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VN-Krisenmanagement in Mali

Warum MINUSMA noch ein Jahr bleiben sollte

SWP-Aktuell 2023/A 22, 27.03.2023, 5 Seiten

doi:10.18449/2023A22

Forschungsgebiete

Friedensicherung durch die Vereinten Nationen hat in Mali keine Zukunft. Für die seit 2013 bestehende Mission MINUSMA sind die politischen Rahmenbedingungen schlechter als je zuvor. Sie hat nicht die uneingeschränkte Unterstützung des VN-Sicherheitsrats und noch weniger die der malischen Regierung. Bevor ihr Abzug eingeleitet wird, sollte die Mission dennoch im Juni 2023 ein letztes Mal verlängert werden. In der der­zeitigen Hochrisikophase für Mali ist es besser, das Instrument MINUSMA noch für ein Jahr im Land zu behalten, statt es aus der Hand zu geben. Die Mission kann posi­tiven Einfluss auf die Transition zu einer neuen politischen Ord­nung ausüben und den Schaden begrenzen, der durch Menschenrechtsverletzungen und den kollabierenden Friedensprozess verursacht wird. Deutschland sollte daher an seinem beste­henden Abzugsplan bis Mai 2024 festhalten.

Mali befindet sich theoretisch im letzten Jahr einer Übergangsphase, die 2020 mit einem Militärputsch begann und 2024 mit der Rückkehr zu einer neuen verfassungsmäßigen Ordnung enden soll. Die West­afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS hat im Juli 2022 ihre finanziellen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Mali aufgehoben, nachdem die malische Regierung einen Transitionszeitplan mit konkreten Wegmarken vorgelegt hatte: ein Referendum über eine neue Verfassung (März 2023), Lokalwahlen (Juni 2023), Par­lamentswahlen (Oktober-November 2023) und Präsidentschaftswahlen (Februar 2024). Doch Mali steckt nicht nur in einer Ver­fassungskrise. Die Faktoren, die 2020 zum Putsch führten, haben wenig oder nichts von ihrer Virulenz verloren: anhaltende Gewaltkonflikte und Aufstandsbewegungen, eine schwierige wirtschaftliche Lage, die stark eingeschränkte Legitimität und Hand­lungsfähigkeit des Staates sowie ein Friedens­prozess zwischen Bamako und nordmalischen Rebellen, der nicht mehr bloß sta­gniert, sondern zusammenbrechen könnte.

Ungebremste Gewaltspirale

Die Sicherheitslage im Land hat sich sieben Monate nach dem Abzug der letzten fran­zösischen Armeeeinheiten der Operation Barkhane (August 2022) und knapp 15 Mona­te nach der Ankunft von russischen Wagner-Söldnern (Ende 2022: ca. 1.500) nicht ver­bessert, in mancher Hinsicht hat sie sich verschlechtert.

In den Regionen Gao und Ménaka hat der Rückzug von Barkhane eine Lücke hinterlassen, in die der Islamische Staat (Islamic State in the Greater Sahara, ISGS) gestoßen ist. Alleine im vorletzten Quartal 2022 sind mindestens 50.000 Menschen aus der Region rund um Ansongo nach Gao geflüchtet. Gleichzeitig hat die Armee in Kooperation mit Wagner und lokalen Mili­zen ihre Aufstandsbekämpfung in Zentral­mali (Region Mopti) verstärkt. Beide Trends sind ursächlich dafür, dass sich nach An­gaben der MINUSMA die Zahl der zivilen Todesopfer im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 mehr als verdoppelt hat (1.277 Tote). Die Mehrheit dieser Menschenrechtsverletzungen (56 %) ging auf das Konto jihadistischer Gruppen, 35 % auf das der malischen Streitkräfte (FAMA) bzw. ihrer Alliierten. Im Januar 2023 waren in Mali 412.000 Men­schen intern vertrieben, 18 Prozent mehr als im Januar 2022. Seit 2020 hat gender­basierte sexuelle Gewalt um 40 Prozent zu­genommen. Bewaffnete Gruppen im Nor­den, darunter Unterzeichner des Friedensvertrags von 2015, sind enger zusammen­gerückt, um sich gegen den Vormarsch des ISGS zur Wehr zu setzen, und sind dabei vermutlich auch taktische Allianzen mit der Gruppierung JNIM (Group for the Sup­port of Islam and Muslims) eingegangen, die al-Qaida nahesteht und ebenfalls vom ISGS bekämpft wird. Im Zentrum sowie im Südteil des Landes weiten sich Unsicherheit und Gewalt ungebrochen aus, wie zahlreiche Anschläge und Überfälle nahelegen.

Die Ertüchtigung der FAMA hat seit dem Putsch einige Fortschritte gemacht. Organi­sation und Effektivität haben sich verbessert, der Sold wird regelmäßig gezahlt, die Ausstattung mit Rüstungsgütern aus Russ­land (Flug­zeuge, Helikopter) und der Türkei (Drohnen) hat die Schlagkraft erhöht. Darüber hinaus wurden seit 2021 rund 7.000 neue Rekruten angeworben. Eine Trendwende zugunsten der Regierung ist dennoch nicht absehbar. Die Armee hat nicht die Fähig­keiten, um eine weitgehend dezentralisierte Auf­standsbewegung zu ersticken. Taktische Erfolge und Militär­operationen zeigen keine anhaltende Wir­kung. Damit bestätigt sich das altbekannte Muster, dass eine überwiegend militärisch-repressive Aufstandsbekämpfung ohne politische Ansätze in­effektiv bleibt. Um­gekehrt ist zu vermuten, dass die Menschenrechtsverletzungen, die im Zuge des verstärkten Gewalteinsatzes durch Wagner, FAMA und Milizen in der Region Mopti stattfinden, den Zulauf zu jihadistischen Gruppen begünstigen.

Transitionsprozess mit Fragezeichen

Der Transitionsprozess, der politisch-insti­tutionelle Reformen und eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung bis März 2024 vorsieht, hat einige Wegmarken pas­siert, aber auch Rückschläge erlitten. Voran ging es bei der Neugliederung der Gebietskörperschaften, bei Wahlrechtsreformen, der Bildung einer Wahlkommission und – vielleicht als wichtigstes Vorhaben – der Vorlage eines Verfassungsentwurfs. Dessen Inhalte sind umstritten. Unter anderem fällt die außerordentliche Machtfülle ins Auge, die dem künftigen Präsidenten ein­geräumt wird.

Das für März 2023 geplante Verfassungsreferendum wurde kurzfristig verschoben. Damit sind weitere Verzögerungen beim Transitionsfahrplan zwangsläufig. Presse- und Meinungsfreiheit sind stark ein­geschränkt, abweichende Auffassungen wer­den von Regierungsvertretern und deren Alliierten oft als »unpatriotisch« gebrand­markt, Kritikerinnen und Kritiker ein­geschüchtert. Dies weckt Zweifel an der Aussicht auf freie und faire Wahlen. Manche Skeptiker bezweifeln, dass Wahlen über­haupt stattfinden werden, da die Regierung die Macht nicht abgeben wolle. Die Sicher­heitslage könnte zudem die Umsetzung des Wahlkalenders gefährden oder gar einen Anlass für die Nichtumsetzung liefern.

Das Militär hat offen gelassen, ob Verantwortliche der Transitionsregierung bei den Präsidentschaftswahlen antreten wer­den. Während die ECOWAS diese Möglichkeit klar verneint, könnte das neue Wahl­gesetz (24.6.2022) als Schlupfloch für Kan­didaturen dienen. Unklar ist, wie sich ECOWAS in einem solchen, wahrschein­lichen Fall verhalten würde. Sollte der enge Kreis der Obristen seine politische Kohäsion wahren und sich auf einen Kandidaten aus den eigenen Reihen einigen, dürfte diesem der Wahlsieg sicher sein. Nicht nur kontrol­liert die Regierung den Transitionsprozess und seine Institutionen; die Putschisten genie­ßen weiterhin einen relativ hohen Grad an Beliebtheit.

Dennoch hat die Popularität des Regimes vermutlich ihren Zenit überschritten. Mit dem Abzug Frankreichs und dem Ende der ECOWAS-Sanktionen hat es einen Teil seiner Erklärungen für die anhaltende Krise eingebüßt. Autoritarismus und der gefor­derte Meinungskonformismus haben die allgemeine Begeisterung gedämpft. Vor allem aber sind noch immer wenig kon­krete Fortschritte bei der Lösung drängender Probleme erkennbar. Die Rhetorik der patriotischen Gesinnung und nationalen Souveränität ist weiterhin effektiv und aus dem politischen Raum nicht mehr weg­zudenken. Als ausschließliche Legitima­tionsgrundlage ist sie indes auf mittlere Sicht nicht hinreichend. Dies zeigen zum Beispiel diverse Streikbewegungen, unter anderem von Studierenden, Richtern, Lehr­personal und Angehörigen von Gesund­heitsdiensten seit November 2022. Die Armutsquote wächst (von 42,5 % 2019 auf 44,4 % 2021) und mit ihr die Zahl der Malierinnen und Malier, die in extremer Armut leben (+375.000). Seit 2020 liegt das Wirtschaftswachstum pro Kopf bei durch­schnittlich −1,8 Prozent, die Inflationsrate lag 2022 bei 8 Prozent.

MINUSMA unter Druck

Für die Stabilisierungsmission MINUSMA haben sich die schwierigen Rahmenbedingungen in den letzten zwei Jahren noch einmal drastisch verschlechtert. Den bis dahin bestehenden internationalen Rück­halt hat sie verloren, nachdem sich bei der Mandatsverlängerung im Juni 2022 erst­mals Mitglieder des VN-Sicherheitsrats – China und Russland – der Stimme ent­hielten. Dies hat die MINUSMA gegenüber der malischen Regierung geschwächt, die ohnehin Dauerkritik an der Mission übt. Vor allem die Berichterstattung über Men­schenrechtsverletzungen durch FAMA und Wagner-Söldner ist Bamako ein Dorn im Auge. Im Februar erklärte die Regierung den Leiter der Menschenrechtsabteilung der MINUSMA zur Persona non grata.

Bamako erwartet nicht nur eine unkritische Haltung der MINUSMA, sondern for­dert auch eine aktivere militärische und logistische Unterstützung bei der Aufstands­bekämpfung. Dies ist allerdings im gegenwärtigen Kontext nicht mit den spezi­fischen Richtlinien des Menschenrechtsschutzes (UN Human Rights Due Diligence Policy on Support for Non-United Nations Security Forces, HRDDP) vereinbar.

Seit einem Jahr ist die Bewegungsfreiheit der MINUSMA-Einheiten Restriktionen unter­worfen, die die Umsetzung des Man­dats erheblich beeinträchtigen. Insbeson­dere Aufklärungsflüge werden von den malischen Behörden häufig nicht genehmigt. Besonders betroffen sind die von der Bundeswehr durchgeführten und für das Lage­bild der Mission wichtigen Drohnenflüge, die seit mehr als drei Monaten prak­tisch ausgesetzt sind. Ende Juni 2023 läuft das aktuelle Mandat der MINUSMA aus und der VN-Sicherheitsrat wird über die Zukunft der Mission entscheiden müssen. Angesichts der beschriebenen politischen und sicher­heitspolitischen Herausforderungen stellt sich die Frage, ob und unter welchen Bedin­gungen MINUSMA noch einen sinnvollen Beitrag zu Frieden und Stabilisierung in Mali leisten kann.

Ein VN-internes Papier (»Internal Review«) nennt vier Mindestvoraussetzungen dafür: neben der Bereitschaft, 1) die Tran­sition und 2) den Friedensprozess voranzubringen, sind dies 3) die Gewährleistung der Freizügigkeit der Mission, einschließlich des Einsatzes von Drohnen zur Aufklärung; 4) die Fähigkeit der Mission, ihrem Mandat vollständig gerecht zu werden, auch beim Schutz von Menschenrechten.

Auf dieser Grundlage fasst das VN-Papier drei Optionen für die künftige Ausrichtung der Mission ins Auge. Die maximalistische Option 1 sieht vor, der überdehnten Mis­sion endlich die fehlenden Mittel zu geben, um sie dazu in die Lage zu versetzen, ihr Mandat sowohl inhaltlich als auch terri­torial (im Norden und im Zentrum) um­zusetzen. Dies erfordere eine Erhöhung der gegenwärtigen Truppenstärke (13.986 Blau­helme) um 26 Prozent auf 17.666 Blau­helme. Eine abgestufte Variante dieser Op­tion wäre eine Verstärkung um 2.000 Uni­formierte. In diesem Fall − so heißt es in dem Papier − müsse MINUSMA allerdings entweder den Norden (Friedensprozess) oder das Zentrum (Stabi­lisierung, Schutz der Zivilbevölkerung) priorisieren.

Option 2 würde bei unveränderter Trup­penstärke und gleichbleibenden Mandatsaufgaben vor allem auf eine Optimierung der vorhandenen Ressourcen hinauslaufen. Dazu würde MINUSMA Lager in Ber, Aguel­hok und Tessalit schließen, um andere Stand­orte (Ménaka, Ansongo) zu stärken. Alternativ müsse MINUSMA sich aus dem Zen­trum zurückziehen, um sich auf den Friedens­prozess im Norden zu fokussieren. Eine Unterstützung der Wahlen wäre damit nicht mehr möglich.

Option 3 sieht eine Umwandlung der MINUSMA in eine politische Mission und damit den Abzug der uniformierten Kom­ponenten vor. Als rein zivile Mission wäre MINUSMA nur noch in Bamako präsent und müsste sich dort auf politische Arbeit (Dialog, Vermittlung, Beratung) konzentrieren. Für die Sicherheitslage im Land hätte dies voraussichtlich negative Folgen.

MINUSMA verlängern und Exit einleiten

Derzeit deutet nichts darauf hin, dass die Regierung in Bamako bereit ist, die Min­dest­anforderungen 3 und 4 (volle Gewährleistung der Freizügigkeit, Ermöglichung der umfassenden Mandatsumsetzung) zu erfül­len, das heißt, eine kooperative Beziehung zur Mission einzugehen. Bamako tut sich schwer damit, die politische und operative Unabhängigkeit der MINUSMA zu akzeptie­ren. Vielmehr fordert die Regierung von der Mission wirtschaftliche, politische, militäri­sche und logistische Unterstützung. Vor diesem Hintergrund ist Option 1 völlig realitätsfern. Der VN-Sicherheitsrat wird niemals die Aufstockung der Mission in Betracht ziehen, solange die malische Füh­rung der Mission eine belastbare Zustimmung (»Consent«) vorenthält. Die Regierung wiederum wird Consent verweigern, da Mandat und Operationskonzept der Mission nicht nach ihren Vorstellungen angepasst werden können. Der Gegensatz zwischen ihren Interessen und den Peacekeeping-Prinzipien (Zustimmung, Neutralität) ist unüberbrückbar.

Auch Option 3 ist unrealistisch. Bamako würde dem Verbleib einer ausschließlich politischen Mission nicht zustimmen. Mit einer solchen Umwandlung würde MINUSMA aus Regierungssicht ihren letz­ten verbleibenden Nutzen verlieren: als Akteur, der humanitäre Hilfe und Entwicklungsprojekte in das Land bringt, als Wirt­schaftsfaktor (Arbeitsplätze) und als logis­tische Unterstützung für die FAMA.

Übrig bliebe damit die Option 2, die dem Status quo nahekommt, die aber auf Dauer nicht tragfähig ist. Eine denkbare 4. Option wäre der Abzug aus Mali nach Auslaufen des Mandats im Juli 2023. Dieser radikale Schritt wäre nachvollziehbar, aber kontra­produktiv. Kurzfristiges Minimalziel der internationalen Bemühungen in Mali ist die Rückkehr zu einer verfassungsmäßigen Ordnung und die Bildung einer demokratisch legitimierten Regierung, die die Her­aus­forderungen des Landes in Angriff nimmt. Beides hängt vom Erfolg der Tran­sition ab, der alles andere als ein Selbst­läufer ist. Der Übergangsprozess sollte von internationalen Akteuren unterstützt wer­den (MINUSMA, ECOWAS, AU, EU, Deutsch­land etc.). Die MINUSMA leistet durch ihre Präsenz einen kleinen Beitrag dazu, dass die internationale Aufmerksamkeit für die Transition hoch bleibt. Sie erhöht damit den Druck auf die Führung in Bamako, den Prozess zu einem Ende zu bringen. MINUSMA hat ein Mandat für die Unterstützung der Transition und kann auch einen logistischen Beitrag bei der Durchführung von Wahlen leisten. Dies dürfte auch die Präferenz der regionalen Nachbarn sein, die knapp die Hälfte der MINUSMA-Blauhelme stellen.

Der VN-Sicherheitsrat sollte daher das Mandat der MINUSMA unverändert um ein Jahr verlängern, aber gleichzeitig den Aus­stiegsprozess einleiten. Alle anderen Op­tionen sind noch weniger überzeugend. Für die vage Idee, MINUSMA könne von einer afrikanischen Interventionstruppe ersetzt oder ergänzt werden, gibt es bisher keine Anknüpfungspunkte. Die Finanzierung einer solchen Mission steht in den Sternen. Hinzu kommt, dass die meisten Nachbarstaaten Malis dem Wagner-Einsatz dort offen kri­tisch gegenüberstehen.

Realistische Erwartungen und Frustrationstoleranz

Gleichzeitig sollte man sich hinsichtlich des Übergangsprozesses keinen Illusionen hin­geben. Sofern die Transition in den kom­menden Monaten überhaupt vorankommen sollte, wird sie ein unvollkommener, konflikthafter Prozess sein. Exemplarisch sichtbar wird dies an den Reaktionen auf den Verfassungsentwurf oder die Besetzung der Wahlkommission. Zudem ist die Wahr­scheinlichkeit hoch, dass ein Angehöriger der Junta oder eine ihr nahestehende Per­sönlichkeit am Ende Präsident des Landes wird. Gleichwohl können internationale Partner versuchen, den Transitionsprozess möglichst offen, fair und inklusiv zu hal­ten. Die hohe Nachfrage der Bevölkerung nach politische Veränderungen wird nur befriedigt werden können, wenn Meinungsfreiheit und poli­tische Beteiligung möglich sind. Die Tran­sition ist keine hinreichende Bedingung für die Stabilisierung Malis. Sie kann aber Leitplanken für die künftige Suche nach Auswegen aus der Krise setzen. Ein Scheitern des Übergangsprozesses läuft hingegen auf eine weiter zunehmende regionale und internationale Isolation Malis und vermutlich eine Konsolidierung mili­tärischer Herrschaft hinaus.

Die malische Regierung stellt die Kooperationsbereitschaft ihrer Partner ohnehin schon auf eine harte Probe. Dazu kommt die Indienstnahme der Wagner-Söldner sowie zuletzt ihr Abstimmungsverhalten in der VN-Generalversammlung, wo sie mit nur sechs weiteren Staaten gegen eine Resolution stimmte, die zur Verteidigung der VN-Charta und Russland zum Abzug aus der Ukraine aufrief.

Deutschland und seine europäischen Partner stehen mit ihrer Frustration über die Entwicklungen in Mali nicht alleine da. Sie wird von afrikanischen Regierungs­vertretern aus der Region geteilt. Von Mali geht ihrer Ansicht nach ein erhebliches Destabilisierungsrisiko für den westafrikanischen Raum aus. Das politische und sicherheitspolitische Einwirken auf die Mali-Krise erschöpft sich nicht mit der MINUSMA. Die Mission ermöglicht aber ein besseres Lagebild und eröffnet begrenzte Chancen der Einwirkung auf die Transition und die Menschenrechtslage. Die Bundes­regierung hat bereits im vergangenen Novem­ber beschlossen, die Bundeswehr bis Mai 2024 aus der MINUSMA abzuziehen (derzeit 1.158 Soldatinnen und Soldaten). Würde Berlin den schon beschlossenen Abzug um einige Monate vorziehen, wäre dies mit Blick auf die obstruktive Haltung Bamakos nachvollziehbar. Davon ginge allerdings das Signal aus, dass die Transi­tion, für die sich die Bundesregierung wie ihre europäischen und afrikanischen Part­ner vehement eingesetzt haben, als poli­tisches Ziel aufgegeben wird.

Dr. Denis M. Tull ist Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten.

© Stiftung Wissenschaft und Politik, 2023

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