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Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Testfall "blauer Brief"

Arbeitspapier 40, 15.03.2002, 6 Seiten
Selbstverpflichtungen

Deutschland erhielt keinen „blauen Brief“. Doch die einstimmige Erklärung, die der EcoFin-Rat am 12. Februar zum deutschen Stabilitätsprogramm und den haushaltspolitischen Zusicherungen der Regierung abgab, liest sich wie eine Ermahnung für die Haushaltspolitik und die Strukturreformpolitik. Das Wachstumsszenario, das der Selbstverpflichtung des Finanzministers zugrunde liegt, hängt von der weltwirtschaftlichen Erholung, aber auch von Faktoren ab, für die Deutschland verantwortlich ist, insbesondere einer moderaten Lohnentwicklung sowie größerer Anstrengungen bei den strukturellen Reformen, nicht zuletzt auf dem Arbeitsmarkt. Die Haushaltskonsolidierung muß durch eine entschiedenere Durchsetzung von Strukturreformen unterstützt werden, die das Wirtschaftswachstum verbessert. Trotz der großen eigenen Volkswirtschaft und – so könnte man hinzu fügen – den Vorteilen von Binnenmarkt und einheitlicher Währung, ist Deutschland besonders anfällig gegenüber Schocks, die aus dem internationalen System herrühren.

Die Selbstverpflichtungen, die der Rat von Deutschland und Portugal entgegen genommen hat, ähneln sich in weiten teilen. Beide bekräftigen ihr Bemühen, den Referenzwert für öffentliche Defizite von 3% BIP nicht zu durchbrechen. Sie wollen den Haushaltsplan sorgfältig erfüllen, alle Maßnahmen vermeiden, die die Haushaltslage verschlechtern könnten und jeden Spielraum nutzen, um das Defizit zu reduzieren. Sie versichern, im Einklang mit früheren Verpflichtungen bis 2004 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen und die Schuldenquote zurückzuführen. Mit Blick auf seine spezielle Situation sagte Portugal zu, Ausfälle bei den Staatseinnahmen, die nicht in einer weiteren Konjunkturverschlechterung begründet sind, durch andere Haushaltsmaßnahmen zu kompensieren.

Die deutsche Selbstverpflichtung enthält einen Passus zum Bund-Länder-Verhältnis und greift damit ein heikles innenpolitisches Thema auf. Der Terminus „öffentliche Defizite“ im Stabilitäts- und Wachstumspakt bezieht sich nicht nur auf den Bundeshaushalt sondern schließt alle öffentlichen Haushalte ein, darunter auch die Sozialversicherung sowie die Haushalte der Länder, deren Defizite zum Teil stark angewachsen sind. Mit ihrer Zusage, die 3% BIP Grenze nicht zu durchbrechen, bekräftigt die Bundesregierung zugleich das Bestreben, die Budget auf allen Ebenen der Staatstätigkeit genau zu beobachten und darüber zu einem Übereinkommen mit den Ländern und Gebietskörperschaften zu gelangen. Sie hat damit das Problem eines „nationalen Stabilitätspaktes“ aufgegriffen, das bereits der Urheber des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, der damalige Finanzminister Theo Waigel, nicht lösen konnte.