sein können, zeigt sich im deutschsprachigen Raum vor allem am Beispiel des aus dem serbischen Sandzak stammenden Mirsad O., der unter dem Namen Ebu Tejma zum einflussreichsten IS-Prediger und -Rekrutierer in Österreich wurde. O. studierte von 2003 bis 2008 in Medina und begann nach seiner Rückkehr nach Europa, das im Königreich übernommene wahhabitische Gedankengut zu predigen. Dabei schlug er sich auf die Seite derjenigen Wahhabiten, die der Meinung sind, dass der saudi-arabische Staat aufgrund seines Bündnisses mit den USA und nicht schariakonformer Gesetze »ungläubig« sei und deshalb bekämpft werden müsse. Spätestens 2014 ergriff er Partei für den IS und konnte aufgrund seiner Prominenz unter österreichischen und bosnischen Salafisten besonders viele Syrienkämpfer rekrutieren.

Der Einfluss auf das Königreich ist begrenzt

Im Sinne der Terrorismusbekämpfung läge es nahe, die saudi-arabische Führung dazu zu bringen, ihr Bündnis mit den wahhabitischen Gelehrten und auch die Förderung von deren Weltanschauung zu beenden. Das wird zumindest in absehbarer Zeit nicht geschehen, da das saudische Königshaus einen guten Teil seiner Legitimität und damit Stabilität der Unterstützung durch die Kleriker verdankt. Es ist auch fraglich, ob die Staaten des Westens für Fortschritte in der Terrorismusbekämpfung die Stabilität eines so wichtigen Staates wie Saudi-Arabien riskieren sollten. Stattdessen bleibt Deutschland und Europa nichts anderes übrig, als den religionspolitischen Einfluss Saudi-Arabiens zu beschneiden, indem sie beispielsweise verhindern, dass Europäer in Medina studieren.

Darüber hinaus muss Deutschland einsehen, dass es auf den stabilen Partner Saudi-Arabien, nicht nur in der Terrorismusbekämpfung, angewiesen ist, aber auf die Probleme mit dem Land in anderen Feldern keinen Einfluss hat. Es kann nur immer wieder versuchen, die Saudis von seinen Standpunkten zu überzeugen. Dies ist mühselig und nur begrenzt erfolgversprechend, aber beim gegenwärtigen Stand der Beziehungen die einzige Möglichkeit, zu Veränderungen beizutragen.

Der Text ist auch bei EurActiv.de erschienen.