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Die geplante Reform der Entwicklungspolitik in der Kritik

Kurz gesagt, 22.06.2020 Forschungsgebiete

Die kürzlich durch den Entwicklungsminister angekündigte Reform der deutschen Entwicklungspolitik wird von NGOs zu Recht kritisiert. Doch sie weist auch Potenziale auf. Was braucht es, um die Reform zum Erfolg zu führen? Eine Einschätzung von Nadine Biehler und Amrei Meier.

Seit Kurzem liegen zentrale Ergebnisse des seit Dezember 2018 laufenden »Reformprozess BMZ 2030« der deutschen Entwicklungspolitik vor. Kirchliche und nicht-staatliche Entwicklungsorganisationen (NGOs) kritisieren die Fokussierung auf fünf sogenannte Kernthemen: »Friedenssicherung«, »Ernährungssicherung«, »Ausbildung und nachhaltiges Wachstum«, »Energie, Klima, Umwelt und natürliche Ressourcen« sowie »Gesundheit«. Auch sei die Reduzierung der Partnerländer für die bilaterale Zusammenarbeit um etwa 25 Länder (von rund 85 auf 60) problematisch. Doch sowohl die thematische als auch die geographische Fokussierung birgt auch Chancen. Es kommt darauf an, diese gut zu nutzen.

Thematische Fokussierung statt Verzettelung

Die Kritik der NGOs an der geplanten thematischen Fokussierung auf Kernthemen ist nachvollziehbar: Die Beschränkung birgt die Gefahr, dass Lücken – z.B. im Wassersektor – entstehen, die weder von anderen Organisationen noch von den Entwicklungsländern selbst aufgefangen werden (können). Durch die Reform besteht jedoch auch die Chance, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sich weniger verzettelt. Die Reduktion der Themen bietet das Potenzial, Ressourcen zu bündeln und langjährige und nachgefragte technische Expertise der deutschen EZ gezielt auszubauen und konzentrierter einzusetzen, beispielsweise im Bereich berufliche Bildung. Die in der Reform als Qualitätskriterien vorgesehenen Bedingungen Umwelt- und Klimaverträglichkeit, Armutsorientierung und Geschlechtergerechtigkeit sind zwar keine Unbekannten. Zentral ist aber, dass sie konsequenter als bisher angewandt werden. Besonderes Potenzial bietet die geplante thematische Fokussierung, wenn sie nicht nur von deutscher Seite als Kernthema gesetzt wird, sondern genug Spielraum besteht, die Projekte auf die Entwicklungsprioritäten und -bedarfe der jeweiligen Partnerländer auszurichten. Schlussendlich sollte die deutsche Entwicklungspolitik auch vor Ort strategisch mit anderen internationalen Akteuren abgestimmt sein und sich operativ besser mit anderen Gebern ergänzen.

Enger Kreis statt Gießkannenprinzip

Die geplante Fokussierung der bilateralen Zusammenarbeit auf weniger und vor allem reformorientiertere Länder könnte, so befürchten die Kritiker aus der Zivilgesellschaft, zu weniger Unterstützung für viele der ärmsten Menschen der Welt führen, die zu den Hauptzielgruppen von EZ gehören: Diese leben oft in Ländern mit schlechter Regierungsführung, Korruption oder Gewaltkonflikten. Das BMZ nennt aber als Auswahlkriterien für eine künftige bilaterale Zusammenarbeit neben Bedürftigkeit auch Reformorientierung und gute Regierungsführung. Darüber hinaus wirkt die angekündigte Länderauswahl inkonsequent: So ist beispielsweise geplant, Zusammenarbeit mit Ländern wie Myanmar oder Burundi wegen deren schlechter Regierungsführung einzustellen. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit mit Ägypten fortgesetzt werden, trotz der bekannten massiven Menschenrechtsverletzungen durch die dortige Regierung. Länder wie Sierra Leone oder Liberia hingegen, die auch aufgrund zurückliegender Bürgerkriege aktuell zu den ärmsten Ländern der Welt zählen, weisen relativ reformorientierte Regierungen auf – der geplante Rückzug der deutschen EZ aus diesen Ländern leuchtet angesichts der genannten Kriterien daher weniger ein. Für eine reibungslose und glaubwürdige Umsetzung der Reform ist vor diesem Hintergrund wichtig, dass das BMZ seine Kriterien für die Länderauswahl transparent und nachvollziehbar anlegt.

Für Länder, für die weiterhin bilaterale EZ vorgesehen ist, bietet die geographische Engführung dennoch Potenzial. Da die Hilfen nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, besteht die Aussicht auf eine langfristige und engagierte Zusammenarbeit, die Transformationsprozesse hin zu Demokratisierung, Achtung der Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit unterstützt. Gerade die langfristige Fokussierung auf weniger Länder kann es Deutschland ermöglichen, als engagierter und vertrauenswürdiger Partner wahrgenommen zu werden und so tatsächlich schrittweise gesellschaftliche und politische Verbesserungen für die dort lebenden Menschen zu unterstützen. Ausschlaggebend dafür ist aber, dass die EZ strategisch entsprechend ausgerichtet und auf dieser Grundlage konsequent umgesetzt wird.