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Neuwahl in Portugal: Großer Sieg für Ministerpräsident Costa

Kurz gesagt, 01.02.2022

Die regierende Sozialistische Partei hat bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Portugal überraschend die absolute Mehrheit geholt. Ministerpräsident António Costa kann nun allein regieren. Aus seiner Politik ergeben sich auch neue Chancen für Deutschland, meint Günther Maihold.

Seit 2015 führte Ministerpräsident António Costa die politischen Geschicke seines Landes mit einer Minderheitsregierung, die von linken Parteien wie dem Linksblock (BE) und der portugiesischen kommunistischen Partei (PCP) unterstützt wurde. Als diese zusammen mit der konservativen Opposition im Herbst vergangenen Jahres Costas Haushaltsentwurf für 2022 ablehnten, endete die Zusammenarbeit. Durch vorgezogene Neuwahlen wollte Costa sich eine Mehrheit sichern. Dies ist ihm mit dem überzeugenden Wahlsieg am Sonntag gelungen: Die Wählerinnen und Wähler gaben dem amtierenden Regierungschef mit einer knappen absoluten Mehrheit von rund 42 Prozent einen erneuten Vertrauensvorschuss für die kommenden vier Jahre. Entgegen aller Voraussagen konnte er seinen konservativen Widersacher Rui Rio (PSD) mit fast 14 Prozent auf Distanz halten; das vermutete Kopf-an-Kopf-Rennen blieb aus.

Ein überraschendes Wahlergebnis

Das Wählervotum bestätigt Costas bisherigen Kurs der sozialen Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie – und ist trotzdem eine Überraschung: Noch bei den Kommunalwahlen im September 2021 hatte seine Sozialistische Partei (PS) schmerzhafte Verluste in Lissabon, Coimbra und Funchal hinnehmen müssen, die an die liberal-konservative PSD fielen. So stand Costa trotz Zugewinnen in anderen Gemeinden vor der Gefahr einer wachsenden Erosion der territorialen Präsenz seiner Partei, insbesondere in den bevölkerungsreichen Großstädten. Bei den vorgezogenen Neuwahlen musste er nun alles auf eine Karte setzen. In 31 Fernsehdebatten erfolgte eine Auseinandersetzung mit den neun zur Wahl stehenden Parteien und ihren Wahlprogrammen. Bei allen Debatten zeigte der Regierungschef eine für portugiesische Verhältnisse durchaus unübliche Bereitschaft zur öffentlichen Auseinandersetzung.

Costa gelang in den letzten Wochen vor der Wahl eine Trendumkehr in den Wählerpräferenzen; die Bevölkerung setzte an der Wahlurne auf Stabilität und Kontinuität. Das konservative Spektrum ist dagegen neu geordnet worden: Die PSD verlor sieben Sitze im Parlament. Dagegen konnte sich die rechte Gruppierung Chega (Es reicht), die mit radikalen Thesen den rechten Rand des politischen Spektrums besetzt, mit 12 Sitzen als dritte Kraft positionieren. Ihr Vorsitzender Andre Ventura hatte sich 2019 von der PSD abgespalten und etablierte eine neue politische Opposition, die international den Schulterschluss mit dem französischen Rassemblement National von Marine Le Pen sucht. Chega dürfte die Art und Weise der politischen Auseinandersetzung innerhalb und außerhalb des Parlaments deutlich verschärfen.

Von der Minderheitsregierung zur eigenen Mehrheit

Mit der Metapher »Nette Freundschaft statt schlechter Ehe« hatte Ministerpräsident Costa seine gewagte Unterstützungsallianz mit dem linken Lager beschrieben. Rund sechs Jahre ermöglichte sie ihm, die Regierungsgeschäfte erfolgreich zu führen. In dieser Zeit war es ihm gelungen, sein Land unter Einhaltung der strengen EU-Finanzregeln aus der Euro-Krise herauszuführen. Das zentrale Element war dabei die sozialpolitische Absicherung der schwierigen Anpassungsmaßnahmen, gestützt durch eine erfolgreiche Wachstumsstrategie und einen boomenden Tourismus. Um diese mit seinen linken Partnern zu ermöglichen, setzte der gewiefte Taktiker Costa auf Dialogbereitschaft und Zugeständnisse. Der eingeschlagene Weg, fiskalische Disziplin zu üben, aber gleichzeitig vorgesehene Gehalts- und Pensionskürzungen zurückzunehmen sowie den Mindestlohn anzuheben, fand nicht nur im eigenen Land großen Zuspruch. Portugal präsentierte sich als Alternativmodell zur reinen Sparpolitik ohne Investitionsanreize und soziale Abfederung. Das soziale Gleichgewicht konnte besser gewahrt werden als in anderen Krisenstaaten des europäischen Südens. Dass im Dezember 2021 die Arbeitslosigkeit mit 5,9 Prozent den günstigsten Wert seit 19 Jahren erreichte, hat sicherlich auch zum Wahlerfolg Costas beigetragen.

Auf diesem gewonnen Kredit will António Costa weiter aufbauen – nun mit eigener absoluter Mehrheit. Im Vordergrund steht für ihn der Wiederaufbau der portugiesischen Wirtschaft nach den massiven Einbrüchen durch die Pandemie-Wellen. Zwar verzeichnet Portugal 2021 ein Wachstum von 4,9 Prozent. Dieser folgte aber nach einem Einbruch von 8,4 Prozent im vorausgehenden Jahr. Zudem liegen Impulsgeber wie der Tourismus noch immer darnieder, so dass die 16,6 Milliarden Euro Finanzmittel aus dem Europäischen Wiederaufbaufonds dringend benötigt werden. Die Erhöhung des Lohnniveaus steht für den Regierungschef auch weiterhinauf der Tagesordnung. Portugal bewegt sich hier im europäischen Vergleich noch immer im unteren Drittel. Priorität hat neben den sozialpolitischen Maßnahmen auch die Reform des nationalen Gesundheitssystems, das unter den Pandemiebedingungen besonderen Belastungen ausgesetzt war.

Portugal – Partner für Deutschland

Traditionell wird Portugal im europäischen Kontext als kleines Land an der Peripherie angesehen, dem keine zentrale Rolle in den Brüsseler Entscheidungsprozessen zukommt. Für die Regierung von Bundeskanzler Olaf Scholz können gerade die Erfahrungen des Landes mit einer erfolgreichen Kombination von Austeritätspolitik mit sozialer Ausgewogenheit, einer liberalen Drogenpolitik und der Bereitschaft zu einer europäischen Lösung in Fragen von Migration und Asyl sinnvolle Ansatzpunkte sein, um Deutschlands bislang eingeschränktes Interesse an Europas Süden zu verbessern. Die jüngsten Besuche des Bundeskanzlers in Italien und Spanien waren insoweit schon ein positives Signal. Dieses sollte mit einer Initiative gegenüber Portugal seine baldige Fortsetzung finden.