Die Stabilität Nordkoreas zu wahren bildet eine ernste Herausforderung für die globale Sicherheit, besonders für die Sicherheit im indo-pazifischen Raum. Nicht nur strukturelle wirtschaftliche Probleme und das Risiko eines militärischen Konflikts gefährden diese Stabilität, sondern zunehmend auch nichttraditionelle Bedrohungen wie Umweltzerstörung und Klimawandel. Daher hat die nordkoreanische Führung ihre Aktivitäten zur Bekämpfung negativer Folgen dieser Entwicklungen verstärkt. Zwar bieten Umweltfragen als vergleichsweise entpolitisierter Bereich durchaus Möglichkeiten für ein konstruktives Engagement zwischen Nordkorea und der internationalen Gemeinschaft. Gleichwohl erschweren finanzielle, politische, strukturelle und institutionelle Probleme eine langfristige Kooperation. Deshalb erweist sich die Förderung des Umweltschutzes in Nordkorea zum Zwecke der Konflikttransformation als grundsätzliches Dilemma.
Nordkoreas Nuklear- und Raketenprogramm verschärft zusehends die sicherheitspolitische Lage auf der koreanischen Halbinsel. Angesichts dessen geraten nichttraditionelle Herausforderungen wie Umweltzerstörung und Klimawandel meist aus dem Blickfeld. Doch genau diese Entwicklungen bedrohen immer stärker Nordkoreas Stabilität, die für die Sicherheit im Indo-Pazifik und darüber hinaus entscheidend ist. Damit treten sie zu traditionellen Faktoren hinzu, etwa der Gefahr eines militärischen Konflikts oder eines wirtschaftlichen Kollapses. Nichttraditionelle Herausforderungen bringen, wie es in einem Bericht aus dem Jahr 2021 heißt, »eine Reihe von Stressfaktoren für die nordkoreanische Gesellschaft mit sich, welche die fragile Regierungsführung und Ressourcenbasis erschüttern und zu Instabilität und Konflikten führen könnten«. Die nordkoreanische Führung ist sich der vielfältigen Bedrohungen durchaus bewusst, die mit Klimawandel und Umweltzerstörung einhergehen. Sie umfassen negative Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Menschen, die Wasserressourcen des Landes, die nationale (Land-)Wirtschaft, die Wälder, das Ökosystem, die Küstensicherheit und die öffentliche Gesundheit. Für die nordkoreanischen Entscheidungsträger ist es daher außerordentlich wichtig, diese negativen Auswirkungen zu verringern. Hauptinstrumente dafür sind Mitigation, also vor allem die Reduktion von Treibhausgasen, und Adaptation, das heißt vielfältige Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Trotz der weitreichenden Entkopplung in (den meisten) anderen Politikbereichen arbeitet Nordkorea in puncto Kampf gegen den Klimawandel weiterhin mit der internationalen Gemeinschaft zusammen. Dies wirft eine Reihe von Fragen auf, etwa nach den Implikationen des Klimawandels für Nordkoreas Regierungsstruktur und politische Stabilität und nach Chancen und Herausforderungen im Hinblick auf ein stärkeres Engagement der internationalen Gemeinschaft mit Nordkorea in Sachen Klimawandelbekämpfung. Nicht zuletzt wäre angesichts der wachsenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel zu überlegen, ob die Zusammenarbeit mit Nordkorea im Umweltbereich als Instrument dienen könnte, den Konflikt mit dem Land im (sicherheits)politischen Bereich zumindest teilweise zu transformieren.
Die Auswirkungen des Klimawandels auf Nordkorea
Nordkorea sieht sich mit zahlreichen Umweltproblemen konfrontiert. Sie reichen von Bodenerosion, Verdichtung und Versauerung infolge nicht nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken bis hin zu starker Abhängigkeit von Kohle für die Stromerzeugung und industrielle Prozesse. Darüber hinaus gibt es Anzeichen für eine von Nachbarländern ausgehende Umweltzerstörung in Nordkorea durch grenzüberschreitende Schäden, etwa saurer Regen, der durch Luftschadstoffe aus China befördert wird. Naturkatastrophen als Folge des Klimawandels, darunter Dürren, Taifune und Überschwemmungen, kommen regelmäßig vor. Schon 2013 war dem Klima-Risiko-Index der deutschen Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch zu entnehmen, dass Nordkorea im Zeitraum zwischen 1992 und 2011 von 179 Ländern am siebthäufigsten mit klimabedingten Extremwetterereignissen zu kämpfen hatte. Zwischen 1995 und 2020 wurden dort nur in vier Jahren keine größeren Hochwasserereignisse verzeichnet (2001, 2008, 2009 und 2017). 2019 war Nordkorea das am stärksten von Taifunen in Mitleidenschaft gezogene Land in ganz Asien. Allein in jenem Jahr waren 10,1 Millionen Menschen, also vier von zehn Nordkoreanern, von Stürmen betroffen. Im Jahr 2020, als viele Provinzen unter den heftigsten Niederschlägen seit vier Jahrzehnten litten, wurde Nordkorea binnen nur drei Wochen von drei großen Taifunen heimgesucht. Das hat die Nahrungsmittelknappheit weiter verschärft und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen veranlasst, Nordkorea auf die Liste jener 45 Länder zu setzen, die 2020 besonders dringend Nahrungsmittelhilfe von außen benötigten. Die Taifune in Nordkorea verursachten nicht nur geringere Ernteerträge, sondern auch große Schäden in der Infrastruktur des Landes. Tausende Häuser wurden zerstört, viele Menschen vertrieben. Szenarien legen nahe, dass diese negativen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels weiter zunehmen werden, da der Anstieg des Meeresspiegels und das häufigere Auftreten extremer Temperaturen und Niederschläge mehr verheerende Überschwemmungen, Erdrutsche und Dürren nach sich ziehen dürften. Das nordkoreanische Ministerium für Land- und Umweltschutz (MoLEP) geht davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in Nordkorea, die sich von 1918 bis 2000 um 1,9°C erhöht hat, bis zum Jahr 2050 um 4,7°C gegenüber 1918 gestiegen sein wird. Längerfristige Klimaveränderungen werden die landwirtschaftliche Produktivität weiter beeinträchtigen und das Risiko des Auftretens von Schädlingen und Krankheiten vergrößern. Überschwemmungen an den Küsten und das Eindringen von Salzwasser werden die Verfügbarkeit von Süßwasserressourcen vermindern.
All dies hat die Führung in Pjöngjang sehr wohl zur Kenntnis genommen und beispielsweise schon 2012 im Environment and Climate Change Outlook ausführlich dargestellt. Dort heißt es, »dass der Klimawandel die bestehenden Belastungen für natürliche und menschliche Systeme infolge veränderter Temperatur- und Niederschlagsmuster sowie des Meeresspiegelanstiegs verschärfen wird«.
Zwar hat Nordkorea nur unwesentlich zum Gesamtanstieg der weltweiten Treibhausgasemissionen beigetragen und zählte sogar zu den wenigen Ländern, die ihre Emissionen in den 1990er Jahren gegenüber den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich reduziert haben. Doch dieser Rückgang war nicht das Ergebnis erfolgreicher (klima)politischer Maßnahmen. Vielmehr war er auf die systemische Wirtschaftskrise des Landes in den 1990er Jahren zurückzuführen, die sich nicht nur in einem Güter-, Finanz- und Lebensmittelmangel, sondern vor allem in Energieknappheit ausdrückte. Während der 2000er Jahre hingegen hatten der steigende Energieverbrauch und die wachsende Abhängigkeit von Kohle zur Folge, dass auch die Kohlendioxidemissionen spürbar in die Höhe gingen. 2020 lagen sie bei rund 116 Millionen Tonnen und waren damit fast doppelt so hoch wie im Jahr 2000. Bis 2030 werden sie voraussichtlich 218 Millionen Tonnen betragen. Insgesamt entfallen rund 90% des nationalen Treibhausgasausstoßes auf den Energiesektor, der in erheblichem Maße auf Kohle und andere fossile Brennstoffe angewiesen ist.
Nordkoreas Klimapolitik zwischen Mitigation und Adaptation
Mitigation und Adaptation werden im Allgemeinen als die beiden grundlegenden Strategien zur Bewältigung des Klimawandels angesehen. Mitigation soll helfen, dessen negative Auswirkungen zu begrenzen, indem Treibhausgasemissionen verringert sowie verstärkt saubere und erneuerbare Energieressourcen genutzt werden. Adaptation bedeutet, die Folgen des Klimawandels durch ein breites Spektrum an systemspezifischen Maßnahmen zu mindern.
Mitigation
Angesichts der komplexen Situation Nordkoreas war Mitigation immer eine schwierige politische Option. Lange schien sie in keiner der wichtigsten Klimaschutzmaßnahmen des Landes eine zentrale Rolle zu spielen. Zu den von Nordkorea selbst eingeräumten Defiziten der eigenen Klimaschutzstrategie zählen unter anderem ein Mangel an finanziellen Mitteln und Fachleuten, unzulängliche Koordinierung zwischen den Beteiligten, ein unklarer institutioneller Rahmen für die Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen sowie unzureichende rechtliche und institutionelle Rahmenbedingungen für die Förderung von Energieeffizienz und erneuerbaren Energien. Nordkoreas Mitigationsstrategie konzentriert sich daher auf Modernisierungs-, Verbesserungs- und Kapazitätsaufbaumaßnahmen, um mehr Effizienz und Nachhaltigkeit in verschiedenen Sektoren zu erzielen. Eine herausragende Rolle spielt dabei die Nutzung und Verbreitung erneuerbarer Energien. Nordkorea hat deutlich sein Interesse bekundet, Technologien für erneuerbare Energien einzuführen und dafür Investitionen einzuwerben, auch um die systembedingte Energieknappheit zu überwinden. In offiziellen Statements wird ausdrücklich dazu aufgerufen, stärker auf erneuerbare Energietechnologien wie Solar- und Windenergie, Wasserkraft und Biomasse zu setzen. Nordkoreas nationaler Entwicklungsplan für den Energiesektor hat zum Ziel, den Anteil der vor Ort erzeugten erneuerbaren Energien am Gesamtanteil der Energieversorgung merklich zu erhöhen. Im Gegensatz zur zentralisierten Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen können erneuerbare Energiequellen nämlich lokal skaliert werden, also besser auf die häuslichen und kommunalen Systeme zur Nutzung erneuerbarer Energien ausgelegt werden. Das reduziert letztlich auch die Vorlaufkosten.
Adaptation
Die meisten Maßnahmen, die Nordkorea mit oder ohne ausländische Hilfe oder Unterstützung gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels ergreift, können als Adaptationsmaßnahmen eingestuft werden. Sie konzentrieren sich darauf, direkte Schäden durch Naturkatastrophen infolge extremer Wetterereignisse zu minimieren, die geschädigten natürlichen Systeme wiederherzustellen, Nahrungsmittelknappheit zu bewältigen, Wassermanagement zu betreiben und – in jüngster Zeit – für mehr Kapazitäten im Katastrophenmanagement zu sorgen. Gleichwohl halten sich die Adaptationsfähigkeiten des Landes in engen Grenzen. Defizite sind beispielsweise die mangelnde Ausstattung von Forschungseinrichtungen in puncto Adaptation an den Klimawandel, unzureichende Basisdaten und fehlende Mittel für das Katastrophenmanagement. Äußerst begrenzt sind auch die Handlungsspielräume für transparente Investitionen in nachhaltige Entwicklungsmöglichkeiten. So hat Nordkorea etwa im Gegensatz zu einer Reihe anderer Nicht-Annex-1-Parteien des Rahmenabkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) nicht davon profitiert, dass es immer mehr internationale Unterstützung dafür gibt, Technologietransfer zu fördern, Kapazitäten aufzubauen und Strategien für bessere Mitigation und Adaptation zu entwickeln.
Dennoch hat die nordkoreanische Regierung einige substantielle Maßnahmen ergriffen, die helfen könnten, seine Adaptationsfähigkeit zu erhöhen. So haben die staatlichen Medien ihre Berichterstattung über verschiedenste Aspekte des Klimawandels sukzessive ausgeweitet. Regelmäßig berichten sie sowohl über Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die globale Erwärmung als auch über deren negative Auswirkungen auf Nordkorea und dessen politische Optionen in diesem Kontext. Die Effekte des Klimawandels wurden in die Lehrpläne der Grund- und Sekundarschulen aufgenommen, während an den Universitäten und Hochschulen Lehrveranstaltungen zur Eindämmung des Klimawandels sowie zu Anpassung und Frühwarnung stattfinden. Darüber hinaus wurden öffentliche Sensibilisierungs- und Aufklärungskampagnen hinsichtlich notwendiger Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels durchgeführt. Nach den Taifunen im Jahr 2020 beispielsweise lancierten Beamte der Arbeiterpartei eine intensive, an die breite Öffentlichkeit gerichtete Informationskampagne und leiteten nach eigenem Bekunden »sofortige und gründliche Maßnahmen« zur Bewältigung der Krise ein. Staatschef Kim Jong Un berief eine erweiterte Sitzung des Exekutivrats des Zentralkomitees der Arbeiterpartei ein. Dieser sollte eine umfassendere Kampagne organisieren, um die Folgen der Naturkatastrophen in den Griff zu bekommen. Bei seinem Besuch in den Katastrophengebieten betonte Kim Jong Un, wie wichtig es sei, Ursachen und Effekte solcher klimabedingter Krisen zu untersuchen.
Unübersehbar ist, dass Kim Jong Un die Bedeutung vor allem von Adaptationsmaßnahmen als Reaktion auf den Klimawandel stärker in den Vordergrund stellt. Schon kurz nach seinem Machtantritt veröffentlichte er im Mai 2012 eine Abhandlung, deren Schwerpunkt der Aufbau nationaler Kapazitäten für Adaptationsmaßnahmen bildete. Konkret ging es etwa darum, Deiche zu errichten, damit kein Ackerland verlorengehe, um Aufforstung und um Initiativen zur Wasserbewirtschaftung, mit deren Hilfe Überschwemmungs- und Dürreschäden verhindert werden sollten. Landmanagement und Umweltschutz beschrieb der Staatschef als »landesweites und von allen Menschen getragenes Projekt«. Diese frühe Abhandlung Kim Jong Uns wird gemeinhin als Ausdruck seines politischen Willens gedeutet, Herausforderungen klimabedingter Naturkatastrophen präventiv entgegenzuwirken.
Spielraum für einen »environmental peacebuilding approach« mit Nordkorea
Nicht nur erkennt Nordkorea die negativen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung auf Bevölkerung, Infrastruktur und Wirtschaft an. Die Führung in Pjöngjang wertet sie auch zunehmend als potentielle (politische) Bedrohung für die Stabilität des Regimes. Daher hat sie ihre Gegenmaßnahmen sukzessive verstärkt. Obwohl das Land während der selbstauferlegten Abriegelung nach dem Ausbruch der weltweiten Covid-19-Pandemie weitgehend isoliert war, engagierte es sich umweltpolitisch nach wie vor in der internationalen Gemeinschaft. Beispielsweise nahm Nordkorea weiterhin an den jährlichen Klimakonferenzen (COP) teil, die im Kontext des UNFCCC stattfinden. Dies wirft die Frage auf, ob es Raum für ein verstärktes Engagement mit Nordkorea in Umweltfragen gibt. Die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel wachsen, und es ist notwendiger denn je, Nordkorea in stabile Strukturen internationaler Kooperation einzubinden. Beobachter haben daher die Überlegung ins Spiel gebracht, alternative, weniger sensible Kooperationsmöglichkeiten mit Nordkorea zu suchen, allen voran im Umweltbereich. Damit verbunden ist die Hoffnung auf Vertrauensbildung und konstruktiven Austausch sowie letztlich einen Spillover-Effekt auf andere, möglicherweise sensiblere Politikbereiche.
Umweltkooperation als Instrument zur Konflikttransformation
Die Idee, Umweltkooperation als Instrument der Konfliktbewältigung zu nutzen, tauchte in den 1990er Jahren auf, als die ersten Analysen zur Umweltkooperation in Konfliktgebieten erschienen. Bald gelangte die Idee auf die Tagesordnung internationaler Organisationen wie der OSZE, der EU, des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) sowie internationaler Umweltagenturen und vieler Nichtregierungsorganisationen (NGOs).
Nach Ansicht der Befürworter eignen sich Umweltthemen besonders gut für die Konflikttransformation, da in der Regel gemeinsames, grenzüberschreitendes Handeln nötig ist, um Umweltherausforderungen zu bewältigen. Da Umweltfragen komplex sind, müssen sie oft auf innovative und unkonventionelle Weise angegangen werden – und dies erfordert gemeinhin Dialog. Umweltfragen sind daher eines der wenigen Themen, bei denen der Dialog zwischen ansonsten verfeindeten Staaten oft auch in Zeiten politischer Konflikte aufrechterhalten wird. Außerdem, so die Befürworter, kann die umweltpolitische Zusammenarbeit die Vertrauensbildung fördern, die wiederum für den politischen Dialog unerlässlich ist – und so Brücken zwischen den Parteien bauen. Demnach kann die Umweltkooperation zwischen verfeindeten Parteien über vier Hauptwege zu friedlicheren Beziehungen zwischen Staaten führen: Erstens kann sie die Umweltsituation verbessern und damit ökologische Missstände beseitigen, Umweltkonflikte entschärfen und für bessere Lebensgrundlagen sorgen. Zweitens kann Kooperation mehr Vertrauen und Verständnis erzeugen, indem sie Gegner zu gemeinsamer Arbeit ermutigt und Chancen für Interaktionen zum beiderseitigen Vorteil eröffnet. Drittens offenbart Umweltzusammenarbeit die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen verschiedenen Parteien. Das kann Ausgangspunkte für Kooperation in weiteren Feldern bieten, etwa wenn gemeinsames Hochwassermanagement dazu anregt, auch bei Stromversorgung oder Fischerei an einem Strang zu ziehen. Auf diese Weise ließe sich die gegenseitige Abhängigkeit erhöhen und so der Kooperationsgedanke fördern. Viertens schließlich kann Zusammenarbeit im Umweltbereich den Aufbau von Institutionen erleichtern, die als Foren für Konfliktlösung und Dialog dienen können.
Umweltkooperation kann also das Potential haben, regionale und internationale Probleme positiv zu beeinflussen, denn sie hilft den Beteiligten, kooperative Normen zu verinnerlichen, gemeinsame regionale Interessen zu entwickeln, transnationale Kommunikation zu kanalisieren und zu etablieren sowie die Akzeptanz von Gewaltanwendung zu verringern. Umweltthemen gelten in der Regel als weniger sensibel und politisiert. In den Augen der Befürworter eines »environmental peacebuilding«-Ansatzes kann dies längerfristig zur Konflikttransformation beitragen sowie Bedrohungen und Unsicherheiten entschärfen helfen.
Begrenztes Potential für Konflikttransformation mit Nordkorea
Das weite Feld der Klimapolitik ist einer der wenigen Politikbereiche, in denen Vertreter der internationalen Gemeinschaft ohne Groll oder ideologische Vorbehalte mit den Nordkoreanern sprechen können, wie es ein hochrangiger westlicher Diplomat formuliert hat. Freilich existieren starke Anreize und ein unmittelbares Interesse daran, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern. Gewichtige Argumente sprechen jedoch dagegen, dass Konflikttransformation mit Nordkorea durch einen »environmental peacebuilding«-Ansatz gelingen kann.
Deutliche Priorisierung traditioneller Sicherheitsbelange
Nordkorea nimmt die Bedrohung durch nichtkonventionelle Sicherheitsprobleme wie den Klimawandel ernst und hat erkannt, dass sie sogar die Stabilität des Regimes gefährden. Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass die Entscheidungsträger in Pjöngjang traditionellen Sicherheitserwägungen in ihrem strategischen Gesamtkalkül eindeutig Vorrang geben. Abzulesen ist dies nicht zuletzt am beträchtlichen Ungleichgewicht zwischen den Ausgaben für konventionelle Waffen und den Investitionen zur Bekämpfung von Umweltproblemen. Besonders Pjöngjangs Entscheidung für einen landesweiten Lockdown seit Anfang 2020, der die Arbeit internationaler Organisationen und NGOs in und mit Nordkorea weiter verkompliziert und teils sogar unmöglich gemacht hat, zeigt deutlich, dass nichttraditionelle Herausforderungen etwa in Gestalt des Klimawandels nach wie vor von traditionellen Sicherheitsaspekten überlagert werden.
Geopolitische Lage als erschwerender Faktor
Die sich verändernde geopolitische Lage in Ostasien macht auch ein intensiveres Engagement mit Nordkorea auf zwischenstaatlicher Ebene schwieriger. Bewirkt haben dies die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft und die von Nordkorea selbst verhängte nationale Abschottung als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie. Beides hat die wirtschaftlichen Zwänge Nordkoreas weiter verschärft und das Engagement der internationalen Gemeinschaft in und mit Nordkorea zusätzlich erschwert – selbst in nichtsensiblen Themenbereichen. So genehmigte etwa der Green Climate Fund im Dezember 2019 seine erste Finanzierungsrunde für ein Projekt, das Nordkorea bei der Bewältigung des Klimawandels unterstützen soll. Doch der Sanktionsausschuss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen lehnte den Antrag auf Befreiung von den Sanktionen ab, und die Zahlung der Bereitschaftshilfe wurde ausgesetzt. Nordkoreas selbstauferlegte nationale Abriegelung seit Anfang 2020 hatte dann zur Folge, dass die Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft erlahmte. Wichtige Institutionen und NGOs, etwa das Länderbüro der Vereinten Nationen, wanderten deshalb aus Nordkorea ab.
Strukturelle Herausforderungen als Hindernis für mehr Zusammenarbeit
Zwar hat Nordkorea die rechtlichen und institutionellen Grundlagen für den Kampf gegen den Klimawandel geschaffen. Allerdings behindern die begrenzten finanziellen und institutionellen Kapazitäten des Landes die Ausweitung des internationalen Engagements. Wohl gibt es gezielte Initiativen, einige der institutionellen Einschränkungen anzugehen, indes mit mäßigem Erfolg. Der Finanzmangel zählt zu den größten strukturellen Herausforderungen und beeinträchtigt das Engagement Nordkoreas mit der internationalen Gemeinschaft in vielfältiger Weise. Zudem verhindert Nordkoreas extrem negativer Ruf aufgrund seines Kernwaffen- und Raketenprogramms, dass das Land in den Genuss internationaler Förderung für Schadensbegrenzung und Anpassung kommt. Ferner sind Nordkoreas Umweltprobleme zu einem großen Teil auf die inhärenten Ineffizienzen seines sozialistischen Systems zurückzuführen. Die Zerstörung des Landes, der Natur und des Ökosystems ist auch das Ergebnis politischer Versäumnisse. Eine wirksame Bekämpfung des Klimawandels in Nordkorea erfordert daher weitreichende politische Veränderungen.
Spillover-Effekt wenig wahrscheinlich
Beobachter gehen davon aus, dass der Austausch mit Nordkorea im Umweltbereich und besonders beim Klimawandel schrittweise Vertrauen zwischen den beteiligten Parteien schaffen und schließlich positiven Einfluss auf die Kooperation mit Nordkorea auf der Ebene politischer Themen haben könnte (spillover). So stellte ein Beobachter fest, dass »die innerkoreanische Zusammenarbeit beim Klimawandel, einem Thema mit geringer politischer Bedeutung, dazu beitragen könnte, die Spannungen aufgrund der nuklearen Drohungen Nordkoreas zu entschärfen und tatsächliche Fortschritte im Prozess der Vertrauensbildung auf der koreanischen Halbinsel zu erzielen«. Es gibt jedoch eindeutige Belege dafür, dass Nordkorea sein Engagement in Umweltfragen nicht nur von anderen Politikbereichen abgrenzt, sondern eine klare Hierarchie zugunsten konventioneller Sicherheitsüberlegungen aufgestellt hat.
Fazit
Für die globale Sicherheit und vornehmlich jene im indo-pazifischen Raum hätte es unabsehbare Konsequenzen, wenn Nordkoreas Stabilität erodierte. Gefährdet ist diese nicht nur durch strukturelle wirtschaftliche Probleme und das Risiko eines militärischen Konflikts, sondern in wachsendem Maße auch durch nichttraditionelle Bedrohungen wie Umweltzerstörung und Klimawandel. Diese Herausforderungen hat die nordkoreanische Führung erkannt. Sie verstärkt ihre Bemühungen, die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen, und reagiert damit auf ökologische, wirtschaftliche und politische Entwicklungen. Es gibt etliche stichhaltige Gründe für Nordkorea, sich in diesen Fragen auch weiterhin mit relevanten Akteuren der internationalen Gemeinschaft zu engagieren. In erster Linie sind das die sich verschärfenden Probleme für das Land infolge des Klimawandels, seine geringen Fähigkeiten zu Mitigation und Adaptation, aber auch die Aussicht auf legale finanzielle Einnahmen und die Möglichkeit des Wissenstransfers. In politischer Hinsicht scheint jedoch der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Regimestabilität ein immer stärkeres Motiv für Pjöngjangs Handeln zu sein. Der Klimawandel kann die bereits bestehenden politischen und sozioökonomischen Herausforderungen für Nordkorea weiter verstärken. Deshalb ist das Land einigen internationalen Umweltabkommen beigetreten und arbeitete im Umweltschutz intensiver mit anderen Ländern und internationalen Organisationen sowie NGOs zusammen. Die Regierung änderte nationale Gesetze, um der wachsenden Besorgnis der internationalen Gemeinschaft über die globalen Umweltveränderungen Rechnung zu tragen.
Für die Konflikttransformation ergeben sich daraus eine Reihe von Konsequenzen. Erstens kommt es auf den konkreten Bereich an, in dem die Zusammenarbeit stattfindet. Umwelt als Themenfeld bietet einen vergleichsweise entpolitisierten Raum für die Kooperation mit Nordkorea, denn das Land ist aus ureigener Motivation für Möglichkeiten der Umweltkooperation empfänglich, selbst in Zeiten von Spannungen mit der internationalen Gemeinschaft. Zweitens können NGOs und internationale Organisationen grundsätzlich als Vermittler fungieren, um Konfliktparteien auch im Falle eskalierender Feindseligkeit einzubinden. Allerdings erschweren finanzielle, politische, strukturelle und institutionelle Probleme eine langfristige Zusammenarbeit mit Nordkorea in Umweltfragen.
Diese sind zwar ein relativ neutrales Medium für den Dialog und eröffnen einige konstruktive Möglichkeiten für den Aufbau von Vertrauen zwischen Nordkorea und der internationalen Gemeinschaft. Gleichwohl führt die Förderung des Umweltschutzes in Nordkorea mit dem Ziel, den Konflikt zu transformieren oder sogar Frieden und Sicherheit zu schaffen, in ein Dilemma. Zunächst erfordert Umweltschutz in Entwicklungsländern, zu denen Nordkorea gehört, Unterstützung durch die Industrieländer. Diese aber sind nur dann bereit, Hilfe zu leisten, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen in dem Land grundlegend ändern. Darüber hinaus gibt es deutliche Hinweise darauf, dass Nordkorea sein Engagement in Umweltfragen nicht nur von anderen Politikbereichen abtrennt, sondern eine klare Hierarchie zugunsten konventioneller Sicherheitserwägungen geschaffen hat.
Zwar mögen unterschiedliche politische Interessen um den universellen Wert der nachhaltigen Entwicklung konvergieren. Was Nordkorea betrifft, spricht indes vieles dafür, dass Frieden und Sicherheit Voraussetzungen für mehr Engagement in Umweltfragen sind – und nicht umgekehrt.
Die internationale Gemeinschaft sollte dennoch an einer Trennung zwischen Umwelt- und Sicherheitsfragen festhalten und diesen Bereich so unideologisch wie möglich belassen. Schließlich liegt es auch im Interesse der internationalen Gemeinschaft, dass sich Nordkorea dem globalen Kampf gegen den Klimawandel sowie den weltweiten Bemühungen um biologische Vielfalt und wirksames Küstenmanagement anschließt. Nordkorea hat mannigfache Motive dafür, selektiv in verschiedenen umweltrelevanten Themenbereichen zu kooperieren. Diese Motive zu verstehen ist unverzichtbar für jene Staaten und internationalen Organisationen, die sich mit dem Land im Umweltbereich engagieren möchten.
Dr. Eric J. Ballbach ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Asien. Diese Publikation wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung der Korea Foundation.
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DOI: 10.18449/2024A04