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Strategische Rivalität zwischen USA und China

Worum es geht, was es für Europa (und andere) bedeutet

SWP-Studie 2020/S 01, 05.02.2020, 57 Seiten

doi:10.18449/2020S01

Forschungsgebiete

 Die Rivalität zwischen den USA und China ist in den letzten zwei Jahren zu einem Leitparadigma der internationalen Beziehungen geworden. Es prägt strategische Debatten ebenso wie reale politische, militärische und wirtschaftliche Dynamiken.

 Die sino-amerikanische Konkurrenz um Macht und Status hat verschiedene Dimensionen. Dazu gehören auch wachsende Bedrohungswahrneh­mungen und eine sich verstärkende politisch-ideologische Komponente.

 Der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt wird politisch instrumen­talisiert und ist eng mit weltordnungspolitischen Fragen verbunden.

 Bei der technologischen Dimension geht es nicht nur darum, wer tech­nische Standards setzt, sondern auch um geopolitische Machtprojektion durch »technopolitische Einflusssphären«. Dabei werden Fragen der Technologieentwicklung und -nutzung Teil eines Systemgegensatzes oder systemischen Wettbewerbs.

 Die Präsidenten Trump und Xi schüren durch ihre unterschiedlichen Führungsstile bilaterale Konflikte und beschädigen, jeder auf seine Art, internationale Regeln und Institutionen.

 Zu den internationalen Auswirkungen der sino-amerikanischen Rivalität gehört, dass sie multilaterale Institutionen untergräbt, etwa die Welt­handelsorganisation. Während sich die USA aus einigen multilateralen Institutionen zurückziehen, baut China seinen Einfluss aus, wie bei den Vereinten Nationen.

 Europa muss sich der bipolaren Logik entziehen, nach der es sich zwischen einer amerikanischen und einer chinesischen Wirtschafts- und Technologiesphäre zu entscheiden habe. Es muss eine Chinapolitik ent­wickeln, die als Teil des Strebens nach europäischer Souveränität oder strategischer Autonomie konzipiert wird; dazu bedarf es einer »supra­nationalen Geopolitik«.

Inhaltsverzeichnis

1 Dimensionen strategischer Rivalität: China, die USA und die Stellung Europas

1.1 Globale Machtkonkurrenz

1.2 Konflikte um die Handels-, Wirtschafts- und Finanzpolitik

1.3 Technologische Dimension

1.4 Unterschiedliche Führungsstile

1.5 Internationale Auswirkungen der Rivalität

1.6 Neue Strategie für Europa

2 Der sino-amerikanische Weltkonflikt

2.1 Chinas Aufstieg als Bedrohung der amerikanischen Vormachtposition

2.2 Zur Struktur des amerikanisch-chinesischen Konfliktsyndroms

2.3 Dimensionen und Dynamik der Rivalität

2.4 Folgen

3 Chinesische Narrative über die USA

3.1 China als »Champion of the South«

3.2 Ein Amerika, das Chinas Aufstieg im Wege steht

3.3 Eine von den USA dominierte Weltordnung

3.4 Die USA unter Donald Trump

3.5 Zurück in die Zukunft?

3.6 Eine differenzierte Wahrnehmung Europas

4 Die Wahrnehmung Chinas in den USA

4.1 Normative, sicherheitspolitische und wirt­schaftliche Dimension der China‑Kritik

4.2 Der Kongress in der China-Debatte

4.3 Gemäßigte Stimmen werden in Washington überhört

5 Sicherheit und Sicherheitsdilemmata in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen

5.1 Die Perspektive Pekings

5.2 Die Perspektive Washingtons

5.3 Die nukleare Komponente

6 Handel, Wirtschaft, Finanzen: Rivalitäten, Konflikte, Eskalationsrisiken

6.1 USA und China auf wirtschaftlichem Kollisionskurs

6.2 Kräfteverschiebungen und die neue US‑Handelspolitik

6.3 Von der Einbindung zur Entkoppelung

6.4 Konsequenzen und Eskalationsrisiken

6.5 Europas Positionierung

7 Einflusssphären der Digitalisierung

7.1 Technopolitische Einflusssphären der Digitalisierung

7.2 Machtprojektion durch technopolitische Einflusssphären

7.3 Handlungsmöglichkeiten für Drittstaaten

8 Werte und Ordnungen: Ideologische Konflikte und Herausforderungen

8.1 Die liberalen Ideen des Westens als Bedrohung für den Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas

8.2 Chinas neue Paradigmen für die internationale Zusammenarbeit

8.3 Vor einem neuen Systemwettbewerb?

9 Trump und Xi: Wettbewerb der Führungsstile

9.1 Donald Trumps »transaktionaler« Führungsstil

9.2 Xi Jinpings »transformativer« Führungsstil

9.3 Kollision der Führungsstile: Hohe Ver­trauenskosten, geringe Ergebnistreue

9.4 Wettbewerb der Führungsstile

9.5 Strategische Konkurrenz

10 Auswirkungen des US-China-Konflikts auf die multilaterale Ordnung

10.1 Die wachsende Rivalität zwischen Peking und Washington

10.2 Die Bretton-Woods-Institutionen und der amerikanisch-chinesische Konflikt

10.3 Die Vereinten Nationen und der amerikanisch-chinesische Konflikt

10.4 Ausblick

11 Die Europäische Union im Spannungsfeld der sino-amerikanischen Rivalität

11.1 Einigkeit und Uneinigkeit der EU gegenüber China

11.2 Außen- und Sicherheitspolitik

11.3 Die EU als Handels- und Regulierungs­macht

11.4 Supranationale Geopolitik

12 Anhang

12.1 Abkürzungen

12.2 Die Autorinnen und Autoren

Volker Perthes

Dimensionen strategischer Rivalität: China, die USA und die Stellung Europas

Die Rivalität zwischen den USA und China ist im Laufe der vergangenen zwei Jahre zu einem Leit­paradigma der internationalen Beziehungen gewor­den. Es prägt strategische Debatten, aber auch reale politische, militärische und wirtschaftliche Dynamiken, und dies dürfte für einige Zeit so bleiben. Das bedeutet nicht, dass die Konkurrenz zwischen Wa­shington und Peking oder gar die Großmachtrivalität allgemein alle anderen internationalen Problem- und Konfliktlagen bestimmen. Wohl aber bildet diese Rivalität immer häufiger den Rahmen, durch den verschiedenste Akteure bedeutende Ereignisse und Entwicklungen betrachten. Zumindest für die USA gilt, dass die strategische Rivalität mit China das seit 2001 vorherrschende Paradigma »Kampf gegen den Terrorismus« ersetzt hat.

In den offiziellen Strategiedokumenten der US-Regierung firmiert China seit 2017 als »long-term strategic competitor«. Die Nato spricht in ihrer Lon­doner Erklärung vom Dezember 2019 erstmals von den Herausforderungen (allerdings auch von den Chancen), die sich aus dem Gewicht und der inter­nationalen Politik Chinas ergeben.1 Chinas politische Elite ist – wohl zu Recht – überzeugt, dass die USA zumindest die Ausdehnung chinesischen Einflusses eindämmen wollen. Streit über die Handelspolitik oder die Handelsbilanzen steht zwar im Vordergrund öffentlicher Äußerungen des US-Präsidenten und hat unmittelbare Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Gleichwohl stellen handelspolitische Auseinander­setzungen nur einen und keineswegs den wichtigsten Aspekt der Rivalität dar. Der Konflikt ist, wie Peter Rudolf ausführt, multidimensional.

Ein eigener strategischer Ansatz Deutschlands und der Europäischen Union (EU) in Bezug auf die sino-amerikanische Rivalität verlangt zunächst einmal ana­lytische Klarheit: Nur wenn wir die Multidimensionalität der Konflikt­konstellation verstehen, können wir angemessene poli­tische Antworten finden und die notwendigen Instrumente entwickeln.

Globale Machtkonkurrenz

So geht es offensichtlich um globale Machtbalancen und ihren Status im internationalen System. Einiges spricht dafür, dass US-Präsident Donald Trump Über­legenheit, vor allem militärische Dominanz, als Zweck an sich betrachtet und nicht in erster Linie als Mittel, um bestimmte Interessen und Werte zu beför­dern. Präsident Xi Jinping scheint eher von einer Welt­ordnungsvision chinesischer Provenienz getrie­ben zu sein, bei der Superiorität gleichermaßen Mittel und Ziel darstellt. Der Konflikt hat aber auch eine sicherheitspolitische, eine wirtschaftliche, eine technologische, eine ideologische und eine, wenn man so will, Persönlichkeitsdimension. Auf jede ein­zelne dieser Dimensionen und ihre Zusammenhänge gehen wir in den Beiträgen dieser Studie ein, eben­so auf die Auswirkungen amerikanisch-chinesischer Rivalität auf internationale Institutionen und auf Europa. Um den Einfluss der etablierten und der sich entwickelnden Supermacht auf andere Staaten, Regionen und Gesellschaften geht es in jedem Fall.

Aus chinesischer Sicht, so Hanns Günther Hilpert und Gudrun Wacker, wird Amerika China niemals freiwillig größeren internationalen Einfluss gewähren. In den USA wird China als revisionistische Macht betrachtet, die langfristig nach einer globalen Vor­machtstellung strebt. Darüber besteht, wie aus dem Beitrag von Marco Overhaus, Peter Rudolf und Laura von Daniels hervorgeht, ein weitreichender Konsens zwischen Republikanern und Demokraten, zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Abgewogenere Positionen gibt es zwar, doch sie finden in der öffent­lichen Debatte kaum Gehör. Strittig diskutiert wird vor allem über die Wahl der Mittel in dieser Ausein­andersetzung.

Auch deshalb werden harte sicherheitspolitische Herausforderungen akuter, bildet sich ein klassisches Sicherheitsdilemma heraus. Wie Michael Paul und Marco Overhaus darlegen, gilt dies ganz besonders für China als Großmacht, die ihren Handlungsraum aus­weitet und dabei Schritt für Schritt von der Doktrin der Küstenverteidigung zu der einer aktiven Verteidigung im maritimen Raum übergeht. Es gilt aber auch für die USA, die in Chinas wachsenden militärischen Fähigkei­ten nicht nur eine Bedrohung für eigene Militärbasen im Pazifik sehen, sondern auch für ihr Partnerschafts- und Allianzsystem in der asiatisch-pazifischen Region sowie perspektivisch für ihre nukleare Abschreckung.

Konflikte um die Handels-, Wirtschafts- und Finanzpolitik

Wirtschaftliche Konkurrenz und Konflikte um die Handels-, Wirtschafts- und Finanzpolitik bilden eine reale, eigene Dimension der Rivalität, nicht nur, weil die USA unter Präsident Trump einen protektionis­tischen Kurs eingeschlagen haben. Die amerikanische Kritik am chinesischen Handelsgebaren, an unfairen Wettbewerbsbedingungen in China oder an chine­sischen Regelverstößen wird in Europa weitgehend geteilt. Der Handelskonflikt ist, wie sowohl Hilpert als auch von Daniels in ihren Beiträgen ausführen, eng mit weltordnungspolitischen Fragen verbunden, die gerade auch aus europäischer Perspektive von vitaler Bedeutung sind. Das gilt etwa für die Zukunft verbindlicher, multilateraler Handelsregeln und Institutionen. Diese Themen haben zudem in beiden Staaten innenpolitische Relevanz und darüber hinaus hohes mobilisatorisches Potential, teilweise unabhängig davon, inwieweit globale Entwicklungen tatsächlich die Beschäftigungssituation in bestimmten Branchen beeinträchtigen. Insgesamt aber, so Hilpert, sind die materiellen Vorteile, die beide Seiten, vor allem die USA, aus ihrer wirtschaftlichen Zusammenarbeit ziehen, im Vergleich zu den zweieinhalb Jahrzehnten nach 1990 geringer geworden. Der bilaterale Handel zwischen den USA und China ist heute kein Stabili­sator mehr, der politische Konflikte mildern kann. Handelskonflikte werden vielmehr politisch instrumentalisiert, könnten gleichzeitig aber auch den am leichtesten lösbaren Knoten im komplexen Geflecht amerikanisch-chinesischer Rivalität darstellen. An­ders gesagt: Die strategische Rivalität zwischen den USA und China wird die internationale Politik auf absehbare Zeit auch dann maßgeblich prägen, wenn Washing­ton und Peking sich noch vor den kommenden US-Präsidentschaftswahlen über wesentliche Han­dels­fragen einigen und ein entsprechendes Abkommen schließen sollten.

Technologische Dimension

Entscheidender ist die technologische Dimension dieser Rivalität. Sie würde eine Beilegung des Han­delsstreits, wenn sie denn gelänge, überdauern. Gewiss geht es beim Wettbewerb der Technologien um absolute und relative Gewinne, darum, wer unmittelbar und längerfristig den größeren Teil des Kuchens abbekommt, etwa indem er technische Standards setzt. Technologische Konkurrenz ist jedoch immer auch sicherheitspolitisch von Belang. Andernfalls wären die Verschärfung des Wettbewerbs und das wachsende Misstrauen, das den Austausch und die Zusammenarbeit bei Technologien mittlerweile spürbar einschränkt, nicht zu erklären. Diese Konkurrenz verbindet sich zudem, wie Matthias Schulze und Daniel Voelsen erläutern, mit im tradi­tio­nellen Sinne geopolitischen Fragen: »Technopolitische Einflusssphären«, die mittels digitaler Produkte und Dienste etabliert werden, sind heute nicht mehr rein territorial zu verstehen, erlauben es aber den­noch, geopolitische Machtprojektion zu betreiben und internationale Abhängigkeiten zu zementieren.

Dabei verbinden sich Fragen der Technologie­entwicklung und -nutzung immer mehr mit politisch-ideologischen Aspekten. Sie werden Teil eines System­gegensatzes oder systemischen Wettbewerbs, der die innere Ordnung zum Gegenstand hat: das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von Regierenden und Re­gierten. Hilpert geht auf diese politisch-ideologische Dimension ein, die sich in einen weltweiten Wettstreit zwischen liberalen und demokratischen Gesell­schaftsvorstellungen auf der einen Seite und autori­tären auf der anderen einordnet. Dieser mag in allen Staaten, auch in Europa, zunächst eine innere Aus­ein­andersetzung sein, wird aber durch die Polari­sierung zwischen den USA und China mitbestimmt. Offensichtlich hat es für den amtierenden amerika­nischen Präsidenten keine Priorität, demokratische Werte oder liberale Weltordnungselemente zu ver­teidigen. Für den Kongress dagegen steht beides im Vordergrund der sino-amerikanischen Rivalität. Dar­um bemühen sich beide Kammern, zuletzt mit der Verabschiedung des Hong Kong Human Rights and De­mocracy Act im November 2019, eine in dieser Hin­sicht entschiedenere Regierungspolitik durchzusetzen.

Die Debatte in den USA ist von Furcht vor dem Aufstieg Chinas und einer möglichen Überrundung durch den Kontrahenten gekennzeichnet. Deshalb geht vielleicht unter, dass sich auch die chinesische Elite in ihrem Herrschaftsanspruch nach wie vor bedroht fühlt, wie Hilpert erläutert, nämlich durch liberale Werte und Weltsichten. Daran hat auch nichts geändert, dass China die liberale Erwartungshypothese des Westens widerlegt hat: In westlichen Ländern hatte man gehofft, rechtsstaatliche und demokratische Verhältnisse würden in China nahe­zu automatisch entstehen, wenn sich das Land wirt­schaft­lich entwickelt und wachsenden Wohlstand generiert. Tatsächlich ist es wohl so, dass Chinas Entwicklungsmodell zwar erfolgreich ist, liberale Werte aber nach wie vor überaus attraktiv wirken, vor allem auf gut ausgebildete, junge und mobile Mitglieder der chinesischen Gesellschaft. Das erklärt Chinas nervösen Blick auf Hongkong, die, wie es scheint, übertriebene Furcht der chinesischen Füh­rung vor Farbenrevolutionen sowie die umfassenden Bemühungen, mit technologischen Vorkehrungen die eigene Herrschaft und idealerweise eine in Pekings Sinne harmonische Gesellschaft abzusichern.

Technologien sind, wie Schulze und Voelsen betonen, nicht wertneutral. Technologischer Wett­bewerb wird umso stärker mit der politisch-ideo­logischen Dimension strategischer Rivalität verknüpft werden, je mehr technologische Entwicklungen Grund­fragen politischer und gesellschaftlicher Ordnung berühren, sei es bei der Datengewinnung und ‑nut­zung, der Künstlichen Intelligenz oder der Biotechno­logie. Auch europäische und deutsche Politik muss sich damit auseinandersetzen, was etwa ein mit Hilfe chinesischer Technologieinvestitionen ermöglichter großflächiger Abfluss von Personendaten für das euro­päische Staats- und Gesellschaftsmodell bedeuten würde, das der Wahrung individueller Rechte ver­pflich­tet ist. Zudem muss kritisch untersucht werden, wie Entwicklung und Export von Überwachungs­techno­logie und Techniken sozialer Kontrolle durch chinesische High-Tech-Firmen nicht nur autoritären und repressiven Regimen helfen, sondern auch die Verbreitung illiberaler Governance- und Gesellschafts­vorstellungen fördern.

Unterschiedliche Führungsstile

Wie weit der persönliche Faktor, die Eigenheiten der Präsidenten in Washington und Peking, eine geson­derte Dimension der amerikanisch-chinesischen Riva­lität darstellt, mag man diskutieren. In jedem Fall, so argu­mentiert Günther Maihold, werden die unterschied­lichen, aber auf beiden Seiten hoch personalisierten Führungsstile Trumps und Xis die weiteren Beziehungen zwischen den USA und China mit­prägen. Trumps »transaktionaler« und Xis nach innen und außen »transformativer« Stil sind kaum kom­patibel. Sie unterminieren tendenziell, was an Ver­trauensbasis noch existiert, beschränken die Möglichkeiten der Diplomatie und verschärfen bilaterale Kon­flikte. Andere Mächte, auch die Europäische Union, könnten hier im Einzelfall Handlungsspielraum ge­winnen. Vornehmlich werden sie sich aber um Scha­densbegrenzung und die Wahrung internationaler Regeln und Institutionen bemühen müssen, die in unterschiedlicher Weise von beiden Akteuren beschä­digt werden.

Internationale Auswirkungen der Rivalität

Auch wenn die hier beschriebene Konflikt- oder Konkurrenzkonstellation als bilaterale Rivalität verstanden und zum Teil inszeniert wird, sind ihre Bedeutung und ihre Folgen global: Sie wirkt auf die Beziehungen mit anderen Mächten, beeinflusst regio­nale Dynamiken, selbst in Europa, prägt die Arbeit in internationalen Organisationen und Foren – etwa den G20 oder den Vereinten Nationen (VN) und ihren Unterorganisationen – und untergräbt oft genug, wie Laura von Daniels ausführt, multilaterale Insti­tutionen. Besonders deutlich wird das bei der Welt­handelsorganisation (WTO), deren Regeln von beiden Staaten verletzt werden und deren Funktionsfähigkeit zudem von der Trump-Regierung geschwächt wird. China baut vor allem in seinem regionalen Umfeld neue internationale Foren und Organisationen auf, die seinen eigenen sinozentrischen Ordnungsvorstellungen entsprechen. Anders als die USA zieht China sich aber an keiner Stelle aus internationalen und multilateralen Institutionen zurück. Vielmehr be­müht sich das Land aktiv darum, seinen Einfluss bei den Vereinten Nationen und bei deren Agenturen und Unterorganisationen auszubauen. Das geschieht zum Teil, und nicht zuletzt beim VN-Peacekeeping, indem China größere Verantwortung und höhere Kosten übernimmt. Gleichzeitig versucht es jedoch, eigene politische Begriffe und Wertvorstellungen im Sprachgebrauch der Vereinten Nationen durch­zusetzen. So haben die USA unter Trump den VN-Men­schenrechtsrat verlassen, während China bestrebt ist, innerhalb des Rates seinen Ideen Geltung zu ver­schaffen, etwa indem es den Stellenwert individueller Menschenrechte relativiert.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten sind mittelbar und unmittelbar von der sino-amerika­nischen Rivalität betroffen. Europas Blick auf China ist kritischer geworden, in Deutschland wahrscheinlich in höherem Maße als in anderen EU-Ländern. China ist für Europa nicht mehr nur Verhandlungspartner mit unterschiedlichen Interessen und wirt­schaftlicher Wettbewerber, sondern auch ein System­rivale, der »alternative Governance-Modelle« zu ver­breiten sucht.2 Dennoch bleibt China aus europäi­scher Sicht ein unverzichtbarer Kooperationspartner bei der Bewältigung globaler Herausforderungen – zu­vörderst, aber nicht ausschließlich beim Klimaschutz. Europa kann kein Interesse an einem »decoupling« haben, einer weitgehenden Kappung technologischer oder wirtschaftlicher Verbindungen mit China, wie sie in den USA diskutiert und zum Teil auch vorberei­tet wird. Wie zahlreiche andere Staaten und Staaten­gruppen auch wird sich Europa einer bipolaren Logik entziehen müssen, der zufolge es sich zwischen einer amerikanischen und einer chinesischen Wirtschafts- und Technologiesphäre zu entscheiden hätte. Statt­dessen wird es nicht umhinkommen, sich um Formen lang­fristiger Verflechtung auf Grundlage echter Inter­dependenz und gemeinsamer Regeln zu bemühen. Eine Äquidistanz zu China und den USA, wie sie von interessierter Seite gelegentlich auch in europäischen Debatten vorgeschlagen wird,3 ist allerdings keine Option: Dazu ist der Abstand zwischen Europa und China zu breit, was Fragen der Werte, des politischen Systems und der regelgebundenen internationalen Ord­nung anbelangt. Und die Bindungen der euro­päisch-amerikanischen Werte- und Sicherheits­gemeinschaft dürften trotz aller Differenzen auch in Zukunft weitaus enger bleiben als die Beziehungen sowohl der USA als auch der europäischen Staaten mit irgend­einem anderen internationalen Partner.

Neue Strategie für Europa

Europa wird sich, wie Annegret Bendiek und Barbara Lippert unterstreichen, seiner eigenen Stärken be­wusst werden und eine Chinapolitik entwickeln müssen, die nicht als »Länderstrategie«, sondern als Teil einer umfassenden europäischen Selbstbehauptungsstrategie konzipiert wird, oder, in anderen Worten, des Strebens nach mehr europäischer Sou­veränität oder strategischer Autonomie.4 Das verlangt gerade für den Umgang mit China mehr Supranationalität oder, so Bendiek und Lippert, eine »supra­natio­nale Geopolitik«. An Instrumenten, die eine selbst­bewusste, umsichtige Chinapolitik unterfüttern können, wird bereits gearbeitet, etwa an einem euro­päischen, durch nationale Gesetzgebung komplementierten Investitionsscreening. Die Kunst besteht darin, Europa für eine härtere Konkurrenz zu präparieren und dabei gesellschaftliche und technologische Resi­lienz zu stärken, ohne Kooperations- und Interdependenzbeziehungen zu schwächen. Allerdings betrifft eine solche Strategie nicht nur das direkte Verhältnis zu China, sondern auch das internationale und glo­bale Profil Europas insgesamt. Viele Staaten und Gesellschaften Asiens und Afrikas schätzen Chinas wirtschaftliches Engagement und seine »Belt and Road«-Initiative, fürchten aber einseitige Abhängigkeiten. Die Konnektivitätsstrategie der EU gegenüber Asien ist hier ein sinnvoller Ansatz. Gleiches gilt für die schon heute umfangreichen Mittel, die Europa für afrikanische Infrastruktur zur Verfügung stellt, zum Beispiel über die Europäische Investitionsbank. Schließ­lich werden die europäischen Staaten ihr Engagement in den Vereinten Nationen und anderen multilateralen Organisationen und Foren ausbauen müssen. Dabei werden sie im Zweifelsfall Lücken füllen müssen, die sich durch das Desinteresse oder den Rückzug der gegenwärtigen US-Regierung auf­getan haben. Das bietet die Chance, Zeugnis davon abzulegen, dass sich Europas Verständnis von Multi­latera­lismus und internationaler Regelgebundenheit vom sinozentrischen Multi-Bilateralismus fundamen­tal unterscheidet.

Peter Rudolf

Der sino-amerikanische Weltkonflikt

Für die internationale Politik birgt die strategische Rivalität zwischen USA und China die Gefahr, sich zu einem vielschichtigen Weltkonflikt mit wirtschaft­lichem und militärischem Risikopotential zu ver­dichten, der die internationalen Beziehungen struk­turiert.* Die Großmachtkonkurrenz zwischen den beiden Kontrahenten könnte eine neue »geoökonomische Weltordnung« hervorbringen. Darin könnten die Frage der relativen Nutzenverteilung und die Sorge vor den sicherheitspolitisch problematischen Folgen wirt­schaftlicher Interdependenz eine weit wichtigere Rolle spielen als in den letzten Jahrzehnten. Werden wirtschaftliche und sicherheitspolitische Interessen unter diesen Aspekten dauerhaft neu justiert, könnte das Integrationsniveau sinken, bis hin zu einer Art Deglobalisierung.

Chinas Aufstieg als Bedrohung der amerikanischen Vormachtposition

Chinas Aufstieg wird in den USA weithin als Gefahr für die eigene Machtposition im internationalen Sys­tem gesehen. Die Vorstellung eines unaufhaltsamen wirtschaftlichen und militärischen Aufstiegs Chinas und eines relativen Machtverfalls der USA ruht zwar auf fragwürdigen Annahmen und Projektionen. Den­noch ist China der einzige Akteur, der als potentielle Supermacht den Status der USA zu bedrohen vermag. Macht­verschiebungen können, so heißt es, die Sta­bilität des internationalen Systems gefährden, wenn die vorherrschende und die aufsteigende Macht nicht in der Lage sind, sich über Führung und Ordnung des internationalen Systems zu verständigen. Das legt die Machtübergangstheorie nahe, über die in den USA ebenso wie in China rege debattiert wird und die in den letzten Jahren unter dem Stichwort »Thukydides-Falle« in die öffentliche Diskussion ausstrahlte. Diese Theorie ist problematisch, ihr Erklärungswert strittig. Als Deutungsrahmen beeinflusst sie aber die Perzep­tionen sowohl in den USA als auch in China. Einer­seits sensibilisiert dieser Interpretationsrahmen für die Risiken eines Machtübergangs, andererseits ver­dichten sich in dieser Deutung einzelne eher regio­nale oder lokale Konflikte zu einem globalen Hege­monialkonflikt.

Zur Struktur des amerikanisch-chinesischen Konfliktsyndroms

Das amerikanisch-chinesische Konfliktsyndrom setzt sich aus mehreren Elementen zusammen. Seine Grund­lage bildet eine regionale, aber auch zunehmend glo­bale Statuskonkurrenz. Chinas Machtzuwachs hat in den USA Ängste geweckt, den Status als international vorherrschende Supermacht zu verlieren. Staaten (bzw. die sie vertretenden Akteure) mögen Status als Ziel an sich anstreben, wie in sozialpsychologischen Ansätzen postuliert wird. Danach verschafft ein hoher Status das psychisch befriedigende Gefühl der Über­legenheit über andere Personen oder Staaten, und die Furcht vor dem Statusverlust erscheint als bedrohlich für die eigene Identität. Aber mit Status verbinden sich auch materielle Gewinne. China bedroht lang­fristig nicht nur den Status der USA als Vormacht, sondern auch die sich daraus ergebenden Privilegien und wirtschaftlichen Vorteile. China könnte, so wird geargwöhnt, politisch, wirtschaftlich und techno­logisch vorherrschenden Ein­fluss in der Welt gewin­nen, in großem Maßstab Regeln und Standards setzen und eine Art »illiberale Einflusssphäre« aufbauen. In diesem Falle wären Sicherheit und Wohlstand der USA nicht mehr im bisherigen Maße gewährleistet.

Diese Konkurrenz um Einfluss mischt sich mit einem ideologischen Antagonismus. Sicher war die Menschenrechtslage in China immer wieder Ursache für Irritationen in den amerikanisch-chinesischen Bezie­hungen. Aber solange der Aufstieg Chinas nicht als globale Herausforderung wahrgenommen wurde und solange die Hoffnung mitschwang, China werde sich liberalisieren, wurde das Land in den USA nicht als ideologischer Antagonist gesehen. Aus chine­sischer Sicht war diese ideologische Dimension schon immer ausgeprägter, denn west­liche Vorstellungen von liberaler Demokratie und Meinungsfreiheit bedro­hen die ideologische Dominanz der Kommunistischen Partei Chinas. Zu rechnen ist jedoch damit, dass auf amerikanischer Seite der Systemkonflikt mehr und mehr in den Vordergrund tritt, ein Sys­tem­konflikt zwischen, wie es gelegentlich heißt, »digi­talem Autoritarismus« und »liberaler Demokratie« – eignet er sich doch dazu, nachhaltige innenpolitische Unterstützung für einen wirtschaftlich nicht kosten­freien Machtkonflikt mit China zu mobilisieren.

Auch wenn der ideologische Konflikt nicht die wichtigste Konfliktschicht ist, so ist doch zu erwarten, dass eine immer stärker akzentuierte »ideologische Differenz« Bedrohungswahrnehmungen intensiviert und so das Sicherheitsdilemma zwischen USA und China verstärkt. Da sich die USA und China seit der Taiwan-Krise 1995/96 (wieder) als potentielle mili­tärische Gegner sehen und die Planungen entsprechend ausrichten, prägt das Sicherheitsdilemma die Bezie­hungs­struktur. Beide Seiten sind nicht besonders sensibel für dadurch ausgelöste wechselseitige Bedro­hungsvorstellungen. Denn die Antagonisten verstehen sich selbst als defensive, friedliche Mächte, unterstellen der jeweils anderen Seite aber offensive Absichten.

Dimensionen und Dynamik der Rivalität

Da China und USA potentielle militärische Gegner und nicht nur Statuskonkurrenten und System­antagonisten sind, lässt sich das Verhältnis der beiden als komplexe strategische Rivalität verstehen. Diese ist besonders an der maritimen Peripherie Chinas aus­geprägt, dominiert von militärischen Bedrohungs­vorstellungen und der amerikanischen Auffassung, China wolle in Ostasien eine exklusive Einflusssphäre etablieren. Im Südchinesischen Meer kollidiert der amerikanische Anspruch auf freien Zugang zu den Weltmeeren mit dem chinesischen Bestreben, eine Sicherheitszone zu errichten und die amerikanische Interventionsfähigkeit zu konterkarieren. Der geo­politische Konflikt über das Südchinesische Meer ist zudem mit der nuklearen Dimension verwoben. China scheint dieses Meer im Sinne einer geschützten Bastion für nuklear bewaffnete U-Boote auszubauen, mit denen das Land die Zweitschlagfähigkeit gegen­über den USA sicherstellen will.

Die globale Einflusskonkurrenz ist aufs engste mit der technologischen Dimension der amerikanisch-chinesischen Rivalität verwoben.

Weniger bedeutsam, aber gleichwohl vorhanden sind die militärischen Bedrohungsperzeptionen in der globalen Einflusskonkurrenz, die mittlerweile auch die Arktis umfasst. Die gegenwärtige Administration ist überzeugt, dass Chinas weltweit wachsende wirt­schaftliche und politische Präsenz auf Kosten der USA geht. Deswegen versucht Washington mit Anreizen und Druck, andere Staaten vom Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit China abzubringen.

Die globale Einflusskonkurrenz ist aufs engste mit der technologischen Dimension der amerikanisch-chinesischen Rivalität verwoben. Es geht dabei um die technologische Vorherrschaft im digitalen Zeit­alter. Diese Dimension des Konflikts ist deshalb so essentiell, weil technologische Führung weltwirtschaftliche Wettbewerbsvorteile schafft und die Basis für militärische Überlegenheit sichert.

Was sich in der Kampagne gegen Huawei abzeich­net, ist die Abkehr von der Positivsummenlogik in den Wirtschaftsbeziehungen zu China. Solange Washington nicht den Aufstieg eines strategischen Rivalen befürchtete, herrschte die wirtschaftliche Logik vor. Absolut gesehen profitierten die USA von wirtschaftlichen Austauschbeziehungen. Da spielte es keine nennenswerte Rolle, dass China möglicher­weise relativ stärkeren Nutzen daraus zog. Diese öko­nomi­sche Logik, die auf absolute Nutzengewinne abstellt, war mit der Erwartung verknüpft, wirtschaft­liche Interdependenz wirke kooperationsfördernd und friedensstabilisierend. Mit dem befürchteten Aufstieg Chinas zu einem globalen strategischen Rivalen ist die wirtschaftliche Logik ins Hintertreffen geraten. Unter Trump dominiert in Rhetorik und Praxis die sicherheitspolitische Logik, verbunden mit der Sorge um die relative Nutzenverteilung und der Auffassung, wirtschaftliche Interdependenz habe negative Folgen für die technologische Basis militä­rischer Überlegenheit.

Folgen

Sollte sich die strategische Rivalität zwischen USA und China zu einer dauerhaften globalen Konfliktkonstellation verfestigen, könnte dies eine Art De­globali­sierung in Gang setzen und zwei Ordnungen entstehen lassen: die eine von den USA dominiert, die andere von China. Spitzt sich der amerikanisch-chinesische Konflikt weiter zu und leistet der Bi­pola­risie­rung des internationalen Systems Vorschub, dürfte die Basis für einen globalen Multilateralismus schwin­den. Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt stellt zudem deutsche und europäische Politik vor die Frage, ob, in welchem Maße und unter welchen Bedingun­gen sie die USA in der Auseinandersetzung mit China unterstützen soll. Denn sicher scheint eines: Ob Prä­sident Trump wiedergewählt wird oder ob im Januar 2021 eine Demokratin oder ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht – die strategische Rivalität mit China wird der amerikanischen Außenpolitik ihren Stempel aufdrücken.

Washington wird die Welt und damit auch Europa wohl vor allem durch ein »China-Prisma« wahrnehmen.

Washington wird die Welt und damit auch Europa wohl vor allem durch ein »China-Prisma« wahrnehmen. Dies mag dazu führen, dass für die USA, sofern sie stärker als früher auf den Indopazifik und die Einflusskonkurrenz mit China fixiert sind, Krisen in Europa und der europäischen Peripherie zweitrangig werden und die Scheu vor kostspieligen Verwicklungen die Politik in und um Europa prägt. Eher wach­sen als nachlassen wird indes der Druck Washingtons auf die Verbündeten, im sich verschärfenden ameri­kanisch-chinesischen Konflikt Position zu beziehen und sich klar auf die Seite der USA zu stellen.

Hanns Günther Hilpert / Gudrun Wacker

Chinesische Narrative über die USA

Die Supermacht USA hat auf Chinas politische Eliten schon immer eine besondere Faszination ausgeübt, war für sie aber auch stets ein Quell der Unsicherheit. Angesichts dieser obsessiven Fixierung auf Amerika traf der Politikwissenschaftler Graham Allison offen­kundig einen Nerv, als er die sino-amerikanischen Beziehungen mit der Metapher der »Thukydides-Falle« bedachte.5 Nach Allisons historisch vergleichender Beobachtung führt der Einflussgewinn einer auf­strebenden Macht zwangsläufig zu geopolitischen Machtverschiebungen und Anpassungsprozessen oder gar zu gewaltsamen Konflikten: Was in der Antike, wie von Thukydides beschrieben, zwischen Athen und Sparta geschehen sei, drohe heute im Verhältnis zwischen China und den USA. Solche Warnungen stehen freilich im Gegensatz zu Chinas eigener Rhe­torik vom friedlichen Aufstieg des Landes.

Nach Chinas Verständnis ist der eigene Zugewinn an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung nichts anderes als ein Wiederaufstieg.

Aus chinesischer Sicht erfolgt dieser Aufstieg natürlich und zwangsläufig. Ein frustriertes, mit sich selbst haderndes Amerika hingegen versucht, so Pekings Bild, die eigene Vormachtstellung zu bewah­ren, indem es die Volksrepublik geopolitisch einzudämmen und in ihrer wirtschaftlichen, techno­logischen und militärischen Entwicklung zu behin­dern sucht. Dabei ist man überzeugt, dass für die eigene Erfolgsgeschichte der letzten vier Jahrzehnte nicht etwa amerikanische Schwäche verantwortlich sei, sondern in erster Linie die harte Arbeit und die Findigkeit von Chinas Bevölkerung, das kommerzielle Geschick seiner Un­ternehmen und eine kluge, weit­sichtige Politik der Pekinger Staats- und Partei­führung.

Über die tatsächliche Wahrnehmung der USA in China lässt sich nur spekulieren, da offizielle State­ments und die Darstellung in offiziellen Medien stark gelenkt sind, akademische Publikationen wiederum ent­weder einer Selbstzensur unterliegen oder der anderen Seite bestimmte politische Botschaften vermitteln sollen. Im Folgenden werden daher die amerika-bezogenen Narrative vorgestellt, die in Chi­nas offizieller und veröffentlichter Meinung zu iden­tifizieren sind. Beiträge in sozialen Medien wurden ebenso herangezogen. Als Quelle für einige der wie­der­gegebenen Meinungen dienten überdies persön­liche Gespräche mit Wissenschaftlern im Land.

China als »Champion of the South«

Aus chinesischer Sicht ist der eigene Zugewinn an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung nichts anderes als ein Wiederaufstieg. Bis ins späte 18. Jahr­hundert übertraf Chinas Pro-Kopf-Einkommen das­jenige Westeuropas und Nordamerikas, war das Reich der Mitte die unbestrittene Vormacht Asiens. Erst nachdem westlicher Kolonialismus und Imperialismus auch China erreicht hatten, erlitt das Land einen rund 100 Jahre andauernden Niedergang, musste wirtschaftliche Ausbeutung, politische Demütigungen und militärische Invasionen erfahren (»Jahrhundert der Erniedrigung«). Entsprechend ambivalent ist der heutige Blick auf die USA und den Westen. Einer­seits fasziniert Amerika aufgrund seiner Innovationsfähigkeit, seiner Wirtschaftskraft, seiner Hochschulen, seiner militärischen Fähigkeiten und auch seines politischen Systems; all dies erweckt in China Respekt und Bewunderung. Andererseits begegnet man dem Westen angesichts der eigenen leidvollen Erfahrung mit Distanz und Misstrauen. Zudem hat das westliche Ansehen durch die globale Finanzkrise, Amerikas mili­tärische Interventionen im Nahen Osten und Trumps erratische Politik stark gelitten.

Selbst verortet sich China trotz seiner wirtschaft­lichen Erfolge und seines Großmachtstatus nach wie vor im globalen Süden. Die politische Führung spricht heute noch von China als dem »größten Ent­wicklungsland der Welt«. Die Nord-Süd-Dimension eines globalen Entwicklungs- und Machtgefälles zwischen dem Westen und dem Rest der Welt ist im chinesischen Diskurs wohl noch wichtiger als die eher ideologische Ost-West-Trennung. Denn China stilisiert sich als Repräsentant und Spitzenreiter der aufsteigenden Ökonomien und der Entwicklungs­länder, nicht als systemischer Gegenspieler der USA und des Westens. Amerika gibt aus dieser Perspektive die Richtschnur bei der Modernisierung vor. Es gilt den Abstand gegenüber den USA zu verringern und schließlich mit ihnen gleichzuziehen, um die Welt so auch fairer und gerechter zu machen. Diese Selbst­einordnung modifiziert gleichsam den Triumphalis­mus, der in Pekings wiederkehrendem Narrativ vom chinesischen Aufstieg und amerikanischen Abstieg immer mitschwingt.

Ein Amerika, das Chinas Aufstieg im Wege steht

Die Volksrepublik hat stets mit tiefem Misstrauen auf Amerika geblickt. Den USA wurde unterstellt, China – wie die kommunistische Welt insgesamt – mittels »friedlicher Evolution«, sprich Infiltration und Subversion, im Innern korrumpieren und transformieren zu wollen. Derlei Befürchtungen bestätigten sich aus Pekings Sicht schockartig im Jahr 1989 mit Tiananmen und dem fast zeitgleich einsetzenden Zerfall des sowjetischen Imperiums. Seitdem war die Wahrnehmung der USA als Hemmnis auf Chinas Weg zu alter Größe zumindest unterschwellig ein durchgängiges Motiv im Diskurs der Volksrepublik.

Aus Chinas Sicht warnt das Beispiel Sowjetunion – ein offener Konflikt mit den USA ist daher zu vermeiden.

Das Schicksal der Sowjetunion prägte auch die Haltung aller nachfolgenden chinesischen Führungsgenerationen. Zu vermeiden war demnach ein offener Wettkampf oder gar Konflikt mit den USA, sei es in Form eines Wettrüstens oder durch Konfrontation auf anderen Gebieten. Entsprechend begegnete man den wahrgenommenen Eindämmungsversuchen Amerikas mit Kooperationsrhetorik (»win-win«) und Konzepten wie den »Großmachtbeziehungen neuen Typs«, bei denen beide Seiten die »nationalen Kern­interessen« des jeweils anderen respektieren würden. Zwar begreifen realistische Analytiker aus China das Verhältnis zwischen auf- und absteigenden Mächten als unausweichliches Nullsummenspiel – wonach der eine in dem Maße verliert, wie der andere ge­winnt –, doch sehen sie die Regierungen Chinas und der USA in der Verantwortung, das Ausbrechen eines Konflikts oder gar Krieges zu verhindern.6

Pekings Furcht, die USA strebten letztlich einen Regimewechsel in China an, verstärkte sich noch mit den sogenannten Farbenrevolutionen der 2000er Jahre und dem Arabischen Frühling 2011. In China fragt man sich, ob die USA den Aufstieg der Volksrepublik und deren mögliche Führungsrolle bei neuen Tech­nologien (Künstliche Intelligenz, 5G) akzeptieren würden, wenn das Land eine Demokratie nach west­lichem Vorbild wäre. Ist die Wahrung amerikanischer Vorherrschaft das Hauptinteresse der USA – so die Überlegung –, oder wäre es für sie in bestimmten Bereichen denkbar, diese Rolle aufzugeben, wenn China sich grundlegend verändern, sprich demokra­tisieren würde?

Eine von den USA dominierte Weltordnung

Ambivalent ist auch Chinas Sicht auf die liberale Welt­ordnung nach 1945 und die sie tragenden Werte und Institutionen. Diese Ordnung und der darauf auf­bauende Prozess der Globalisierung haben es China zwar ermöglicht, sich über Marktöffnung und markt­wirtschaftliche Reform zu industrialisieren und zu modernisieren, die absolute Armut weitgehend zu beseitigen und international an Macht und Status zu gewinnen. Doch letztlich bleibt das liberale westliche System aus chinesischer Sicht eine Manifestation ame­rikanischer Hegemonie. In Peking erwartet man nicht, dass die USA der Volksrepublik in diesem Sys­tem ein Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht zubil­ligen werden, das dem wirtschaftlichen und politischen Gewicht des Landes angemessen wäre.7 Man ist davon überzeugt, dass Amerika und der Westen China niemals freiwillig mehr Einfluss auf internatio­naler Ebene einräumen werden. Demnach würde die Rolle eines »responsible stakeholder«, wie sie erstmals 2005 der damalige US-Vizeaußen­minister Robert Zoellick von Peking einforderte, in erster Linie den Hegemonialanspruch Amerikas stärken – nicht aber der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas zugutekommen und schon gar nicht dem politischen Auf­stieg des Landes. Ohnehin deutet man es in der Volks­republik als Hegemonialdiskurs, wenn der Westen für eine liberale Weltordnung und die universale Geltung der Menschenrechte eintritt.

Die USA unter Donald Trump

Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten 2016 wurde in China offiziell begrüßt; die Einschätzungen aus der Wissenschaft waren vorsichtig optimistisch, was die Aussichten für die bilateralen Beziehungen anging. Zwar hatte sich Trump im Wahlkampf einer gegen China gerichteten Rhetorik bedient, doch glaubte man darin ein bekanntes Muster zu erkennen. Auch frühere Kandidaten für die amerikanische Präsidentschaft (Carter, Reagan, Clinton, Bush jr.) hatten China im Wahlkampf als Wettbewerber und Gegner dargestellt. Nach Amtsantritt fand die jewei­lige neue US-Regierung früher oder später aber stets zu einer pragmatischen und kooperativen Politik gegenüber Peking zurück. Bei Trump ging man zu­dem davon aus, mit ihm als Geschäftsmann eine tragfähige Arbeitsgrundlage schaffen zu können. Offiziell und in Pressekommentaren reagierte man daher auf die Angriffe Trumps zurückhaltend (außer in der Taiwan-Frage). Es gab öffentlich auch wenig Kritik an dessen Kompetenz und Führungsstil. Selbst in Chinas sozialen Medien fielen die ersten Reaktionen auf Trumps Wahlsieg verhalten positiv aus. Er wurde überwiegend als unorthodoxe Persönlichkeit charakterisiert, seine Verweigerung politischer Kor­rektheit als erfrischend wahrgenommen.8

In China wird heute offen eingestanden, man habe die Gefahr durch Trump unterschätzt.

Inzwischen scheint tiefe Ernüchterung eingetreten zu sein.9 Offen wird eingestanden, man habe Trumps Unberechenbarkeit, sein Eskalationspotential und die von ihm ausgehenden Gefahren für Chinas Wachstum unterschätzt. Die handelspolitischen Vorwürfe des Präsidenten an die Adresse der Volksrepublik werden als unbegründet, substanzlos und illegitim zurückgewiesen.10 In der nationalistischen Global Times heißt es mittlerweile unverblümt, die USA seien gegenüber China auf einen Kurs der Eindämmung umgeschwenkt, der sich unter anderem in Washingtons Indo-Pazifik-Strategie manifestiere.11 Doch demons­triert das Blatt auch neues Selbstbewusstsein. Ein Con­tainment Chinas sei nicht mehr möglich, und würde es versucht, dann zum größeren Schaden Amerikas. Aber selbst die Global Times befeuert nicht durchweg eine konfrontative Haltung gegenüber den USA. Viel­mehr gibt sie sich verhalten optimistisch, dass im Handelsstreit eine Lösung gefunden wird. Ein neuer Kalter Krieg sei »unrealistisch«.12 In offiziellen und veröffentlichten Darstellungen herrscht der Tenor vor, angesichts der bilateralen Spannungen auf wirtschaftlichem Feld müssten beide Seiten den Kom­promiss suchen, um sich nicht selbst zu schaden. Dagegen warnen Skeptiker, dass mit einem Präsidenten Trump ein dauerhaft verlässlicher Handelsfrieden nicht möglich sein werde.

Überaus kritisch fallen offizielle Stellungnahmen sowie Medienberichte aus, wenn es um die jüngsten Proteste in Hongkong geht. Bei diesem Thema werden die USA scharf angegriffen; dem amerikanischen Kon­gress und der CIA unterstellt man, die Unruhen nicht nur verbal, sondern auch finanziell zu unterstützen. Hier kommt wieder das Narrativ zum Tragen, die USA suchten das chinesische System zu schwächen und letztlich einen Regimewechsel in Peking zu erreichen. Denn mit Hongkong stehen »nationale Kerninter­es­sen« wie Chinas territoriale Integrität auf dem Spiel.

Zurück in die Zukunft?

Chinas Amerikabeobachter sind gespalten, wenn es darum geht, die weitere Entwicklung im sino-ameri­ka­nischen Verhältnis einzuschätzen. Ein Lager hofft darauf, dass beide Seiten zu pragmatischen und kon­struktiven Beziehungen zurückkehren, sei es durch eine Einigung mit Trump im Handelsstreit oder durch seine Abwahl. Ein anderes Lager deutet den Wandel in der amerikanischen Chinapolitik als dauerhaft und strukturell. Demnach besteht dazu in den USA ein überparteilicher Konsens, der das bilaterale Verhält­nis auf absehbare Zukunft bestimmen werde (»no turning back«).13 Eher reformorientierte Wissenschaftler aus China nehmen die von der Trump-Regierung eingesetzten Druckmittel als kontraproduktiv wahr, weil sie die Verteidigungshaltung in Chinas Führung verhärten ließen. Aus dieser Sicht schadet es vor allem den Reformkräften, wenn das System so fun­damental angegriffen wird.

Dies wird indirekt bestätigt, wenn offizielle Medien schreiben, die anhaltenden Handelsstreitigkeiten hätten Chinas Entschlossenheit gestärkt, sich den Bully-Methoden der USA zu widersetzen und die eige­nen Rechte und Interessen zu verteidigen. Chinesische Beobachter des ökonomischen Konflikts ver­weisen zum Teil auch auf die Chancen, die der Volks­republik jenseits von Handels- und Wachstums­einbußen entstünden. So könne Amerikas Technolo­gieboykott das Streben Chinas nach Autonomie auf diesem Feld beschleunigen. Zudem sei es Pekings Rolle auf globaler Ebene zugutegekommen, dass Washington eine destruktive, gegen die Welthandelsorganisation (WTO) gerichtete Handelspolitik betreibe und sich aus einer Reihe internationaler Organisatio­nen und Vereinbarungen zurückgezogen habe.14

Eine differenzierte Wahrnehmung Europas

Weniger von Extremen geprägt ist Chinas Blick auf Europa. Geographisch an der gegenüberliegenden Seite des eurasischen Großkontinents gelegen, ist es zwar Kernbestandteil des Westens und politischer Verbündeter der USA. Allerdings gilt Europa aus chinesischer Sicht im Vergleich zu Amerika kaum als hinderlich für den eigenen Aufstieg, ja sogar als eher nützlich. Zudem wird in China zur Kenntnis genom­men, dass Europa sich für den Erhalt von Multilateralismus und liberaler Weltordnung einsetzt und sei­ner­seits mit der Trump-Administration politische und wirtschaftliche Probleme hat.

Gegenüber Trumps Angriffen auf die internationale Ordnung profiliert sich China gern als Verteidiger des Multilateralismus.

Gegenüber Trumps disruptiven Angriffen auf die internationale Ordnung profiliert sich China gern als Verteidiger des Multilateralismus; dabei bietet es sich anderen Staaten auch als Allianzpartner an. Doch Deutschland und Europa sollten sich nicht von Pekings Rhetorik blenden lassen. Tatsächlich ver­letzt China multilaterale Regeln in opportunistischer Manier, sobald es die eigenen Interessen gebieten. So miss­achtet das Land in seiner Außenwirtschafts­politik die grundlegenden WTO-Prinzipien von Nicht­diskriminierung und Transparenz, ebenso wie es sich über das – für die Volksrepublik nachteilige – Urteil des Internationalen Schiedsgerichtshofs im Territorial­streit mit den Philippinen hinweggesetzt hat. Zwischen dem europäischen und dem chinesischen Verständnis von Multilateralismus besteht jedenfalls ein grund­legender Unterschied.15

Marco Overhaus / Peter Rudolf / Laura von Daniels

Die Wahrnehmung Chinas in den USA

In Washington hat sich während der vergangenen 15 Jahre ein chinakritischer Konsens herausgebildet, der sowohl beide Parteien im Kongress als auch ein brei­tes Spektrum wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure umfasst. Die als aggressiv wahrgenommene Politik Chinas im Südchinesischen Meer, die mer­kan­tilistischen Wirtschaftspraktiken, die autoritäre Ver­härtung – all dies hat das Bild des Landes in den USA zum Negativen verändert.

Damit eng verbunden ist die Auffassung, dass der Ansatz des Engagements, den die USA seit der Politik­wende der Nixon-Administration 1972 verfolgten, gescheitert sei. Diese Sichtweise wurde in der ersten Nationalen Sicherheitsstrategie der Trump-Adminis­tration aus dem Jahr 2017 auf den Punkt gebracht: »Jahrzehntelang war die US-Politik in der Überzeugung verwurzelt, dass die Unterstützung für Chinas Aufstieg und für seine Integration in die internatio­nale Nachkriegsordnung China liberalisieren würde.«16 Die damit verknüpfte Hoffnung, China werde sich zu einem »responsible stakeholder« entwickeln, wie es 2005 der damalige stellvertretende US-Außenminister Robert Zoellick formulierte, hat sich nach fast ein­helliger Meinung in Washington zerschlagen.17

Aus Sicht der USA ist China nicht mehr nur eine regionale, sondern eine globale Herausforderung.

Chinas Aufstieg wird in den USA zunehmend als Gefahr für die eigene Machtposition im internatio­nalen System verstanden. In den einschlägigen Stra­tegiedokumenten der Trump-Administration wird China als durchweg revisionistische Macht dargestellt, die nach regionaler Hegemonie im indopazifischen Raum strebe und langfristig eine weltweite Vormacht­stellung erringen wolle.

Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die chinakritische Grundstimmung im politischen System der USA in den letzten Jahren verfestigt hat.18 Chinas Aufstieg und der damit einhergehende Gewinn an Macht und Einfluss in immer mehr Politik­bereichen und Weltregionen haben in den USA Ängste und Abwehrreflexe verstärkt. Zusätzliche Nahrung erhielten diese durch Präsident Xi Jinpings nach innen autoritären, nach außen natio­nalis­tischen Kurs.

Was die Auseinandersetzungen in der amerika­nischen Innenpolitik betrifft, bietet China ein hervor­ragendes Feindbild für Donald Trumps Agenda und seine Wahlkampfslogans. Aber auch Akteure jenseits des Trump-Lagers sehen ihre Chance gekommen, China für die Deindustrialisierung und andere wirt­schaftliche oder gesellschaftliche Probleme in den USA verantwortlich zu machen, selbst wenn sie teils nationalen Versäumnissen, teils technologischen Veränderungen entspringen.

Normative, sicherheitspolitische und wirt­schaftliche Dimension der China‑Kritik

Die kritische Sicht der USA auf China hat eine nor­mative, eine sicherheitspolitische und eine wirtschaftliche Dimension. Die normative Dimension – die Be­drohung der Menschenrechte sowie demokratischer Werte durch China – steht bereits seit der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 im Mittelpunkt der US-Debatte. Menschenrechtsgruppen, die tradi­tionell einen schweren Stand gegen die China-Lobby in der amerikanischen Wirtschaft haben, sehen sich in ihrer Besorgnis bestätigt, da Peking den Über­wa­chungsstaat ausbaut und sogenannte Umerziehungslager im autonomen Gebiet Xinjiang errichten lässt.19 So hat die Menschenrechtssituation in China zu über­parteilichen Initiativen im Kongress geführt, mit denen die US-Administration zu härteren Reak­tionen auf die Repression gegen die Uiguren bewegt werden soll, etwa durch Sanktionen gegen chinesische Partei­funktionäre.20

In Gestalt der demokratischen Sprecherin des Reprä­sentantenhauses, Nancy Pelosi, haben Demokratie- und Menschenrechtsgruppen heute zudem eine mächtige Unterstützerin im Kongress. Ihre Forderung nach einem harten wirtschaftlichen Kurs gegenüber China, der auch Importzölle einschließt, verknüpft Pelosi mit der Menschenrechtsfrage.21

Anfang der 2000er Jahre rückte die sicherheits­politische Dimension der Rivalität zwischen USA und China verstärkt ins Blickfeld. Seit der Nationalen Sicherheitsstrategie von 2002 haben mehrere US-Administra­tionen die Modernisierung des chinesischen Militärs nachdrücklich thematisiert.22 Wurde anfangs vor allem befürchtet, dass China über kurz oder lang die US-Verbündeten in der Nachbarschaft, vor allem Südkorea und Japan, einschüchtern könnte, wird das Land mittlerweile sicherheitspolitisch als tendenziell globale Bedrohung gesehen. Das hängt auch damit zusammen, dass in den Augen amerikanischer Akteure die wirtschaftliche und die sicherheitspolitische Komponente der Rivalität mit China zusehends verschmelzen. Ihren Ausdruck findet diese Sicht zum Beispiel darin, dass das Pentagon in seinem jährlichen Bericht über Chinas Militärmacht dessen Investitionen in sicherheitsrelevante Bereiche be­trachtet und äußerst kritisch sieht. Das betrifft in erster Linie Investitionen in Technologien, die einen militärischen Nutzen haben. Besorgnis im Pentagon erregen aber auch Investitionen in ausländische Infra­struktur, die China im Rahmen der »Belt and Road«-Initiative tätigt und die dem Land strategische Vor­teile bringen, etwa durch den Ausbau von Häfen.23

Ein Großteil des US-Privatsektors teilt die Kritik der Trump-Regierung an »räuberischen« Wirtschafts­praktiken Chinas. Als besonders problematisch sehen die Amerikaner die staatliche Subventionierung chine­sischer Firmen, den erzwungenen Technologietransfer ausländischer Unternehmen sowie den nicht sanktionierten Diebstahl geistigen Eigentums. Aller­dings befürworten nicht alle Unternehmen und Industriezweige Trumps protektionistische Zollpolitik und die harte wirtschaftspolitische Linie gegen China.

Unterstützung erhält der Präsident weiterhin von Sektoren der Wirtschaft, die in der Vergangenheit aufgrund günstiger ausländischer Importe unter erhöh­ten Wettbewerbsdruck geraten sind, etwa Stahl- und Aluminiumproduzenten. Gegen Trumps wirt­schaftliche Eskalationspolitik stemmen sich Unternehmen, die davon bereits direkt oder indirekt nega­tiv betroffen sind, sei es durch Importzölle auf Vor­produkte, sei es durch Gegenzölle Chinas und anderer Handelspartner. Das gilt für US-Importeure, zum Bei­spiel den Einzelhandel, sowie für immer mehr export­orientierte Unternehmen, wie Agrarproduzenten, Automobilkonzerne und Digitalfirmen.

Nachdem Trump angedroht hatte, die Zölle in zwei Stufen bis Ende 2019 abermals merklich zu erhöhen, schwoll die Kritik von US-Unternehmen, von Seiten der Republikaner im Kongress und auch von den Gewerkschaften derart an, dass auch der Präsident sie nicht mehr überhören konnte.24 Statt neue Zölle zu erheben, erklärt die US-Regierung derzeit, man habe sich mit China auf ein begrenztes »Phase-1-Abkom­men« geeinigt,25 auf das weitere Abkommen und ein beiderseitiger Zollabbau folgen könnten. Eine neuer­liche Eskalation im Handelskrieg wäre vorerst ab­gewendet. Allerdings ist bei Trump, der sich selbst zum »tariff man« erklärt hat, weiterhin Vorsicht geboten.

Was die geographische Dimension des sino-ameri­kanischen Konflikts betrifft, so kommt hinzu, dass Washington China mittlerweile auch in solchen Regio­nen als Bedrohung amerikanischer und west­licher Interessen ansieht, die außerhalb des indopazifischen »Kerngebiets« dieser Machtrivalität liegen. Das gilt grundsätzlich für Afrika und den Mittleren Osten, manifestiert sich zurzeit aber am deutlichsten in der Arktis. Die USA befürchten nicht nur einen Kampf um die Ressourcen dort, sondern auch den Aufbau einer chinesischen Militärpräsenz.26

Der Kongress in der China-Debatte

In der Chinapolitik ist der Kongress ein Faktor, der die harte Linie der Administration eher unterstützt und verstärkt als mäßigt. Das gilt für beide Parteien.27 Füh­rende Demokraten im US-Kongress sowie fast alle demo­kratischen Bewerber für die Präsidentschaftswahlen 2020 propagieren eine ähnliche Chinapolitik wie Präsident Trump, auch wenn sie seinen Stil der Politik per Tweet kritisieren und ihm vorwerfen, die Bündnispartner in Asien und Europa zu vernachlässi­gen. So erklärte der Führer der demokratischen Min­der­heit im US-Senat, Chuck Schumer, im Mai 2019: »Wir müssen eine harte, starke Politik gegen China vertreten, sonst werden sie weiterhin Millionen ame­ri­kanische Arbeitsplätze und Billionen amerikanische Dollar stehlen.«28

In den Initiativen und Gesetzesvorlagen des Kongresses spiegelt sich einerseits die veränderte Stim­mung wider, die in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik über den Umgang mit China herrscht. Ande­rer­seits hatten Politiker beider Parteien mit ihren chinakritischen Aussagen die gesellschaftliche Stim­mung bereits vor dem Amtsantritt der Trump-Administration wesentlich mitgeprägt.

Präsident und Kongress verfolgen eine harte Linie gegenüber China, sind aber uneins über die Mittel der Konfrontation.

Zwischen der Trump-Administration auf der einen und den beiden Parteien im Kongress auf der anderen Seite unterscheiden sich die Positionen in der Frage, welche Mittel für die Auseinandersetzung mit China am besten taugen. Republikaner wie Demokraten kritisieren den Präsidenten, durch Drohungen mit Zöl­len und anderen Maßnahmen verprelle er die wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Verbündeten in Europa und Asien und schwäche damit die amerikanische Hand gegenüber China. Vor dem Hintergrund des heraufziehenden Wahlkampfs in den USA äußern gerade die Demokraten diese Kritik besonders lautstark.

Auch über Trumps bevorzugtes Instrument gegenüber China, die unilateral erhobenen Importzölle, gehen die Auffassungen zwischen Administration und Kongress auseinander. Wie in der Privatwirtschaft wächst in beiden politischen Parteien die Sorge vor negativen Auswirkungen des Handelskonflikts mit China, vor allem für die amerikanischen Kon­su­menten und den Landwirtschaftssektor. Angesichts der näher rückenden Präsidentschafts- und Kongresswahlen, die im November 2020 stattfinden, laufen die Trump-Regierung und die Republikaner Gefahr, an der Wahlurne für die Zollpolitik abgestraft zu wer­den. So äußerte beispielsweise der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, dass der Handelskonflikt den USA schaden könnte.29

Schon vor den letzten Kongresswahlen im November 2018 sprachen sich demokratische Kandidaten in jenen Kongressbezirken, in denen die Landwirtschaft große Bedeutung hat, gegen protektionistische Zölle aus. Wenngleich die meisten demokratischen Präsi­dentschaftsbewerber die unnachgiebige Haltung des Präsidenten gegenüber China grundsätzlich unterstüt­zen, wird auch hier der Ansatz der »tariffs by tweet« von Teilen der Demokratischen Partei kritisch gesehen.

Trumps Wahlkampfberater haben Berichten zu­folge sehr genau im Blick, wie sich die demokra­ti­schen Präsidentschaftsaspiranten in der Chinapolitik positionieren. Politisch ist es im Interesse Trumps, mit fortgesetzten Wirtschaftssanktionen oder ihrer Androhung eine harte Linie im sich abzeichnenden Wahlkampf zu demonstrieren. Aufgrund der china­kritischen Grundstimmung wäre es für Trump poli­tisch nicht opportun, wenn am Ende der wirtschaft­lichen Verhandlungen ein Kompromiss stünde, der als schwach im Sinne amerikanischer Interessen kritisiert werden könnte.30 Politische Anreize, sich der chinakritischen Grundstimmung entgegenzustellen und die Bedrohung durch China anders als in dunk­len Farben zu malen, gibt es allenfalls dann, wenn sich die wirtschaftliche Lage vor den US-Wahlen 2020 deutlich eintrübt.31

Jenseits der »harten« Bereiche Wirtschaft und Sicherheitspolitik verbreitet sich in den USA zudem eine in dieser Form neue Sorge wegen der chine­sischen Einflussnahme auf Gesellschaft und Politik, sei es über die Konfuzius-Institute, sei es über chine­sische Zuwendungen für oder Investitionen in Denk­fabriken, Universitäten, Medien und Geschäftswelt.32 Diese Stimmung nahm der Kongress mit einigen Anhörungen und Gesetzesinitiativen auf, darunter der Foreign Influence and Transparency Act und der Countering Foreign Propaganda Act.33 Die Sorge über die chinesische Einflussnahme paart sich mit Angst vor Spionage.34 Diese antichinesische Stimmung in Politik und Wirtschaft hat vor dem Hintergrund der Handelskonflikte auch auf die öffentliche Meinung abgefärbt.35

Gemäßigte Stimmen werden in Washington überhört

Insofern sind jene Außenpolitik- und Chinaexperten politisch eher marginalisiert, die auf die Gefahren einer überwiegend konfrontativen Politik aufmerksam machen, die bisherige Chinapolitik keineswegs als Fehlschlag bewerten und einer Verengung des Diskurses entgegenzuwirken versuchen. Ausdruck eines fundamentalen Unbehagens wegen der Ent­wick­lung in der Chinapolitik ist ein offener Brief an den Präsidenten und den Kongress, initiiert von einigen Chinaexperten und unterzeichnet von rund 100 weiteren Personen, darunter viele, die in frühe­ren Administrationen mit China befasst waren. Sie raten nachdrücklich davon ab, China als »wirtschaftlichen Feind oder existentielle nationale Sicherheitsbedrohung« zu behandeln. Für übertrieben halten sie die Befürchtung in Administration und Kongress, China werde die USA als globale Führungsmacht ersetzen, sofern es dies überhaupt als realistisches oder erstrebenswertes Ziel ansehe.36

Vertreter dieser Position, einer Art »smart compe­tition«, warnen davor, jegliche Kooperation mit China aufzugeben und chinesische Einflussgewinne überall verhindern zu wollen. Die bisherige amerikanische Politik in ihrer Mischung aus Kooperation, Abschreckung und Druck war aus dieser Perspektive im Gan­zen erfolgreich. Nach ihrer Ansicht bedarf sie jedoch einer Korrektur, einer Veränderung des Mischungsverhältnisses zugunsten von Druck und Abschreckung, um so auf die stärker merkantilistisch aus­gerichtete Wirtschaftspolitik Chinas und seinen wachsenden Durchsetzungswillen in der Außen­politik zu antworten.37

Im Sinne deutscher und europäischer Interessen wäre es wünschenswert, wenn sich die amerika­nischen Kritiker einer einseitig auf Konfrontation angelegten Chinapolitik in Washington mehr Gehör verschaffen könnten. Denn eine US-Politik, die kooperative und konfrontative Ansätze sorgfältiger gegeneinander abwägt, würde auch den Druck auf Berlin und andere europäische Hauptstädte mindern, sich in nahezu allen relevanten Themenfeldern zwischen den USA und China entscheiden zu müssen.

Michael Paul / Marco Overhaus

Sicherheit und Sicherheitsdilemmata in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen

Ein militärischer Konflikt zwischen den USA und China hätte weitreichende regionale und globale Aus­wirkungen. Sowohl Peking als auch Washington rekla­mieren für sich selbst grundsätzlich defensive Absichten, während sie der anderen Seite eine aggres­sive Politik unterstellen.38 So herrscht in Administration wie Kongress der USA heute die Sichtweise vor, dass China – ebenso wie Russland – eine »revisionis­tische Macht« sei, welche die Dominanz der USA zurückdrängen und die regelbasierte internationale Ordnung unterminieren wolle.

Anders als Russland werden China seitens der USA jedoch die politischen, wirtschaftlichen und zunehmend auch militärischen Mittel zugetraut, seinen Einfluss global auszuweiten. Peking wiederum wirft den USA vor, China niederhalten und seinen Aufstieg eindämmen zu wollen. Die historische Erfahrung der Verwundbarkeit und das »Jahrhundert der Demütigung« (1840–1949) prägen bis heute die strategische Kultur Chinas und sind ein wichtiges Element des chinesischen Nationalismus, der Nation und Partei verbindet.

Vor diesem Hintergrund weisen die Beziehungen zwischen den USA und China Merkmale eines klas­sischen Sicherheitsdilemmas auf: Das individuelle Streben nach mehr Sicherheit erzeugt am Ende mehr Unsicherheit auf beiden Seiten. Verschärfend kommt hinzu, dass eine aufsteigende auf eine etablierte Macht trifft.

Die Perspektive Pekings

China sieht sich in einem geopolitischen Umfeld, das eines der schwierigsten der Welt ist. Dem Land fehlt die »insulare« Sicherheit der USA.39 An der 22 000 Kilometer langen chinesischen Landgrenze befinden sich 14 Nachbarstaaten, vier davon nuklear bewaffnet, nämlich Russland, Indien und Pakistan sowie die erratische Diktatur in Nordkorea. Entlang der sich über mehr als 18 000 Kilometer erstreckenden Küsten­linie liegen weitere sechs Nachbarstaaten, außerdem sind dort die vorgelagerten US-Streitkräfte stationiert. Die Volks­republik hat viele Grenzkonflikte in den letzten Jahrzehnten friedlich beigelegt. Der Aufstieg Chinas zur Großmacht lässt jedoch auch neue, kom­plexe Sicherheitsprobleme entstehen.

Der historischen Demütigung Chinas durch ausländische Mächte setzt Peking das Versprechen neuer Stärke entgegen.

China verfolgt eine ambitionierte Außenpolitik und rüstet seine Streitkräfte, um die Sicherheits­bedürfnisse von Staat und Partei zu erfüllen. Wach­sender Wohlstand im Land ist ein Entwicklungsziel der Kommunistischen Partei. Damit hängt auch die politische Stabilität wesentlich von maritimen Handelswegen ab, die mit Hilfe der Flottenrüstung gesichert werden sollen. Aber die militärische Auf­rüstung steht zunehmend in Widerspruch zur offi­ziellen Rhetorik eines friedlichen Entwicklungswegs. Als Militärmacht ist China mittlerweile anderen Staa­ten in der Region weit überlegen. Das hochgerüstete Militär ermöglicht es Peking, eine immer robustere Außenpolitik zu betreiben, die asiatische Nachbar­staaten und die USA erheblich beunruhigt. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass Japan inzwischen China als dringlichste Sicherheitsbedrohung ansieht, noch vor Nordkorea.

Die chinesische Führung pflegt die Vorstellung von einer Opferrolle des Landes und begründet sie histo­risch mit der Demütigung durch ausländische Mächte. Dieser Rolle setzt Peking ein Versprechen neuer Stärke entgegen, sowohl gegenüber dem Ausland als auch gegenüber der eigenen Bevölkerung. Aus dieser Hal­tung heraus erscheint selbst die Inbesitznahme des Süd­chinesischen Meeres gerechtfertigt, weil China sich auch hier als Opfer historischer Ereignisse sieht. Es beruft sich also auf einen moralischen Exzeptio­nalis­mus, mit dem es sogar die widerrechtliche An­eignung von Territorium legitimiert.

Karte 1

Präsident Xi Jinping hat das Schicksal seines Lan­des von der erfolgreichen Nutzung der See abhängig gemacht.40 Der »chinesische Traum« als Narrativ einer großen Renaissance der chinesischen Nation beginnt am Meer – der einzige Weg, sich aus der Misere zu befreien, liege darin, sich vom Gelben Fluss als Meta­pher für eine Phase der Engstirnigkeit und Stagnation zu entfernen und dem blauen Ozean der Außenwelt zuzuwenden. Weil die indopazifischen Seewege für China lebenswichtig sind, baut es eine Flotte auf, die diese Routen absichern und dem Land eine glo­bale Macht­entfaltung zur See ermöglichen soll.41

Vor diesem Hintergrund vollzieht China einen Übergang von der Küstenverteidigung zur »aktiven Verteidigung«. Demnach gilt es zunächst, den Raum innerhalb der »ersten Inselkette« zu kontrollieren. Dieser umfasst das durch Korea und Japan begrenzte Gelbe Meer, den westlichen Teil des Ostchinesischen Meeres mit Taiwan und das Südchinesische Meer. Eine andere Zone, die Peking unter Kontrolle bringen will und als »zweite Inselkette« bezeichnet, erstreckt sich weiter östlich von den Kurilen über Japan und südostwärts über die Bonin-Inseln und die Marianen bis zu den Karolinen-Inseln. Damit würde Peking die Seewege im ostasiatischen Raum beherrschen. In­zwischen richtet sich das maritime Denken jedoch bereits auf entferntere Ziele.

Allerdings ändert China mit der volkswirtschaftlich sinnvollen Ausweitung seiner maritimen Aktivitäten bereits die Machtbalance in der östlichen Hemisphäre. Peking betreibt Risikoabsicherung und ist bestrebt, ähnlich wie die USA strategisch wichtige Zugänge zu schützen, damit China im Krisenfall nicht von der Ver­­sorgung abgeschnitten werden kann. Die Integra­tion des Landes in die Weltwirtschaft und die Bedeu­tung der Seewege für den Warenverkehr machen deren Absicherung zum politischen Gebot und zum inte­gralen Bestandteil nationalen Interesses, denn 90 Pro­zent der chinesischen Handelsgüter sowie 40 Prozent des nach China eingeführten Erdöls werden auf See befördert.42 Der Aufbau einer hochseefähigen Flotte kann insofern als maritime Fortschreibung der Re­form­politik angesehen werden, die Staatschef Deng Xiaoping Anfang der 1980er Jahre einleitete.

Die chinesischen Streitkräfte sind heute in der Lage, Seegebiete innerhalb der ersten Inselkette zumindest zeitweilig und lokal begrenzt zu kontrollieren. Als Auslöser für den Aufbau dieser Fähigkeit gilt die Taiwan-Krise 1995/1996, als China Druck auf Taiwan ausübte und die USA dar­aufhin zwei Flug­zeug­träger in die Konfliktzone entsandten, um China zum Einlenken zu bewegen. Die Taiwan-Krise war ein Wendepunkt, da sie die Schwächen der chinesischen Streitkräfte offenlegte.

Mittlerweile hat China in Zahlen die größte Kriegs­marine der Welt – was auf Absichten schließen lässt, aber wenig über Fähigkeiten aussagt.43 Die chinesische Marine verfügt über mehr als 300 Kriegsschiffe, wäh­rend die Zahl der Schiffe der US Navy mit weltweiten Einsatzaufgaben in den letzten Jahren zwischen 270 und 290 lag. Nun soll Chinas Flotte weiter modernisiert und zu Einsätzen auf hoher See befähigt werden. Fraglich ist indes, ob sie schon bald nicht nur quan­titativ, sondern auch qualitativ der US-Marine eben­bürtig sein wird; dazu müssten Aufrüstung, Aus­bildung und Übungsbetrieb wie bisher fortgesetzt werden. Erst lange nach Abschluss der chinesischen Rüstungsvorhaben 2035 dürfte China auf hoher See und im komplexen Betrieb von Flugzeugträger­gruppen mit den USA gleichziehen.

Die Perspektive Washingtons

Aus Sicht der USA bildet China noch keine unmittel­bare militärische Bedrohung für das amerikanische Kernland. Dennoch gelten die militärischen Entwick­lungen in China in dreierlei Hinsicht als Gefahr für die Sicherheit und die vitalen Interessen der USA. Erstens sehen diese sich durch die fortwährende mari­time Aufrüstung Chinas in ihrer Rolle als Weltmacht herausgefordert. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts be­herrschen die Vereinigten Staaten von Amerika die Weltmeere wie einst Großbritannien und sichern damit den freien Zugang zur See. Deren uneingeschränkte Nutzung ist eines der globalen öffentlichen Güter, ebenso wie Luft-, Welt- sowie Cyberraum.

Wie China betrachten auch die USA Weltmeere und Seewege, über die 90 Prozent des internationalen Fernhandels abgewickelt sowie die Versorgung mit Roh­stoffen und Industrieprodukten gesichert werden, als Grundlage für die eigene wirtschaftliche Stärke. Darüber hinaus ermöglichen sie aber auch Macht­projektion und militärische Intervention. Weil China die Fähigkeiten seiner Streitkräfte konsequent weiter ausbaut, können diese den Zugang der US-Marine zum asiatisch-pazifischen Raum immer stärker ein­schränken und damit den Status der USA als Welt­macht in Frage stellen.44

Die USA sehen sich durch Chinas andauernde Aufrüstung zunehmend bedroht.

Zweitens werten die USA Chinas wachsende mili­tärische Fähigkeiten als Bedrohung ihrer Militär­basen in Japan, Südkorea und auf dem US-Territo­rium Guam. Die Trump-Administration hat den Vertrag mit Russland über das Verbot von Mittelstrecken­waffen (Intermediate Range Nuclear Forces, INF) auch deshalb aufgekündigt, weil sie hofft, der chinesischen Bedrohung effektiver entgegentreten zu können.45

Washington unterhält ein abgestuftes System von Allianzen und Partnerschaften mit Ländern, die sich von China bedroht sehen. So haben die USA erklärt, die von Japan verwalteten und von China ebenfalls beanspruchten Senkaku/Diaoyu-Inseln fielen unter das bilaterale Verteidigungsabkommen. Ein militä­rischer Konflikt zwischen China und einem Allianzpartner würde Washington unter Zugzwang setzen, zumindest solange die Glaubwürdigkeit amerika­nischer Sicherheitszusagen auch von der Trump-Admi­nistra­tion noch als hoher Wert angesehen wird.

Drittens wird die amerikanische Sicht auf China stark von längerfristigen Entwicklungen geprägt. Das Land erweitert seine militärischen Fähig­keiten, um auch jenseits der ersten und zweiten Insel­kette Machtprojektion zu betreiben.46 Das nährt Be­fürch­tungen in Washington, dass China die USA in Zukunft auch unmittelbar bedrohen könnte.

Nachdem China im August 2017 am Horn von Afrika seine erste ausländische Militärbasis eröffnet hat, rechnet Washington damit, dass weitere chine­sische Auslandsstützpunkte folgen werden.47 Schließlich erwirbt Peking gerade in jenen militärischen Operationsfeldern zusätzlich Fähigkeiten und Kom­petenzen, die per definitionem global sind: im Welt- und im Cyberraum. Chinas militärische Fähigkeiten dort stellen somit aus Sicht der USA auch eine un­mittelbare Gefährdung dieser Räume dar.

Die nukleare Komponente

Nuklearwaffen haben eine wichtige, aber begrenzte Bedeutung für die chinesische Außen- und Sicher­heitspolitik.48 Sie stehen bislang auch nicht im Mittel­punkt des sicherheitspolitischen Wettbewerbs zwischen den USA und China. Aus Sicht der Volks­republik symbolisieren sie den Status als Großmacht und dienen vor allem zur Abschreckung anderer Staaten, die ebenfalls über Nuklearwaffen verfügen. An erster Stelle stehen die USA, die von einer mili­tärischen Intervention und einer direkten Bedrohung des chinesischen Festlandes abgehalten werden sol­len. China verfolgt offiziell eine Politik, die auf die Option eines nuklearen Erstschlags verzichtet (no first use). Angesichts der amerikanischen Raketenabwehr und des Ausbaus konventioneller Waffen durch die USA fürchtet Peking jedoch, seine Zweitschlag­fähigkeit zu verlie­ren und damit die abschreckende Wirkung seiner Nuklear­waffen gegenüber Washington ein­zubüßen. Diese Be­dro­hungswahrnehmung wird da­durch verstärkt, dass die USA das Prinzip der gegen­seitigen nuklearen Ver­wundbarkeit gegenüber China nicht offen an­erken­nen und hier bewusst ambivalent bleiben.

Die nukleare Bedrohung durch Nordkorea dient den USA als Rechtfertigung, eine eigene Raketen­abwehr in Nordostasien aufzubauen. In den Augen der chinesischen Führung hingegen ist die Existenz nordkoreanischer Raketen allein kein hinreichender Grund für das amerikanische Vorgehen. Peking hält Wa­shingtons Einlassungen für einen Vorwand, um ein Abwehrsystem zu installieren, das die strategische Sta­bilität bedrohen kann, also die chinesische und die russische Fähigkeit zur nuklearen Abschreckung. Schließlich kann auch die Interventionsfähigkeit der USA durch Abwehrsysteme gestärkt werden.

Die erfolgreichen Tests nordkoreanischer Lang­streckenraketen haben diese Einschätzung Chinas nicht verändert. Für die USA ist die Bedrohung durch derartige Raketen zentral.49 Daher kritisierte Trump auch nicht die Tests nordkoreanischer ballistischer Kurzstreckenraketen im August 2019. Im Mittelpunkt von Chinas Bedrohungsanalyse steht indes nach wie vor die Aufwuchsfähigkeit des US-Abwehrsystems, konkret die der flexibel einsetzbaren Aegis-Schiffe und landgestützten Systeme. Denn wenn amerikanische, südkoreanische oder japanische Radarsysteme zu Lande und zur See die Flugbahn einer nordkorea­nischen Rakete erfassen können, dann zwangsläufig auch diejenige chinesischer Raketen. Hier stimmt Pekings Bedrohungswahrnehmung mit der Moskaus überein. Diese Einigkeit begründet unter anderem die »umfassende strategische Partnerschaft der Koor­dination« zwischen China und Russland, die sich in gemeinsamen Militärmanövern und einer Rüstungs­kooperation manifestiert.

Eine technische Antwort Washingtons auf das Problem nordkoreanischer Raketen ist die Entwicklung strategischer konventioneller Systeme. Das »Prompt Global Strike«-Programm der USA sieht vor, dass überschallschnelle Gleiter (Hypersonic Glide Vehicle, HGV) binnen einer Stunde weltweit kon­ventionelle Schläge ausführen können, um so den Start einer Interkontinentalrakete aus Nordkorea zu verhindern. Um die primitive nordkoreanische Luft­abwehr zu überwinden, ist solche Hochtechnologie allerdings nicht nötig. Deshalb vermuten chinesische Experten, stattdessen sei Chinas Nuklearwaffen­arsenal das Ziel. Sie befürchten, die USA könnten im Konfliktfall einen präemptiven, entwaffnenden Angriff starten.

Mittlerweile haben sich China und Russland selbst die HGV-Technologie angeeignet. Ob konventionell oder nuklear bestückt – aus chinesischer Perspektive haben Hyperschallgleiter den Vorteil, dass sie von keinem derzeit verfügbaren Abwehrsystem erfasst und vernichtet werden können. Damit verwendet China eine von den USA initiierte Technologie, um der Herausforderung zu begegnen, welche die ame­ri­kanische Raketenabwehr für die eigene nukleare Abschreckung darstellt.

Sorgen bereitet den USA auch die fortschreitende Modernisierung des chinesischen Atomwaffenarsenals.50 Die Volksrepublik will neue Interkontinental­raketen einführen, eine luftgestützte ballistische Rakete entwickeln und mit Russlands Unterstützung ein Raketenfrühwarnsystem aufbauen. Das schürt Argwohn gegen die künftige chinesische Nuklear­waffenstrategie. Für die USA wird immer klarer, dass sie sich im Hinblick auf Kernwaffen nicht mehr wie noch im Kalten Krieg in einem bilateralen, sondern in einem multilateralen Sicherheitsdilemma befin­den. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass Nordkorea nukleare Langstreckenraketen baut. Statt auf Rüstungskontrolle setzen die USA in erster Linie darauf, ihre eigenen Optionen zu flexibilisieren. Da­mit steigt die Gefahr eines Wettrüstens.

Hanns Günther Hilpert

Handel, Wirtschaft, Finanzen: Rivalitäten, Konflikte, Eskalationsrisiken

Die sino-amerikanischen Außenwirtschafts- und Finanzbeziehungen waren nie konfliktfrei. Doch sehr lange galten sie als ein stabilisierendes Element inner­halb des bilateralen Verhältnisses. Beide Seiten konn­ten dabei ökonomisch enorm voneinander profitieren. Amerikanische Unternehmen erzielten mit Exporten und durch Investitionen in den chine­sischen Markt fabelhafte Gewinne und transferierten Kapital, Management-Know-how und Technologie. China wiederum baute über Exporte in den schier grenzenlos aufnahmefähigen US-Markt im­mense Überschüsse auf, reinvestierte diese in ameri­kanische Staatsanleihen und kofinanzierte damit den konsumgetragenen konjunkturellen Boom in Ame­rika. Diese symbiotische, als »Chimerica«51 bezeichnete Beziehung existiert nicht mehr. Vielmehr wird die sino-ameri­kanische Rivalität aktuell nirgends so kon­frontativ und offen ausgetragen wie auf wirtschaft­licher Ebene. Zudem instrumentalisieren beide Seiten die Handelspolitik im Technologiewettbewerb wie auch für außen- und sicherheitspolitische Zwecke.

USA und China auf wirtschaftlichem Kollisionskurs

Für diesen Umschwung von Kooperation zu Kon­frontation lassen sich objektive ökonomische Gründe anführen. Die Vorteile, die beiden Seiten aus wirt­schaftlicher Zusammenarbeit erwachsen, sind geringer geworden. Aber auch Statuskonkurrenz im Zeichen der neuen Großmachtrivalitäten und eine wechselseitig kritischere Wahrnehmung haben eine tragende Rolle gespielt.

Chinas rasanter wirtschaftlicher und technolo­gischer Aufbruch hat dazu geführt, dass die ökono­mischen Beziehungen zwischen Amerika und China heute weit weniger komplementär und viel stärker kompetitiv gestaltet sind. Für US-Unternehmen ist es schwieriger geworden, im chinesischen Markt Absatz­steigerungen und Gewinne zu realisieren, zumal die administrativen Restriktionen eher zu- als abnehmen und amerikanischen Firmen viele Dienstleistungs­bereiche verschlossen bleiben, in denen sie über Wett­bewerbsvorteile verfügen. Umgekehrt sind die USA im Technologietransfer sehr zurückhaltend geworden. Und seitdem mit dem Abschmelzen der chinesischen Leistungsbilanzüberschüsse auch die chi­nesischen Käufe von US-Staatsanleihen abgenommen haben, tragen Chinas Ersparnisse kaum noch zur Finan­zie­rung der amerikanischen Binnenkonjunktur bei.

Die Amerikaner werfen China vor, den Konkurrenzkampf mit unlauteren Mitteln zu führen.

Während die Komplementarität schwindet, hat der Wettbewerb an Schärfe gewonnen, vor allem im verarbeitenden Gewerbe. Chinas Aufstieg zum füh­renden Industrieproduzenten und Exporteur hat gerade auch in den USA den Strukturwandel forciert; sektoral und regional geballt kam es dadurch in Amerikas »Rust Belt« zu sozialen Verwerfungen. Der »China-Schock« hatte für die USA viel größere Auswir­kungen als etwa für Deutschland. So hat eine empi­risch gut fundierte Untersuchung des Massachusetts Institute of Technology (MIT) gezeigt, dass Importe aus China für etwa ein Viertel des Rückgangs der industriellen Beschäftigung in den USA im Zeitraum 1990–2007 verantwortlich waren.52 Die Herausforderung, die China als Wettbewerber darstellt, erstreckt sich inzwischen auch auf den Hochtechnologiebereich. Mit seiner industriepolitischen Strategie »Made in China 2025« hat sich Peking vorgenommen, in zehn wertschöpfungsintensiven Industriesektoren die glo­bale Marktführerschaft zu erlangen. Bereits heute konkurrieren amerikanische und chinesische Unter­nehmen in der Kommunikationstechnologie und der Künstlichen Intelligenz erbittert um die Spitzenposi­tion in Entwicklung sowie Standard- und System­setzung. Die Amerikaner werfen China vor, den Kon­kurrenzkampf mit unlauteren Mitteln zu führen, zum Beispiel indem es seinen Markt protektionistisch abschotte, ausländische Anbieter diskriminiere und auf das Marktgeschehen sowie die maßgeblichen Unter­nehmen unmittelbar Einfluss nehme.53

Kräfteverschiebungen und die neue US‑Handelspolitik

Herausgefordert werden die USA von China aber nicht nur im industriellen Wettbewerb, sondern auch in ihrer Position und ihrem Status als global führende Handels- und Wirtschaftsmacht. So ist China schon jetzt gemessen an der Kaufkraftparität die weltweit größte Volkswirtschaft. Zu Marktpreisen weist sein Bruttoinlandsprodukt heute die größten Bruttoanlage­investitionen und die größte industrielle Wertschöp­fung aus. Zudem ist China die in absoluten Zahlen wachstumsstärkste Volkswirtschaft, der weltweit größte Exporteur und die größte Handelsnation.54 Wenn sich der aktuelle Wachstumstrend fortsetzt, ist zu erwarten, aber keineswegs zwangsläufig, dass China bis 2030 die USA als größte Volkswirtschaft abgelöst haben wird. Mit Verweis auf diese Kräfte­verschiebung halten offizielle chinesische Stimmen der amerikanischen Kritik entgegen, dass der Vor­wurf, die Volksrepublik bediene sich unfairer Han­dels­praktiken, nur ein Vorwand für eine außen­politisch motivierte Eindämmungspolitik sei.55

Der Handelskonflikt wird auch als Systemkonflikt verstanden.

Problematisch ist diese geoökonomische Gewichtsverlagerung auch deshalb, weil Amerika und China unterschiedliche Ordnungsvorstellungen haben. In Washington stellt man sich die Frage, ob das chine­sische Wirtschaftsmodell (eines politisch autoritären, intervenierenden, merkantilistischen Staatskapitalismus) mit einem Welthandels- und Weltfinanzsystem kompatibel ist, das auf liberalen Prinzipien basiert. Die Frage stellt sich umso dringlicher, als die im Westen gehegte Erwartung enttäuscht wurde, China werde sich wirtschaftlich und politisch liberalisieren – eine Hoffnung, die sich vor allem an den Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation (WTO) geknüpft hatte. Partei und Staat nehmen unter Xi Jinping sogar wieder mehr Einfluss auf die Wirtschaft, und auch die Machtausübung ist autoritärer und doktrinärer geworden. Der Handelskonflikt wird daher auch als Systemkonflikt verstanden.56

Zugleich hat Amerikas Handelspolitik paradigmatisch und politisch eine Wende zum Protektionismus vollzogen. Leitbild der aktuellen amerikanischen Han­delspolitik ist nicht mehr der freie, sondern der faire und reziproke Handel, wobei Handelsbilanz­salden zum entscheidenden Kriterium geworden sind. In seinen Äußerungen und seinem Agieren ignoriert US-Präsident Donald Trump die etablierten Erkennt­nisse der Handelstheorie und die empirischen Erfah­rungen der Handelspolitik.57 In der politischen Praxis stellt er die amerikanischen Interessen im Sinne der Devise »America First« über Verpflichtungen aus inter­nationalen Verträgen und multilateralen Regeln. Und er scheut auch nicht davor zurück, Handelspartner durch unilaterale, protektionistische Maß­nahmen unter Druck zu setzen. Die Erosion oder gar Zerstörung internationaler Regelwerke wird in Kauf genommen, mitunter gar aktiv betrieben.

Die Handelspolitik ist zu einem Schwerpunkt von Trumps Präsidentschaft avanciert. Dabei geht es der Administration nicht allein um die heimische Wert­schöpfung und Beschäftigung, sondern auch und vor allem um die übergeordnete Kategorie der nationalen Sicherheit. Deren Schutz erfordert nach Überzeugung der Führung in Washington, dass Amerika in seinen strategischen Industrien über Lieferketten verfügt, die von China unabhängig sind.58 Überhaupt dürfe der strategische Rivale China nicht durch den wirtschaftlichen Austausch mit Amerika in seinem ökonomischen und technologischen Aufstieg zusätzlich ge­stärkt werden. Um das Tempo der Modernisierung der Volksbefreiungsarmee zu drosseln, hält die Trump-Admi­nistration es deshalb für ratsam, anstelle der bis­herigen Politik der Einbindung und Integration eine Strategie der wirtschaftlichen Entkoppelung Ame­rikas von China zu verfolgen. Handelspolitisch wir­kungsvolle Instrumente einer solchen Entkoppelung sind Zölle, Investitionskontrollen und Lieferboykotte.59

Von der Einbindung zur Entkoppelung

Die Trump-Administration hat alle großen Handelspartner Amerikas mit unilateralen Forderungen und Maßnahmen konfrontiert. Im Fadenkreuz der han­dels­politischen Konfrontation steht aber China. In der neuen, im Dezember 2017 veröffentlichten »National Security Strategy« wird Chinas Handels- und Wirtschafts­politik als zentrale außen- und sicherheits­politische Herausforderung und Bedrohung Amerikas identifiziert.60 Der im März 2018 vorgelegte, auf Abschnitt 301 des Handelsgesetzes61 rekurrierende Untersuchungsbericht des US-Handelsbeauftragten be­wertet Chinas Industrie- und Technologiepolitik als ungerecht und diskriminierend. Die beiden Regie­rungsdokumente markieren das definitive Ende der amerikanischen Einbindungspolitik. Gegenüber China befindet sich Amerikas Handelspolitik nunmehr im »Entkoppelungsmodus«. Um den (aus amerikanischer Sicht) unfairen, nachteiligen Handels-, Kapital- und Tech­nologieverkehr mit China zu korrigieren, ver­fügte die Trump-Administration mehrere gegen China gerichtete Maßnahmen:62

  • Schrittweise und eskalierend erhob die US-Regie­rung Sonderzölle in Höhe von 25 Prozent auf etwa die Hälfte der amerikanischen Einfuhren aus China.

  • Die staatliche Kontrolle ausländischer Direkt­investitionen in sicherheitsrelevanten Bereichen wurde administrativ und gesetzgeberisch ver­schärft, was zu einem signifikanten Rückgang chinesischer Investitionen in den USA führte.

  • Kontrollen des Handelsministeriums regulieren den Waren- und Lizenzexport sicherheitsrelevanter Technologien nach China.

  • Im Bereich der öffentlichen Beschaffung beschränken die USA den Bezug bestimmter chinesischer Pro­dukte (Telekommunikation, visuelle Über­wachung).

  • Chinesischen Unternehmen und Personen, die auf einer vom Handelsministerium geführten Liste (»Entity List«) als kritisch eingestuft werden, sind Einkäufe in den USA bzw. von amerikanischen Unternehmen nicht gestattet. Seit Mitte Mai 2019 befindet sich das chinesische Unternehmen Huawei auf dieser Entity List.

Chinas handelspolitische Reaktion auf diese Maßnahmen fiel bislang vergleichsweise zurückhaltend aus. Wohl aus Sorge vor einer weiteren, das eigene Wirtschaftswachstum belastenden Eskalation will die Volksrepublik nicht zusätzlich Öl ins Feuer gießen. So hat China auf Importe aus den USA »nur« rezi­proke Vergeltungszölle erhoben. Parallel dazu senkte es seine Zölle unilateral gegenüber Drittstaaten, wo­durch Einfuhren aus den USA zusätzlich benachteiligt wurden. Und die chinesischen Unternehmen suchen aktiv nach Anbietern, die die US-Importe er­setzen können.63 Daneben erwog Peking, die Seltenen Erden – die wichtig sind für die verarbeitende Indus­trie – mit einem Exportembargo zu belegen. Auf die Auf­nahme Huaweis in die Entity List reagierte China mit der Ankündigung, eine »Unzuverlässigen-Liste« (»Un­reliable Entities List«) zu erstellen. Diese soll all jene Unternehmen, Organisationen und Personen erfas­sen, die amerikanischen Boykottaufrufen, etwa gegen Huawei, Folge leisten. Die gelisteten Akteure würden Nachteile auf dem chinesischen Markt zu gewärtigen haben.64 Chinesische Konsumenten star­teten Kam­pagnen, die zum Boykott amerikanischer Waren auf­riefen.

Eine neuerliche Eskalation des Zoll- und Handelskrieges ist nicht auszuschließen.

Am 13. Dezember 2019 vereinbarten beide Seiten ein Teilabkommen. Darin verzichten die USA (und China) auf die angekündigte Erhöhung der Sonder­zölle, während Peking für die Jahre 2020 und 2021 zu­sätzliche Importe aus den USA im Wert von 200 Mil­liarden US-Dollar zusagt. Außerdem versprach China einen besseren Schutz des geistigen Eigentums, ein Ende des erzwungenen Technologietransfers und einen besseren Marktzugang bei den Finanzdienst­leistungen. Die bisherigen Sonderzölle bleiben aber bestehen. Und die Kontroversen um Subventionen, Staatsunternehmen und Technologie sind nach wie vor ungelöst. Es ist unwahrscheinlich, dass diese Punkte wie vorgesehen in einem zweiten Teilabkom­men vor den US-Präsidentschaftswahlen noch geklärt werden können. Aber selbst wenn dies gelingen sollte, bliebe der grundlegende politische Konflikt ungelöst und eine neuerliche handelspolitische Eska­lation jederzeit möglich. Zudem dürften Chinas zusätzliche US-Importe zu entsprechenden Mindereinfuhren aus Brasilien, der EU, Japan etc. führen und so neue Kontroversen auslösen. Des Weiteren ist die US-Administration noch unentschieden, in wel­chem Umfang sich die amerikanische Wirtschaft von der chinesischen entkoppeln soll. Und auch China hat das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Integrität des amerikanischen Präsidenten verloren und dürfte daher nur begrenzt zu Zugeständnissen bereit sein.

Konsequenzen und Eskalationsrisiken

Die zu erwartende Fortsetzung des Konflikts und erst recht dessen potentielle Eskalation drohen die insti­tu­tionelle Ordnung des Welt­handels- und Weltfinanzsystems in ihren Grundfesten zu erschüttern. Schon jetzt hat der sino-amerikani­sche Handels-, Wirtschafts- und Technologiekonflikt beträchtliche ökono­mische Schäden verursacht. Davon betroffen sind nicht nur die Antagonisten selbst, sondern auch Dritte.

Die von den USA und China wechselseitig erhobenen Sonderzölle haben zu einem signifikanten Rück­gang des bilateralen Handels geführt und die jewei­ligen Einfuhren zum Teil drastisch verteuert. Im­por­teure sind auf alternative Bezugsquellen aus­gewi­chen, was Drittanbietern – etwa Vietnam, Mexiko oder der EU – zugutekam. Teilweise ist es auch zu Produktionsverlagerungen gekommen. Insgesamt sind die Bezugs- und Absatzrisiken im Außenhandel weltweit gestie­gen. Investoren verhalten sich ab­war­tend, Investitionen werden auf ein risikobegrenzendes Minimum beschränkt. Die Verunsicherung hat maßgeblich zur Abkühlung der Konjunktur im Jahr 2019 bei­getragen.

Sowohl China als auch die USA haben durch ihre Handelspolitik der WTO und dem multilateralen Welthandelssystem Schaden zugefügt: China als Folge seiner Missachtung der grundlegenden WTO-Prin­zipien der Nichtdiskriminierung und Transparenz, die USA infolge ihrer mehrfachen Verstöße gegen Kernbestimmungen des WTO-Vertrags und nicht zuletzt durch die Strafzölle. Angesichts der Gleich­gültigkeit der beiden weltweit größten Handels­mächte gegenüber dem WTO-Regelwerk stellt sich die prinzipielle Frage nach der künftigen Tragfähigkeit und Legitimität der Welthandelsorganisation als multi­laterales Ordnungssystem. Zu befürchten ist eine graduelle Ablösung des WTO-Handelsrahmens durch bi- und multilaterale Handelsverträge, die unter Einsatz willkürlich ausgeübter politischer Macht vereinbart, durchgesetzt und gebrochen wer­den. In einer solchen neuen Handelswelt hätten die USA und China als politische Großmächte Vorteile.

Möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich ist, dass in dem Ringen um technopolitische Einflusssphären65 die USA gegen weitere chinesische Unternehmen Sank­tionen und Lieferboykotte verhängen und den Druck auf Drittstaaten verstärken werden, um sie zu bewegen, es ihnen gleichzutun. Die Unternehmen dieser Länder könnten bald vor die unangenehme Wahl gestellt werden, entweder mit Amerika oder mit China Geschäfte zu betreiben. Bei kritischen Technologien entstünde eine in chinesische und amerikanische Standards und Systeme zweigeteilte Welt.

Die EU sollte am Leitbild des regelgebundenen Multilateralismus festhalten.

Der Handelskrieg könnte eskalierend auf die Finanzmärkte übergreifen. Bei rück­läufigem Wirt­schaftswachstum sind China und die USA (sowie wei­tere Staaten) möglicherweise versucht, die hei­mische Konjunktur durch Abwertung zu stimu­lieren. Des Weiteren steht Chinas Drohung im Raum, die in seinem Besitz befindlichen US-Schatzanleihen – im Wert von rund einer Billion US-Dollar – abrupt auf den Markt zu werfen, wodurch Amerikas Leitzinsen unter Druck gerieten. Sehr viel konkreter sind Pekings Planungen, eine digitale Währung einzuführen und damit die internationale Dominanz des US-Dollar (und des Euro) herauszufordern. In Amerika wieder­um wird erörtert, chinesische Unternehmen vom amerikanischen Finanzmarkt auszuschließen und gegen bestimmte chinesische Unternehmen oder Personen Finanzsanktionen zu verhängen.

Europas Positionierung66

Infolge des sino-amerikanischen Konflikts befinden sich Welthandel und globale Arbeitsteilung auf dem Rückzug. Produktion, Einkommen und Innovation sind weltweit negativ betroffen. Die handelspolitischen Praktiken Amerikas und Chinas und die von diesem Konflikt ausgehenden Wohlstandseinbußen treffen auch Deutschland und Europa, mittelbar und unmit­telbar. China und die USA drohen Europa bzw. euro­päischen Unternehmen mit Nachteilen, sollten diese sich nicht in ihrem Sinne positionieren.

Auch wenn es sich für Europa aus guten außen- und sicherheitspolitischen Gründen verbietet, eine Äquidistanz zu Amerika und China einzunehmen, sollte die EU ihre unabhängige Position in der han­delspolitischen Auseinandersetzung aufrechterhalten und am Leitbild des regelgebundenen Multilateralismus fest­halten. Angesichts der Regelverstöße Ameri­kas und Chinas würde eine Parteinahme den Prin­zipien des Binnenmarkts (Nichtdiskriminierung, Regelorientierung, Multilateralismus) zuwiderlaufen. Die EU würde (handels)politisch ihre Glaubwürdigkeit gegenüber Drittstaaten verlieren. Europas Verhand­lungs­position als eigenständiger Mittler zwischen den Kontrahenten wäre unnötig geschwächt. Zudem könnte die EU, wenn sie sich auf eine Seite schlägt, immer nur ein Juniorpartner sein, dessen Interessen nachrangig berücksichtigt würden.

Die Orientierung an liberalen Werten und multi­lateralen Prinzipien steht einem kraftvollen Einsatz für die wirtschaftlichen Interessen Europas auch nicht im Wege. So muss die EU in Bezug auf künftige sino-amerikanische Handelsabkommen darauf beste­hen, dass daraus keine diskriminierenden Nachteile für sie erwachsen. In den laufenden bilateralen Verhandlungen mit den USA (über ein Zoll- und Han­dels­abkommen) und mit China (über ein Investitions­abkommen) muss die EU adäquate Zugeständnisse einfordern. Und gegenüber China wird es notwendig sein, das vorhandene handels- und investitions­politische Schutzinstrumentarium auszubauen, da­mit in Zukunft europäischen Unternehmen durch die Tätigkeit chinesischer Staatsfirmen oder durch über­mäßige Subventionen Chinas keine Nach­teile ent­stehen. Darüber hinaus sollte die EU die Zusammen­arbeit mit gleichgesinnten Handelspartnern intensivieren, zum Beispiel mit Japan, der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), Australien und dem Mercado Común del Sur (Mercosur). Auf diese Weise könnte die EU ihr Verhandlungsgewicht stär­ken und sich gegen welthandelspolitische System­risiken rückversichern.

Matthias Schulze / Daniel Voelsen

Einflusssphären der Digitalisierung

Sowohl die USA als auch China sehen in techno­logischer Überlegenheit eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche und militärische Stärke und damit auch für ihre Rolle in der Weltpolitik. Noch halten die USA in zahlreichen Technologiebereichen die Führungsposition. Der erklärte Anspruch der chine­sischen Regierung jedoch ist es, schon binnen der nächsten Jahre den Status als »Werkbank des Wes­tens« hinter sich zu lassen und bei zentralen Zukunfts­technologien der Digitalisierung führend zu werden. Je intensiver China diese Ambitionen verfolgt, umso deutlicher lässt sich schon heute das Entstehen einer zweiten technopolitischen Einflusssphäre neben der amerikanischen beobachten. Diese Entwicklung stellt besonders jene Staaten vor neue politische Heraus­forderungen, die von den USA oder zunehmend auch von China technologisch abhängig sind.

Technopolitische Einflusssphären der Digitalisierung

Der Begriff Einflusssphäre wird im klassischen geo­politischen Denken territorial verstanden, als klar abzugrenzendes Gebiet, in dem ein Akteur exklusiv Einfluss ausübt. Technopolitische Einflusssphären unterscheiden sich hiervon durch die Charakteristika von Digitaltechnologien. Zum einen basieren digitale Dienste und Produkte auf der Kombination verschiedener Ebenen von Hard- und Software. Weder ein einzelner Staat noch ein einzelnes Unternehmen ver­mag alle diese Ebenen zu kontrollieren. In der Folge überlappen sich die Einflusssphären häufig, weil etwa Netzwerktechnologie aus China mit einem Betriebssystem aus den USA kombiniert wird, um darauf Anwendungen aus Europa laufen zu las­sen.

Zum anderen sind viele der hier entscheidenden digitalen Technologien von einer Netzwerklogik be­stimmt. Nationale Grenzen und Territorialität sind in weltweiten Übertragungsnetzwerken wie dem Inter­net weniger bedeutsam; wichtiger ist hier die Zentra­lität der Akteure. So können zentrale Netzwerkakteure Datenströme oder den Zugang zu digitalen Gütern und Dienstleistungen steuern. Das erlaubt ihnen, wirtschaft­lich wie politisch auf andere, weniger zentrale Netz­werkakteure einzuwirken, seien es Staaten oder Unternehmen. Technopolitische Einflusssphären sind diesem Verständnis nach nicht notwendig exklusiv.

Digitale Einflusssphären folgen einer Netzwerklogik.

In den USA wird technologische Überlegenheit seit den 1940er Jahren als wichtiges Element der natio­nalen Sicherheit verstanden. Zunächst galt die Sowjet­union in diesem Zusammenhang als größte Bedrohung; in den 1980er Jahren kam die japanische Com­puterindustrie hinzu, die einen rasanten Aufstieg erlebte.67 Bei der Digitalisierungswelle der 1990er Jahre lagen die USA wieder an der Spitze; sie konn­ten so bei vielen Kerntechnologien der Digitalisierung eine herausragende Rolle spielen.68 Zahlreiche Staaten und Unternehmen sind bei solchen Technologien auf Markt­führer in den USA angewiesen (siehe Grafik 1). China verfolgt nun das Ziel, bei digitalen Kerntechnologien zunächst unabhängig von den USA zu werden und im nächsten Schritt die eigene Technologie welt­weit zu verbreiten. Unmissverständlich artikuliert wird dieser Anspruch in der »Made in China 2025«-Strategie.69 Ein entscheidendes Instrument ist dabei die digitale Komponente der Seidenstraßen-Initiative. Sie zeugt von dem Anspruch, eine eigene techno­politische Einflusssphäre als Gegenpol zur amerikanischen zu schaffen. Erste Erfolge dieser Strategie lassen sich an der wachsenden globalen Bedeutung chinesi­scher Fir­men im Bereich soziale Netzwerke und Cloud Services sowie bei Netzwerktechnologie ablesen.

Die Einflusssphäre der USA ist bislang darauf aus­gelegt, möglichst vielen Staaten und Unternehmen die Nutzung der Produkte und Dienste amerikanischer Unter­nehmen zu ermöglichen. Zudem öffnen die USA den eigenen Markt in der Regel für Firmen aus anderen Staaten, setzen aber auch gezielt Instru­mente zur Beschränkung ausländischer Investitionen oder zur Exportkontrolle ein. China geht hier noch weiter: Der Staat unterstützt zwar die internationalen Akti­vitäten chinesischer Unternehmen, reguliert aber streng den Zugang zum eigenen Markt.

Grafik 1

 

Vor allem in Europa überlappen sich die beiden Einflusssphären, da hier sowohl amerikanische als auch chinesische Dienste zahlreich vertreten sind. Offen ist, wie sich diese Einflusssphären in Zukunft gestalten, etwa ob sie durch die Errichtung von Han­dels­barrieren exklu­siver und geschlossener werden. Das wird auch von innenpolitischen Entwicklungen ab­hängen, in erster Linie aber davon, wie die beiden Staaten ihr Ver­hältnis zueinander gestalten. Je stärker sie es als Null­summenspiel verstehen, umso mehr ist zu befürchten, dass sich das Ringen um techno­politischen Ein­fluss intensivieren und zu weite­ren Konflikten führen wird.

Machtprojektion durch technopolitische Einflusssphären

Technologische Abhängigkeit ist so lange unproblematisch, wie sie von allen Akteuren als erstrebenswerte, weil wohlfahrtssteigernde Interdependenz verstanden wird. Schwierig wird es jedoch, wenn zentrale Akteure wie die USA und China Abhängigkeit als Mittel ausnutzen, um ihre Interessen durch­zusetzen. Sind Staaten oder Unternehmen innerhalb einer Einflusssphäre auf solche zentralen Akteure angewiesen, eröffnet sich diesen eine Reihe von Mög­lichkeiten, auf verschiedene Weise politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszuüben.70

Erstens können zentrale Akteure durch die Aus­gestaltung ihrer Technologie normative Standards vorgeben, also gewissermaßen »politics by default« betreiben. Technologien sind nicht wertneutral, sondern immer von politischen Wertvorstellungen geprägt.71 Diese gehen als Standard (»default«) in die Technologie ein, beispielsweise in den Programmcode, und zeitigen so poli­tische wie wirtschaftliche Effekte. Soziale Netzwerke wie das amerikanische Facebook und das chinesische WeChat sind von den Wertvorstellungen und auch rechtlichen Vorgaben in den jeweiligen Herkunftsländern beeinflusst, etwa zu den Grenzen der Mei­nungs­freiheit oder zu den Anforderungen des Daten­schutzes. Auch das globale Logistiksystem von Ama­zon und die Mobilitätsplattform Uber sind Ausdruck konkreter, in diesen Fällen angelsächsischer Vorstellungen von der Organisation wirtschaftlichen Wett­bewerbs, die auf diesem Wege weltweit verbreitet werden. China wiederum versucht mit der IT-Firmen­gruppe Alibaba und den Marktplatz-Funktionen von WeChat, die wirtschaftliche Ent­wicklung auch in anderen Staaten mitzubestimmen.

Eine wichtige Rolle spielen dabei Pfadabhängig­keiten und die damit verbundenen Einschlusseffekte: Kann ein Akteur nicht mehr auf die Produkte eines zentralen Netzwerkakteurs verzichten, etwa weil Prozesse auf das Produkt hin optimiert wurden, ist ein Wechsel nur schwer möglich. Zum Beispiel sind fast alle Regierungen von Microsofts Betriebssystem Windows abhängig (vgl. Grafik 1, S. 33). Diese Wir­kung wird bei netzwerkbasierten Technologien wie sozia­len Medien und Online-Plattformen, also App Stores oder Online-Marktplätzen, durch Netzwerk- und Skaleneffekte verstärkt. Je ausgeprägter die so ent­stehenden Pfadabhängigkeiten sind, umso schwie­riger wird es, von den Vorprägungen digitaler Dienst­leistungen abzuweichen oder sie wenigstens ein­zuhegen. Wie mühsam dies schon dort ist, wo alle Beteiligten zumindest ähnliche, liberal-demokratische Grundvorstellungen teilen, illustrieren die langwie­rigen Auseinandersetzungen mit amerikanischen Firmen über die Einhaltung europäischer Datenschutzvorgaben oder Arbeitsschutzbedingungen in der sogenannten Gig Economy, also in kurzfristigen, prekären Arbeitsverhältnissen.

Digitale Einflusssphären erlauben »politics by default«.

Zweitens manifestiert sich ein Machtgefälle in tech­nopolitischen Einflusssphären. In der beschriebenen Netzwerklogik prägen Akteure an zentralen Knotenpunkten jene Technologien, auf welche die anderen Staaten und Unternehmen angewiesen sind.72 Ein­drücklich zeigt sich dies an den Risiken von Cyber­spionage und Überwachung. Viele der wichtigsten Internetdienstleister wie Amazon, Google oder Micro­soft sind in den USA ansässig. Das bedeutet, dass auch die Daten ihrer Kunden außerhalb der USA, vor allem der Nutzer von Cloud Services, oft in US-Rechen­zentren gespeichert sind. Außerdem nutzen ameri­kanische Nachrichtendienste, wie seit den Snowden-Enthüllungen bekannt, den Umstand aus, dass ein Großteil der weltweiten Internetkommunikation über Server und Glasfaserkabel in den USA geleitet wird und daher überwacht werden kann. Sicherheits­behörden können außerdem per Anordnung Zugriff auf in US-Rechenzentren gespeicherte Cloud-Daten global operierender Unternehmen erlangen. Abhän­gige Akteure verfügen dagegen nicht über diese Mög­lichkeit. Daran entzünden sich immer wieder poli­tische Konflikte, etwa wenn europäische Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungs- und Beweissiche­rungs­zwecken auf Daten in den Vereinigten Staaten zugreifen wollen.

In China wurden diese Debatten zum Anlass genommen, die Internet-Überwachung an wichtigen Glasfaserleitungen weiterzuentwickeln. Zudem ver­suchen China, Russland und auch die EU, mit Daten­lokalisierungsinitiativen die Daten eigener Bürger und Unternehmen aus den USA abzuziehen, wieder ins eigene Territorium zu verlagern und damit unter ihre Kontrolle zu bekommen. China zwingt auslän­dische Unternehmen dazu, die Daten ihrer Kunden auf chinesischem Territorium zu speichern, damit die Sicherheitsbehörden dort Zugriff darauf haben. Das betrifft neuerdings sogar die mit Hilfe von VPN (Vir­tual Private Network) verschlüsselte Kommunikation westlicher Unternehmen.

Drittens bedeutet technologische Abhängigkeit, dass zentrale Akteure ihre Macht für Sabotageakte nutzen können, um den Datenfluss oder die Verfügbarkeit digitaler Dienstleistungen in abhängigen Staaten zu stören oder sogar zu unterbinden. Das reicht von simpler Zugriffsverweigerung bei Diensten, die von zentralen Akteuren gehostet werden, über die Restrik­tion bestimmter digitaler Güter auf Marktplätzen (etwa bestimmter Programme in großen App Stores) und die Aussetzung von Lieferungen oder Software-Updates bis hin zur gezielten Störung von IT-Syste­men. Fielen zum Beispiel die Amazon-Webservices oder die zahlreichen Google-Dienste aus, sei es durch eine absichtliche Attacke oder einen Unfall, würde dies eine Vielzahl europäischer Unternehmen und Websites lahmlegen. In den Auseinandersetzungen um die Rolle des chinesischen Konzerns Huawei spiegelt sich zum einen die Sorge westlicher Regierungen wider, dass China die 5G-Mobilfunknetzwerke sabotieren könnte. Zum anderen führen die USA mit ihren Exportbeschränkungen gegenüber Huawei vor, wie sich die Produktionsabläufe innerhalb eines Digitalunternehmens stören lassen, indem man glo­bale Lieferketten unterbricht.

Handlungsmöglichkeiten für Drittstaaten

Es ist nicht damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit ein weiterer Staat das technologische Niveau der USA und Chinas erreichen wird. Beide Staaten werden versuchen, ihren technopolitischen Einfluss auszuweiten. Für technologisch abhängige Staaten ist das pro­blematisch, da der wirtschaftliche Druck steigt und politische Handlungsspielräume schrumpfen. Grundsätzlich haben Drittstaaten folgende Handlungsoptionen:

Erstens können sie sich entweder China oder den USA anschließen, also voll und ganz auf die Technologien einer dieser beiden Einflusssphären setzen. Das würde die Abhängigkeit in die eine, nicht aber in die andere Richtung erhöhen. Zwar schränkt dies in gewisser Weise den eigenen Handlungsspielraum ein, doch gewinnen Staaten damit im Binnenverhältnis neue Möglichkeiten der Einflussnahme. Ein Beispiel hierfür ist die enge Zusammenarbeit der Nachrichtendienstallianz von USA, Vereinigtem Königreich, Australien, Kanada und Neuseeland (»Five Eyes«) gerade auch zu technologischen Methoden der Spio­nage; die Anzeichen für eine engere technologische Zusammenarbeit Russlands mit China lassen sich ähnlich deuten.73

Zweitens können Staaten die bisherige Verflech­tung stärker strategisch nutzen, indem sie gezielt und selektiv auf verschiedene Technologien aus beiden Einflusssphären setzen. Da sich in Europa die bei­den Sphären schon heute überlappen, ist ein solcher Weg der wahrscheinlichste. Damit aus dieser Verflechtung aber eine strategische wird, sollte Europa sich über die konkreten Abhängigkeiten klarwerden und zwischen erwünschten und unerwünschten unterscheiden. Auf dieser Basis ist zu prüfen, wie Abhängigkeit bei digitalen Kerntechnologien durch Stärken in anderen Wirtschaftssektoren kompensiert werden kann.74 Zwar mag Europa bei den Digitaltechnologien weitgehend auf die USA und China angewiesen sein. In anderen Wirtschaftsbereichen jedoch sind für diese beiden Staaten Expertenwissen und Kompetenzen aus der EU unverzichtbar, zum Beispiel bei chemischer oder medi­zinischer Forschung sowie bei industrieller Fer­tigung. Das könnte die EU als »bargaining chip« in Zeiten der Eskalation nutzen. Darüber hinaus könnte eine strategische Politik anstreben, die Interdepen­denz so zu gestalten, dass es stärker im Interesse bei­der Seiten liegt, Eskalation, Konflikte oder gar die Unter­brechung von Beziehungen zu vermeiden.

Politische Gestaltungsmacht erwächst zudem aus der Attraktivität des europäischen Binnenmarktes. Eindrückliches Beispiel hierfür ist die europäische Datenschutzgrundverordnung. Da der Binnenmarkt für amerikanische IT-Unternehmen nach wie vor einen wichtigen Absatzmarkt bildet, konnte Europa dieses Gewicht nutzen, um Firmen aus den USA eine restriktivere Datenschutzpraxis aufzuzwingen. Ähn­lich wirkten in der Vergangenheit Kartellrechtsverfahren der EU gegen Internetgiganten wie Google und Microsoft, wenn diese ihre Quasi-Monopol­stellungen missbrauchten.

Spitzt sich die Konfrontation zwischen den beiden Sphären zu, entsteht bei bewusst vorangetriebener strategischer Verflechtung mehr Friktion und Ent­scheidungsdruck. Schon jetzt üben sowohl die USA als auch China beim Umgang mit Huawei starken Druck auf Drittstaaten wie Deutschland aus. Weitere Konflikte bei digitalen Technologien sind zu erwar­ten. Dazu zählt Technologie für intelligente Verkehrssteuerung, Smart Cities (China hat ein Modellprojekt in Duisburg) oder Smart Grids, also IT-getrie­bene Energienetze.

Drittens können Staaten versuchen, Abhängig­keiten durch Entflechtung abzubauen. In der einfa­chen Variante geht es nur darum, Abhängigkeit in ein­zelnen Technologiesektoren zu verringern. Blickt man auf die politische Praxis, ist wahrscheinlich Estland auf diesem Weg bisher am weitesten voran­geschritten. Nahezu die gesamte öffentliche Ver­waltung des Landes basiert auf eigenentwickelten digitalen Technologien. Russland ist ebenfalls seit geraumer Zeit bestrebt, eigenständiger zu werden, indem es Pendants zu dominanten amerikanischen Diensten wie Google (Yandex) oder Facebook (vKontakte) aufbaut. Auch der Plan, die Infrastruktur des russischen Internets vollständig unter die Kon­trolle des Staates zu stellen, wird mit dem Gedanken verfolgt, sich aus Abhängigkeiten von den USA zu lösen.

Eine umfassendere Variante bestünde darin, für sämtliche Schlüsseltechnologien Alternativen zu ent­wickeln und damit zu beginnen, selbst eine technopolitische Einflusssphäre zu schaffen. Diese Variante wäre mit erheblichem finanziellem Aufwand ver­bunden. In einigen Hochtechnologiebereichen wie Halbleiterfertigung oder Quantencomputing dürften für Jahrzehnte Milliardeninvestitionen nötig sein, um eigene wettbewerbsfähige Alternativen zu ent­wickeln. Aufgrund der erwähnten Netzwerkeffekte und Strategien der selektiven Marktabschirmung wird es zudem für Nachzügler deutlich schwerer, bei Digitaltechnologien aufzuholen. Sollte Europa selbst eine dritte technopolitische Einflusssphäre etablieren wollen, wird sich dies aber nicht vermeiden lassen.

Hanns Günther Hilpert

Werte und Ordnungen: Ideologische Konflikte und Herausforderungen

Der sino-amerikanische Wertekonflikt bettet sich ein in den ideologischen Großkonflikt zwischen den demokratisch verfassten Marktwirtschaften des Wes­tens auf der einen Seite und staatskapitalistischen Systemen auf der anderen Seite. Die USA und China sind die Protagonisten der Auseinandersetzung; aber auch Europa und Russland spielen wichtige eigenständige Rollen. Der sino-amerikanische Werte­konflikt ist keine Neuauflage der ideologischen Kon­frontation des Kalten Krieges: Säkulare Ideologien besitzen nicht mehr denselben Stellenwert wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts. Weltanschauungen haben als Motor und Motivator von Großmacht­konflikten ausgedient. Bestenfalls erfüllen die unter­scheidbaren Wert- und Ordnungsvorstellungen Chinas und des Westens den Zweck, nach innen Iden­tität zu stiften und Herrschaft zu legitimieren sowie nach außen die eigene Softpower zu unterfüttern.

Die Unterschiede im Hinblick auf Werte und Ord­nungen sind im neuen sino-amerikanischen Wertekonflikt weniger trennscharf. Denn China ist politisch und wirtschaftlich in das westlich inspirierte Ord­nungssystem integriert und exponiert sich gegenüber dem Westen nicht selbst als Systemalternative. Und die US-Administration unter Präsident Donald Trump sieht sich, im Bruch mit der außenpolitischen Tradi­tion Nachkriegsamerikas, nicht als Hüterin einer liberalen Weltordnung, sondern primär als Verteidigerin amerikanischer Interessen. Es ist zwar möglich und auch durchaus wahrscheinlich, dass künftige US-Administrationen wieder eine Führungsrolle bei der normativen Deutung und ordnungspolitischen Gestal­tung der Welt beanspruchen werden. Derzeit hat aber vor allem Europa die Rolle übernommen, die libe­ralen westlichen Werte wie auch die regelbasierte multilaterale Ordnung zu schützen. Zwischen den USA und China findet eine harte ideologische Aus­einandersetzung wie während des Kalten Krieges bis­lang nicht statt. Allerdings überziehen sie sich gegen­seitig mit normativ aufgeladenen Vorwürfen.

Die unterschiedlichen Weltsichten Chinas und des Westens hinsichtlich der politischen Ordnung und politischer Prinzipien sind für beide Seiten eine Her­ausforderung – für China sicherlich eine größere als für die USA. Die Volksrepublik fürchtet nämlich um die Überlebensfähigkeit und Existenz des eigenen Systems und um die Macht der Partei, die nach eige­nem Dafürhalten als Einzige in der Lage ist, Chaos, Separatismus und Niedergang abzuwenden. Amerika und der Westen sorgen sich in der Debatte hingegen »nur« um den Verlust der Deutungshoheit in der inter­nationalen Politik, mittelbar ebenfalls um die Stabilität der multilateralen Institutionen, die im liberalen Geist des Westens errichtet worden sind. Machtpolitisch geht es den USA darum, ihre globale Vormachtstellung auch auf Ebene der Softpower zu wahren.

Die liberalen Ideen des Westens als Bedrohung für den Herrschaftsanspruch der Kommunistischen Partei Chinas

Trotz all ihrer Erosionserscheinungen dürften die liberalen westlichen Werte auf Chinas Intellektuelle und seine Gesellschaft nach wie vor eine große Faszi­nation ausüben und erhebliche Anziehungskraft besitzen, auch wenn keine belastbaren empirischen Untersuchungen hierzu vorliegen. Bereits die Forde­rungen nach Reformen im Frühjahr 1989 waren west­lich inspiriert; die Menschen, die sie erhoben, wurden auf dem Tiananmen-Platz brutal zum Schweigen ge­bracht. Die »Charta 08« orientiert sich ebenso an west­lichen Werten. Liu Xiaobo, Friedensnobelpreisträger von 2010, hat sie maßgeblich mitverfasst. Ihre zen­tralen Forderungen sind: Einhaltung der Menschenrechte, Einführung von demokratischer Gesetzgebung, Ge­wal­tenteilung und unabhängiger Justiz, Schutz des Privateigentums. Westliche Werte konsti­­tuieren für China eine veritable Systemalternative. Institu­tionell erfolgreich implementiert wurden libe­rale Ideen und Prinzipien bereits in den chinesisch geprägten Staaten und Gebietskörperschaften Singa­pur, Taiwan und Hongkong. Aktuell verteidigt die studentische Jugend sie vehement in der Sonder­verwaltungszone Hongkong gegen politische Über­griffe der Volks­republik.

Partei und Staat in China haben das liberale Weltbild mit seinem universalen Anspruch als subversive Herausforderung erkannt.

Zwar muss die Volksrepublik gegenwärtig eine Farbenrevolution nicht befürchten, nicht zuletzt aufgrund der ungemein erfolgreichen wirtschaft­lichen Entwicklung Chinas. Aber Partei und Staat haben das liberale Weltbild mit seinem universalen Anspruch als subversive Herausforderung sehr wohl erkannt. Auf Bedrohungen des eigenen Herrschaftsanspruchs reagiert das System mit Repression, Pro­paganda und Zensur. Politischer Dissens und regio­nale Autonomie­bestrebungen werden entschlossen abgewehrt und gegebenenfalls repressiv mit Haft und Umerziehung geahndet. Religionen wie das Christentum und der Islam werden gezwungen, in Symbolik, Liturgie und Sprache ein Sinisierungsgebot zu befol­gen. Die Arbeit in- und ausländischer Nichtregierungsorganisationen unterliegt seit 2018 umfang­reichen gesetzlichen und administrativen Beschränkungen. Ausländisch kontrollierte soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Google können in China praktisch nicht genutzt werden. Darüber hinaus schafft eine von 2004 bis 2010 in mehreren Phasen realisierte Schul- und Lehrbuchreform Distanz zu dem System der westlichen Demokratie und des liberalen Kapitalismus.75 In den staatlich kontrollierten Medien werden die westlichen Demokratien, insbesondere die amerikanische, als dysfunktional abqualifiziert, während die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erfolge Chinas offensiv beworben werden.76 Chinas »Great Firewall« erlaubt eine weit­reichende Zensur des Internets: IP-Blockaden unter­binden den Zugriff auf unerwünschte Websites. Auf Schlüsselwörter geeichte Content-Filter blockieren den Zugang zu Informationen, die aus Sicht des Regimes unerwünscht sind. Etwa 50 000 Zensoren kontrollieren die Diskussionen in Chatrooms und sozialen Netzwerken. Sie greifen ein, sobald sich aus individuellen Beschwerden kollektiver Unmut formiert.

China verteidigt seinen Herrschaftsanspruch und seine Interessen auch im Ausland offensiv. Ziel ist eine chinafreundliche Berichterstattung in den Medien und eine ebensolche Politik des Auslands. Sichtbar größer geworden ist die internationale Prä­senz chinesischer Staatsmedien (Tageszeitungen und inter­nationale Programme des China Global Tele­vision Networks, CGTN). Weniger bekannt ist die Mobilisierung der circa 60 Millionen im Ausland lebenden ethnischen Chinesen – unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft – für die Positionen und Interessen Chinas im Rahmen einer ausgereiften Diasporapolitik.77 Wichtige Kanäle, um den eigenen Einfluss im Ausland zu vergrößern, sind die Konfu­zius-Institute und der Chinesische Studenten- und Gelehrtenverband. Auch wird fallweise Druck auf auslän­dische Unternehmen ausgeübt, die in der Volksrepublik tätig sind – etwa um die chi­nesische Souveränität über Taiwan in Landkarten kennt­lich zu machen (United Airways, Christian Dior), um poli­tisch heikle Bilder aus der Werbung zu entfernen (Daimler, Leica), um Angestellte, die an den Demons­trationen in Hongkong teilgenommen haben, nicht mehr auf Flügen nach China einzusetzen (Cathay Pacific) oder um auf missliebige poli­tische Stellungnahmen zu verzichten (National Bas­ketball Associa­tion). Einfluss genommen wird auch auf politische Entscheidungsträger im Ausland mit­tels eines breiten Spektrums von Instrumenten, die bei gefälligen Ein­ladungen nach China und der Ver­mittlung lukrativer Geschäfte beginnen, aber auch Einschüchterung, Bestechung und Erpressung ein­schließen.78

Chinas neue Paradigmen für die internationale Zusammenarbeit

Obgleich inhaltlich vage und in der Zielsetzung un­bestimmt, offenbart die von Staatspräsident Xi Jin­ping angestoßene »Belt and Road«-Initiative (BRI) die Konturen einer neuen chinesisch zentrierten Welt­ordnung. Dabei ist die BRI aus chinesischer Sicht nicht das Gegenmodell zum globalen Ordnungs­system des Westens, sondern ihr notwendiges Kom­plement. Es soll Absatz- und Beschaffungsmärkte in einem internationalen Umfeld verlässlich sichern, das politisch stabil und China möglichst freundlich gesinnt ist. Des Weiteren soll es eine offene, flexible und inklusive Zusammenarbeit mit dem Ausland im Rahmen wirtschaftlicher, politischer und kultureller Netzwerke ermöglichen. Dabei fordert die Volks­republik in bi- und multilateralen Kontexten mit Nachdruck die politische Anerkennung der BRI als internationales Gestaltungsprinzip. Ziel der BRI ist nicht, westliche Ideen und Institutionen abzulösen – schließlich hat China im Zuge seines Aufstiegs von der Stabilität und Offenheit des westlichen Systems enorm profitiert. Aber am Ende des Weges könnte eine von chinesischer Zivilisation inspirierte neue Weltordnung stehen, in die dann bestehende multi­laterale Institutionen inkorporiert würden. Ohnehin beruht der chinesische Universalismus nicht auf Werten und Normen, sondern auf der Überzeugung, die chinesische Zivilisation, die auf konfuzianischen Moralvorstellungen fußt, sei anderen Zivilisationen überlegen.79

Dass China nicht aktiv an der Ablösung des west­lichen Ordnungssystems arbeitet, bedeutet nicht, dass es zum Stakeholder ebendieses Systems geworden wäre. Im Gegenteil – opportunitätshalber scheut die Volksrepublik nicht vor Maßnahmen und Politiken zurück, die die westliche Ordnung untergraben oder multilaterale Institutionen delegitimieren. Zwei Bei­spiele: China hat den Schiedsspruch des Ständigen Gerichtshofs in Den Haag von 2016 im Streitfall mit den Philippinen nicht anerkannt; außerdem miss­achtet es grundlegende Prinzipien der Welthandelsorganisation, wie jene der Nichtdiskriminierung und der Transparenz. Problematisch ist zudem Chinas Unterstützung repressiver Regime mit Krediten, Inves­titionen, Waffen, Überwachungstechnik und gegebe­nenfalls einem Veto im Sicher­heitsrat der Vereinten Nationen, ebenso die faktische Unterminierung rechts­staatlicher und zivilgesellschaftlicher Strukturen im Zuge kommerziellen Engagements im Aus­land. Aller­dings hält China strikt am Nichteinmischungsprinzip fest und sieht davon ab, autoritäre Herrschaftsregime offensiv zu verbreiten.80

Entwicklungs- und Schwellenländern bietet Chinas Symbiose aus Wachstum und Stabilität eine Alternative zum westlichen Modell.

Kritischer (aus westlicher Sicht) als Chinas ambi­valente Diplomatie und Außenpolitik ist die Beispiel­haftigkeit seines Transformations- und Modernisierungsprozesses. Für Entwicklungs- und Schwellenländer, insbesondere für ihre Herrschaftseliten, stellt Chinas gelungene Symbiose aus wirtschaftlichem Wachstum und autoritärer politischer Stabilität eine attraktive Alternative zum westlichen Modell dar. Das Beispiel der Volksrepublik zeigt, wie Entwicklung auf Grundlage der örtlichen Gegebenheiten möglich ist, aber auch wie Repression innenpolitische Stabilität schafft, wie Gesellschaften daran gehindert werden können, kritische Öffentlichkeiten zu bilden, und wie sich durch nationalistische Appelle System und Macht festigen lassen. China macht Staatslenkern und Entwicklungsplanern in Asien, Afrika und Latein­amerika deutlich, dass wirtschaftlicher Aufstieg und Globalisierung nicht notwendig auf dem westlichen Paradigma aufbauen müssen.81

Vor einem neuen Systemwettbewerb?

Chinas scheinbar unaufhaltsamer wirtschaftlicher Aufstieg hat das westliche Selbstverständnis, mit der demokratisch verfassten Marktwirtschaft über das erfolgreichste und humanste Ordnungssystem zu verfügen, in den Grundfesten erschüttert. Auch wenn China aufgrund seiner Größe, Dynamik und Kultur ein Sonderfall sein mag, zeigt die Entwicklung des Landes doch, dass die Kombination aus autoritärer Herrschaft und oligarchischem Kapitalismus nicht nur funktioniert, sondern auch hervorragende Ergeb­nisse zeitigen kann – in puncto Wachstum, Produk­tivitätsfortschritt, politische Stabilität und internatio­naler Status.82 Diese zumindest vorläufige Erkenntnis trifft überdies einen Westen, der zunehmend die eigene Fähigkeit in Frage stellt, Wachstum, Innova­tion und Wohlstand zu generieren und angesichts stagnierender Löhne, sozia­ler Ungleichheiten, des Klimawandels und des tech­nologischen Wandels für die Menschen eine positive, hoffnungsvolle Zukunft zu schaffen. Ferner muss der Westen damit zurechtkommen, dass die eigene Füh­rungsmacht USA in ihrer Innen- und Außenpolitik die normativen Grund­­lagen der liberalen Ordnung fortlaufend untergräbt.

China widerlegt – zumindest vorläufig – die von vielen geteilte liberale Erwartung, mit wachsendem Wohlstand setze auch eine politische Liberalisierung in Richtung Demokratie, Pluralismus und Rechts­staatlichkeit ein. In China scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Die erfolgreiche ökonomische Entwicklung hat die Machtvertikale gestärkt und ist narrativer Teil des identitätsstiftenden chinesischen Natio­na­lismus. Partei, Staat und Gesellschaft durchlaufen eine Phase der Ideologisierung, Disziplinierung und Kaderisierung. Chinas autoritärer Staatskapitalismus ist zu einer wirkmächtigen Systemalternative zu den demo­kratisch-kapita­listischen Gesellschaften des Westens geworden. Allerdings ist ungewiss, wie und wohin sich China künftig entwickelt. Einerseits ist denkbar, dass das Regime mit Hilfe der Digitalisierung die soziale Kontrolle im Land effizient ausbaut und die systemischen Defizite staatlicher Wirtschafts­planung minimiert – und dadurch noch zusätzlich an Resi­lienz gewinnt. Andererseits könnte die Volks­republik an den Folgen ihrer dysfunktionalen Politik scheitern, also die Probleme nicht in den Griff be­kommen, die aus interner Verschuldung, industriellen Überkapazitäten, wachsenden Ungleichheiten, Umweltverschmut­zung und Korruption herrühren. Eine Systemkrise wäre die Folge.83

Die deutsche Außen- und Außen­wirtschaftspolitik kann den Systemwettbewerb mit China nicht als Nebensache betrachten.

Abschließend ist festzuhalten: Der weitere Verlauf und das Ergebnis des westlich-chinesischen Systemwettbewerbs sind grundsätzlich offen. Dass in einer vernetzten, globalen Weltwirtschaft zwei unterschied­liche Ordnungssysteme miteinander kompatibel sind und parallel nebeneinander existieren, ist zwar nicht auszuschließen, aber unwahrscheinlich. Eher dürfte das eine System das andere dominieren oder gar verdrängen. Der Systemwettbewerb mit China ist definitiv von hoher Relevanz. Deutschland und Europa haben ein vitales Interesse daran, nach innen ihre liberalen Werte aufrechtzuerhalten und im internationalen Kontext eine liberale Ordnung zu bewahren. Deutsche Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik können den Systemwettbewerb mit China nicht als nebensächliches Meinungsthema betrachten. Vielmehr sollten sie dem europäischen Werte- und Ordnungsinteresse in den Beziehungen mit China den gebotenen zentralen Stellenwert ein­räumen.

Günther Maihold

Trump und Xi: Wettbewerb der Führungsstile

Die starke Personalisierung der Politik Chinas und der USA in der Ära Xi und Trump prägt die Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten nachhaltig. Auch Drittstaaten bleiben von Xis und Trumps Führungs­stilen nicht unberührt, sei es aufgrund der Notwendigkeit, sich mit ihren Auswirkungen zu arrangieren, sei es durch die Versuchung, sie als Vorlage für das eigene Handeln zu übernehmen. Der Einfluss ein­zelner Entscheidungsträger und ihres Führungsstils ist ein maßgeblicher Faktor dafür, wie Staaten ihr außenpolitisches Handeln ausrichten.84 Dies gilt zu­mal für die Einschätzung der eigenen Erfolgsaussichten, die Akzeptanz bei Anhängern und die Durch­setzungs­chancen im internationalen Feld. Gerade in präsidentiellen politischen Systemen ist Führungsfähigkeit und der damit verbundene Führungsstil der Person an der Staatsspitze ausschlaggebend dafür, Wandel zu gestal­ten und neue Anhänger zu gewin­nen. Daher eignet sich die Betrachtung von Führungs­stilen als Zugang, um Dynamiken im Regierungs­handeln zu erfassen.85

Die Präsidenten Chinas und der USA haben das Feld der Außenpolitik neu abgegrenzt, sowohl in der Binnenstruktur ihrer Staaten als auch in den Bezie­hungen nach außen. In den USA hat Präsident Trump dafür gesorgt, dass das State Department nur noch wenig Einfluss auf außenpolitische Entscheidungen hat; in China hat die Kommunistische Partei unter Präsident Xi die Kontrolle über Entscheidungen an sich gezogen. Die Gestaltung der internationalen Politik wie auch die machtpolitische Absicherung im nationalen Rahmen werden stark von den unter­schiedlichen Führungsstilen beider Präsidenten be­stimmt. Xi hat die Strukturen der Kommunistischen Partei zentralisiert und auf diese Weise dem Verfall der Entscheidungsmacht und der schwindenden Fähigkeit zur Kontrolle entgegengewirkt. Trump hat direkte Beziehungen zu seiner Wählerschaft auf­gebaut, dabei die Strukturen des Parteiapparates der Republikaner umgangen und eine »Fangemeinde« geschaffen, die an seine Person gebunden ist. Die Führungsstile beider Präsidenten lassen sich aber nicht nur mit Merkmalen ihrer jeweiligen Persönlich­keit erklären. Sie hängen auch damit zusammen, wie präsidiale Macht in die institutionellen Kontexte der jeweiligen Regierungssysteme eingebettet ist.

Donald Trumps »transaktionaler« Führungsstil86

US-Präsident Trump präsentiert sich als klassischer »deal maker«, der als »harter Verhandler« auftritt, seinem Verhandlungsgeschick ver- und dem diplo­matischen Apparat misstraut. Er sucht die eigene Handlungsautonomie auszuspielen und verfolgt da­mit das Ziel der Selbstaufwertung, die er vor allem bei seiner Gefolgschaft im Lande in den Vordergrund stellt. Bei einem solchen »transaktional« orientierten Zugang zu außenpolitischem Handeln wird alles zur »Verhandlungsmasse«.

Zwischenstaatliche Vereinbarungen ersetzt Trump durch persönliche Absprachen und Rituale der An­erkennung.

Persönliche Absprachen mit anderen Staatslenkern und Rituale gegenseitiger Anerkennung ersetzen Ver­einbarungen zwischen Staaten und Ministerien.87 Ein solches Verständnis lebt von der transversalen Ver­knüpfung aller möglichen Politikfelder, um poli­tischen Druck aufzubauen und eigene Handlungs­autonomie zu beweisen. Bewährte Handlungskorridore werden dadurch stillgelegt, da die Eigenlogik ein­zelner Politikfelder nicht berücksichtigt wird oder mit ihr verbundene Nebenfolgen aus dem Blick geraten. Im Führungsstil Trumps spiegeln sich daher auch alle Widersprüche der verschiedenen Erwartungen an sein Verhalten, denen er in der Innenpolitik und gegenüber seiner Anhängerschaft gerecht werden muss. Diese können kaum durch die kontrollierende Wirkung des diplomatischen Apparates aufgefangen, geschweige denn ausgeglichen werden.

Xi Jinpings »transformativer« Führungsstil

Dem chinesischen Staatschef ist es gelungen, durch eine extreme Zentralisierung des außenpolitischen Apparates institutionelles Handeln mit persönlicher Entscheidungsmacht zu verbinden.88 Xi setzt sich als »Chefdiplomat« international und national in Szene und hat diese Rolle abgesichert, indem er starken Rückhalt dafür in der Partei- und Regierungshierarchie suchte und fand.89 Über seine zentrale Führungsposition in Partei und Staat hält Xi alle Fäden der Macht in der Hand.90 Im Feld der Außenpolitik übt er die Kontrolle aus, seit er den außenpolitischen Aus­schuss des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas geschaffen und seiner Leitung unterstellt hat. Dass Xi Regierungs- und Parteiapparat gestrafft hat, ist Teil des Übergangs des chinesischen Systems von einem fragmentierten zu einem auto­kratischen Autoritarismus.91 Xi Jinpings Führungsstil und der Kult um seine Person können als »trans­formativ« beschrieben werden. Das gilt nicht nur im Hinblick auf die innere machtpolitische Basis, die Xi im Zuge der Parteireform und des damit einhergehen­den Wandels von kollektiver zu persönlicher Füh­rung gestärkt hat.92 Auch nach außen ist diese trans­formative Ausrichtung erkennbar: Mit der »Belt and Road«-Initiative wurde ein übergreifendes Narrativ gesetzt, das Chinas Anspruch auf eine herausragende Rolle weltweit stützt und dem gemäß viele Akteure, die bislang nur national handelten, nun international tätig werden sollen. Die Initiative wurde in der inter­nationalen Politik als »grand strategy« wahrgenom­men und bewirkte, dass sich zahlreiche Akteure auf China ausrichteten. Auch für den Umgang mit den regionalen Nachbarstaaten in Ost- und Südostasien hat sich Xi zu einer risikobereiten Diplomatie ent­schlossen, die vor allem Chinas Zielen dienen soll.

Kollision der Führungsstile: Hohe Ver­trauenskosten, geringe Ergebnistreue

Die unterschiedlichen Führungsstile Trumps und Xis tragen dazu bei, dass die beiden Akteure sich offenbar zusehends als inkompatibel erweisen. Aus Sicht der chinesischen Führung ist Trump in der persönlichen Beziehung wenig verlässlich und deshalb nur ein­geschränkt berechenbar. In den Augen des Weißen Hauses wiederum nährt Xis Führungsstil beste­hende Vorbehalte– mit seiner hohen Machtkonzen­tration, starker interner Kontrolle, dem als expan­siv empfundenen wirtschaftlichen Aufstieg und dem dazugehörigen strategischen Narrativ. Angesichts der Zentralisierung und Personalisierung der Macht im Feld der Außenpolitik bestimmt die Ausrichtung der Führungs­stile, welche Handlungskorridore den Akteuren unter Berücksichtigung institutioneller und politischer Rahmenbedingungen offenstehen. Das Aufein­ander­treffen der beiden konträren Führungs­stile erzeugt beträchtliche Kosten für das gegenseitige Vertrauensverhältnis.

Die Funktionslogik einer »transactional leadership position«, wie Trump sie einnimmt, beruht wesentlich auf dem Verständnis, dass in einer Situation gegen­seitiger Abhängigkeit erst durch einen – nicht notwendig symmetrischen – Austausch gegenseitiger Positionen und eine daraus resultierende Absprache ein Anerkennungsverhältnis und damit Vertrauen entsteht. Dabei spielen Normen, Standards und Richt­linien eine eher untergeordnete Rolle. Wichtiger ist, situationsbedingt Antworten auszuwählen, die als angemessen erachtet werden, wenn bestimmte Ziele und Interessen verfolgt werden. In diesem Führungsstil wird die Stabilität einer Beziehung weniger hoch bewertet als ein kurzfristiger Positionsgewinn.93 Die in­haltliche Ausgestaltung der »Deals« bleibt weit­gehend offen und verhandelbar. Wenn aber das Leistungs­vertrauen zwischen beiden Seiten gering ist – also die Erwartung an den anderen, dass er die erreichten Vereinbarungen beispielsweise im Han­delssektor auch umsetzen will –, lässt sich keine belastbare Beziehungsstruktur entwickeln. Neigen die Akteure dazu, die Beziehung auch aus innen­politischem Interesse mit Themen aus anderen Politikfeldern wie etwa der Nordkorea-Problematik aufzuladen, gefährdet dies unmittelbar das gesamte Bezie­hungsmuster. Da­mit wird die Verwirklichung der erzielten Übereinkünfte unsicher und deren Beständigkeit in Frage gestellt. Hinzu kommt die Herausforderung, stark durch personalisierte Füh­rungsstile gekennzeichnete Übereinkünfte abzusichern und dabei gleichzeitig die Interessen und Vor­behalte institutioneller Akteure wie etwa Senat und Außenministerium zu berücksichtigen oder in der Formulierung des »Deals« mitzubedienen.

Dagegen eröffnet »transformational leadership« im Sinne von Xis Führungsstil die Chance, mit einem strategischen Narrativ wie »Belt and Road« Berechenbarkeit und Bindungswirkung zu erzeugen, die über die unmittelbaren Absprachen hinausreichen und dauerhafte Beziehungen zwischen den Staaten stiften können. Dies gilt nicht nur für die USA und China, sondern auch für Drittstaaten, denn sie sollen in das Kalkül des Narrativs eingebunden und seinen Hand­lungsimperativen unterworfen werden. Das kann aber auch negative Folgen haben. Dieses Narrativ ist in der allgemeinen Wahrnehmung eng mit einer Führungspersönlichkeit verbunden, die durch Macht­konzentration gestärkt wurde. Deswegen stützt es auch die Annahme, dass China nach weitreichender Hegemonie strebt und insofern Einfluss oder Druck auf maßgebliche gesellschaftliche Kräfte der pro­spektiven »Partnerländer« ausübt. Rigide Verfahrensweisen im Innern mit dem Zweck, die Kontrolle durch die Partei herzustellen, schaden auch den Außen­beziehungen, da sie die Hoffnung auf part­nerschaftliche Ansätze konterkarieren. Zudem be­fürchten die USA, China könnte expansionistische Absichten hegen. Dies hat zur Folge, dass jegliche konkrete Übereinkunft wie etwa im Fall Huawei unmittelbar in einem anderen Licht inter­pretiert wird. Das beeinträchtigt die Berechenbarkeit des Partners und entzieht dem Vertrauensverhältnis die Grundlage.

Wettbewerb der Führungsstile

Die Auswirkungen der konträren Führungsstile lassen sich sowohl im direkten Verhältnis zwischen den Prä­sidenten Trump und Xi als auch mit Bezug auf Dritt­staaten aufzeigen. So ist umfassend dokumentiert, wie Trump außenpolitische Themen für innenpolitische Zwecke nutzte, etwa bei seinem Projekt, gegenüber Mexiko eine Mauer zu errichten, um Migration und Gewalt abzuwehren. Von diesem Politikverständnis war auch China betroffen, das der amerikanische Präsident als »Währungsmanipulator« und als »rule breaker« sowohl in der Handelspolitik als auch im juristischen Sinne titulierte. Trump sieht China einer­seits als strategischen Widersacher in Handelsfragen, andererseits als nützlichen Akteur auf ein­zel­nen Problemfeldern wie Nordkorea. Entscheidender Maß­stab ist aber stets die Innenpolitik der USA. China wird als »revisionistische Macht« gesehen, als »Riva­le«, der versuche, »eine Welt zu formen, die den Werten und Interessen der USA entgegengesetzt« sei. Das Land sei bestrebt, die Vereinigten Staaten zu ver­drän­gen und die »Welt neu zu ordnen«.94

Mit dieser Stoßrichtung verfolgt Trump einen An­satz, der stark an bilateralen Beziehungen orientiert ist und bei dem das Muster des »deal making« am besten zum Tragen kommen soll. Trump macht mög­liche Vereinbarungen von seiner persönlichen Wert­schätzung für sein Gegenüber abhängig. Das unter­streicht zusätzlich die auch politisch gewollte Abkehr von multilateralen Formaten, an denen der Präsident eher widerwillig teilnimmt. Sein unkontrollierter Kommunikationsstil und die starke emotionale Auf­ladung der Politik sind mit chinesischen Umgangs­formen nicht vereinbar und sorgen für Verunsiche­rung in Pekings Führung, zumal wenn China in den amerikanischen Wahlkampf hinein­gezogen wird. Damit wird aus chinesischer Sicht der Respekt in den internationalen Beziehungen, aber auch gegenüber Xi verletzt.

Außenpolitischer Aktivismus und verdichtete Interaktion mit ande­ren Staaten – damit verfolgt Xi einen neuen Kurs.

All diese Elemente wer­den als »antidiplomatisches Verhalten« betrachtet, nicht nur weil Trump sich diplomatischen Umgangs- und Ausdrucksformen entzieht, sondern auch, weil er seine Posi­tionen in einem konfrontativen, mit Drohungen versetzten Duktus vorträgt. Die Versuche, durch (Handels-) Sanktionen das erwünschte Verhalten zu erzwingen, können bei seinem chinesischen Gegen­über nur auf eine harte Antwort stoßen, da sie den Grundprinzipien von Statusanerkennung und Res­pekt in der chinesischen Außenpolitik und ihrem Selbstverständnis zuwiderlaufen. Trumps Aversion gegen multilaterales Handeln steht im Einklang mit seinem »trans­actional approach«, der an überschau­baren bilateralen Beziehungsmustern orientiert ist. Trumps Vor­liebe für Top-down-Lösungen hängt auch damit zu­sammen, dass der Präsident sich nachdrück­lich von bürokratisch dominierten Abstimmungs­verfahren distanziert, um auf diese Weise bei seiner Anhängerschaft glaubwürdig zu erscheinen.

Im Gegensatz zu seinem unmittelbaren Vorgänger Hu Jintao ist Präsident Xi Jinping bereit, im Sinne des von ihm selbst propagierten nationalen Selbstbewusst­seins gewisse Risiken in den internationalen Beziehun­gen einzugehen und sich damit dem Machtanspruch der USA entgegenzustellen. Xis außenpolitischer Akti­vismus und die verdichtete Interaktion mit anderen Staaten signalisieren eine deutliche Änderung des Kurses, den sein Vorgänger verfolgt hatte.95 Das zu­nehmende »hard balancing«, wie es einige Staaten im näheren Nachbarschaftsbereich, etwa Japan, bei mari­timen und territorialen Fragen betreiben, setzt China zwar in seiner Partnerschaftsrhetorik unter Druck. Es ändert aber nichts an Xis Maxime, seine Außenpolitik müsse zuvorderst einem Kernbestand nationaler Inter­essen Rechnung tragen.96 Mit seiner »major coun­try diplomacy with Chinese characteristics« setzt er sich von vergangenen Doktrinen einer vorsichtigen, nahezu »unsichtbaren« Außenpolitik ab und vertritt stattdessen eine klare Führungsrolle Chinas einschließ­lich angemessener Mitsprachemöglichkeiten.97 Zentraler Wert, besonders im Verhältnis zu den USA, ist gegenseitiger Respekt, der sich sowohl auf terri­toriale Integrität als auch die Anerkennung unterschiedlicher Entwicklungsmodelle bezieht. China er­wartet unter Xis Führung, dass die eigene Bedeutung hinreichend gewürdigt wird. Xi strebt für sein Land, aber auch für sich als Person größere Sichtbarkeit und einen internationalen Statusgewinn an. Unter­strichen wird dieser Anspruch durch Prä­senz auf multilateraler Bühne und durch multi­laterale Orga­nisationen wie etwa die Asian Infrastructure Invest­ment Bank (AIIB) oder die New Development Bank (BRICS-Bank). Die persönliche Beziehung Xis zu seinem amerikanischen Gegenüber tritt hinter der Erwartung zurück, konkrete Verbesserungen für sein Land zu erzielen.98 Dies ist das glatte Gegen­teil des Trump’schen Verständnisses, dass gute persönliche Beziehungen die Voraussetzung dafür sind, eine große Zahl von Problemen auf der bilatera­len Agenda abzuarbeiten. Dagegen setzt Xi in seinem Führungsstil auf feste Drehbücher99 für das außen­politische Handeln, von denen nicht wegen persön­licher Bezie­hungen abgewichen wird. Der strategische Wettbewerb wird zwar in die Form von »Konsultation und Zusammenarbeit« im Sinne enger Partnerschaften gegossen, ist aber getragen von dem unausgespro­chenen Vorbildcharakter, den China für sich rekla­miert.100

Strategische Konkurrenz

Die Kollision der beiden Führungsstile ist Teil der strategischen Konkurrenz. Die Personenzentrierung des außenpolitischen Handelns und die formale Auto­rität bestimmen den angewandten Führungsstil. Treffen diese konträren Führungsstile aufeinander, so werden nicht nur Konflikte im direkten Verhältnis geschaffen oder bestehende vertieft. Auch die Ver­trauensgrundlagen zwischen den betreffenden Staa­ten erodieren. Für Drittstaaten eröffnen sich damit möglicherweise größere Handlungsspielräume und Chancen auf Gewinne, wenn sie versuchen, eine Balance zwischen den Führungsstilen und zwischen ihren Protagonisten herzustellen. Diese Konkurrenz der Führungsstile schafft einen ungedeihlichen Kon­text, der es erschwert, tragfähige Lösungen für über­greifende Fragen wie globale Probleme zu finden, etwa bei Klimaschutz oder Rüstungskontrolle.

Die Europäische Union setzt vor allem auf multi­laterale Ordnungs- und Kooperationsformate. Sie kann nur unter hohen Kosten und Vorleistungen jene Bedingungen gewährleisten, die nötig sind, um Alleingänge Trumps im Rahmen seines transaktionalen Führungsstils zu verhindern oder seine fehlende Rücksichtnahme auf Bündnisinteressen auszugleichen. Über­dies ist Europa nur begrenzt in der Lage, Status­konflikte zwischen den USA und China bilate­ral ein­zuhegen, die sich mit dem Ende des kollektiven Führungsmodells und der darauf folgenden Machtkonzentration in Xis Hand verschärft haben. Der Grund dafür ist, dass solche Statuskonflikte – wie der Fall Huawei zeigt – von beiden Ländern unmit­tel­bar in das konfliktgeladene bilaterale Beziehungsmuster eingepasst werden.

Laura von Daniels

Auswirkungen des US-China-Konflikts auf die multilaterale Ordnung

Mit der Entwicklung Chinas zu einer wirtschaft­lichen, politischen und militärischen Großmacht und dem gleichzeitigen Aufkommen der »America First«-Politik in den USA gerät die multilaterale Ordnung zu Beginn der zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts in eine tiefe Krise. Die größten politischen Heraus­forderungen unserer Zeit sind auf transnationale Phä­nomene zurückzuführen, wie den Klimawandel, die ungleiche Verteilung der Erträge wirtschaftlichen Wachstums oder Pandemien. Wir erleben jedoch keine Zunahme an Kooperation zwischen Staaten in internationalen Organisationen, sondern einen Still­stand bei multilateralen Einigungsprozessen.101 An eine Weiterentwicklung der bestehenden Institutionen und Regelwerke ist kaum zu denken. China unter Staatspräsident Xi Jinping stellt sich zwar als Be­wah­rer des Multilateralismus dar, untergräbt aber de facto die Arbeit multilateraler Institutionen. Gleich­zeitig droht US-Präsident Donald Trump mit dem Rückzug aus multilateralen Organisationen, die er mal für nutzlos, mal sogar für feindselig und gegen US-Inter­essen gerichtet erklärt. Beide Staaten unter­minieren jeweils auf ihre Art die globale Ordnung, indem sie multi­lateral vereinbarte Regeln missachten und die Insti­tutionen für Machtdemonstrationen missbrauchen.

Die wachsende Rivalität zwischen Peking und Washington

In den USA wird der Aufstieg Chinas zu einer wirt­schaftlichen Macht schon länger kritisch betrachtet. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 wuchs in der US-Politik die Sorge, dass sich China auf der Basis seines enormen wirtschaftlichen Erfolgs auch zu einem geopolitischen Rivalen entwickelt. Die Grund­lage für die seit dem Zweiten Weltkrieg nahezu un­angefochtene Dominanz Washingtons in den multi­lateralen Organisationen bildeten der Wille, die internationale Ordnung maßgeblich zu gestalten, und die Fähigkeit, große finanzielle Lasten zu tragen.

Einst dominierten die USA fast unangefochten in den multilateralen Organisationen – die Finanzkrise war eine Zäsur.

Die Finanzkrise markiert insofern eine Zäsur, als ihre Folgekosten für den öffentlichen Haushalt die Fähigkeit der USA einschränkten, die eigene Dominanz in wichtigen multilateralen Organisationen aufrechtzuerhalten. Zwar unterstützte die Regierung von Präsident Barack Obama weiterhin die internatio­nalen Institutionen und machte sich für multilaterale Prozesse zur Konfliktlösung stark, doch reduzierte sie ihren finanziellen Einsatz erheblich, vor allem auf Druck des Kongresses.102 Gleichzeitig setzte die Volks­republik China, die aus der Finanzkrise weitgehend unbeschadet hervorgegangen war, massiv fiskalische Ressourcen ein, um ihren Einfluss in multilateralen Organisationen zu steigern. Aus Sicht Washingtons, aber auch des übrigen Westens hat sich in der letz­ten Dekade nach dem wirtschaftlichen auch das geo­strategische Gravitationszentrum nach Asien verscho­ben, vor allem nach China. Die Konkurrenz und die wachsenden Spannungen zwischen den USA und China sind in zwei Bereichen der globalen multilateralen Ordnung deutlich erkennbar: zum einen inner­halb der Bretton-Woods-Institutionen Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) sowie der später gegründeten Welthandelsorganisation (WTO), zum anderen im Kontext der Vereinten Nationen (VN). Von der Rivalität zwischen den beiden Großmächten sind die Interessen der EU und Deutschlands zu­nehmend negativ betroffen.

Die Bretton-Woods-Institutionen und der amerikanisch-chinesische Konflikt

Unter der Oberfläche des sichtbaren Handelsstreits zwischen den USA und China verbirgt sich schon seit den frühen 2000er Jahren ein Konflikt um die Betei­ligung an globalen Entscheidungen. Innerhalb der Bretton-Woods-Institutionen, die zur Kooperation in Wirtschafts-, Finanz- und Währungsfragen gegründet worden waren, forderte China ein seiner wirtschaft­lichen Bedeutung entsprechendes größeres Stimm­gewicht. Die USA, unterstützt von den weiteren G7-Staaten, blockierten jedoch eine stärkere Mitsprache Chinas im IWF und in der Weltbank. In der Folge setzte China seine enorme finanzielle Kraft ein, um neue Formate und Organisationen zu gründen, die es seitdem als größter Einzelgeber dominiert. Das gilt vor allem für die Asiatische Infrastruktur-Investitions­bank (AIIB), die BRICS-Entwicklungsbank sowie die »Belt and Road«-Initiative.

Nach seinem Beitritt zur WTO 2001 hielt sich China zudem nicht an wichtige Handelsregeln. Einige der in seinem Beitrittsprotokoll versprochenen Refor­men hat das Land bis heute nicht umgesetzt, vor allem im Bereich der Marktöffnung und des Schutzes geistigen Eigentums. Hatte Trumps Amtsvorgänger zwar Chinas neomerkantilistische Wirtschaftspolitik kritisiert, dabei aber am multilateralen Regelwerk festgehalten, schlug Präsident Trump von vornherein einen anderen Kurs ein. Seine Regierung fordert von China Reformen, die auf einen vollständigen Wandel des dortigen wirtschaftlichen Wachstumsmodells hinauslaufen würden. Die USA, aber auch die EU, Japan und Kanada werfen China systematischen Dieb­stahl geistigen Eigentums vor und beanstanden wett­bewerbsverzerrende Anforderungen an westliche Unter­nehmen auf dem chinesischen Markt. Anstatt den wirtschaftlichen Konflikt mit China innerhalb der WTO auszutragen, schwächt die Trump-Regierung jedoch diese multilaterale Organisation aktiv auf zwei Wegen.

Erstens setzt sich Washington über die multilateral vereinbarten Regeln der WTO hinweg, indem es ein­seitig umfassende Einfuhrzölle verhängt, die es zum Teil sogar auf seine politischen und militärischen Verbündeten ausgeweitet hat. Mögliche langfristige Schäden für die Organisation nimmt die Trump-Regierung in Kauf. Dieses Verhalten könnte all jenen Ländern als Vorbild dienen, die beispielsweise aus innenpolitischem Kalkül ihre Wirtschaft mit Hilfe von Zöllen vor ausländischer Konkurrenz schützen wollen. Das Vorgehen der USA könnte so eine Negativ­spirale unilateraler Zölle und weiterer Regelbrüche auslösen.

Zweitens blockiert die Trump-Regierung seit Juni 2017 die WTO-Berufungskammer (Appellate Body). Am 10. Dezember 2019 musste diese ihre Tätigkeit ein­stellen, da nach dem Ende der Amtszeit zweier Streit­schlichter keine Juristinnen und Juristen mehr beru­fen werden konnten. Bis zuletzt nannte die Trump-Regierung keine konkreten eigenen Bedingun­gen wie zum Beispiel bestimmte Regelveränderungen, die sie zu erneuter Kooperation mit der Berufungskammer bewegen würden. Hingegen versucht sie den gemein­samen Vorstoß der EU, Kanadas und Norwegens zu konterkarieren, der die zweistufige multilaterale Streit­schlichtung auch ohne Beteiligung der USA möglich machen könnte. Aus Unzufriedenheit über das Vorgehen Brüssels und seiner Partner blockierte die Trump-Regierung Mitte November, also kurz vor der Verabschiedung des WTO-Haushalts für die Jahre 2020/2021, die künftige finanzielle Unterstützung für das Sekretariat der Berufungskammer. Weil in der Organi­sation das Einstimmigkeitsprinzip gilt, gelang es der US-Regierung damit, sowohl die notwendige Besetzung vakant gewordener Richterstellen zu verhindern als auch das Sekretariat der Berufungskammer lahmzulegen.

Die EU kann als Handelsmacht ein Ende der be­stehenden Streitschlichtung in der WTO nicht einfach hinnehmen und auf bessere Zeiten hoffen. Zwar wird sie nach Abschluss weiterer Verhandlungen – zum Beispiel mit Japan und den Mercosur-Staaten103 in La­tein­amerika – in den nächsten Jahren rund 40 Pro­zent ihres Warenhandels über bi- und plurilaterale Han­delsverträge absichern, die auch Regeln zur Bei­legung von Streitfällen zwischen privaten Unternehmen und Staaten enthalten. Für mehr als die Hälfte ihrer Han­delsbeziehungen, darunter auch denen zu den USA, China und Indien, bestünde jedoch vorerst keine Mög­lichkeit für eine regelbasierte und bindende Streitschlichtung wie derzeit im WTO-Rahmen.

Die Vereinten Nationen und der amerikanisch-chinesische Konflikt

Die Rivalität zwischen den USA und China entfaltet ihre Wirkung auch in den Vereinten Nationen und verursacht dort einen Entscheidungsstau bei zen­tralen Fragen. Während China im vergangenen Jahr­zehnt seine finanziellen Beiträge für VN-Organisa­tionen verfünffacht hat, ziehen sich die USA – und zwar nicht erst seit Antritt der Trump-Adminis­tration – schrittweise zurück.104

China ist zweitgrößter individueller Geldgeber der Vereinten Nationen.

China ist heute der zweitgrößte individuelle Geldgeber der Vereinten Nationen; dies gilt sowohl für das reguläre Budget als auch für die Finanzierung von Friedensmissionen.105 Unter den fünf ständigen Sicher­heitsratsmitgliedern stellt die Volksrepublik die meis­ten Kräfte für Friedenseinsätze bereit. Derzeit sind dies über 2500 Soldaten und Polizeikräfte, die vor­wiegend bei Friedensmissionen in Afrika mitwirken. Insgesamt lag China 2019 auf Platz 10 der Länder, die Personal in VN-Missionen entsandten.106

Die Volksrepublik hat den Wert der VN als politische Plattform erkannt, die sie geschickt strategisch nutzt. Seit 2013 hat China in vier Unterorganisationen der Vereinten Nationen eine Führungsrolle über­nommen: der Ernährungs- und Landwirtschafts­organisation (FAO), der Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), der Internationalen Tele­kommunikationsunion (ITU) und der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). China benutzt diese Organisationen, um politische Debatten zu beeinflussen und eigene politische Begriffe zu prägen, die über offizielle Dokumente in den allgemeinen VN-Diskurs über Frieden und Entwicklung einfließen (etwa »community of a shared future for mankind« oder »democratization of international relations«).107 Als exemplarisch für den Versuch Xi Jinpings, den VN-Diskurs zu verändern, kann auch das Auftreten Chi­nas im Menschenrechtsrat gesehen werden.108 Peking bediente sich des Rates seit 2013 wiederholt als Platt­form für eigene Propaganda. Chinesische Ver­trete­rinnen und Vertreter rechtfertigten dort die Internierung von Mitgliedern der uigurischen Minder­heit – geschätzt fast einer Million Menschen – in der Provinz Xinjiang als notwendige Maßnahme, um den muslimischen Extremismus zu bekämpfen.109 In mündlichen und schriftlichen Beiträgen stellte die chinesische Regierung im Menschenrechtsrat den Wert individueller Menschenrechte in Frage und betonte die Bedeu­tung staatlich gelenkter Entwicklungsprogramme sowie die Prinzipien der nationalen Sou­veränität und der Nichteinmischung in innerstaatliche Belange. Delegierte Chinas im Menschenrechtsrat störten zudem im Juli 2019 einen Dialog mit Aktivisten der Opposition aus Hongkong.110 Außerdem versuchte China im September 2019 zu verhindern, dass erneut Oppositionelle aus Hongkong im Men­schenrechtsrat zu Wort kamen und über mutmaß­liche Gewalt chinesischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten berichteten.111

Bisher ist eine Antwort der US-Regierung auf die chinesische Politik gegenüber den VN ausgeblieben. Die USA beendeten 2018 ihre Mitgliedschaft im Men­schenrechtsrat. Zwar unterzeichnete Trump Ende November 2019 zwei Gesetze, die bei Menschenrechts­verletzungen in Hongkong wirtschaftliche Sank­tionen gegen die Provinz und gegen Einzelpersonen möglich machen. Ihm blieb jedoch kaum eine Wahl, da ein präsidentielles Veto gegen die chinakritischen Gesetze wohl von einer Zweidrittelmehrheit der Kongress­mitglieder überstimmt worden wäre.112 In früheren Aus­sagen zu den Protesten in Hongkong hatte Trump durchblicken lassen, dass er die Gewalt gegen die Opposition als innere Angelegenheit Chinas begreife.

In weiteren Fällen, die für großes Aufsehen sorgten, reduzierten die USA unter Trump ihre finan­ziellen Zuwendungen an die VN. Ein Beispiel ist der Rückzug der Regierung aus dem VN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNWRA) nach fast 70-jähriger Mitgliedschaft. China dagegen erhöhte seine Zuwen­dungen an UNWRA von jährlich rund 300 000 Euro auf über 2 Millionen Euro im Jahr 2018.113 Auch 2019 drohte die Trump-Regierung wiederholt, die Finanzzuwendungen der USA an die VN empfindlich zu beschneiden. Selbst dort, wo der US-Kongress Haus­haltskürzungen verhindert hat, verweigert die Trump-Regierung indirekt die Unterstützung, indem sie bereits bewilligte Zahlungen nicht an die VN über­weist. Erwartet wurde, dass sich der Zahlungsrückstand der USA bei den VN bis Ende 2019 auf über 950 Millionen Euro belaufen könnte.114

Ausblick

Weder China noch die USA verhalten sich gegenüber multilateralen Organisationen konsequent und aus­schließlich destruktiv oder unkooperativ. Beide Groß­mächte umgehen jedoch multilaterale Organisationen und Regelwerke. Bei der Lösung drängender Kon­flikte setzen beide Staaten auf bilaterale Verhand­lungen. Damit schaden sie den internationalen Orga­nisationen, weil diese zunehmend ausmanövriert werden. Deshalb ist zum Beispiel die EU-Initiative richtig, gemeinsam mit anderen Staaten eine multi­laterale Streitschlichtung im Rahmen der WTO auf­rechtzuerhalten. Sie reicht aber nicht aus. Die EU sollte sich aus eigenem Interesse auch in den weite­ren Bereichen der multilateralen Ordnung und in Koalitionen mit anderen Staaten darum bemühen, die bestehenden Institutionen zu stützen und ihren Fortbestand zu sichern.

Annegret Bendiek / Barbara Lippert

Die Europäische Union im Spannungsfeld der sino-amerikanischen Rivalität

Für die Europäer wird es allmählich eng – im Span­nungsfeld der amerikanisch-chinesischen Rivalität drohen sie zerrieben zu werden. Einerseits befinden sich die EU-Staaten offenkundig nicht im Einklang mit Trumps aktueller Chinapolitik, deren weitreichende Folgen sie angesichts eskalierender Handelskonflikte und der geopolitischen Konfrontation im Pazifik fürchten. Andererseits blicken inzwischen auch die Europäer kritischer auf China, nachdem ihr Umgang mit Peking lange vor allem an Handels- und Marktchancen ausgerichtet war. In einem Strategiepapier von März 2019 hat die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, neue Töne angeschlagen. China ist dem­nach für die EU nicht nur ein wichtiger Kooperations- und Verhandlungspartner in der internationalen Politik, sondern auch wirtschaftlicher Konkurrent und Systemrivale.115

China – ein Testfall für die Selbstbehauptung Europas.

Allerdings hat sich in Europa, anders als in den USA, keine dominante China-Denkschule heraus­gebildet, die Peking als neuen Erzgegner in einem strukturellen Weltkonflikt begreift.116 Die EU setzt im Verhältnis zu China nicht wie Washington auf geo­strategische Eindämmung und Entkoppelung. Sie will vielmehr zwischen Europa und China eine wechselseitige, vornehmlich wirtschaftlich-technologische Verflechtung (Interdependenz) entwickeln, die auf Reziprozität und regelkonformem Verhalten beruht.117 Um dies zu erreichen, muss die EU konfliktfähig sein, mit der erforderlichen Legitimität ausgestattet werden und die nötige industriell-technologische Widerstandskraft gewinnen. Insofern ist China ein Testfall für die Selbstbehauptung Europas.

Einigkeit und Uneinigkeit der EU gegenüber China

Das Verhältnis der EU zu China ist geprägt von Kooperation, Konkurrenz und Konflikt. In diesem Spannungsfeld müssen divergierende Einzelinteressen von Marktteilnehmern und Mitgliedstaaten mit dem Gesamtinteresse der Union und ihren recht­lichen Grundlagen in Einklang gebracht werden. Als Grundsatz gilt: Je einheitlicher die Europäer agieren, desto größer ist die Verhandlungsmacht der EU und umso effektiver lassen sich europäische Interessen gegenüber Peking verfolgen. Allerdings sind die Mit­gliedstaaten (noch) nicht bereit, in relevanten Feldern der Chinapolitik die entsprechenden Kompetenzen oder die zentrale Koordination auf EU-Ebene zu ver­lagern. Dies hat verschiedene Gründe. Europa ist zwar Exportweltmeister, bei digitalen Technologien aber nur noch in wenigen Bereichen globaler Marktführer.118 Es sieht sich immer öfter mit der Notwendigkeit kon­frontiert, strategisch wichtige Technologien und Ressourcen zu importieren. Einige Mitgliedstaaten reagieren sehr sensibel auf diese Abhängigkeit. Das verzögert Entscheidungen im Rat und schwächt die politische Entschlossenheit der EU. Vor allem in Men­schenrechtsfragen scheitert sie immer wieder daran, eine kohärente Politik gegenüber China zu formulieren. Bei den Vereinten Nationen scheren hier Polen und Ungarn aus, was ein einheitliches Abstimmungsverhalten der EU-Staaten verhindert. Auf dem EU-China-Gipfel im April 2019 zeigten sich einige Mit­gliedstaaten zurückhaltend, weil sie fürchteten, Peking könnte unliebsames Verhalten, etwa Kritik an Menschenrechtsverletzungen, mit wirtschaftlicher Benachteiligung oder anderweitigen Sanktionen be­antworten. Als erster G7-Staat unterzeichnete Italien im März 2019 eine Absichtserklärung zur Teilnahme an Chinas Projekt der »Neuen Seidenstraße« (»Belt and Road«-Initiative, BRI). Damit unterlief Rom den bis­herigen Versuch anderer Mitgliedstaaten, nur im europäischen Block über eine Teilnahme an der BRI zu verhandeln.119

In der Chinapolitik sind die EU-Staaten uneins – was umso schwerer wiegt, als sie auch gegenüber den USA nicht an einem Strang ziehen.

Die Uneinigkeit wiegt umso schwerer, als die EU-Staaten auch gegenüber den USA nicht an einem Strang ziehen, was Washington zu nutzen weiß. Polen etwa schließt bilaterale Verträge mit den USA zur Raketenstationierung und sichert ihnen zu, keine chinesische Technologie beim Aufbau seines 5G-Netzes zu verwenden.120 Solche spezifischen Verpflichtungen sind schwer mit einem einheitlichen Auf­treten aller Mitgliedstaaten zu vereinbaren. Zwar ist aus Sicht der EU die Schnittmenge wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer und normativer Interessen mit den USA weiterhin sehr groß, während die Distanz zu China fundamental bleibt. Aber eine europäische Chinapolitik kann sich nicht auf transatlantische Beziehungen stützen, die wie früher funktionieren. Sie findet in einem neuen Koordinatensystem statt, das wesentlich von der Konfliktachse zwischen den USA und China bestimmt wird und in dem die EU eine eigene Position einnehmen muss.

Außen- und Sicherheitspolitik

Sicherheitspolitisch ist die EU kein Akteur im asia­tisch-pazifischen Raum, aber alle Mitgliedstaaten haben dort außenwirtschaftliche Interessen, die in Krisensituationen durchaus eine sicherheitspolitische Flankierung erfordern. Letzteres unterstreichen Frank­reich und Großbritannien, die sich auch auf Verbindungen aus ihrer Zeit als Kolonialmächte stützen, durch eigene maritime Präsenz in Ostasien.121 Das Südchinesische Meer ist eine wichtige Transit­strecke für internationale Waren- und Rohstoff­transporte. Ein militärischer Konflikt dort hätte massive Auswirkungen auf die ökonomischen und sicherheitspolitischen Interessen der EU. Frankreich und Großbritannien haben bereits angekündigt, ihren sicherheitspolitischen Einfluss im Fernen Osten auszuweiten. Durch Technologietransfer und Rüs­tungsverkäufe unterstützen sie Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres dabei, ihre Streitkräfte zu modernisieren. Ebenso bieten sie ihnen Beistand in dem Bemühen, mit einer erhöhten Flottenpräsenz freie Seezugänge zu sichern, sowie Hilfe bei Natur­katastrophen und zur Cyber- und Terrorabwehr.122 Paris und London sehen sich als »Treuhänder west­licher und europäischer Sicherheitsinteressen in der Re­gion«.123 Die Franzosen wünschen, dass ihr dortiges Engagement europäisch entlastet wird, etwa durch EU-Flottillen unter Einschluss Großbritanniens.124 Ab dem Jahr 2020 soll ein deutscher Marineoffizier im Informationszentrum der Marine Singapurs (IFC) präsent sein.

Sicherheits- und wirtschaftspolitische Fragen sind immer stärker miteinander verzahnt. Einschlägiges Beispiel ist der Ausbau von Mobilfunknetzen durch den chinesischen Technologiekonzern Huawei. Beim Aufbau der europäischen Infrastrukturen ist Huawei prinzipiell nicht vom Binnenmarkt ausgeschlossen.125 Die Frage der Vertrauenswürdigkeit von Telekommunikationskomponenten wird zugunsten einer Markt­regulierungslogik zurückgestellt. Wie bei Informations-, Kommunikations- und Technologiebetreibern üblich, werden aber alle Anwender engen Kontrollen unterliegen und strenge Zertifizierungskriterien für Hard- und Software erfüllen müssen. Der Über­wachungskapitalismus126 (Shoshana Zuboff) wird grundsätzlich durch alle großen Internetplattformen ermöglicht – also amerikanische ebenso wie chine­sische –, weshalb sie gleichermaßen im Fokus der EU-Regulierung von Datenschutz, Datensicherheit und Kartellrecht stehen.

Sollte ein Datenabfluss durch Huawei erkannt und nachgewiesen werden oder käme es zu Fällen von Cybersabotage gegen digitale Infrastrukturen, wäre die Folge wohl ein Ausschluss des Konzerns vom Binnenmarkt. Dies wiederum würde die Bemühungen der EU maßgeblich beschleunigen, digitale Sou­veränität gegenüber China zu erreichen.127 EU und USA teilen im Nato-Kontext das Interesse, kritische Infra­strukturen zu schützen und gegen Angriffe zu ver­teidigen.128 Ein entsprechender Vorfall könnte einen Wettlauf in Gang setzen, bei dem die westliche wie die chinesische Seite jeweils versuchen, jegliche soziale und technische Verwundbarkeit als mögliches Einfallstor von Unsicherheit auszuschließen. Als Kon­sequenz drohten militärische Aufrüstung und mas­sive wirtschaftliche Verluste.

Die EU als Handels- und Regulierungs­macht

Die Position der EU in der internationalen Politik beruht zum Großteil auf ihrer Stärke als Handels- und Regulierungsmacht. Das verleiht ihr auch gegen­über China Gewicht. Die Ökonomie ist der dominante Faktor in den europäisch-chinesischen Beziehungen, doch werden diese zunehmend konflikthaft. In vielen Punkten teilt die EU die Kritik der USA an unlauteren chinesischen Wettbewerbsbedingungen. Allerdings streiten Brüssel und Washington untereinander über Handelsfragen und die Grundsätze der WTO, was wiederum eine gemeinsame transatlantische Linie gegenüber Peking erschwert.129

Handel: Die EU ist der größte Handelspartner Chinas, China wiederum – nach den USA – der zweitgrößte Handelspartner der EU. Der Handel zwischen China und der EU ist seit 1975 um das 250-Fache gewachsen und erreichte 2018 ein Volumen von 680 Milliarden Dollar.130 In der EU sind die wettbewerbsfähigen und exportstarken Länder die Motoren der Chinapolitik. Unter der Strafzollpolitik der USA gegenüber China leidet die EU direkt (Aluminium und Stahl) bzw. in­direkt, weil Handelsströme umgelenkt werden (etwa Soja). Die EU sah sich infolge der angehobenen US-Zölle für Stahl und Aluminium gezwungen, Importquoten für Stahlprodukte aus Drittländern einzuführen – zum Leidwesen der eigenen Autoindustrie, die auf entsprechende Zulieferungen angewiesen ist. Und wie US-Präsident Trump und der damalige EU-Kom­mis­sionspräsident Juncker im Juli 2018 vereinbarten, unterstützen die Europäer – als Zugeständnis an Washington – die amerikanische Position gegenüber Brasilien, dem traditionellen Hauptlieferanten der EU bei Sojabohnen. Die europäisch-amerikanischen Han­delskonflikte drohen im transatlantischen Verhältnis das gemeinsame Interesse an multilateralen Lösungen zu überdecken. Freihandelsprinzipien wie die Rezi­prozität bei Marktzugängen und Investitionsbedingungen sowie der Schutz geistigen Eigentums können so nicht mit Hilfe der WTO wirkungsvoll gegenüber Peking durchgesetzt werden. Gerade in EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich, die starke Wirtschaftsbeziehungen nach China haben, fordern Unter­nehmen und Verbände eine sich kraftvoll behaup­tende Haltung gegenüber Pekings unfairen Praktiken.131 Die EU wirft der chinesischen Führung vor, durch ihre Industriepolitik systematisch eigene Privat- und Staatsunternehmen zu subventionieren, um ihnen Wettbewerbsvorteile im globalen Maßstab zu ver­schaffen. Als Reaktion darauf müsste die EU im Sinne nachholender Modernisierung eine Industriestrategie entwickeln, die die Wettbewerbsfähigkeit und Markt­position kleiner und mittlerer Unternehmen in Euro­pa stärkt, denn sie bilden das Rückgrat des (digitalen) Binnenmarkts und des europäischen Wirt­schafts­modells. Zugleich sollte Brüssel das Wett­bewerbsrecht in Bezug auf marktrelevante nationale und euro­päische Unternehmen so reformieren, dass eine stra­tegische Nachhaltigkeitsagenda für Klima- und Um­welt­technologien gefördert wird. Auch sollten da­durch die Wettbewerbsbedingungen für diese Firmen im Vergleich zu den – teils staatlich gelenkten – Konzernen in China fairer werden.

Investitionen: Mit Blick auf chinesische Aktivitäten im Binnenmarkt hat die EU gerade ihr Investitions­kontrollregime reformiert. Dem Beispiel der US-Gesetzgebung folgend, stärkt sie damit die staatlichen Interventionsrechte gegenüber Marktteilnehmern. Es ist Brüssel hier gelungen, unterschiedliche Präferen­zen der Mitgliedstaaten zu überbrücken und eine Verordnung zu verabschieden,132 der auch Länder wie Portugal, Griechenland und Ungarn zustimmen konn­ten – sie hatten Nachteile befürchtet, sollten die neuen Regeln für das Investitionsscreening zu strikt ausfallen. Die EU hat damit China als wirtschaft­lichen Konkurrenten ins Visier genommen, weil das Land sich strategisch in Segmente von Spitzen­forschung und Zukunftsindustrien der EU – wie Künstliche Intelligenz, Robotik, Biotechnologie – einkaufen und dort festsetzen will. Die neue EU-Verordnung ist ein Kompromiss. Sie sieht weder eine Harmonisierung noch eine supranationale Entscheidungskompetenz und -institution vor. Vielmehr setzt sie einen verbindlichen Rechtsrahmen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten das Investitionsscreening durchführen und die Letztentscheidung treffen. Die einheitlichen Prüfkriterien beziehen sich auf Sicher­heit und öffentliche Ordnung, nicht jedoch auf weiter­gehende ökonomische Kriterien, etwa wett­bewerbsrechtlicher oder industriepolitischer Art. Der Einigkeit der EU-Staaten bei der Investitionskontrolle stehen Unterschiede bei den ordnungspolitischen Präferenzen entgegen, wie es sie etwa zwischen Frankreich und Deutschland gibt. Was das Angebot von Huawei betrifft, am Aufbau der 5G-Infrastruktur im europäischen Markt mitzuwirken, sind sich die EU-Staaten untereinander nicht einig. Jene, die eine Beteiligung nicht ausschließen, stehen im Gegensatz zur Trump-Administration. Diese betrachtet Huawei als Trojanisches Pferd einer gegnerischen Regierung, deren Politik mit den amerikanischen Interessen unvereinbar sei. Hier stößt die klar geostrategische Be­trachtungsweise der USA auf die vornehmlich wirtschaftliche der EU. Allerdings haben auch Groß­britan­nien und Deutschland aus Gründen der Sicher­heit bzw. Verwundbarkeit von kritischer Infrastruk­tur spezielle Standards für Anbieter definiert. Frank­reich wendet Sicherheitsklauseln gegenüber auslän­dischen Anbietern ohnehin restriktiver an. Einheit­liche Empfehlungen zum Umgang mit 5G wird die EU-Kommission dem Rat zum Jahresende vorlegen.

Eine supranational bestimmte Geopolitik setzt bei den Ressourcen an, welche die EU als Handels- und Regulierungsmacht besitzt.

Regulierung beim digitalen Binnenmarkt: Die Anstren­gungen der EU, Spielregeln für den digitalen Bin­nenmarkt zu definieren und durchzusetzen, stoßen gegenüber China, teils aber auch den USA an ihre Grenzen. Die zunehmende Kluft zwischen Amerika und Europa zeigt sich etwa in Trumps Reaktion auf die Strafen, die die Europäische Kommission dem US-Konzern Google wiederholt wegen Verstoßes gegen das europäische Wettbewerbsrecht auferlegt hat. Der amerikanische Präsident sieht darin die Racheaktion einer »tax lady [who] hates the US«, wie er mit Bezug auf EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verlauten ließ.133 Dabei sind die Regulierungsphilosophien auf beiden Seiten des Atlantiks immer schwe­rer miteinander zu vereinbaren. Die Europäer beken­nen sich im Vertrag über die Arbeitsweise der EU (Arti­kel 3 und 10 AEUV) zu Marktfreiheiten und Demokratie und betonen die individuelle – auch informationelle – Selbstbestimmung der Bürger. Sie binden verschiedene Stakeholder bzw. Marktteilnehmer in die EU-Verfahren ein, bei denen auch Grund­rechte beachtet werden. Dieser Multistakeholder-Ansatz findet sich auch in aktuellen Positionspapieren europäischer Institutionen zu den Chancen und Herausforderungen des (digitalen) Binnenmarkts und seiner Agenda. EU-Organe verschreiben sich der Idee einer (digitalen) Gesellschaft, die demokratisch und gleichermaßen gemeinschafts- und individualzentriert ist.134 Daraus abgeleitet sind Interessen und Präferenzen, aber auch Handlungsinstrumente einer regulativen Politik der EU gegenüber China und den USA. Zum Tragen kommt diese Politik durch die Da­ten­schutzgrundverordnung, durch Fusionskontrollen oder durch Beihilfebeschränkungen für die begüns­tigende Steuerpolitik einzelner Mitgliedstaaten wie Irland gegenüber dem US-Konzern Apple. Es droht ein weltweiter Kollaps digitaler Gemeingüter, sollte es der EU nicht gelingen, zusammen mit den großen Mäch­ten, also auch China, auf Dauer sicherheits- und vertrauensbildende Kooperationsstrukturen in der Cybersicherheit und der Industrie 4.0 zu etablieren.135 Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, globale Her­ausforderungen wie die Sicherung des gesellschaft­lichen Friedens und die Schaffung sozialer Gerechtigkeit unter den (Arbeits-)Bedingungen der Digitalisierung zu bewältigen. Wohlstand und Stabilität im regionalen wie globalen Maßstab hängen maßgeblich davon ab, dass gemeinsame Mindeststandards in der IT-Sicherheit sowie Normen für staatliches Handeln im Cyberraum und für den Aufbau gemeinsamer Governance-Strukturen eingehalten werden.

Supranationale Geopolitik

Was die EU gegenüber China und anderen großen Mächten stark macht, ist die demokratische Verfasstheit ihrer Mitgliedstaaten, die supranationale Institu­tionen- und autonome Rechtsordnung, die Größe und Leistungskraft des Binnenmarkts, der gemeinsame Währungsraum sowie die gemeinsame Handels- und Wettbewerbspolitik. Diese Faktoren bieten ein im­men­ses Potential; es auszuschöpfen verlangt zweier­lei. Erstens ist eine Chinapolitik der EU dann am wirkungsvollsten, wenn sie nicht als reine Länder­strategie konzipiert ist, sondern in eine umfassende Strategie zur Selbstbehauptung der EU eingebettet wird. Zweitens kann sich die EU unter den Bedingungen einer neuen Großmachtrivalität am besten dadurch behaupten, dass sie ihre Supranationalität weiter ausbaut bzw. das kollektive Auftreten stärkt. Eine supranational bestimmte Geopolitik setzt bei den Ressourcen an, welche die EU als Handels- und Regulierungsmacht besitzt. Hier liegt die zentrale Quelle ihrer Verhandlungsmacht im globalen Maß­stab. Konsequenterweise stehen Themen wie Indus­triepolitik, Marktzugang und Datensicherheit weit oben auf der Agenda der neuen »geopolitischen Kom­mission«136 (Ursula von der Leyen). Wichtig wäre auch, dass der neue Mehrjährige Finanzrahmen diese Prio­ritäten widerspiegelt und die EU den Euroraum wie die Integrationslogik in der Außen- und Sicherheitspolitik stärkt.

Die EU mit ihrem weltweit größten Binnenmarkt hat allen Grund, gegenüber China selbstbewusst auf­zutreten und sich weder der US-Strategie des Contain­ment noch jener der Abkopplung ganzer Wirtschaftsräume (»decoupling«) anzuschließen. Legitim für eine Politik der Selbstbehauptung sind Methoden der Kooperation, der Konkurrenz, aber auch des Eigenschutzes durch eine zeitgemäße – als technologisch nachholend verstandene – Industriepolitik. Der EU spielt dabei der Umstand in die Hände, dass China vor allem in der geoökonomischen Arena agiert, denn dort liegen auch die europäischen Machtressourcen. Peking zugunsten der Einhaltung von WTO-Regeln die Stirn zu bieten, sich zugleich aber bei der Asia­tischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) und auch bei BRI-Projekten zu engagieren, sind wichtige Bau­steine einer strategischen Verflechtung mit China. Zugleich könnte Europas Selbstbehauptung durch die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie forciert werden.

Drittstaaten sollte die EU Alternativen zu Chinas Direktinvestitionen bieten. Entsprechende Koopera­tio­nen müssen für diese Staaten lukrativ sein. Für die EU ist Asien schon lange mehr als nur China. Sie sollte daher ihre Kooperations- und Freihandels­abkommen mit Japan, Indien und ASEAN bzw. deren Mitgliedsländern stärker diplomatisch und politisch untermauern. Die kollektive Asien-Diplomatie gilt es vor allem auf den Feldern Rechtsstaatlichkeit, Demo­kratie und Menschenrechte auszubauen, bes­tenfalls – wie auch in anderen Fragen – zusam­men mit den USA. Um sich gegenüber China langfristig behaupten zu können, muss die EU ihre Fähigkeiten zur supranationalen Geopolitik stärken, wiederum möglichst transatlantisch abgestimmt und unter­füttert. Die Bundesregierung sollte mit Frankreich, der EU-Kommission und den Eurozonen-Staaten die Möglichkeiten eines transatlantischen Industrie­abkommens ausloten, um den außen(wirtschafts)-politi­schen Kurs europäischer Selbstbehauptung auch gegenüber Peking in Form eines Investitionsschutzabkommens durchsetzen zu können. Unter deutscher Ratspräsidentschaft findet 2020 der nächste EU-China-Gipfel statt, der um eine parlamentarische Kom­ponente ergänzt werden sollte. Unabhängig von der konkreten Agenda wäre das wichtigste Signal an China, dass die Europäer geschlossen auftreten und ihre Prioritäten konsequent vertreten – dazu zählen vor allem prinzipiengebundenes Handeln sowie Rezi­prozität auf allen Ebenen und Politikfeldern.

Anhang

Abkürzungen

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AIIB

Asian Infrastructure Investment Bank (Asiatische Infrastruktur-Investitionsbank)

ASEAN

Association of Southeast Asian Nations (Verband Südostasiatischer Nationen)

BRI

»Belt and Road«-Initiative (Chinas Projekt der Neuen Seidenstraße)

BRICS

Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika

CGTN

China Global Television Network

CIA

Central Intelligence Agency (USA)

ECFR

European Council on Foreign Relations

EU

Europäische Union

FAO

Food and Agriculture Organization of the United Nations (Ernährungs- und Landwirtschafts­organisation der Vereinten Nationen, Rom)

5G

Fifth Generation (fünfte Generation; Standard für mobiles Internet und Mobiltelefonie)

G20

Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer

G7

Gruppe der Sieben (die sieben führenden westlichen Industriestaaten)

HGV

Hypersonic Glide Vehicle (überschallschneller Gleiter)

ICAO

International Civil Aviation Organization (Inter­nationale Zivilluftfahrtorganisation, Montreal)

IFC

Information Fusion Centre (Informations­zentrum der Marine Singapurs)

INF

Intermediate Range Nuclear Forces
(Mittel­strecken-Nuklearstreitkräfte)

IP

Internet Protocol (Internetprotokoll)

IT

Informationstechnologie

ITU

International Telecommunication Union (Internationale Telekommunikationsunion)

IWF

Internationaler Währungsfonds

KI

Künstliche Intelligenz

Mercosur

Mercado Común del Sur
(
Gemeinsamer Markt des Südens)

Nato

North Atlantic Treaty Organization

PIIE

Peterson Institute for International Economics (Washington, D. C.)

UNIDO

United Nations Industrial Development Organi­zation (Organisation für industrielle Ent­wick­lung, Wien)

UNRWA

United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (VN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge)

VPN

Virtual Private Network

WTO

World Trade Organization (Welthandelsorgani­sation, Genf)

Die Autorinnen und Autoren

Dr. Annegret Bendiek

Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe EU / Europa

Dr. Laura von Daniels

Leiterin der Forschungsgruppe Amerika

Dr. Hanns Günther Hilpert

Leiter der Forschungsgruppe Asien

Dr. Barbara Lippert

Forschungsdirektorin der SWP

Prof. Dr. Günther Maihold

Stellvertretender Direktor der SWP

Dr. Marco Overhaus

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Amerika

Dr. Michael Paul

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Sicherheits­politik

Prof. Dr. Volker Perthes

Direktor der SWP

Dr. Peter Rudolf

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Amerika

Dr. Matthias Schulze

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheits­politik

Dr. Daniel Voelsen

Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Globale Fragen

Dr. Gudrun Wacker

Senior Fellow in der Forschungsgruppe Asien

Endnoten

1

 Vgl. »London Declaration«, Issued by the Heads of State and Government Participating in the Meeting of the North Atlantic Council in London 3–4 December 2019, Press Release (4.12.2019) 115, <https://www.nato.int/cps/en/
natohq/official_texts_171584.htm
> (Zugriff am 9.12.2019).

2

 Vgl. Europäische Kommission, EU-China – A Strategic Outlook, Joint Communication to the European Parliament, the Euro­pean Council and the Council, 12.3.2019, <https://ec.europa.eu/commission/publications/eu-china-strategic-outlook-commission-contribution-european-council-21-22-march-2019_de> (Zugriff am 4.12.2019).

3

 Siehe etwa Xuewu Gu, »Der dritte Weg: Warum Europa den Alleingang wagen muss«, in: Handelsblatt, 22.11.2019, <https://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/
gastkommentar-der-dritte-weg-warum-europa-den-alleingang-wagen-muss/25253468.html
> (Zugriff am 4.12.2019).

4

 Siehe dazu ausführlich Barbara Lippert/Nicolai von Ondarza/Volker Perthes (Hg.), Strategische Autonomie Europas. Akteure, Handlungsfelder, Zielkonflikte, Berlin: Stiftung Wissen­schaft und Politik, Februar 2019 (SWP-Studie 2/2019), <https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019S02/>.

*

 Dieser Beitrag fasst die Ergebnisse einer SWP-Studie des Autors zusammen. Dort finden sich aus­führliche Literaturangaben. Vgl. Peter Rudolf, Der amerikanisch-chinesische Welt­konflikt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2019 (SWP-Studie 23/2019), <https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019S23/>.

5

Graham T. Allison, Destined for War: Can America and China Escape Thucydides’s Trap?, Boston 2017.

6

Zum Beispiel Yan Xuetong, Leadership and the Rise of Great Powers, Princeton, NJ: Princeton University Press, 2019.

7

Siehe Evan S. Medeiros, China’s International Behavior. Activism, Opportunism, and Diversification, Santa Monica, CA: RAND Corporation, 2009 (Project Air Force; RAND Corpor­ation Monograph Series).

8

Siehe Diandian Guo, »Congratulations, It’s a Boy! – China’s (Mixed) Reactions to President Trump’s Election Victory«, What’s on Weibo. Reporting Social Trends in China, 9.11.2016, <https://www.whatsonweibo.com/trumps-election-victory-chinese-media-responds/> (Zugriff am 19.12.2019); Camille Boullenois, »The Roots of Trump’s Behavior and Strategy«, in: The Trump Opportunity: Chinese Perceptions of the US Administration, London: European Council on Foreign Rela­tions (ECFR), Juni 2018 (ECFR China Analysis 262), S. 3f, <https://www.ecfr.eu/page/-/ECFR-262-China_Analysis_Chinese_ perceptions_of_the_US_administration.pdf> (Zugriff am 19.12.2019).

9

Siehe Xue Li, »China and US: Are They Rivals or En­emies?«, in: Global Times, 20.8.2019; »Trump’s Impeachment Probe Jolts US Politics«, in: Global Times, 13.10.2019.

10

Zum Beispiel Yongding Yu, »A Trade War That Is Un­warranted«, in: China & World Economy, 26 (2018) 5, S. 38–61.

11

 So zum Beispiel Ding Gang, »›Balance of Power‹ a Strategic Trap for India«, in: Global Times, 11.9.2019.

12

»Goodwill Reciprocity Needed to End Trade War«, in: Global Times, 12.9.2019.

13

Siehe An Gang, »Time for China to Forge a New Strategy towards the US«, China-US Focus, 4.6.2019, <https://www.
chinausfocus.com/foreign-policy/time-for-china-to-forge-a-new-strategy-towards-the-us
> (Zugriff am 19.12.2019).

14

Siehe Jiakun Jack Zhang, »Chinese Perceptions of Trump’s Trade Policy«, in: The Trump Opportunity [wie Fn. 4], S. 5ff (7).

15

Siehe Hanns Maull, The »Alliance for Multilateralism« by Germany and France: About Time, But It Needs To Be Serious, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2019 (Point of View), <https://www.swp-berlin.org/en/point-of-view/2019/
the-alliance-for-multilateralism-by-germany-and-france-about-time-but-it-needs-to-be-serious/
> (Zugriff am 19.12.2019).

16

 President of the United States, National Security Strategy of the United States, Washington D. C., Dezember 2017, S. 25.

17

 Wenngleich diese Sichtweise des »gescheiterten Engagements« gegenüber China in den USA heute dominiert, gibt es auch abweichende Stimmen. Vgl. Alastair I. Johnston, »The Failures of the ›Failure of Engagement‹ with China«, in: The Washington Quarterly, 42 (2019) 2, S. 99–114 (110).

18

 Siehe David Shambaugh, »The New American Bipartisan Consensus on China Policy«, in: China-US Focus, 21.9.2018; Zack Cooper/Annie Kowalewski, A US Perspective, Washington, D. C.: American Enterprise Institute (AEI), 21.12.2018; Richard C. Bush/Ryan Hass, »The China Debate Is Here to Stay«, Order from Chaos (Blog, The Brookings Insti­tution), 4.3.2019.

19

Zum veränderten Kontext siehe das Stimmungsbild bei Paul Sonne, »As Trump Escalates China Trade Dispute, Economic Ties Lose Stabilizing Force in Matters of National Security«, in: The Washington Post, 19.5.2019.

20

 Siehe Edward Wong, »Lawmakers Push Trump to Act against China on Uighur Detention«, in: The New York Times, 14.11.2018.

21

Council on Foreign Relations, »A Conversation with House Speaker Nancy Pelosi«, 13.6.2019, <https://www.cfr.
org/event/conversation-house-speaker-nancy-pelosi
> (Zugriff am 26.8.2019); Kenneth Rapoza, »Dear Chinese Government, The Democrats Won’t Save You«, in: Forbes (online), 5.11.2018, <https://www.forbes.com/sites/kenrapoza/ 2018/11/05/dear-chinese-government-the-democrats-wont-save-you/#3b71ffa75f51> (Zugriff am 26.8.2019).

22

Zur sicherheitspolitischen Dimension des chinesisch-amerikanischen Konflikts vgl. auch den Beitrag von Marco Overhaus und Michael Paul in dieser Studie, S. 22ff.

23

Department of Defense, Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China 2019. Annual Report to Congress, Washington, D. C., 2.5.2019, S. 11, <https://media.defense.gov/2019/May/02/2002127082/-1/-1/1/2019_CHINA_MILITARY_POWER_REPORT.pdf> (Zugriff am 8.10.2019).

24

 Rebecca Klar, »Trump Fires Back at AFL-CIO Chief Trumka: ›No Wonder Unions Are Losing So Much‹«, The Hill, 2.9.2019, <https://thehill.com/homenews/administration/
459610-trump-lashes-out-at-afl-cio-chief-trumka-no-wonder-unions-are-losing
> (Zugriff am 4.11.2019).

25

 Wang Cong, »Experts Dismiss Negative Media Reports about Phase One Deal«, in: Global Times, 25.11.2019.

26

Vgl. hierzu auch den Beitrag von Marco Overhaus und Michael Paul in dieser Studie, S. 22ff.

27

 Siehe im Detail Robert Sutter, »Congress and Trump Administration China Policy: Overlapping Priorities, Uneasy Adjustments and Hardening toward Beijing«, in: Journal of Contemporary China, 28 (2019) 118, S. 519–537.

28

Vgl. »McConnell, Schumer Call for China Trade Solution«, AP Archive, 14.5.2019, <https://www.youtube.com/ watch?v=iXx_LV8MyR8> (Zugriff am 20.12.2019).

29

 Majid Sattar, »Lebenszeichen der Freihändler? Die Sorge vor einer Rezession treibt Amerika um«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.8.2019.

30

 Siehe Alan Rappeport, »Trump Touts Progress with China, but Pressure Grows for a Tough Deal«, in: The New York Times, 25.2.2019.

31

 Als Joseph Biden, Ex-Vizepräsident und Bewer­ber um die Präsidentschaftskandidatur, die wirtschaftliche Konkurrenz durch China relativierte, schlug ihm heftiger Gegenwind aus beiden politischen Lagern entgegen. Siehe Nahal Toosi, »Biden Girds for Clash with Trump over China«, in: Politico, 5.6.2019, <https://www.politico.com/story/2019/ 06/05/joe-biden-trump-china-2020-1353637> (Zugriff am 7.1.2020).

32

 Als Ausdruck dieser neuen Sensibilität siehe besonders Larry Diamond/Orville Schell (Hg.), China’s Influence & American Interests. Promoting Constructive Vigilance. Report of the Working Group on Chinese Influence Activities in the United States, über­arbeitete Fassung, Stanford, CA: Hoover Institution Press, 2019.

33

 Siehe Rush Doshi/Robert D. Williams, »Is China Inter­fering in American Politics?«, Lawfare (Blog, The Lawfare Institute), 1.10.2018.

34

 Diese Angst mutet mitunter paranoid an. Für den Fall, dass ein chinesischer Konzern den Zuschlag für den Bau von Zügen der Washingtoner Metro bekäme, wird befürchtet, dass er Schadsoftware in die Überwachungskameras einbauen könnte, mit denen sich per Gesichtserkennung Fahr­gäste und ihre Bewegungsmuster identifizieren und Gespräche abhören ließen. Siehe Robert McCartney/Faiz Siddiqui, »Could a Chinese-made Metro Car Spy on Us? Many Experts Say Yes«, in: The Washington Post, 7.1.2019.

35

 Siehe Peter Rudolf, Der amerikanisch-chinesische Welt­konflikt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2019 (SWP-Studie 23/2019), S. 34, Fn. 177, <https://www.swp-berlin.org/ publikation/der-amerikanisch-chinesische-weltkonflikt/>.

36

 M. Taylor Fravel u.a., »China Is Not an Enemy«, in: The Washington Post, 3.7.2019.

37

 Siehe Orville Schell/Susan L. Shirk (Chairs), Course Cor­rection: Toward an Effective and Sus­tainable China Policy (Task Force Report), New York: Asia Society, Center on U.S.-China Relations, Februar 2019. In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen von Kurt M. Campbell/Jake Sullivan, »Competition Without Catastrophe: How America Can Both Challenge and Coexist with China«, in: Foreign Affairs, 98 (2019) 5, <https://www.foreignaffairs.com/articles/china/ competition-with-china-without-catastrophe> (Zugriff am 20.12.2019). Campbell, unter Präsident Obama Assistant Secretary of State for East Asian and Pacific Affairs, war auch Mitglied der Task Force, die den hier zitierten Bericht verfasst hat.

38

 Peter Rudolf, Der amerikanisch-chinesische Weltkonflikt, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Oktober 2019 (SWP-Studie 23/2019), <https://www.swp-berlin.org/10.18449/2019S23/>; Michael Nacht/Sarah Laderman/Julie Beeston, Strategic Competition in China-US Relations, Livermore, CA: Lawrence Livermore National Laboratory, Oktober 2018 (Livermore Papers on Global Security, Nr. 5), S. 53, <https://cgsr.llnl.
gov/content/assets/docs/CGSR_livpaper5.pdf
> (Zugriff am 11.10.2019).

39

 Atlantik, Pazifik und Arktis bieten den USA eine Sicherheit, die nur ein ebenbürtiger Konkurrent auf der atlantischen oder pazifischen Gegenküste bedrohen kann. Vgl. Michael Paul, Kriegsgefahr im Pazifik? Die maritime Bedeutung der sino-amerikanischen Rivalität, Baden-Baden 2017, S. 29–35.

40

 »Whether we are able to solve successfully problems of the oceans is related to the existence and development of our nation, the rise or fall of our country. […] We must ad­here to a development path of becoming a rich and powerful state by making use of the sea.« Xi Jinping, »Further Have Concern for, Recognize, and Manage Oceans to Make New Achievements Continuously for Pushing Forward the Con­struction of Sea Power«, in: Xi Jinping’s Important Exposition, 30.7.2013, zitiert in: Paul, Kriegsgefahr im Pazifik? [wie Fn. 2], S. 25.

41

 Paul, Kriegsgefahr im Pazifik? [wie Fn. 2], S. 49–72.

42

 Gabriel B. Collins, »China’s Dependence on the Global Maritime Commons«, in: Andrew S. Erickson/Lyle J. Goldstein/ Nan Li (Hg.), China, the United States, and 21st Century Sea­power, Annapolis, MD: Naval Institute Press, 2010, S. 14–37 (18).

43

 Andrew S. Erickson, »Numbers Matter: China’s Three ›Navies‹ Each Have the World’s Most Ships«, in: The National Interest, 26.2.2018; Charlie Lyons Jones, »Xi Believes a ›Peace Disease‹ Hampers China’s Military Modernization«, in: The Strategist, 26.8.2019.

44

 Vgl. Department of Defense, Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China 2019. Annual Report to Congress, Washington, D. C., 2.5.2019, S. 31, <https://media.defense.gov/2019/May/02/2002127082/-1/-1/1/2019_CHINA_MILITARY_POWER_REPORT.pdf> (Zugriff am 8.10.2019).

45

 Befürworter eines Ausstiegs der USA aus dem INF-Vertrag haben unter anderem argumentiert, dass die militärischen Handlungsmöglichkeiten Washingtons gegenüber Peking in der Region so erweitert würden. Diese Sichtweise ist allerdings umstritten, was mögliche Stationierungsorte und Reichweiten amerikanischer Mittelstreckenwaffen angeht. Vgl. Shahryar Pasandideh, »The End of the ›INF Treaty‹ and the US-China Military Balance«, in: The Nonproliferation Review (2019), S. 19, doi: 10.1080/10736700.2019.1646466.

46

 Department of Defense, Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China 2019 [wie Fn. 7], S. 54, 62.

47

 Ebd., S. 16.

48

 Michael Paul, Chinas nukleare Abschreckung. Ursachen, Mittel und Folgen der Stationierung chinesischer Nuklearwaffen auf Unter­seebooten, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2018 (SWP-Studie 17/2018), <https://www.swp-berlin.org/publikation/chinas-nukleare-abschreckung/>.

49

 Michael Paul/Elisabeth Suh, Nordkoreas Atomraketen. Handlungsoptionen der USA und ihrer Verbündeten, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2017 (SWP-Aktuell 58/2017), <https://www.swp-berlin.org/publikation/nordkoreas-atomraketen/>.

50

 Department of Defense, Military and Security Developments Involving the People’s Republic of China 2019 [wie Fn. 7], S. 65.

51

 Siehe Niall Ferguson/Moritz Schularick, »Chimerica and the Global Asset Market Boom«, in: International Finance, 10 (2007) 3, S. 215–239.

52

 David H. Autor/David Dorn/Gordon H. Hanson, »The China Syndrome: Local Labor Market Effects of Import Competition in the United States«, in: American Economic Review, 103 (2013) 6, S. 2121–2168.

53

 Siehe Dennis Shea, »China’s Trade-disruptive Economic Model and Implications for the WTO. Statement Delivered at the WTO General Council«, U.S. Mission to International Organi­zations in Geneva, Genf, 26.7.2019.

54

 Siehe C. Fred Bergsten, »China and the United States: The Contest for Global Economic Leadership«, in: China & World Economy, 26 (2018) 5, S. 16ff; Feng Lu, »China-US Trade Disputes in 2018: An Overview«, in: China & World Economy, 26 (2018) 5, S. 92ff.

55

 Siehe »People’s Daily 2018«, zitiert in: Chi Hung Kwan, »The China-US Trade War: Deep-Rooted Causes, Shifting Focus and Uncertain Prospects«, in: Asian Economic Policy Review, 15 (2019) 1 (im Erscheinen).

56

 Siehe C. Fred Bergsten, China and the United States: Trade Conflict and Systemic Competition, Washington, D.C.: Peterson Institute for International Economics (PIIE), Oktober 2018 (Policy Brief 18-21), <https://www.piie.com/system/files/
documents/pb18-21.pdf
> (Zugriff am 29.11.2019); für eine europäische Sicht siehe Clemens Fuest, Der dritte System­wettbewerb, München: ifo Institut für Wirtschaftsforschung, 2018 (ifo Standpunkt Nr. 200).

57

 Der Nobelpreisträger William Nordhaus spricht in diesem Zusammenhang von einer Trumpschen Handelsdoktrin. William Nordhaus, »The Trump Doctrine on International Trade. Part One«, Vox CEPR Policy Portal, 8.10.2018, <https://
voxeu.org/article/trump-doctrine-international-trade-part-one
> (Zugriff am 29.11.2019).

58

Siehe Rana Foroohar, »Globalised Business Is a US Secu­rity Issue«, in: Financial Times, 16.7.2018.

59

 So auch Kwan, »The China-US Trade War« [wie Fn. 5], S. 5f.

60

 White House, National Security Strategy of the United States of America, Washington, D. C., 2017.

61

Abschnitt 301 des US-Handelsgesetzes von 1974 ermäch­tigt den Handelsbeauftragten, unfaire Praktiken von Handelspartnern der USA zu untersuchen und zu ahnden; United States Trade Representative, Findings of the Investigation into China’s Acts, Policies, and Practises Related to Technology Trans­fer, Intellectual Property and Innovation under Section 301 of the Trade Act of 1974, Washington, D. C., März 2018.

62

Zu diesen Maßnahmen siehe Chad P. Bown/Melina Kolb, Trump’s Trade War Timeline: An Up-to-Date Guide, Washington, D. C.: PIIE, 23.8.2019, <https://www.piie.com/blogs/trade-investment-policy-watch/trump-trade-war-china-date-guide> (Zugriff am 29.11.2019); Kwan, »The China-US Trade War« [wie Fn. 5], S. 6–13.

63

 Siehe Chad P. Bown/Eujn Jung/Eva Zhang, Trump Has Gotten China to Lower Its Tariffs, Just toward Everyone Else, Wa­shington, D. C.: PIIE, 12.6.2019, <https://www.piie.com/
blogs/trade-and-investment-policy-watch/trump-has-gotten-china-lower-its-tariffs-just-toward
> (Zugriff am 29.11.2019).

64

 Siehe Kwan, »The China-US Trade War« [wie Fn. 5], S. 13f.

65

 Siehe dazu den Beitrag von Matthias Schulze und Daniel Voelsen in dieser Studie, S. 32ff.

66

 Siehe dazu auch die handels- und regulierungs­politischen Schlussfolgerungen im Beitrag von Annegret Bendiek und Barbara Lippert, S. 50ff.

67

 Mario Daniels, »Von ›Paperclip‹ zu CoCom. Die Herausbildung einer neuen US-Technologie- und Wissenspolitik in der Frühzeit des Kalten Krieges (1941–1951)«, in: TG Technikgeschichte, 80 (2013) 3, S. 209–224.

68

 Madeline Carr, US Power and the Internet in International Rela­tions. The Irony of the Information Age, Basingstoke/New York 2016.

69

 Max J. Zenglein/Anna Holzmann, Evolving Made in China 2025. China’s Industrial Policy in the Quest for Global Tech Leader­ship, Berlin: Mercator Institute for China Studies (Merics), Juli 2019 (Merics Papers on China Nr. 8), <https://www.merics.
org/sites/default/files/2019-07/MPOC_8_MadeinChina_2025_
final_3.pdf
>.

70

 Henry Farrell/Abraham L. Newman, »Weaponized Interdependence. How Global Economic Networks Shape State Coercion«, in: International Security, 44 (2019) 1, S. 42–79.

71

Siehe dazu auch den Beitrag »Werte und Ordnungen« von Hanns Günther Hilpert in dieser Studie, S. 37ff.

72

 Anne-Marie Slaughter, The Chessboard and the Web. Strategies of Connection in a Networked World, New Haven/London: Yale University Press, 2017.

73

 Samuel Bendett/Elsa B. Kania, A New Sino-Russian High-tech Partnership, Barton: Australian Strategic Policy Institute, Oktober 2019 (Policy Brief, Report Nr. 22/2019), <https://www.aspi.org.au/report/new-sino-russian-high-tech-partnership> (Zugriff am 19.11.2019).

74

 Siehe dazu auch den Beitrag »Handel, Wirtschaft, Finan­zen« von Hanns Günther Hilpert in dieser Studie, S. 27ff.

75

 Hierzu eine empirische Untersuchung: Davide Cantoni/Yuyu Chen/David Y. Yang/Noam Yuchtman/Y. Jane Zhang, »Curriculum and Ideology«, in: Journal of Political Economy, 125 (2017) 2, S. 338–392.

76

 Für die ersten fünf Jahre der Amtszeit Xi Jinpings (2013–2017) siehe Emily S. Chen, Is China Challenging the Global State of Democracy?, Honolulu: Pacific Forum, Juni 2019 (Issues & Insights, Bd. 19, WP 5), S. 3f.

77

 Zur chinesischen Diasporapolitik siehe Carsten Schäfer, »›The Body Overseas, But the Heart Remains in China‹? – China’s Diaspora Politics and Its Implications«, in: Border Crossing, 9 (2019) 1, S. 29–42.

78

 Siehe »How China’s ›Sharp Power Is Muting Criticism Abroad«, in: The Economist, 14.12.2017; Anne-Marie Brady, Magic Weapons: China’s Political Influence Activities under Xi Jinping, Conference Paper Presented at the Conference on »The Corrosion of Democracy under China’s Global Influence«, Supported by the Taiwan Foundation for Democracy, and hosted in Arlington, Virginia, USA, 16.–17.9.2017, <https://www.wilsoncenter.org/sites/default/files/for_website_magicweaponsanne-mariesbradyseptember2017.pdf> (Zugriff am 24.10.2019); Jessica Chen Weiss, »A World Safe for Autocracy? China’s Rise and the Future of Global Politics«, in: Foreign Affairs, 98 (2019) 4, S. 92–102 (98f).

79

 Für eine ausführliche Einordnung der BRI siehe Nadine Godehardt, No End of History. A Chinese Alternative Concept of International Order?, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, Januar 2016 (SWP Research Paper 2/2016); Bruno Maçães, Belt and Road. A Chinese World Order, London 2018.

80

 So auch Chen, Is China Challenging the Global State of Democracy? [wie Fn. 2]; Weiss, »A World Safe for Autocracy?« [wie Fn. 4], S. 95–102.

81

 Siehe Michael Hüther/Matthias Diermeier/Henry Goecke, Die erschöpfte Globalisierung. Zwischen transatlantischer Orientierung und chinesischem Weg, Wiesbaden 2018; Dan Banik/ Benedicte Bull, »Chinese Engagement in Africa and Latin America: Does It Matter for State Capacity?«, in: Third World Thematics: A TWQ Journal, 3 (2018) 4, S. 532–551.

82

 Siehe C. Fred Bergsten, China and the United States: Trade Conflict and Systemic Competition, Washington, D. C.: Peterson Institute for International Economics (PIIE), Oktober 2018 (Policy Brief 18-21), <https://www.piie.com/system/files/ documents/pb18-21.pdf> (Zugriff am 26.11.1019); Hüther/ Diermeier/Goecke, Die erschöpfte Globalisierung [wie Fn. 7].

83

 Siehe George Magnus, Red Flags. Why Xi’s China is in Jeopardy, New Haven: Yale University Press, 2018; Heribert Dieter, Chinas Verschuldung und seine Außenwirtschaftsbeziehungen. Peking exportiert ein gefährliches Modell, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, August 2019 (SWP-Studie 18/2019).

84

Vgl. hierzu Michael Foley, »Doing Leadership: Types, Styles, and Contingency«, in: ders., Political Leadership: Themes, Contexts, and Critiques, Oxford 2013, S. 31–57 (50ff), sowie Thomas Preston, »Leadership and Foreign Policy Analysis«, in: Oxford Research Encyclopedia, International Studies, Dezember 2017, <https://oxfordre.com/internationalstudies/view/ 10.1093/acrefore/9780190846626.001.0001/acrefore-9780190846626-e-255> (Zugriff am 3.12.2019).

85

 Entsprechende Analysen werden auch unter dem Titel »Operational Code« durchgeführt. Im Falle Chinas erweisen sich solche Untersuchungen angesichts einer problematischen Quellenlage aber als sehr schwierig.

86

 Bernard M. Bass, »From Transactional to Transformational Leadership: Learning to Share the Vision«, in: Organiza­tional Dynamics, 18 (1990) 3, S. 19–31.

87

 Dies wird auch als »patronalistischer Modus Operandi« bezeichnet; vgl. Reinhard Wolf, »Eingebildete Missachtung, Narzissmus und patronalistisches Denken. Die Wurzeln von Donald Trumps Aversion gegen die liberale Weltordnung«, in: Christopher Daase/Stefan Kroll (Hg.), Angriff auf die liberale Weltordnung. Die amerikanische Außen- und Sicherheitspolitik unter Donald Trump, Wiesbaden 2019, S. 39–58 (50).

88

Sebastian Heilmann, »Introduction: China’s Core Executive: Leadership Styles, Structures and Processes under Xi Jinping«, in: ders./Matthias Stepan (Hg.), China’s Core Executive. Leadership Styles, Structures and Processes under Xi Jinping, Berlin: Mercator Institute for China Studies (Merics), Juni 2016 (Merics Papers on China, Nr. 1), S. 6–10 (8).

89

 Siehe das Resümee in »Xi Jinping’s Leadership: Chairman of Everything«, in: The Economist, 2.4.2016, <https://www.
economist.com/china/2016/04/02/chairman-of-everything
>.