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Nur neue Sanktionen können Russland in der Schwarzmeerregion aufhalten

Am 25. November 2018 haben russische Streitkräfte in der Straße von Kertsch ukrainische Marineschiffe be­schossen und gekapert, ohne dass der Westen energisch reagiert hätte. Um Moskau davon ab­zu­brin­gen, die Destabilisierung der Ukraine weiterzutreiben, fordert Susan Stewart neue Sanktionen gegen Russland.

Kurz gesagt, 20.12.2018

Am 25. November 2018 haben russische Streitkräfte in der Straße von Kertsch ukrainische Marineschiffe be­schossen und gekapert, ohne dass der Westen energisch reagiert hätte. Um Moskau davon ab­zu­brin­gen, die Destabilisierung der Ukraine weiter­zu­treiben, fordert Susan Stewart neue Sanktionen gegen Russland.

Aus folgenden fünf Gründen sollte der Westen der Vorgehensweise Moskaus bezüglich der Krim und des Asowschen Meeres entschlosse­ner begegnen: Erstens, weil die Marinesoldaten, die sich auf den ukrainischen Schiffen befanden, zurzeit in einem russischen Gefängnis sitzen. Internationale Aufmerksamkeit kann die Chancen ihrer kor­rekten Behandlung sowie ihrer Freilassung erhöhen.

Zweitens zeigt dieser Fall, dass Russland nun offen als Konfliktpartei im andauernden Krieg mit der Ukraine agiert. Im Westen sollte Klartext gesprochen werden bezüglich der Rolle Russlands. Bislang hat Moskau darauf bestanden, dass es als Vermittler im Donbas-Konflikt zu verstehen sei. Obwohl es ausreichend Beweise dafür gibt, dass Russland direkt in den Konflikt involviert ist, sowohl in mili­tärischer Hinsicht als auch in der Verwaltung der aufständischen Gebiete, wird Moskau in den internationalen Formaten für die Regelung dieses Konflikts nicht als Partei behandelt. Dies sollte sich jetzt ändern.

Drittens ist nicht zu erwarten, dass es bei diesem einen Vorfall bleiben wird. Dies umso weniger, als der Zusammen­stoß in eine Serie von Handlungen einzureihen ist, die Russland in den letzten Monaten unternommen hat, um die Position der Ukraine im Asowschen Meer weiter zu schwächen. Russ­land kontrolliert die Straße von Kertsch sowie die Gewässer um die Halbinsel Krim. Außerdem beherrscht Russland das Asowsche Meer, indem seine Marine seit April Handelsschiffe, die auf dem Weg zu ukrainischen Häfen sind, immer wieder durch lange Inspektionen aufhält. Es han­delt sich also um eine Fortsetzung des bisherigen russischen Ansatzes, die Ukraine gleichzeitig an mehreren Fronten zu destabilisieren.

 

Festigung der russischen regionalen Vorherrschaft

Viertens ist der Vorfall auch in einen größeren geopolitischen Kontext einzubetten. Moskau ver­folgt offenbar die Absicht, nicht nur die Reaktionen der Ukraine, sondern auch diejenige westlicher Akteure zu testen. Dass Moskau dort weiterprescht, wo es wenig bis keinem Widerstand begegnet, ist ein Grundmuster russischen Handelns. Daher ist zu erwarten, dass Russland weitere Schritte unternehmen wird, um seine dominante Stellung im Schwarzen Meer zu bekräftigen. Damit verbindet die russische Führung wohl auch die Hoffnung, durch die Hinnahme ihrer Hoheit in den angrenzenden Ge­wässern de facto eine Anerkennung ihres Anspruchs auf die Krim zu erlangen.

Fünftens würde eine Ausdehnung der russischen Handlungen auf das Schwarze Meer direkte Folgen für die EU haben, insbesondere für die beiden EU-Mitgliedsstaaten, die Anrainer des Schwar­zen Meeres sind, nämlich Rumänien und Bulgarien. Bereits die schnell voranschreitende Militarisierung der Krim erhöhte die Wahrscheinlichkeit militärischer Spannungen im Schwarz­meerraum. Die im November bewiesene Bereitschaft der russischen Seite, Waffengewalt in einer Situation anzuwenden, in der sie ohne weiteres hätte vermieden werden können, weist auf die reale Gefahr hin, dass Russland weitere, allzu forsche Taten folgen lassen könnte.

Die bisherige Reaktion der westlichen Gemeinschaft kann als eine Ermunterung zu solchen Taten aufgefasst werden. Dass US-Präsidenten Donald Trump ein Treffen mit seinem russischen Gegenpart Wladimir Putin beim G20-Gipfel Anfang Dezember in Buenos Aires abgesagt hat, hat keine greifbaren Folgen. Das Argument mancher Politiker in der EU, dass Sanktionen die russische Bereitschaft schmälern würden, sich auf Gespräche über den Vorfall einzulassen, überzeugt nicht. Erstens basiert der EU-Ansatz gegenüber Russland seit 2014 ebenfalls auf einer Kombination von Sanktionen und Dialogangeboten. Zweitens hat der Prozess, der zu den Minsker Vereinbarungen führte, gezeigt, dass die russische Seite eher willens ist, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, wenn sie von der Sanktionsbereitschaft der anderen Seite über­zeugt ist. Es ist zudem naheliegend, dass auch die westlichen Sanktionen, die 2014 verhängt wurden und bis heute andauern, die russische Führung von weiteren aggressiven Handlungen im Donbas abgehalten haben.

 

Mögliche Gegenmaßnahmen

Das Vorgehen Russlands in der Straße von Kertsch rechtfertigt neue Sanktionen. Die EU könnte mit Schritten gegen die Personen beginnen, die an der Operation in der Straße von Kertsch am 25. November 2018 als Befehlshaber oder Ausführende mitgewirkt haben. Die von Litauen bereits angewandte Liste solcher Personen kann hier als Anfang dienen. Maß­nah­men zur Unterstützung der Kapazitäten der ukrainischen Flotte erscheinen ebenfalls angebracht.

Als zweite Maßnahme wäre die Schließung von EU-Häfen für Schiffe aus russischen Liegeplätzen am Asowschen Meer sinnvoll. Die Aussetzung dieses Schrittes könnte an Russlands Bereitschaft gekoppelt werden, Handelsströme im Asowschen Meer nicht mehr zu erschweren, sei es durch eine Schließung der Straße von Kertsch oder durch weitere unverhältnismäßige Inspektionen von Schiffen, die ukrainische Häfen ansteuern.

Schließlich sollte man glaubhaft eine Reduzierung der Gasmenge, die durch die zweite Nord-Stream-Pipeline fließen soll, für den Fall ins Gespräch bringen, dass Russland die Lage im Schwarzmeerraum weiter eskaliert.