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Umweltsicherheit und Nordkorea

Begrenzter Raum für Konflikttransformation durch Umweltkooperation

SWP-Aktuell 2024/A 04, 30.01.2024, 8 Seiten

doi:10.18449/2024A04

Forschungsgebiete

Die Stabilität Nordkoreas zu wahren bildet eine ernste Herausforderung für die globale Sicherheit, besonders für die Sicherheit im indo-pazifischen Raum. Nicht nur struk­turelle wirtschaftliche Probleme und das Risiko eines militärischen Kon­flikts gefährden diese Stabilität, sondern zunehmend auch nichttraditionelle Bedrohungen wie Umweltzerstörung und Klimawandel. Daher hat die nordkoreanische Führung ihre Aktivitäten zur Bekämpfung negativer Folgen dieser Entwicklungen verstärkt. Zwar bieten Umweltfragen als vergleichsweise ent­politisierter Bereich durchaus Möglichkeiten für ein konstruktives Engagement zwischen Nordkorea und der inter­nationalen Gemeinschaft. Gleichwohl erschweren finan­zielle, politische, strukturelle und institutionelle Probleme eine langfristige Kooperation. Deshalb erweist sich die Förderung des Umwelt­schutzes in Nordkorea zum Zwecke der Konflikttransforma­tion als grundsätzliches Dilemma.

Nordkoreas Nuklear- und Raketenprogram­m verschärft zusehends die sicherheitspolitische Lage auf der koreanischen Halbinsel. Angesichts dessen geraten nichttraditionel­le Herausforderungen wie Umweltzerstörung und Klimawandel meist aus dem Blickfeld. Doch genau diese Entwicklungen bedrohen immer stärker Nordkoreas Stabilität, die für die Sicher­heit im Indo-Pazifik und darüber hinaus entscheidend ist. Damit treten sie zu traditionellen Faktoren hinzu, etwa der Gefahr eines militärischen Konflikts oder eines wirtschaftlichen Kollapses. Nichttraditionel­le Herausforderungen bringen, wie es in einem Bericht aus dem Jahr 2021 heißt, »eine Reihe von Stressfaktoren für die nord­koreanische Gesellschaft mit sich, welche die fragile Regierungsführung und Ressour­cenbasis erschüttern und zu Instabilität und Konflikten führen könn­ten«. Die nord­koreanische Führung ist sich der vielfältigen Bedrohungen durchaus bewusst, die mit Klimawandel und Umweltzerstörung einher­gehen. Sie umfassen negative Aus­wirkungen auf die Lebens­bedingungen der Menschen, die Wasserressourcen des Landes, die nationale (Land-)Wirtschaft, die Wälder, das Ökosystem, die Küstensicherheit und die öffentliche Gesundheit. Für die nord­koreanischen Entscheidungsträger ist es daher außerordentlich wichtig, diese nega­tiven Auswirkungen zu verringern. Haupt­instrumente dafür sind Mitigation, also vor allem die Reduktion von Treibhausgasen, und Adapta­tion, das heißt viel­fältige Maß­nahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Trotz der weitreichenden Entkopplung in (den meis­ten) anderen Poli­tikbereichen arbeitet Nord­korea in puncto Kampf gegen den Klimawandel weiterhin mit der inter­nationalen Gemeinschaft zu­sammen. Dies wirft eine Reihe von Fra­gen auf, etwa nach den Impli­kationen des Klimawandels für Nordkoreas Regierungsstruktur und politi­sche Stabilität und nach Chancen und Herausforderungen im Hin­blick auf ein stärkeres Engagement der inter­­nationalen Gemeinschaft mit Nord­korea in Sachen Klimawandelbekämpfung. Nicht zuletzt wäre angesichts der wachsenden Span­nun­gen auf der koreanischen Halbinsel zu überlegen, ob die Zusammenarbeit mit Nord­korea im Umweltbereich als Instrument dienen könnte, den Konflikt mit dem Land im (sicherheits)politischen Bereich zumindest teilweise zu transformie­ren.

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Nordkorea

Nordkorea sieht sich mit zahlreichen Umweltproblemen konfrontiert. Sie reichen von Bodenerosion, Verdichtung und Ver­sauerung infolge nicht nachhaltiger land­wirtschaftlicher Praktiken bis hin zu starker Abhängigkeit von Kohle für die Stromerzeu­gung und industrielle Prozesse. Darüber hinaus gibt es Anzeichen für eine von Nach­barländern ausgehende Umweltzerstörung in Nordkorea durch grenzüberschreitende Schäden, etwa sau­rer Regen, der durch Luft­schadstoffe aus China befördert wird. Natur­katastrophen als Folge des Klima­wandels, dar­unter Dürren, Taifune und Überschwem­mungen, kommen regelmäßig vor. Schon 2013 war dem Klima-Risiko-Index der deut­schen Entwicklungs- und Umweltorgani­sation Germanwatch zu entnehmen, dass Nordkorea im Zeitraum zwischen 1992 und 2011 von 179 Ländern am siebthäufigsten mit klimabedingten Extremwetterereignissen zu kämpfen hatte. Zwischen 1995 und 2020 wurden dort nur in vier Jahren keine grö­ßeren Hochwasserereignisse verzeichnet (2001, 2008, 2009 und 2017). 2019 war Nord­korea das am stärksten von Tai­funen in Mit­leidenschaft gezogene Land in ganz Asien. Allein in jenem Jahr waren 10,1 Millionen Men­schen, also vier von zehn Nordkoreanern, von Stürmen betroffen. Im Jahr 2020, als viele Provinzen unter den heftigsten Nieder­schlägen seit vier Jahrzehnten litten, wurde Nordkorea binnen nur drei Wochen von drei großen Taifunen heim­gesucht. Das hat die Nahrungsmittelknappheit weiter verschärft und die Ernährungs- und Land­wirtschaftsorganisation der Ver­einten Natio­nen ver­anlasst, Nordkorea auf die Liste jener 45 Länder zu setzen, die 2020 beson­ders drin­gend Nahrungsmittelhilfe von außen benötigten. Die Taifune in Nord­korea ver­ursachten nicht nur geringere Ernteerträge, sondern auch große Schäden in der Infra­struktur des Landes. Tausende Häuser wur­den zerstört, viele Menschen vertrieben. Szenarien legen nahe, dass diese negativen Auswirkungen des anthropo­genen Klima­wandels weiter zunehmen werden, da der Anstieg des Meeresspiegels und das häufi­gere Auftreten extremer Temperaturen und Niederschläge mehr ver­heerende Überschwemmungen, Erd­rutsche und Dürren nach sich ziehen dürf­ten. Das nordkoreanische Ministerium für Land- und Umweltschutz (MoLEP) geht davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in Nordkorea, die sich von 1918 bis 2000 um 1,9°C erhöht hat, bis zum Jahr 2050 um 4,7°C gegenüber 1918 gestiegen sein wird. Längerfristige Klimaveränderungen werden die landwirtschaftliche Produk­tivität weiter beeinträchtigen und das Risiko des Auftretens von Schädlingen und Krankheiten vergrößern. Überschwemmun­gen an den Küsten und das Eindringen von Salzwasser werden die Verfügbarkeit von Süßwasserressourcen vermindern.

All dies hat die Führung in Pjöngjang sehr wohl zur Kenntnis genommen und beispielsweise schon 2012 im Environment and Climate Change Outlook ausführlich dargestellt. Dort heißt es, »dass der Klima­wandel die bestehenden Belastungen für natürliche und mensch­liche Systeme infolge veränderter Temperatur- und Niederschlags­muster so­wie des Meeresspiegelanstiegs verschärfen wird«.

Zwar hat Nordkorea nur unwesentlich zum Gesamtanstieg der weltweiten Treib­hausgasemissionen beigetragen und zählte sogar zu den wenigen Ländern, die ihre Emissionen in den 1990er Jahren gegenüber den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich reduziert haben. Doch dieser Rück­gang war nicht das Ergebnis erfolgreicher (klima)politischer Maß­nahmen. Vielmehr war er auf die systemi­sche Wirtschaftskrise des Landes in den 1990er Jahren zurückzuführen, die sich nicht nur in einem Güter-, Finanz- und Lebensmittelmangel, sondern vor allem in Energie­knappheit ausdrückte. Während der 2000er Jah­re hingegen hatten der steigende Energie­verbrauch und die wach­sende Abhängigkeit von Kohle zur Folge, dass auch die Kohlendioxidemissionen spürbar in die Höhe gingen. 2020 lagen sie bei rund 116 Millionen Tonnen und waren damit fast doppelt so hoch wie im Jahr 2000. Bis 2030 werden sie vor­aus­sichtlich 218 Millionen Tonnen betragen. Insgesamt entfallen rund 90% des natio­nalen Treib­hausgasausstoßes auf den Energiesektor, der in erheblichem Maße auf Kohle und andere fossile Brennstoffe angewiesen ist.

Nordkoreas Klimapolitik zwischen Mitigation und Adaptation

Mitigation und Adaptation werden im Allgemeinen als die beiden grundlegenden Strategien zur Bewältigung des Klima­wandels angesehen. Mitigation soll helfen, dessen negative Auswirkungen zu begrenzen, indem Treibhausgasemissionen ver­ringert sowie verstärkt saubere und erneuerbare Ener­gieressourcen genutzt werden. Adapta­tion bedeutet, die Folgen des Klima­wandels durch ein breites Spektrum an systemspezifischen Maßnahmen zu min­dern.

Mitigation

Angesichts der komplexen Situation Nord­koreas war Mitigation immer eine schwierige politische Option. Lange schien sie in keiner der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen des Landes eine zentrale Rolle zu spielen. Zu den von Nordkorea selbst ein­geräumten Defiziten der eigenen Klimaschutzstrategie zählen unter anderem ein Mangel an finanziellen Mitteln und Fach­leuten, unzulängliche Koordinierung zwischen den Beteiligten, ein unklarer institutioneller Rahmen für die Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen sowie un­zureichende rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen für die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Nordkoreas Miti­gationsstrategie konzentriert sich daher auf Modernisierungs-, Verbesserungs- und Kapazitäts­aufbaumaßnahmen, um mehr Effizienz und Nachhaltigkeit in verschiedenen Sektoren zu erzielen. Eine herausragende Rolle spielt dabei die Nutzung und Ver­breitung erneuerbarer Energien. Nordkorea hat deutlich sein Interesse bekundet, Techno­logien für erneuerbare Energien einzuführen und dafür Investitionen einzuwerben, auch um die systembedingte Energieknappheit zu überwinden. In offiziellen Statements wird ausdrücklich dazu auf­gerufen, stärker auf erneuerbare Energietechnologien wie Solar- und Wind­energie, Wasserkraft und Biomasse zu setzen. Nordkoreas nationaler Entwicklungsplan für den Ener­giesektor hat zum Ziel, den Anteil der vor Ort erzeugten erneuerbaren Energien am Gesamtanteil der Energie­versorgung merklich zu er­höhen. Im Gegen­satz zur zen­tralisierten Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen können erneuerbare Energiequellen nämlich lokal skaliert werden, also besser auf die häuslichen und kommunalen Systeme zur Nutzung erneuer­barer Energien ausgelegt werden. Das redu­ziert letztlich auch die Vorlaufkosten.

Adaptation

Die meisten Maßnahmen, die Nordkorea mit oder ohne ausländische Hilfe oder Unterstützung gegen die negativen Auswir­kungen des Klimawandels ergreift, können als Adaptationsmaßnahmen eingestuft wer­den. Sie konzentrieren sich darauf, direkte Schä­den durch Naturkatastrophen infolge ex­tremer Wetterereignisse zu minimieren, die geschädigten natürlichen Systeme wiederherzustellen, Nahrungsmittelknappheit zu bewältigen, Wassermanagement zu betreiben und – in jüngster Zeit – für mehr Kapa­zitäten im Katastrophenmanage­ment zu sorgen. Gleichwohl halten sich die Adap­tationsfähigkeiten des Landes in engen Grenzen. Defizite sind beispielsweise die mangelnde Ausstattung von Forschungs­einrichtungen in puncto Adaptation an den Klimawandel, unzureichende Basisdaten und fehlende Mittel für das Katastrophenmanagement. Äußerst be­grenzt sind auch die Handlungsspielräume für transparente Investitionen in nachhaltige Entwicklungs­möglichkeiten. So hat Nordkorea etwa im Gegensatz zu einer Reihe anderer Nicht-Annex-1-Parteien des Rahmenabkommens der Ver­ein­ten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) nicht davon profi­tiert, dass es immer mehr internationale Unter­stützung dafür gibt, Technologietransfer zu fördern, Kapazitäten aufzubauen und Strategien für bessere Mitigation und Adap­tation zu entwickeln.

Dennoch hat die nordkoreanische Regierung einige substantielle Maßnahmen ergriffen, die helfen könnten, seine Adapta­tionsfähigkeit zu erhöhen. So haben die staatlichen Medien ihre Berichterstattung über verschiedenste Aspekte des Klimawandels sukzessive ausgeweitet. Regel­mäßig berich­ten sie sowohl über Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die glo­bale Erwär­mung als auch über deren nega­tive Auswirkungen auf Nordkorea und dessen politische Optionen in diesem Kon­text. Die Effekte des Klimawandels wurden in die Lehrpläne der Grund- und Sekundarschulen aufgenommen, während an den Universitäten und Hochschulen Lehrveranstaltungen zur Eindämmung des Klimawandels sowie zu An­passung und Frühwarnung stattfinden. Darüber hinaus wurden öffentliche Sensi­bilisierungs- und Aufklärungskampagnen hinsichtlich not­wendiger Maßnahmen zur Eindämmung des Klima­wandels durchgeführt. Nach den Taifunen im Jahr 2020 beispielsweise lancierten Beamte der Arbeiter­partei eine intensive, an die breite Öffentlichkeit gerich­tete Informa­tionskampagne und leiteten nach eigenem Bekunden »sofor­tige und gründliche Maßnahmen« zur Bewäl­ti­gung der Krise ein. Staatschef Kim Jong Un berief eine erweiter­te Sitzung des Exekutivrats des Zentral­komitees der Arbeiterpartei ein. Dieser sollte eine umfassendere Kam­pagne orga­nisieren, um die Folgen der Naturkata­strophen in den Griff zu bekom­men. Bei seinem Besuch in den Katastrophengebieten betonte Kim Jong Un, wie wichtig es sei, Ursachen und Effekte solcher klimabedingter Krisen zu untersuchen.

Unübersehbar ist, dass Kim Jong Un die Bedeutung vor allem von Adaptationsmaßnahmen als Reaktion auf den Klimawandel stärker in den Vordergrund stellt. Schon kurz nach seinem Machtantritt veröffentlichte er im Mai 2012 eine Ab­handlung, deren Schwerpunkt der Aufbau nationaler Kapazitäten für Adaptationsmaßnahmen bildete. Konkret ging es etwa darum, Deiche zu errichten, damit kein Ackerland verlorengehe, um Aufforstung und um Initiativen zur Wasserbewirtschaftung, mit deren Hilfe Überschwemmungs- und Dürreschäden verhindert werden soll­ten. Landmanagement und Umweltschutz beschrieb der Staatschef als »lan­des­weites und von allen Menschen getragenes Pro­jekt«. Diese frühe Abhandlung Kim Jong Uns wird gemein­hin als Ausdruck seines politischen Willens gedeutet, Heraus­forde­rungen klimabedingter Naturkatastrophen präventiv entgegenzuwirken.

Spielraum für einen »environmental peacebuilding approach« mit Nordkorea

Nicht nur erkennt Nordkorea die negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf Bevölkerung, Infra­struktur und Wirtschaft an. Die Führung in Pjöngjang wertet sie auch zunehmend als potentielle (politische) Bedrohung für die Stabilität des Regimes. Daher hat sie ihre Gegenmaßnahmen sukzessive verstärkt. Obwohl das Land während der selbst­auferlegten Ab­riegelung nach dem Aus­bruch der weltweiten Covid-19-Pandemie weit­gehend isoliert war, engagierte es sich umweltpolitisch nach wie vor in der inter­nationalen Gemeinschaft. Beispielsweise nahm Nordkorea weiterhin an den jähr­lichen Klimakonferenzen (COP) teil, die im Kontext des UNFCCC stattfinden. Dies wirft die Frage auf, ob es Raum für ein verstärktes Engage­ment mit Nordkorea in Umwelt­fragen gibt. Die Spannungen auf der korea­nischen Halbinsel wachsen, und es ist notwendiger denn je, Nordkorea in stabile Strukturen internationaler Kooperation einzubinden. Beobachter haben daher die Überlegung ins Spiel gebracht, alternative, weniger sensible Kooperationsmöglichkeiten mit Nordkorea zu suchen, allen voran im Umweltbereich. Damit verbunden ist die Hoffnung auf Ver­trauensbildung und konstruktiven Aus­tausch sowie letztlich einen Spillover-Effekt auf andere, möglicherweise sensiblere Politikbereiche.

Umweltkooperation als Instru­ment zur Konflikttransformation

Die Idee, Umweltkooperation als Instrument der Konfliktbewältigung zu nutzen, tauchte in den 1990er Jahren auf, als die ersten Analysen zur Umweltkooperation in Konfliktgebieten erschienen. Bald gelangte die Idee auf die Tages­ordnung internationaler Organisationen wie der OSZE, der EU, des Umweltprogramms der Vereinten Natio­nen (UNEP) sowie internationaler Umwelt­agenturen und vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs).

Nach Ansicht der Befürworter eignen sich Umweltthemen besonders gut für die Konflikttransformation, da in der Regel gemeinsames, grenzüberschreitendes Han­deln nötig ist, um Umweltherausforderungen zu bewältigen. Da Umweltfragen kom­plex sind, müssen sie oft auf innovative und unkonventionelle Weise angegangen werden – und dies erfordert gemeinhin Dialog. Umweltfragen sind daher eines der wenigen Themen, bei denen der Dialog zwischen ansonsten verfeindeten Staaten oft auch in Zeiten politischer Konflikte aufrechterhalten wird. Außerdem, so die Befürworter, kann die umweltpolitische Zusammenarbeit die Vertrauensbildung fördern, die wiederum für den politischen Dialog unerlässlich ist – und so Brücken zwischen den Parteien bauen. Demnach kann die Umweltkooperation zwischen verfeindeten Parteien über vier Hauptwege zu friedlicheren Beziehungen zwischen Staaten führen: Erstens kann sie die Umwelt­situation verbessern und damit ökologische Missstände beseitigen, Umwelt­konflikte entschärfen und für bessere Lebensgrundlagen sorgen. Zweitens kann Kooperation mehr Vertrauen und Ver­ständnis erzeugen, indem sie Gegner zu gemeinsamer Arbeit ermutigt und Chancen für Interaktionen zum beiderseitigen Vor­teil eröffnet. Drittens offenbart Umwelt­zusammenarbeit die wech­­selseitigen Abhängigkeiten zwischen ver­schiedenen Parteien. Das kann Ausgangspunkte für Kooperation in weiteren Feldern bieten, etwa wenn gemeinsames Hoch­wasser­management dazu anregt, auch bei Strom­versorgung oder Fischerei an einem Strang zu ziehen. Auf diese Weise ließe sich die gegenseitige Abhängigkeit erhöhen und so der Kooperationsgedanke fördern. Viertens schließlich kann Zu­sammenarbeit im Umweltbereich den Auf­bau von Insti­tutionen erleichtern, die als Foren für Kon­flikt­lösung und Dialog dienen können.

Umweltkooperation kann also das Poten­tial haben, regionale und internationale Probleme positiv zu beeinflussen, denn sie hilft den Beteiligten, kooperative Nor­men zu verinnerlichen, gemeinsame regio­nale Interessen zu entwickeln, trans­nationale Kommunikation zu kanalisieren und zu etablieren sowie die Akzeptanz von Gewalt­anwendung zu verringern. Umweltthemen gelten in der Regel als weniger sensibel und politi­siert. In den Augen der Befürworter eines »environmental peacebuilding«-Ansatzes kann dies längerfristig zur Kon­flikt­transformation beitragen sowie Bedrohungen und Unsicherheiten ent­schär­fen helfen.

Begrenztes Potential für Konflikt­transformation mit Nordkorea

Das weite Feld der Klimapolitik ist einer der wenigen Politikbereiche, in denen Vertreter der inter­nationalen Gemeinschaft ohne Groll oder ideologische Vor­behalte mit den Nordkorea­nern sprechen können, wie es ein hoch­rangiger westlicher Diplomat formuliert hat. Freilich existieren starke Anreize und ein unmit­telbares Interesse daran, die Auswirkungen des Klimawandels abzu­mildern. Gewichtige Argumente sprechen jedoch dagegen, dass Konflikttransformation mit Nordkorea durch einen »environmental peacebuilding«-Ansatz gelingen kann.

Deutliche Priorisierung traditioneller Sicherheitsbelange

Nordkorea nimmt die Bedrohung durch nichtkonventionelle Sicherheitsprobleme wie den Klimawandel ernst und hat er­kannt, dass sie sogar die Stabilität des Regimes gefährden. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass die Entscheidungs­träger in Pjöngjang traditionellen Sicherheitserwägungen in ihrem stra­tegischen Gesamtkalkül eindeutig Vor­rang geben. Abzulesen ist dies nicht zuletzt am beträchtlichen Ungleichgewicht zwischen den Aus­gaben für konventionelle Waffen und den Investitionen zur Bekämpfung von Umwelt­problemen. Besonders Pjöngjangs Entscheidung für einen landesweiten Lockdown seit Anfang 2020, der die Arbeit internationaler Organisationen und NGOs in und mit Nord­korea weiter verkom­pliziert und teils sogar unmöglich gemacht hat, zei­gt deutlich, dass nicht­traditionelle Herausforderungen etwa in Gestalt des Klimawandels nach wie vor von traditionellen Sicher­heitsaspekten über­­lagert werden.

Geopolitische Lage als erschwerender Faktor

Die sich verändernde geopolitische Lage in Ostasien macht auch ein intensiveres Engage­ment mit Nordkorea auf zwischenstaatlicher Ebene schwieriger. Bewirkt haben dies die Sanktionen der internatio­nalen Gemeinschaft und die von Nord­korea selbst verhängte natio­nale Abschot­tung als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie. Beides hat die wirtschaftlichen Zwänge Nordkoreas weiter verschärft und das Engagement der inter­nationalen Gemeinschaft in und mit Nord­korea zusätzlich erschwert – selbst in nichtsensiblen Themenbereichen. So geneh­migte etwa der Green Climate Fund im Dezember 2019 seine erste Finanzierungsrunde für ein Projekt, das Nordkorea bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen soll. Doch der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen lehnte den Antrag auf Befreiung von den Sanktionen ab, und die Zahlung der Bereit­schaftshilfe wurde ausgesetzt. Nordkoreas selbstauf­erlegte nationale Abriegelung seit Anfang 2020 hatte dann zur Folge, dass die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft erlahmte. Wichtige Institu­tionen und NGOs, etwa das Länderbüro der Vereinten Nationen, wan­derten deshalb aus Nordkorea ab.

Strukturelle Herausforderungen als Hindernis für mehr Zusammenarbeit

Zwar hat Nordkorea die rechtlichen und institutionellen Grundlagen für den Kampf gegen den Klimawandel geschaffen. Aller­dings behindern die begrenzten finanziellen und institutionellen Kapazitäten des Landes die Ausweitung des internationalen Engagements. Wohl gibt es gezielte Initiati­ven, einige der institu­tionellen Einschränkungen anzugehen, indes mit mäßigem Erfolg. Der Finanzmangel zählt zu den größten strukturellen Herausforderungen und beeinträchtigt das Engagement Nord­koreas mit der internationalen Gemeinschaft in vielfältiger Weise. Zudem verhin­dert Nordkoreas extrem negativer Ruf aufgrund seines Kern­waffen- und Raketenprogramms, dass das Land in den Genuss inter­nationaler Förderung für Schadens­begrenzung und Anpassung kommt. Ferner sind Nordkoreas Umweltprobleme zu einem großen Teil auf die inhärenten In­effizienzen seines sozialistischen Systems zurückzuführen. Die Zer­störung des Landes, der Natur und des Öko­systems ist auch das Er­gebnis politischer Versäum­nisse. Eine wirk­same Bekämpfung des Klimawandels in Nord­korea erfordert daher weitreichende politische Veränderungen.

Spillover-Effekt wenig wahrscheinlich

Beobachter gehen davon aus, dass der Aus­tausch mit Nordkorea im Umweltbereich und besonders beim Klimawandel schrittweise Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien schaffen und schließlich positiven Einfluss auf die Kooperation mit Nordkorea auf der Ebene politischer Themen haben könnte (spillover). So stellte ein Beobachter fest, dass »die innerkoreanische Zusammenarbeit beim Klimawandel, einem The­ma mit geringer politischer Bedeutung, dazu beitragen könnte, die Spannungen aufgrund der nuklearen Drohungen Nord­koreas zu entschärfen und tatsächliche Fortschritte im Prozess der Vertrauens­bildung auf der koreanischen Halbinsel zu erzielen«. Es gibt jedoch eindeutige Belege dafür, dass Nordkorea sein Engagement in Umweltfragen nicht nur von anderen Politik­bereichen abgrenzt, sondern eine klare Hierarchie zugunsten konventioneller Sicherheitsüberlegungen aufgestellt hat.

Fazit

Für die globale Sicherheit und vornehmlich jene im indo-pazifischen Raum hätte es unabsehbare Konsequenzen, wenn Nord­koreas Stabilität erodierte. Gefährdet ist diese nicht nur durch struktu­relle wirtschaftliche Probleme und das Risiko eines militärischen Konflikts, sondern in wach­sendem Maße auch durch nichttraditionelle Bedrohungen wie Um­weltzerstörung und Klimawandel. Diese Herausforderungen hat die nordkoreanische Führung erkannt. Sie verstärkt ihre Bemühungen, die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen, und reagiert damit auf ökologische, wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Es gibt etliche stichhaltige Gründe für Nordkorea, sich in diesen Fragen auch weiterhin mit relevanten Akteuren der internationalen Gemeinschaft zu enga­gieren. In erster Linie sind das die sich verschärfenden Proble­me für das Land infolge des Klimawandels, seine gerin­gen Fähigkeiten zu Mitigation und Adapta­tion, aber auch die Aus­sicht auf legale finanzielle Einnahmen und die Möglichkeit des Wissenstransfers. In poli­tischer Hin­sicht scheint jedoch der Zusam­menhang zwischen Klimawandel und Regimestabilität ein immer stärkeres Motiv für Pjöng­jangs Handeln zu sein. Der Klima­wandel kann die bereits bestehenden politischen und sozioökonomischen Her­aus­forderun­gen für Nordkorea weiter ver­stär­ken. Deshalb ist das Land einigen internatio­nalen Umweltabkommen bei­getreten und arbeitete im Umweltschutz intensiver mit anderen Ländern und inter­nationalen Orga­nisationen sowie NGOs zusammen. Die Regierung änderte nationa­le Gesetze, um der wachsenden Besorgnis der interna­tio­nalen Gemeinschaft über die glo­balen Um­welt­veränderungen Rechnung zu tragen.

Für die Konflikttransformation ergeben sich daraus eine Reihe von Kon­sequenzen. Erstens kommt es auf den kon­kreten Bereich an, in dem die Zusammenarbeit stattfindet. Umwelt als Themenfeld bietet einen ver­gleichs­weise entpolitisierten Raum für die Koope­ra­tion mit Nordkorea, denn das Land ist aus ureigener Motivation für Möglich­keiten der Umwelt­kooperation empfänglich, selbst in Zeiten von Spannungen mit der internationalen Gemeinschaft. Zweitens können NGOs und internationale Orga­nisationen grundsätzlich als Vermittler fun­gieren, um Konfliktparteien auch im Falle eskalierender Feindseligkeit einzubinden. Aller­dings erschweren finanzielle, politi­sche, strukturelle und institutionelle Pro­bleme eine langfristige Zusammenarbeit mit Nordkorea in Umweltfragen.

Diese sind zwar ein relativ neutrales Medium für den Dialog und eröffnen einige konstruktive Möglichkeiten für den Aufbau von Ver­trau­en zwischen Nordkorea und der internationalen Gemeinschaft. Gleichwohl führt die Förderung des Umweltschutzes in Nord­korea mit dem Ziel, den Konflikt zu trans­formieren oder sogar Frieden und Sicherheit zu schaffen, in ein Dilemma. Zunächst erfordert Umweltschutz in Entwicklungsländern, zu denen Nordkorea gehört, Unter­stützung durch die Industrie­länder. Diese aber sind nur dann bereit, Hilfe zu leisten, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen in dem Land grund­legend ändern. Darüber hinaus gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Nordkorea sein Engage­ment in Umweltfragen nicht nur von anderen Politikbereichen abtrennt, sondern eine klare Hierarchie zugunsten konventioneller Sicherheits­erwägungen geschaffen hat.

Zwar mögen unterschied­liche politische Interessen um den univer­sellen Wert der nachhaltigen Ent­wicklung konvergieren. Was Nordkorea betrifft, spricht indes vieles dafür, dass Frieden und Sicherheit Voraus­setzungen für mehr Engagement in Umwelt­fragen sind – und nicht umgekehrt.

Die internationale Gemeinschaft sollte dennoch an einer Trennung zwischen Um­welt- und Sicherheitsfragen festhalten und diesen Bereich so unideologisch wie mög­lich belassen. Schließlich liegt es auch im Interesse der internationalen Gemeinschaft, dass sich Nordkorea dem globalen Kampf gegen den Klimawandel sowie den welt­weiten Bemühungen um biologische Viel­falt und wirksames Küstenmanagement an­schließt. Nordkorea hat mannig­fache Motive dafür, selektiv in ver­schiedenen umwelt­relevanten Themen­­bereichen zu kooperieren. Diese Motive zu verstehen ist unverzichtbar für jene Staaten und internationalen Organisationen, die sich mit dem Land im Umweltbereich engagieren möchten.

Dr. Eric J. Ballbach ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien. Diese Publikation wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Korea Foundation.

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