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Parlamentswahlen in Kolumbien: Schlechte Aussichten für den Frieden

Aus den Parlamentswahlen In Kolumbien ist das Demokratische Zentrum als stärkste Partei hervorgegangen. Das behindert den Friedensprozess zusätzlich. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland dessen Unterstützung ausweitet, meint Philipp Wesche.

Kurz gesagt, 12.03.2018 Forschungsgebiete

Aus den Parlamentswahlen In Kolumbien ist das Demokratische Zentrum als stärkste Partei hervorgegangen. Das behindert den ohnehin gefährdeten Friedensprozess zusätzlich. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland dessen Unterstützung ausweitet, meint Philipp Wesche.

Die rechtskonservative Partei Demokratisches Zentrum um Ex-Präsident Álvaro Uribe ist als stärkste Kraft im Senat und zweitstärkste Kraft im Repräsentantenhaus aus den Parlamentswahlen in Kolumbien am Sonntag hervorgegangen. Damit kann sich eine Partei als Wahlsieger betrachten, die die Umsetzung des Friedensabkommens mit den FARC-Rebellen konsequent boykottiert hat und gegen deren Führungsfigur, den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe, aufgrund der Manipulation von Beweismitteln und der Unterstützung paramilitärischer Gruppen ermittelt wird. Auch die Verhandlungen mit dem ELN, der größten verbliebenen Rebellengruppe, lehnt sie ab.

Für eine Mehrheit in den beiden Kammern des Parlaments reicht es allerdings nicht. Gemeinsam mit der Konservativen Partei, Uribes Bündnispartner, kommt das Demokratische Zentrum nur auf 34 von 107 Sitzen im Senat und 53 von 171 Sitzen im Repräsentantenhaus.

Neben dem rechten Bündnis schnitt auch die wirtschaftsliberale Partei Radikaler Wandel um Gérman Vargas Lleras mit 16 bzw. 30 Sitzen in Senat und Repräsentantenhaus verhältnismäßig stark ab. Die Partei unterstützte das Friedensabkommen zunächst, hat wichtige Teile der Umsetzung zuletzt aber blockiert.

Die Partei der Nationalen Einheit um den scheidenden Präsidenten und Architekten des Friedensabkommens Juan Manuel Santos brach im Vergleich zu den letzten Wahlen ein. Parteiübergreifend belegen die Befürworter des Friedensabkommens – dazu zählen auch die Liberale Partei um Humberto de la Calle und die beiden linken Parteibündnisse um Sergio Fajardo und Gustavo Petro – aber immer noch 47 bzw. 73 Sitze in Senat und Repräsentantenhaus.

Die neue Partei der FARC blieb bei unter 0,5 Prozent der Stimmen. Ihr sind aufgrund des Friedensabkommens aber jeweils fünf Sitze in beiden Kammern garantiert.

 

Fortsetzung der Blockade im Parlament

Wenngleich die Wahlbeteiligung bei nur 53 Prozent lag, spiegelt das Wahlergebnis die große Polarisierung unter den Kolumbianerinnen und Kolumbianern hinsichtlich des Friedensprozesses wider und bedeutet schlechte Aussichten für seinen Fortgang. Denn weder das Feld der Gegner noch das der Befürworter des Abkommens wird über eine stabile Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses verfügen.

Damit wird sich dort wohl die Blockade fortsetzen, die mit dem Austritt der Partei Radikaler Wandel aus der Regierungskoalition mit Präsident Santos entstand und die ihn daran hinderte, wichtige Teile des Abkommens gesetzlich zu verankern. So existieren viele der für die Transformation der Konfliktursachen notwendigen Schritte wie beispielsweise die Landreform und die politische Reform nach wie vor nur als politische Vereinbarungen mit den Rebellen auf dem Papier.

Mit der Stärkung der Gegner des Friedensabkommens im Kongress ist eine effektive Umsetzung dieser Maßnahmen in der kommenden Legislaturperiode unwahrscheinlich. Selbst wenn bei den Präsidentschaftswahlen im Mai ein Befürworter des Abkommens ins Amt gewählt werden sollte, wird es ihm schwerfallen, dort die erforderlichen Mehrheiten zu beschaffen. Das gilt auch für die dringend benötigte Steuerreform zur Finanzierung des Friedensprozesses.

 

Große Herausforderungen für den Friedensprozess

Dieser steht im zweiten Jahr nach der Unterzeichnung des Abkommens ohnehin vor großen Herausforderungen. Viele demobilisierte FARC-Rebellen haben die Reintegrationslager aufgrund mangelnder Perspektiven wieder verlassen und sich kriminellen Banden und anderen bewaffneten Gruppen wie dem ELN angeschlossen. Die Friedensverhandlungen mit dieser Gruppe sind unterbrochen. Nachdem sie im Januar in Barranquilla sieben Polizisten ermordete, bombardiert die kolumbianische Luftwaffe ihre Stellungen. Darüber hinaus kamen den Vereinten Nationen zufolge im letzten Jahr 105 Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien ums Leben, vor allem in den am stärksten vom Konflikt betroffenen Gebieten entlang der Pazifikküste und an der Grenze zu Venezuela.

Die humanitäre Krise im Nachbarland bindet wichtige Ressourcen für den Friedensprozess. So kamen im letzten Jahr rund 800.000 Venezolanerinnen und Venezolaner nach Kolumbien, das traditionell Ausgangspunkt und nicht Ziel von Fluchtbewegungen und bereits mit seinen etwa sieben Millionen Binnenvertriebenen überfordert ist. Auf die Geflüchteten aus Venezuela ist das Land nicht vorbereitet. In den Grenzstädten schlafen sie auf der Straße, Minderjährige leisten Sexarbeit.

In diesem prekären Kontext droht Kolumbien in ein Szenario abzugleiten, das nicht durch Frieden und Sicherheit, sondern durch kriminelle Banden und kleinere, miteinander konkurrierende bewaffnete Gruppen geprägt ist. Diese Gruppen, die sich durch den Drogenhandel finanzieren, rekrutieren ihren Nachwuchs vor allem unter den Perspektivlosen auf dem Land und in den Armenvierteln. Nun gesellen sich noch die Geflüchteten aus Venezuela hinzu.

Ohne eine umfangreiche Landreform und eine effektive Umsetzung von Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung und Reintegration wird sich daran nichts ändern. Solche aber sind von den Gegnern des Friedensabkommens, die vor allem die Interessen der Großgrundbesitzer und industriellen Landwirtschaft vertreten und die FARC-Rebellen als Terroristen betrachten, nicht zu erwarten.

 

Die Zusammenarbeit jetzt intensivieren

Unabhängig vom Wahlausgang sollte die Bundesregierung ihre Unterstützung Kolumbiens in dieser entscheidenden Phase des Friedensprozesses ausweiten. Zwar hat sie wenig Einfluss auf die politische Agenda der Gegner des Abkommens im Kongress. Aber sie kann Angebote machen, um zu einer wirksamen Umsetzung der bereits gesetzlich verankerten Aspekte des Friedensabkommens beizutragen.

Gefragt ist in diesem Zusammenhang zunächst schnelle finanzielle und technische Hilfe bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise an der Grenze zu Venezuela, die sich zu einer humanitären Katastrophe entwickeln könnte. Die knappen Mittel Kolumbiens werden für den Friedensprozess benötigt. Darüber hinaus könnte die Bundesregierung durch weitere Unterstützung bei der Reintegration der Rebellen und der ländlichen Entwicklung dazu beitragen, den Zufluss zu kriminellen Banden und den verbliebenen bewaffneten Gruppen zu verringern. Damit würde sie Kontinuität demonstrieren und zeigen, dass Deutschland auch in schwierigen Zeiten als verlässlicher Partner an der Seite der Friedensbefürworter in Kolumbien steht.

Dieser Text ist auch bei EurActiv.de und bei Zeit Online erschienen.