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Die Chance zum echten Dialog

Die Begeisterung der arabischen Jugend für die neuen Medien ist eine einmalige Chance, mit ihr in direkten Kontakt zu kommen. Die deutsche Außenpolitik sollte sie nutzen, rät Asiem El Difraoui.

Kurz gesagt, 09.04.2011 Forschungsgebiete

Die Begeisterung der arabischen Jugend für die neuen Medien ist eine einmalige Chance, mit ihr in direkten Kontakt zu kommen. Die deutsche Außenpolitik sollte sie nutzen, rät Asiem El Difraoui.

Facebook-Revolution, Youtube-Aufstand, SMS-Demos, Twitter-Revolte – die Umstürze in Tunesien und Ägypten sind vor allem mittels der neuen Medien von der arabischen Jugend organisiert und vielleicht sogar ausgelöst worden. Das hat auch gezeigt: Diese jungen Menschen hatten bisher im öffentlichen Leben nur eingeschränkt die Freiheit, ihre Ideen und Vorstellungen zu äußern und zu diskutieren - umso mehr nutzen sie länderübergreifend virtuelle und mediale Freiräume zur intensiven Kommunikation.

Diese euphorische Nutzung der neuen Medien war aber nicht nur ein entscheidender Faktor für den Wandel in Tunesien oder Ägypten. Für Europa und für Deutschland bietet sie die einmalige Chance, die Demokratisierung in der arabischen Welt zu unterstützen und zugleich die eigene Präsenz auf der anderen Seite des Mittelmeers zu stärken. Denn dank Internet, Facebook, Youtube, Twitter und den Smartphones sind die Araber nicht nur in der Lage, sich untereinander freier auszutauschen, sondern auch wir können nun direkt mit ihnen kommunizieren - und sie mit uns.

Es braucht mehr als die etablierten Kontakte

Bereits im vergangenen November, kurz nach den gefälschten Parlamentswahlen, sagte mir ein ägyptischer Oppositionsjournalist: „ Der Westen hat eine Obsession mit dem angeblichen Islamismus der Jugend, aber er kommuniziert gar nicht mit ihr und weiß nichts über sie. Eure Regierung sollte einfach mal auf einer beliebten arabischen Website ein Quiz mit Fragebogen über die Meinungen der Jugend veranstalten, mit einer Reise nach Deutschland als Hauptgewinn. Da würden Tausende mitmachen.“

Dies ist nur ein Beispiel der neuen Möglichkeiten für einen verbesserten Austausch und für direkte Kommunikation. Wenn der deutsche Außenminister in seiner Regierungserklärung zum Umbruch in der Arabischen Welt betont, den „Aufbau und Ausbau der Zivilgesellschaft“ und „neue politische und gesellschaftliche Kräfte, die noch am Anfang stehen“ stärken zu wollen, braucht dies mehr als nur, wie vorschlagen, die „etablierten Kontakte“ der Botschaften, die „Netzwerke von Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Parlamentariergruppen“ oder die deutschen politischen Stiftungen. Über diese Kanäle wird bereits seit Jahrzehnten Außenpolitik praktiziert – leider meist ohne die breite Bevölkerung zu erreichen.

Heute können die Bundesregierung und die politischen Stiftungen direkt und ohne Filter mit den wirklichen Hoffnungsträgern kommunizieren - der arabischen Jugend. Dabei geht es jedoch nicht darum, über E-Mails oder SMS die Jugendlichen mit deutschen Politik-Marketing-Botschaften einzudecken. Facebook und Youtube, und vor allem populäre arabische Websites und Foren, machen einen echten Dialog mit der Jugend möglich. Einen Dialog über Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Islam, aber auch über Alltagsbelange, Ausbildung, Jobs, Freizeit, Liebe.

Hier könnten vor allem die deutschen Stiftungen durch die Einrichtung von Seiten auf beliebten Arabischen Foren eine Rolle wichtige spielen. Stipendiaten für ein Studium in Deutschland können dank der neuen Medien ebenfalls zum ersten Mal direkt ausgewählt werden: Die Willkür und der Klientelismus korrupter arabischer Bürokratien kann somit umgangen werden. Stipendien können etwa durch SMS auf Handys ausgelobt werden und die Stipendiaten im Folgenden über einen Wettbewerb auf dem Internet ausgewählt werden.

Die ägyptische Jugend disktuiert auf Facebook intensive über Demokratie

Auf „business community“ websites, die auch in der arabischen Welt sehr beliebt sind sollten das Bundesministerium für Wirtschaft aber auch die Wirtschaftverbände konkrete Projekthilfe etwa für Mikro und Kleinbetriebe anbieten.

Das Goethe Institut und andere deutsche Kulturinstitutionen könnten Wettbewerbe über das Internet veranstalten, bei denen Songs oder Videos von jungen Arabern eingereicht und prämiert werden, um anschließend in Deutschland gesendet zu werden und so arabische Jugendkultur verständlicher machen.

Die Bundesregierung hat seit dem elften September und dem Irak Krieg 2003, und nun mit Blick auf die aktuellen Umbrüche beträchtliche Mittel bereitgestellt, um in der arabischen und der islamischen Welt Präsenz zu zeigen, etwa beim Arabischen Dienst von DW-TV oder dem ebenfalls von der Deutschen Welle unterstützten Qantara.de Webmagazin. Diese Initiativen müssen ausgeweitet und geeignete Distributions- Kanäle in den neuen Medien in der arabischen Welt gefunden werden. So sollten beispielsweise DW-TV und seine Programme auf den beliebtesten arabischen Websites präsent und kommentierbar sein. Handygerechte Nachrichtenformate sollten geschaffen werden. Neben all dem ist es notwendig, zusätzlich auch neue Projekte zu entwickeln, die ständig und aktiv über die neuen Medien mit der arabischen Welt kommunizieren.

Die ägyptische Jugend diskutiert in Anbetracht der bevorstehenden Wahlen im Moment auf Facebook, Youtube und andere neue Medien, intensiv darüber was Demokratie eigentlich ist und wie sie funktioniert. Bei dieser Diskussion auf dem Internet beratend teilzunehmen wäre für die politischen Stiftungen, aber auch für die Bundesregierung eine Möglichkeit kreative Außenpolitik zu betreiben und somit beim Wandel in der Arabischen Welt eine wichtige Rolle zu spielen.

Berlin, 09.04.2011

Asiem el Difraoui ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Rahmen des von der Gerda Henkel-Stiftung geförderten Projekts »Jihadismus im Internet: Die Internationalisierung von Gewaltdiskursen im World Wide Web«.