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Dokumentation zum afghanischen National Solidarity Program

Partizipative Entwicklung als Instrument für nachhaltigen Wiederaufbau und nationale Stabilisierung

Arbeitspapier, 15.05.2008, 21 Seiten

Einleitung

Das National Solidarity Program (NSP) ist ein großflächig umgesetztes Entwicklungs- und Wiederaufbauprogramm für die ländlichen Regionen Afghanistans. Einen so genannten »Entwicklungsprozess von unten« anzustoßen ist die Maxime des partizipativ angelegten Programms. Mit diesem am Menschen orientierten Ansatz ist es in den Kontext des Community Driven Development (CDD) einzuordnen, das als Entwicklungskonzept von der Weltbank stark vorangetrieben wird (vgl. Kap. 1.b). Das NSP soll Dorfgemeinschaften in die Lage versetzen, den Entwicklungsbedarf für ihren Lebensraum selbstständig zu identifizieren und Projekte zur Verbesserung eigenverantwortlich zu planen, umzusetzen und zu bewerten. Dazu ermöglicht ihnen das Programm, Entscheidungen selbst zu treffen und die ihnen zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel selbst zu verwalten. Eine Voraussetzung für den Erhalt von Geldern ist die freie und geheime Wahl eines Gemeinschaftsentwicklungsrates (Community Development Council - CDC). Durch diesen Prozess sollen demokratische Strukturen auf der lokalen Ebene gestärkt und menschliche Entwicklung, Gleichheit und armutsorientiertes Wachstum gefördert werden.

Das Programm basiert einerseits auf traditionellen afghanischen Institutionen wie den Shuras, Jirgas (regelmäßig oder bei Bedarf zusammenkommende Räte zur Verhandlung, Entscheidungsfindung, Repräsentation oder Konfliktlösung) und Ashar (einem Prinzip reziproker gemeinschaftlicher Arbeit) und andererseits auf der Referenz zu islamischen Prinzipien wie Partizipation und Konsultation sowie auf den internationalen Erfahrungen mit Community Driven Development (CDD). (Nixon 2008b:18)

Die aktuelle Afghanistanberichterstattung wird von den militärischen Antworten der internationalen Gemeinschaft auf die bestehenden Probleme dominiert. Von Analysten werden sowohl dem ambitionierten, auf den Zentralstaat fokussierten, Staatsaufbau als auch dem, durch die internationale Gemeinschaft stark unterstützten, infrastrukturellen und sozialen (Wieder-) Aufbau des Landes nach sechs Jahren internationalen Engagements schlechte Zeugnisse ausgestellt. Versorgungsengpässe mit Nahrungsmitteln und Brennstoffen haben im Winter 2007/2008 schmerzlich vor Augen geführt, dass Afghanistan noch immer eines der ärmsten Länder der Welt ist.

Die weit hinter den Erwartungen zurückbleibenden Fortschritte in der Entwicklung des Landes begünstigen die Drogenökonomie, die für viele der Armen eine wichtige und nur schwer zu ersetzende Einnahmequelle darstellt und die durch die schwachen staatlichen Strukturen im wahrsten Sinne des Wortes »aufblühen« kann. Auch wird die immer stärker werdende Widerstandsbewegung zumindest zu einem Teil aus den Enttäuschungen über die beobachteten Entwicklungen und der schlechten wirtschaftlichen Lage genährt.

Auf beide Probleme kann nur ein breites, arbeits- und einkommensschaffendes Wachstum in den peripheren Regionen eine - wenn auch nicht die alleinige - Antwort sein. Ein Großteil der Afghanen lebt im ländlichen Raum, und ihren grundlegenden Bedürfnissen nachzukommen ist ein Ziel des NSP. Für viele Menschen ist das Programm gleichzeitig eine der ersten positiven Erfahrungen mit dem afghanischen Staat. In rein quantitativer Hinsicht ist das NSP eine Erfolgsgeschichte: Über 80% der Einwohner des ländlichen Afghanistans haben bisher vom Programm profitiert. »There is more to Afghanistan than fighting. Progress is being made.«, konnte der Minister für ländlichen Wiederaufbau und Entwicklung Ehsan Zia Anfang 2008 feststellen. ( http://www.ids.ac.uk/go/about-ids/news-and-commentary/february-2008-news/development-in-afghanistan )

Die internationale Gemeinschaft engagiert sich in diesem Programm zum einen durch die Finanzierung, die über die International Development Association (IDA) der Weltbank-Gruppe und bilaterale Geber sichergestellt wird. Darüber hinaus unterstützen internationale Nichtregierungsorganisation (NGOs) neben afghanischen die Dorfgemeinschaften bei der Durchführung des Programms. Die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) war von 2003 bis 2006 als Oversight Consultant (OC) maßgeblich für die Programmumsetzung verantwortlich. Diese Aufgabe wurde 2006 im Hinblick auf ein verstärktes Afghan Ownership im Wiederaufbauprozess an das afghanische Ministry for Rural Rehabilitation and Development (MRRD) übertragen.

In diesem Dossier-Beitrag werden im Kapitel 1.a Dokumente zur Entstehung und Weiterentwicklung des NSP vorgestellt. Darüber hinaus wird die Einbindung des Programms in den Wiederaufbauprozess und in die politischen Institutionen Afghanistans dargestellt.

Das Kapitel 1.b gibt einen Überblick über das Konzept Community Driven Development (CDD) und fokussiert die Rolle der partizipativen Entwicklung im Konflikt- und Postkonfliktkontext.

Der zweite Teil stellt die Rahmenbedingungen (Kapitel 2.a) sowie Funktionsweise und Akteure des NSP vor (Kapitel 2.b). Im abschließenden Kapitel 3 sind Studien zusammengestellt, die die Auswirkungen des NSP untersuchen und die Effekte bewerten.

Teilweise gibt es längere schriftliche Ausführungen, um Kontexte zusammenzufassen oder momentan nicht online zugängliche Inhalte darzustellen. Am Ende steht eine Bibliographie der zitierten Quellen zur Verfügung. Alle angegebenen Internetseiten waren zum Datum der Veröffentlichung dieses Dossier-Beitrags aktuell.