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30 Jahre nach dem Falkland-Krieg

Mit seiner unnachgiebigen Haltung im Souveränitätsstreit mit Großbritannien versperrt Argentinien sich den Weg zu mehr Kooperation mit den Falklandinseln, meinen Sascha Albrecht und Claudia Zilla.

Kurz gesagt, 30.03.2012 Forschungsgebiete

Mit seiner unnachgiebigen Haltung im Souveränitätsstreit mit Großbritannien versperrt Argentinien sich den Weg zu mehr Kooperation mit den Falklandinseln, meinen Sascha Albrecht und Claudia Zilla.

Am 2. April wird in Argentinien der Veteranen und Gefallenen gedacht. Der Feiertag geht zurück auf den Tag der argentinischen Invasion der Falklandinseln 1982. Dreißig Jahre später verschärft ein Ressourcenkonflikt den weiterhin bestehenden Souveränitätsstreit um die Malvinas, wie die Inseln im spanischen Sprachraum genannt werden. Die britisch-argentinischen Beziehungen befinden sich heute erneut auf einem Tiefpunkt.

Das "Abenteuer" der argentinischen Militärjunta vor drei Jahrzehnten rief zunächst eine euphorische Unterstützungswelle in der argentinischen Bevölkerung hervor. Die geweckten nationalistischen Gefühle verdrängten das Wissen um die gravierenden Menschenrechtsverletzungen der Diktatur sowie realistische Einschätzungen über die Aussichten der Offensive. Mit der Kapitulation 74 Tage später schlug die Stimmung um. Von rund 900 Gefallenen waren zwei Drittel Argentinier, größtenteils junge Wehrdienstleistende aus armen Verhältnissen. Die militärische Niederlage beschleunigte den Niedergang des autoritären Regimes und mündete in die Transition zur Demokratie. Am argentinischen Souveränitätsanspruch auf die Malvinas jedoch wurde nicht gerüttelt. Eine historiographische Verurteilung der Militäraktion blieb in Argentinien aus. Die Malvinas-Frage ist zu einem Tabu geworden: nur wenige wagen es, die damalige nationalistische Verblendung der Bevölkerung und die territorialen Ambitionen des Landes heute, abweichend von der Mehrheitsposition in Politik und Gesellschaft, kritisch zu hinterfragen.

Großbritannien seinerseits hat seine - vor dem Krieg vernachlässigte - politische und ökonomische Bindung an die Falklandinseln seit 1982 intensiviert. Das Königreich betrachtet die Inseln nach wie vor als eigenes Hoheitsgebiet in Übersee, forciert zugleich aber das Selbstbestimmungsrecht der Falkland-Bevölkerung, die eine Souveränitätsübertragung an Argentinien seit dem Krieg noch vehementer ablehnt. Durch Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen sind die Konfliktparteien erstmalig 1965 sowie wiederholt vor und nach dem Krieg dazu aufgerufen worden, im Sinne einer friedlichen Lösung der Insel-Frage Verhandlungen aufzunehmen.

Seit dem Jahrtausendwechsel setzt Argentinien nicht mehr auf Annährung

Im Jahr 1989 nahmen die Konfliktparteien ihre diplomatischen Beziehungen wieder auf. Präsident Carlos Menem (1989-1999) rückte mit seiner Malvinas-Politik die Souveränitätsfrage in den Hintergrund und suchte die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Großbritannien und den Inseln. Zu den Ergebnissen dieser Strategie zählt unter anderem das Abkommen von 1995 über die Kooperation in Ressourcenfragen, das den gemeinsamen Rohstoffabbau in den strittigen Gebieten um die Inseln herum regelte und hierfür eine gemeinsame koordinierende Kommission schuf. Mit dem Amtsantritt von Fernando de la Rúa (1999-2001) begann die Abkehr von dieser pragmatischen Annährungspolitik. Nachdem die gemeinsame Kommission aufgrund kontroverser Interpretationen des Abkommens ihre Arbeit 2000 suspendierte, kündigte Präsident Néstor Kirchner (2003-2007) im Jahr 2007 den Kooperationsvertrag. Großbritannien und die Inselregierung indes erweiterten ihren Handlungsradius: Sie vergaben nun im Alleingang Konzessionen für die Ausbeutung der Naturressourcen in den strittigen Gebieten. Mit dem Anstieg des Erdölpreises begannen sie, den Aufbau einer Ölindustrie im Südatlantik zu fördern. Immer mehr britische Energieunternehmen interessieren sich heute für die großen Erdöl- und Gasreserven, die in den Gewässern um die Inseln vermutet werden.

Weil beide Seiten auf ihrem Souveränitätsanspruch beharren, werden Verhandlungen unmöglich

Großbritannien übt nun bereits seit 1833, dem Jahr, in dem es die Falklandinseln besetzte, die faktische Kontrolle über die Inseln aus; seit einem Jahrzehnt steigern London und Stanley zudem ihre Ressourcennutzung in der Zone - eine Entwicklung, die die argentinische Regierung als Verletzung internationalen Rechts ansieht und heftig kritisiert. Seit Ende letzten Jahres greift sie zunehmend auf restriktive Maßnahmen zurück und fordert dabei die Unterstützung der Nachbarstaaten ein. Neben offiziellen Erklärungen der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) und des Gemeinsamen Marktes des Südens (MERCOSUR), in denen der Souveränitätsanspruch Argentiniens bekräftigt wird, haben sich viele südamerikanische Staaten der argentinischen Entscheidung angeschlossen, Schiffe unter der Flagge der Falklandinseln nicht mehr in ihre Häfen einlaufen zu lassen. Immer wieder sind hiervon auch britische Kriegsschiffe betroffen. Zur Deeskalation aber tragen die scharfe Rhetorik von Premierminister David Cameron und die britischen Initiativen auf den Inseln ebenso wenig bei. Die Entsendung von Prinz William zu einem sechswöchigen Einsatz als Rettungspilot auf die Falklandinseln zum Beispiel hätte nicht zu diesem Zeitpunkt erfolgen müssen.

Ein militärischer Schlagabtausch indes bleibt ausgeschlossen; Argentinien verfügt hierfür weder über die materiellen Mittel noch über den nötigen Rückhalt in Politik und Gesellschaft. Aus einem historisch gewachsenen Territorialpatriotismus heraus wird der Fall Malvinas aber zu einer Frage nationaler Identität und erlangt zusammen mit der Verurteilung des Ressourcenabbaus im Südatlantik eine unverhältnismäßig hohe außenpolitische Priorität. Die argentinische Strategie soll Großbritannien dazu bewegen, sich auf Verhandlungen einzulassen, die die Souveränitätsfrage berücksichtigen. Gleichzeitig aber versichert die Regierung Kirchner, dass die argentinische Souveränität über die Inseln nicht verhandelbar sei. Die gleiche Position vertritt Großbritannien. Unter diesen Voraussetzungen sind Verhandlungen aussichtslos.

In einer ungleich schwächeren Position kann Argentinien lediglich auf seine geographische Nähe zu den Inseln setzen. Anstatt diese zu nutzen und seine Position durch gesellschaftliche, politische und ökonomische Kooperation strategisch auszubauen, entfernt sich das Land mit seiner Souveränitätsfixierung immer mehr von seinen ersehnten Malvinas.