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Der Stabilitäts- und Wachstumspakt: Testfall "blauer Brief"

Arbeitspapier 40, 15.03.2002, 6 Seiten
Frühwarnung

Bei der Überprüfung des aktualisierten deutschen Stabilitätsprogramms für 2001 – 2005 stellte die Kommission fest, daß das öffentliche Defizit im Jahr 2001 mit 2,6% BIP den angestrebten Zielwert von 1,5% BIP erheblich überschritt. Für 2002 wurde ein Defizit auf 2,5% BIP prognostiziert gegenüber einem Zielwert von 2%. Die Abweichungen sind hauptsächlich auf die nachlassende Konjunktur und die nach unten korrigierte Wachstumsprognosen zurückzuführen, auf der die Defizitschätzungen basieren. Nach dem von der Kommission als plausibel zugrunde gelegten Szenario wird die Wachstumsrate im Jahr 2002 bei nur 0,75% liegen und für die gesamte Periode der Haushaltsplanung bei durchschnittlich 1,75%. Das Basisszenario, auf das sich das aktualisierte deutsche Stabilitätsprogramm vom Dezember 2001 stützte und für 2004 einen ausgeglichenen Haushalt vorsah, ging noch von einem Wachstum von 1,25% für das laufende Jahr und von durchschnittlich 2% für die Jahre 2001-2005 aus.

Der Überprüfungsbericht der Kommission kam daher zu der Ansicht, daß erheblich größere Anstrengungen unternommen werden müssen, um einen Haushaltsausgleich im Jahr 2004 zu erreichen. Die Schuldenquote (Anteil der Staatsverschuldung am BIP) wurde trotz umfangreicher Privatisierungseinnahmen und der Erlöse aus den Mobilfunklinzenzen nicht unter die im Maastricht-Vertrag vorgeschriebenen 60% zurückgeführt. Das Stabilitätsprogramm sieht eine Senkung der Schuldenquote auf 55,5% bis 2005 vor. Weitere Privatisierungsmaßnahmen auf allen staatlichen Ebenen seien jedoch angezeigt. Eine entscheidende Rückführung der Staatsverschuldung ist insbesondere mit Blick auf zukünftige Belastungen erforderlich, die durch die vorhersehbar Alterung der deutschen Gesellschaft entstehen.

Für Portugal stellt sich die Situation etwas anders dar. Das aktuelle öffentliche Defizit lag für 2001 mit 2,2% BIP erheblich über dem Zielwert von 1,1% BIP. Die Abweichung ist zum Teil auf die Verlangsamung der Konjunktur zurückzuführen, andere Faktoren, die die strukturelle Haushaltsposition verschlechtert haben, kommen hinzu. So wurden die Einnahmeausfälle in Verbindung mit der im Jahr 2001 durchgeführten Steuerreform unterschätzt. Die daraufhin von der Regierung beschlossenen Sparmaßnahmen reichten nicht aus, um eine Überschreitung des Defizitziels zu verhindern. Die Kommission beurteilt die Finanzsituation als besonders risikoreich und hält eine größere Sicherheitsmarge für notwendig, um ein Überschreiten der 3%-BIP-Marge zu vermeiden.

Um die als „blauer Brief“ empfundene frühzeitige Warnung des Rates zu vermeiden, gab der deutsche Finanzminister im EcoFin-Rat eine Selbstverpflichtung für eine strikte Haushaltsführung ab. Der Rat nahm diese Zusage am 12. Februar als ausreichend zur Kenntnis und verzichtete auf eine Abstimmung über die Empfehlung der Kommission. Portugal erhielt daraufhin dasselbeVerfahren. In einer einstimmigen Stellungnahme betont der Rat jedoch, daß das Frühwarnsystem zentaler Bestandteil des Stabiltäts- und Wachstumspaktes ist und daß die Kommission im Einklang mit diesen Bestimmungen gehandelt hat, als sie dem Rat eine frühzeitige Warnung an Deutschland und Portugal empfahl.